August Stöber - Die Weiber von Ruffach.

Nachdem Kaiser Heinrich IV. sich für den Gegenpapst Clemens erklärt hatte, wollte er alle Bischöfe des Reichs zwingen, denselben anzuerkennen; denjenigen aber, die sich des weigerten, nahm er ihre Bistümer weg.

Dies geschah nun auch dem Bischof zu Straßburg. Auf kaiserlichen Befehl wurde ihm Ruffach, die Hauptstadt des oberen Mundats, weggenommen, eines der ältesten Besitztümer der Bischöfe von Straßburg. Das Schloß wurde mit Truppen besetzt und die Einwohner auf die grausamste Weise gedrückt.


Diese Gewalttaten nahmen nur noch zu unter der Regierung Heinrichs V., welcher ein starkes Heer rings um die Stadt zusammenzog.

Zu dieser Zeit (1105) trieb besonders der kaiserliche Schloßvogt sein böses Spiel mit den Bewohnern von Ruffach, die, unmächtig sich zur Wehr zu stellen, alle Unbill über sich ergehen lassen mußten. Allein die Stunde der Rache sollte nicht ausbleiben.

Am Ostertag hatte der Vogt eine schöne Bürgerstochter, die mit ihrer Mutter eben in die Kirche gehen wollte, überfallen und ins Schloß bringen lassen. Die Verzweiflung der Mutter kannte keine Gefahr. Sie beschwor die Männer, zu den Waffen zu greifen, ihre Tochter von der Schmach zu erretten und endlich das schmähliche Joch der fremden Herrschaft zu brechen. Allein die Männer wagten es nicht, sich der Übermacht des Feindes entgegenzusetzen. Da wandte sich die bange Mutter an die Frauen und beschwor sie bei der Liebe zu ihren eigenen Kindern, die, ja ebenfalls der Wut des Tyrannen ausgesetzt seien, ihr in diesem Jammer beizustehen. Ihre Worte fanden Widerhall in den Herzen der Mütter. Sie bewaffneten sich; drangen ins Schloß, sprengten die Türen, und ehe die Wache, die auf einen solchen Angriff nicht gefaßt war, zu den Waffen greifen konnte, schlugen sie die heldenmütigen Weiber zusammen. »Sie waren,« sagt Herzog, »vor Zorn eitel Mann.«

Nun wuchs auch den beschämten Männern der Mut. Die ganze Bevölkerung erhob sich. Die kaiserlichen Truppen fielen überall unter den Streichen der siegreichen Bürger. Der Kaiser selbst entkam mit Mühe und floh nach Kolmar. Die Frauen brachten Krone, Zepter und Mantel, die er zurückgelassen hatte, im Triumph zur Kirche und legten sie auf den Altar der heiligen Jungfrau nieder.

Von dieser Zeit an hatten die Ruffacher Frauen bei allen öffentlichen Feierlichkeiten und Aufzügen den Vorrang über die Männer. Derselbe besteht noch heutzutage darin, daß sie in der Kirche die Stühle auf der rechten Seite des Altars innehaben.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Sagen und Geschichten aus deutschen Gauen