August Stöber - Kaiser Sigismund und die Straßburger Edelfrauen.

Sigismund, König von Ungarn und Böhmen, welcher den 21. Juli 1411 zu Frankfurt von den Kurfürsten auf den deutschen Kaiserthron erhoben wurde, hatte sich 1413 und 1414 die Gunst Straßburgs dadurch erworben, daß er ihr nicht nur das Recht, jährlich eine große Messe zu halten, bestätigte, sondern dieselbe auch vierzehn Tage vor und ebenso viele Tage nach Johannis verlegte, zudem erhöhte er auf ihr Begehren den Rheinzoll, was ebenfalls für sie von bedeutendem Gewinn war. Dafür empfing ihn auch die Stadt auf das glänzendste, als er von Italien zurückkehrend aus der Schweiz kam und durch den Rheingießen in ihre Mauer einfuhr.

Es geschah dies den 7. Juli 1414 abends. Sowie der Magistrat die Kunde erhielt, daß der Kaiser auf zwei Stunden von Straßburg entfernt war, ließ er mit allen Glocken läuten; zahlreiche Schiffe fuhren ihm entgegen und begleiteten ihn bis an die neue Brücke, wo er landete, zu Pferd stieg und von der ganzen Geistlichkeit, dem Adel, dem Magistrat und den Zünften mit lautem Jubel empfangen wurde. Vor ihm her und hinter ihm trug man Stangkerzen. Er ritt nun mit seinem zahlreichen Gefolge, in welchem sich auch Amadeus, Graf von Savoyen, der bei sechshundert Pferde mit sich führte, befand, dem Münster zu, und so groß war die Menschenmenge, welche sich auf dem Platze vor demselben versammelt hatte, daß er, wie Bernhard Herzog versichert, »vor dem getreng des Volcks nicht in das Münster kommen konnte, sondern in seine Herberge, den Lohnherrenhof, oder den jetzigen Luxhof in der Brandgasse begleitet wurde. Erst nach dem Nachtimbiß, nachdem die Menge sich verlaufen hatte, führte man ihn sodann in das Münster.«


Die Stadt schenkte dem Kaiser »drey fuder Weins, ein rottes und zwey weiß fuder, ein silbern übergült Gießfaß, zweihundert Gulden wehrt.«

Der Bischof, der Magistrat, die Bürgerschaft und der Adel stritten sich um die Ehre, dem Kaiser seinen Aufenthalt so angenehm als möglich zu machen.

Damals lag Bischof Wilhelm mit dem Domstifte und der Stadt in Streit, und Sigismund hatte während seines Verweilens in Straßburg vollauf zu tun, beide Teile von ihren Feindseligkeiten abzubringen und zur Aussöhnung zu bereden.

Ebenso dauerten die Zwistigkeiten, welche schon lange zwischen den beiden angesehenen adeligen Familien Zorn und Mühlnheim herrschten, noch immer fort und ließen unruhige Auftritte befürchten. Dies alles machte, daß der Magistrat an den Toren und auf den Türmen strenge Wacht zu halten befahl; auch ließ er durch zwei Scharen Kriegsleute von je sechzig Mann zu Pferd und hundert zu Fuß mit brennenden. Schwefelringen vor und hinter dem Zug jede Nacht die Straßen bewachen.

Allein ungeachtet dieser Spaltungen, die in der Stadt herrschten, und der Aufregung, welche dieselben mit sich brachten, war Sigismund heitern, manchmal sogar ausgelassenen Sinnes. Die schönen Frauen und Jungfrauen besonders hatten sich seiner Huld und Liebenswürdigkeit zu erfreuen.

Schon hatte sich der Kaiser auf dem Mühlstein, der Trinkstube derer von Mühlnheim, bei Gelag und Tanz weidlich vergnügt, als eine Deputation der Frauen der Zornschen Familie ihn für den folgenden Tag auf ihre Stube im Hohenstege einlud. Gerne, gab er ihnen scherzend zur Antwort, wolle er kommen, allein er wisse den Weg nicht, und sie müßten ihn Wohl abholen und dahin geleiten.

Diese Worte ließen sich die Edelfrauen nicht umsonst gefügt sein. Des folgenden Morgens, »zu Primen zeitt« (um sechs Uhr), pochte es plötzlich an des Kaisers Schlafzimmer in des Lohnherren Hofe. Sigismund erwachte davon, sprang auf und stand bald, nachdem er schnell einen Mantel um sich geworfen hatte, barfuß vor einer festlich geschmückten Schar von bei hundert der schönsten Frauen und Jungfrauen, die ihn, an sein gestern gegebenes Versprechen mahnend, einluden, ihnen zum Hohenstege zu folgen.

Der galante Kaiser empfing die Damen mit freundlichem Lächeln, und um sie nicht warten zu lassen, eilte er mit ihnen in dem Aufzuge, in welchem er sie eben empfangen, barfuß und mit dem leichten Mantel bedeckt, die Treppe hinab.

Beim Klange der Pfeifen und Trommeln bewegte sich der lustige Zug, der Kaiser voraus, umgeben von seinen lieblichen Begleiterinnen, singend und tanzend durch die Brandgasse und die Münstergasse zum Münster. In der benachbarten Korbergasse kauften die Frauen dem Kaiser ein Paar Schuhe »um 7 Creutzer«, zogen sie ihm an, hörten dann mit ihm die Frühmesse und brachten ihn endlich auf die Stube zum Hohenstege, wo er sich erst völlig ankleiden konnte.

Sieben Tage hatte Kaiser Sigismund in Strasburg zugebracht, in welchem damals ein außerordentlicher Zusammenlauf von Fremden war.

Beim Abschied schenkte der Kaiser den Frauen, welche ihn so gastlich empfangen hatten, zum Andenken hundertfünfzig goldene Fingerringe, so viel nämlich, als er damals in der Stadt aufkaufen lassen konnte. Da aber diese Zahl nicht hinreichte, um sie alle damit zu beglücken, so versprach er, die fehlenden nachzuschicken, was er auch getreulich hielt.

Die adeligen Frauen hatten, wie es scheint, so großes Wohlgefallen an dem galanten Kaiser gefunden, daß sie stets um ihn waren, wenn er nicht gerade in Geschäften war; sie hatten ihn noch zu Schiff, eine Meile weit unterhalb Straßburg, begleitet, und mit ihm auf einer grünen Au, wo man hielt, ein Abschiedsmahl genossen.

Seinerseits war ihnen aber auch der Kaiser noch lange nachher huldvoll und freundlich zugetan. Denn als Sigismund im Jahre 1416 in Angelegenheiten der Kirche nach Frankreich reiste und eben feit dem 1. März in Paris anwesend war, kam der Stadtschreiber von Straßburg, Ulrich Meiger von Wasenecke, am 3. desselbigen Monats zu ihm, um vor ihm, der Angelegenheiten mit dem Bischof wegen, im Namen der Stadt einen Vortrag zu tun. Nicht ohne Absicht gab Herr Meiger zuerst einen Brief ab, den die Straßburger Damen an den Kaiser geschrieben hatten. Sogleich wurde Sigismund heiter, ließ ihn den Brief laut vorlesen und bezeugte sein Wohlgefallen an demselben. Dann überreichte ihm der Stadtschreiber, ebenfalls in der Frauen Namen, eine reich verzierte goldene Kette, die sich Sigismund sogleich um den Hals hing. Hierauf ließ der Kaiser seine Gesellschaft in der Kammer tanzen und versprach, den Geberinnen aus England, wohin er sich begeben werde, allerlei hübsche Dinge zu schicken oder selbst zu überbringen. Jedermann sagte, man hätte den Kaiser auf der ganzen Fahrt noch nicht so lustig gesehen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Sagen und Geschichten aus deutschen Gauen