Ludwig Bechstein - Der Ziegel vom Waldstein.

Die schönste Ruine auf und zwischen den ungeheuern Felsenriesen im Fichtelgebirge ist der WaIdstein, ehemals ein Sitz der Herren von Sparneck, die ringsum ihre Spartöpfe hatten, in denen sie fremder Leute Geld aufhoben, bis ihrem Treiben ein Ende mit Schrecken gemacht ward.

Ein alter Taglöhner hieb einstmals Holz ganz nahe beim alten Gemäuer, das von der Burg Waldstein noch übrig ist, da trat zu ihm ein kleines Männlein, das war gar freundlich und reichte ihm einen Ziegelstein, indem es dem Manne durch Gebärden zu verstehen gab, den Ziegel mit nach Haufe zu nehmen. Der Holzhauer war verdutzt und stand wie Butter an der Sonne; er sperrte das Maul auf und die Augen, drehte den Stein langsam in der Hand und beguckte ihn, und es fiel ihm endlich die große Frage ein: »Warum soll ich den Backstein mit nach Hause nehmen?« Und da sein hausbackener Verstand zu deren Beantwortung nicht ausreichte, so wollte er diese Frage an den Geber richten. Aber siehe da – das Männlein war verschwunden. Noch einmal wandte der Holzhauer den Backstein um und um und murmelte: »Wenn's ein Backsteinkäs wäre, ließ ich mir's eher gefallen. Aber so schmiert man sich Hand und Gewand an dem Dingrich rot und hat nichts davon, geh mir einer mit solchen Narrenspossen!« – Und damit warf er den Ziegel in die Büsche. Als er nach Hause kam, schrie ihn seine Frau ganz verwundert an: »Jo Mo! Du gleißest jo schier wie a Speckschwart'n! Host dich öpper im Feuer vergulden lassen?« – Und da war aller Ziegelstaub, der an den Händen und Kleidern haften geblieben war, purer Goldstaub. Hui, wie fix war jetzt der Holzhauer, wie lief er wieder zum Waldstein hinauf! Wie suchte er im Gebüsch bis in die sinkende Nacht nach dem goldenen Ziegel! – aber Prosit die Mahlzeit, er fand ihn nimmer.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Sagen und Geschichten aus deutschen Gauen