August Stöber - Der Freier auf Freundstein.

Ein junger Graf von Geroldseck war von dem Liebreize des Fräuleins von Freundstein also ergriffen worden, daß er um ihre Gunst warb; allein er erhielt von ihr keinen günstigen Bescheid. Nun wandte er sich an ihren Vater; aber auch von diesem ward ihm eine abschlägige Antwort gegeben. Außer sich ob des gekränkten Ehrgeizes beschloß er, nun durch Gewalt zu erringen, was man ihm auf sein dringendes Begehren verweigerte. An der Spitze einer Schar von Kriegsleuten rückte er vor das Schloß und griff dasselbe an. Die überraschte Besatzung war zu schwach, dem gewaltigen Andrang der Stürmer auf längere Zeit Widerstand zu leisten und mußte sich ergeben.

Schon ritt der Sieger laut jubelnd im Gefühl seiner baldigen Rache mit seiner Schar über die Fallbrücke, da preßte der greise Vater in wilder Verzweiflung seine Tochter in die Arme, bestieg mit ihr sein Streitroß und stürzte sich also über die Brustwehr des Burgwalls ins tiefe Tal hinab.


Noch ragen die Schloßtrümmer von Freundstein, dem gewaltigen Bölchenkopfe gegenüber, empor und zeugen von der Macht seiner einstigen Bewohner. Aber in stillen Nächten hört man oft um die öden Mauern Pferdegetrapp und Hufschlag ertönen; das ist der Ritter von Freundstein, der mit seiner Tochter um das Schloß reitet; der Geroldsecker springt hinter ihnen her, unermüdlich, und kann die Braut nicht erreichen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Sagen und Geschichten aus deutschen Gauen