August Witzschel - Der im Berge schlafende Kaiser.

Von dem Kyffhäuser wissen die Leute in der Umgebung gar vielerlei zu erzählen. Die bekannteste Sage ist, daß wie Kaiser Karolus Magnus zu Nürnberg auf der Burg sich in einen sehr tiefen Brunnen verwünscht habe, so wohne Kaiser Friedrich, der Rotbart genannt, mit seinem Hofgesinde in dem Kyffhäuser. Er sitze darin auf einer Bank an einem Steintisch, halte den Kopf in die Hand gestützt und ruhe oder schlafe, dabei nicke er aber stets mit dem Kopfe und zwinkere mit den Augen, als ob er nicht recht schliefe oder bald wieder erwachen wolle; sein roter Bart sei ihm durch den Tisch hindurch bis auf die Füße gewachsen. Auch stehen die Leute in dem Glauben, daß derselbe vor dem jüngsten Tage wieder aufwachen und sein verlassenes Kaisertum aufs neue antreten und wieder bestätigen werde.

Wenn er dann hervorkomme, werde er seinen Schild hängen an einen dürren Baum, davon werde der Baum grünen und eine bessere Zeit werden. Andere sagen, sein Bart sei um den Tisch gewachsen, dergestalt, daß er dreimal um die Rundung des Tisches reichen muß bis zu seinem Aufwachen, jetzt aber geht er erst zweimal darum.


Einst pfiff ein Schäfer auf dem Kyffhäuser ein Liedchen. Das gefiel dem Kaifer so wohl, daß er den Schäfer durch einen Zwerg zu sich rufen und ihm aus Dankbarkeit von seinen reichen Schätzen, die in dem Berge vergraben sind, viel Gold geben ließ. Dabei fragte er den Schäfer, ob die Raben noch um den Berg flögen, und da dieser die Frage bejahte, sprach der Kaiser: »Nun muß ich hier noch hundert Jahre schlafen.«

Die Landleute in der Gegend sagen: »Solange die Raben den Kaiser-Friedrichsturm umflattern, so lange ist Kaiser Friedrich noch im Innern des Berges und beizt mit dem Falken; sobald aber diese Vögel wegbleiben, ist er erlöst und nicht mehr in dem Berge, sondern die Verwünschung hat ihr Ende erreicht, und der Kaiser ist nun im Himmelssaale.«

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Sagen und Geschichten aus deutschen Gauen