Heinrich Hermann Adolf Fick - Der Rüde an der Wupper.

Nicht weit von Solingen liegt an einer der schönsten Stellen des Wuppertales in der Gemeinde Höhscheid die Ortschaft Rüden. Laß dir erzählen, woher der Name kommt!

Es war in der Christwoche des Jahres 1424, da rief das Hifthorn des Herzogs Adolf die bergischen Ritter zur Jagd hinaus in den Wald. Ein herrlicher Wintertag war's. Dicht lag der Schnee, die helle Wintersonne spiegelte sich in den Eiszapfen, die an den Bäumen hingen, daß sie glänzten und glitzerten gleich tausend und abertausend Diamanten. Die Jagd war ergiebig, und der laute Ruf der Jäger klang jubelnd aus den Gründen wider.


Als indes am Abend die Ritter und Knappen zu gemeinsamer Heimkehr sich zusammenfanden, fehlte Robert, der Sohn des Herzogs. Lauter und lauter erklang der Hornruf zum Sammeln, allein vergebens, des Herzogs Sohn blieb fern, und die Jäger mußten ohne ihn den Heimweg antreten.

Nicht fern vom Wupperhofe jedoch, dort, wo sich die Berge steil erheben, stürzt plötzlich aus dem Dickicht der Hund des Prinzen hervor. Er umkreist die Ritter mit kläglichem Gebell, eilt zurück, kommt wieder, zerrt an ihren Kleidern und gibt auf jede mögliche Weise zu verstehen, daß sie ihm folgen möchten. Die Ritter fürchteten zuerst, der Hund sei toll geworden und wollten ihn töten. Der alte Heinrich von Horst aber rief: »Nein, nein, der Rüde ist nicht toll! Kommt, laßt uns ihm folgen! Mir ahnt, daß seinen Herrn ein schweres Unglück getroffen hat!« Mit diesen Worten drangen sie seitwärts durch das Gestrüpp, woher der Hund gekommen war. Dieser sprang den Jägern voran und führte sie laut bellend dorthin, wo der Fels zur Tiefe abfällt. In gewaltigen Sätzen stürzte er hier, den ihm folgenden Männern weit voraus, den steilen Abhang hinunter.

Als die Ritter auf Umwegen in das Tal gelangten, fanden sie am Fuße des Felsens den Prinzen schwer verwundet am Boden liegen. Er war bei der Verfolgung eines Hirsches den jähen Abhang hinabgestürzt. Unter ihm lag zerschmettert sein Roß und neben ihm sein Rüde, der seine Wunden leckte und mit seinem heißen Atem den Halberstarrten wärmte. So ward durch die Treue seines Hundes der Fürstensohn vom sichern Tode gerettet.

Als er unter der sorgfältigen Pflege der Seinigen genesen war, ließ er hoch oben auf dem Felsen einen riesengroßen Rüden aus Stein aufstellen, damit alle, die vorübergingen, des treuen Tieres gedenken möchten.

»Längst stürzt' der Stein des Danks hinab die Felsenwand,
Doch heißt noch heut am Rüden die Stelle, wo er stand.«

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Sagen und Geschichten aus deutschen Gauen