Ludwig Bechstein - Götzens Turm.

Die Stadt Heilbronn hat ihren Namen vor grauen Zeiten von den heilsamen Wasserquellen erhalten, die Kaiser Karl der Große selbst entdeckt haben soll. Nach alten Urkunden ward der Name Heilicobrunn im neunten Jahrhundert einer Königspfalz allda zuteil, deren Grundbau in einem Haus am Markt noch erkenntlich sein soll. Nach der Sage ist der schönste Brunnen in der St. Kilianskirche, und unterm Hochaltar hört man noch den Siebenrohrbrunnen rauschen, dessen Röhren längst versiegten; am hohen Kirchturm aber ist gar wunderliches, phantastisches Bildwerk in Stein gehauen, Menschen, die im Schatten ihres einen großen Fußes ruhen, Menschen mit Augen auf der Brust, ohne Kopf, und sonstiges abenteuerliches Gebilde mehr.

Dort zu Heilbronn steht an der Mauer, hart am Zwinger, ein viereckiger Turm, der heißt Götzens Turm, darum, weil der biedere Ritter Götz von Berlichingen einige Zeit darin gefangengehalten wurde. Dies war ihm darum widerfahren, weil er treulich zu seinem Herzog Ulrich hielt, den seine Untertanen genötigt hatten, landflüchtig zu werden. Aber der tapfere Ritter wurde von dem schwäbischen Bunde zu Möckmühl gefangengenommen und in die Herberge zu Heilbronn geschleppt. Da sollte Götz dem Bunde Urfehde schwören, das heißt schwören und geloben, gegen ihn keine Waffen zu tragen, erlittene Unbill und Verstrickung nimmer zu rächen, das Land zu meiden, aller Orten und Enden aber auf jede an ihn ergehende Vorladung des Bundes sich zur Haft und zum Verhör zu stellen. Solches alles hatte eine Urfehde auf sich, die jeder, der sie beschwor, noch dazu mit seinem adeligen Wappen besiegeln mußte. Götz tat's aber nicht, schlug das Begehren stracks ab und sagte: »Da will ich eher ein Jahr im Turme liegen.« – Da schickten sie die Weinschröter, die sollten Götzen anfassen, doch da zog Götz vom Leder und zückte seine Wehre, die ihm gelassen war; da schnappten die Küfer wieder hinter sich und baten, nur die Klinge wieder einzustecken, sie wollten ihn nicht weiter führen als auf das Rathaus. Vom Rathans aber ward er doch in den Turm geführt und mußte eine Nacht darin liegen, vom Pfingstabend bis auf den Pfingstmontag. Danach kam ihm Hilfe zu von seinen Freunden, Herrn Franziskus von Sickingen und Georg von Frundsberg, die erwirkten ihm ehrliche Haft, die währte bis ins vierte Jahr, da löste er sich mit zweitausend Goldgulden. Das war jedoch noch lange nicht so viel Lösegeld, als der biedere Götz dem Grafen Philipp II. zu Waldeck abnahm, als er ihm unterhalb der Wetterburg aufgelauert hatte und die Raubwölfe seine lieben Gesellen nannte.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Sagen und Geschichten aus deutschen Gauen