Berger - Die Walpurgisnacht auf dem Blocksberg.

Wenn der Monat April mit seinen Schneeschauern und letzten Resten des Winters vorüber ist, in der Nacht vom letzten April zum ersten Mai (Walpurgisnacht), eilen von allen Seiten und Richtungen die Hexen zum Blocksberg. Da ist ein großes Gedränge, und weil es der Eile bedarf, so tragen sie die Füße nicht schnell genug; sie kommen also durch die Luft zum Berge herangezogen, von oben und auch von unten, auf Ofen- und Heugabeln, Streichbesen und Ziegenböcken, aus dem Walde und hinter den Bergen hervor. Wahrscheinlich führen sie die Ofengabeln, um das Feuer anzuschüren, die Streichbesen aber, um den Schnee wegzukehren, der am ersten Mai den Brocken noch bedeckt. Wie schwarze Wolken verdunkelt ihre Schar noch mehr die dunkle Nacht. Die Luft selbst wird unruhig und jagt im Wirbelwinde das Gewölk von Berg und Tal. Bald flackert aber ein lustiges Feuer hoch empor. Der Teufel besteigt dann seine Kanzel und predigt vor der glänzenden Versammlung der Hexen und Zauberer. Diese führen nun um ihn einen wilden Tanz auf und schwingen hoch die flammenden Feuerbrände bis zur Ermattung. Währenddem hat der Teufel ihnen auf dem Hexenaltar ein Mahl bereitet, und aus dem Hexenbrunnen trinken sie. Wenn die Morgenröte sich naht, so verschwindet der Hexenspuk allmählich wieder, und wie die Hexen und Zauberer gekommen sind, so reiten sie wieder von dannen, und bald ist ihre Spur verloren.

So lautet im Munde des Volkes am Harz im allgemeinen die Sage, an die sich sagenhafte Berichte einzelner Personen anreihen, wie beispielsweise folgende:


Ein preußischer Soldat aus Wernigerode kam nach Flandern. Im Quartier wird er gefragt, wo er her sei. Er sagt: »Ich bin am Blocksberg zu Hause.« Da sagt jemand: »Nun, im Drübeckschen« (Ort am Harz) »ist ein Pfeiler, daran steht mein und meines Bruders Name. Wir hüteten als Jungen die Schafe und unterhielten uns oft, wie viele Hexen es in unserem Orte wohl geben möchte. Am Walpurgistag machten wir einen Kreis von Drachenschwanz oder Schlangenkraut, auch Hörnkenkraut genannt, um uns her. Um elf Uhr kamen die Hexen auf Besen und Heugabeln an, zuletzt aber fuhr unsere Nachbarin auf einem Fuder Heu ohne Pferde daher. ›Nawersche, nehmt uns midde‹ (Nachbarin, nehmt uns mit), riefen wir. ›Ja, Jungens, sett üch opp‹ (setzt euch auf), riefen sie. Das taten wir, nahmen aber den Kranz mit auf das Fuder und steckten ihn um uns her. ›Jungens,‹ sagte sie, ›nu sett üch wiß!‹ (fest). Und dann ging's davon, wie ein Vogel fliegt. Als wir wieder zur Besinnung kamen, waren wir auf einem hohen Berge, da waren große Feuer, um welche sich viele Gäste auf Gabeln und Ziegenböcken versammelt hatten; es wurde getanzt und war allda die schönste Musik. Einer, der Satan, hatte zwei große Hörner auf dem Kopfe, er ordnete die lustigsten Tänze an uud spielte darauf selbst mit. Die Alte war abgestiegen, wir Jungen aber zogen auf dem Heuwagen unsere Schalmei heraus und spielten auch mit. Nun kam der mit den Hörnern zu uns und sprach: ›Jungens, ihr könnt ja prächtig spielen; ich will euch ein besseres Instrument leihen.‹ Da warf er uns eine andere Schalmei in den Kreis; auf der spielte es sich ganz prächtig, und die alten Hexen sprangen so hoch wie die Stube vor Freude.

»Als wir nun so eine halbe Stunde gespielt hatten, winkte uns der Gehörnte, wir mußten einhalten, und alle knieten vor dem Hexenaltar. Dann nahm der Teufel aus dem Hexenbrunnen Wasser, goß zwei Eimer in das Hexenwaschbecken, darin sie sich alle waschen mußten, worauf er sie mit demselben Wasser besprengte. Darauf fing der Tanz von neuem an; doch um ein Uhr war alles verschwunden; wir Jungen saßen plötzlich in unserem Kranze von Kraut auf der platten Erde. Da kam der Anführer und fragte, was wir für unser Spiel haben wollten; wir aber baten nur um die Schalmei. ›Die sollt ihr behalten,‹ sagte er. Am andern Morgen jedoch sahen wir, daß es eine Katze war, das Mundstück war der Schwanz, den wir kurz und klein gekaut hatten. Jetzt gingen wir vom Blocksberg hinunter und kamen erst nach Drübeck, wo wir unsere Namen an die Säule schrieben. Meinen Bruder tötete die Hexe, weil er in unser Dorf zurückkehrte; ich aber hütete mich vor ihr und ging hierher.« – Die Säule hat mit den Namen im Kreuze zu Drübeck gestanden, bis dort ein großer Bau vorgenommen wurde, bei dem sie entfernt werden mußte.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Sagen und Geschichten aus deutschen Gauen