Aus dem Vorwort: Die Sage von Ekkes Besuch bei den Zwergen auf der Heide.

Köstlich ist die Sage von Ekkes Besuch bei den Zwergen auf der Heide. Sie heißt:

„Als die Friesen zuerst nach Sylt gekommen waren, hatten sie die kleinen Leute, die schon vor ihnen da gewesen, nordwärts gejagt nach der Heide und den unfruchtbaren Stellen, und hatten sie da wohnen lassen. Die kleinen Leute, die wohl zu den Finnen oder Lappen gehört haben, krochen in die Hügel und Höhlen auf der Heide und in das Gebüsch, welches damals viele Niederungen im Norden von Braderup füllte.*)


*) Diese Sage ist einer alten, sehr gescheidten und gemütlichen Frau aus Braderup nacherzählt. Zur Vervollständigung der Sagen vom Meermann füge ich sie sofort in die Vorrede hinein.

Sie hatten rote Mützen auf dem Kopfe, lebten überwiegend von Beeren und Schalentieren, (z. B. Heidebeeren und Miesmuscheln), singen auch wohl Fische und Vögel und sammelten Eier. Sie hatten steinerne Äxte, Messer und Streithämmer, die sie sich selber schliffen, und sie machten auch Töpfe aus Erde oder Ton. Sie waren arm aber allezeit fröhlich. Sie sangen und tanzten oft beim Mondschein auf ihren Hügeln oder Häusern, aber sie waren falsch, arbeiteten wenig und stahlen all wo sie was bekommen konnten, sogar Kinder und schöne Frauenzimmer. Daher mussten die Friesen, welche nahe bei der Heide wohnten, stets wachende Augen haben und aufpassen, dass ihre Weiber und Mädchen nicht gestohlen, und ihre Kinder nicht verwechselt wurden von den Unterirdischen (Öndereersken) — so nannte man solche, welche unter der Erde in den Hügeln wohnten. — Die Einzelnen, welche sich in den Gebüschen und später in den Häusern aufhielten, wurden Puken genannt; eine Schlucht im Nordost von Braderup heißt nach ihnen noch jetzt das Pukthal. Sie waren übrigens allesamt Heiden, konnten hexen und verwandelten sich oft in Mäuse und Kröten. Sie hatten eine besondere Sprache, aber es scheint, als wenn sie später viel von der Sylter Sprache angenommen. Man kennt noch einige Sprüche und Reime der ihrigen. *) Ihr Oberster hieß Finn, er wohnte in dem Erhebungshügel mitten auf der hohen Heide, zwischen den drei Norddörfern, **) jedoch damals waren diese noch nicht da, nur einige Häuser, da wo nun Braderup steht. Es heißt, es wären einst im Winter drei junge Leute vom Festlande über das Eis gekommen, die Jeß, Dorret und Jasper geheißen, die hatten Braderup zu bauen angefangen. Allein einige meinen, dass dieses 'mal gewesen wäre nach einer Pest, welche auf Sylt viele Menschen und alle Bewohner der Norddörfer bis auf einen Mann weggerafft hatte. — Gleichviel, es ist doch einst in alten Zeiten geschehen.

*) Jetzt bekannt aber auch verunstaltet, in allerlei Kinderspielen, als sogenannten Kinderreimen, deren es nicht wenige noch auf Sylt gibt.

**)Die jetzigen Norddörfer auf Sylt heißen: Braderup, Kampen und Wenningstedt. — Der Erhebungshügel heißt in der Sylter Mundart: Neisehoog. Nach späteren Forschungen möchte der Dänghoog die Residenz des Finn gewesen sein.

Um diese Zeit nun hatte Ekke sich in einen Unterirdischen verwandelt, hatte eine leere Höhle in einem Hügel auf dem roten Kliff gefunden und begann zu einer schönen jungen Zwergmansell zu freien. Aber diese war so hochmütig, dass sie ihm sofort einen Korb gab. Sie sang und antwortete ihm höhnisch in der Sprache der Unterirdischen diesen Vers!

„Einer (ist) mein (den ich) mag!
Akel Dakel Dummeldei.
Wölfe, Hunde (bleiben) oben.
Du alte Quappe,
Ekke, bekommst:
Bundis Katze."

In der Zwergsprache:

„Ene mene mei:
Akel Dakel Dummeldei.
Ülwer, Bülwer bop.
Din uald Quop,
Ekke, fat:
Bundis Kat."

Ekke wurde böse, kehrte ihr den Rücken zu und rief:

„Ehre, mehre gute Freunde;
Pick, Pack weg!"

In der Syltersprache:

„Järe, miare gude Frinjer;
Pik Pak wegh!"

Er ging nun ostwärts nach dem weißen Kliff bei Braderup und suchte sich dort ein Loch, um darin zu wohnen. Unterwegs kehrte er ein bei dem Zwergkönige Finn in dem Reise- (Erhebungs-) Hügel, um einen guten Rath bei ihm zu holen. Finn hatte grade kurz vorher Hochzeit gehabt mit einer schönen Jungfrau aus Braderup und war wol so vergnügt. Er erzählte Ekke, er hätte einst angehört, dass ein Braderuper Mädchen, welches, wie die meisten Sylterinnen, etwas viel arbeiten musste, gesagt hatte zu einem andern Mädchen: „Wenn man's doch auch so gut hätte, wie die Unterirdischen, sie sind stets lustig, sie tanzen und singen jeden Abend, und brauchen am Tage nicht mehr zu arbeiten, als sie auch mögen." — Einst am Morgen früh ging diese Jungfrau seinem Hügel vorbei. Er lief zu ihr hinaus und fragte sie, ob sie das gemeint, was sie neulich gesagt hatte. Sie antwortete ihm, sie meinte alles, was sie sagte. — Er sprach: „Dann bleibe du bei mir und sei mein Weib, dann sollst du es eben so gut bekommen, wie wir es haben." — Sie nahm ihn bei der Hand, sagte! „Ja" zu allem, was er von ihr verlangte. — Er führte sie ein in seinen Hügel und sie machten am folgenden Abend Hochzeit. Alle Zwerge waren geladen zu dem Gelage von der ganzen Norderheide und der Morsumerheide und sie kamen auch alle wohl so froh und geschmückt, jeder mit seiner Brautgabe. Der eine brachte einen Napf oder ein Schälchen voller Beeren oder Muscheln, der andere einen Fingerhut oder ein Töpfchen mit Milch oder Honig, der dritte eine Mausefalle oder ein Fischnetz, der vierte einen Besen oder einen Haarkamm, der fünfte einen hölzernen Löffel oder einen Schleifstein, der sechste ein Nasentuch oder ein Bettlaken, der siebente einen krummen Nagel oder einen Türschlüssel. — Es wurde gewaltig aufgetischt vor den Gästen. Sie bekamen Heringsmilch und Rogen, geröstete Sandspierlinge, gesalzene Eier, Iltisbraten und Austern mit Heide- und Moosbeeren zu essen und Met vollauf zu trinken. Der König Finn saß auf seinem Thron, auf dem großen Sesselstein, hatte einen Mantel von weißen Mäusefellen über den Schultern und eine Krone, wie ein Donnerstein oder ein Seeigel, von Edelsteinen auf dem Haupte. Aus der Seite von ihm saß seine junge Frau, die nun Königin war. Sie hatte ein Kleid an, so fein und durchsichtig, als wenn es aus lauter Flügeln der Wasserlibellen zusammengenäht wäre, einen Kranz von den schönsten Heideblumen, voll von Diamanten oder andern glänzenden Steinen, auf dem Kopfe und goldene Ringe über jedem Finger. Die Unterirdischen tanzten und sprangen die ganze Nacht. In ihrer Freude dichteten sie ein kleines Lied und sangen es vor dem König und der Königin. Es hieß also:

„Eine feine Sippschaft, seht!
Appel Dappel donnere nicht!
Isa (die Braut) sitzt;
Halt sie fest.
Wird sie Christin.
Ist sie frei.“

In der Zwergsprache:

„Ene pene Sippe, see!
Appel Dappel, dunre nee!
Iis sas;
Hul de fas.
De Krestii,
De er frii."

Auf solche Weise hatte Finn seine geliebte Jis oder Isa zur Frau bekommen, und die beiden lebten glücklich mit einander seit der Zeit.

Alles dieses erzählte Finn dem Meermanne und riet ihm, er solle es auch so machen, es wären mehr solche schöne Mädchen in Braderup, die lieber sich freien (verheiraten) ließen als arbeiten möchten. Ekke dachte: in Braderup soll ich mein Glück machen.

Eines Morgens früh saß Ekke und sah aus seiner Höhle östlich von Braderup nach dem Morgenrot im Osten und dem Mondschein im Westen und hatte seine eigenen Gedanken darüber. Da kam ein schöner Jüngling längs dem Tal ihm vorbei gegangen, um in dem Haff sich zu baden. Es war Dorret Bundis von Braderup. Ekke war so lange nicht im Wasser gewesen, dass er auch Lust bekam, sich zu baden, vielleicht wollte er auch Bekanntschaft machen oder dem Knaben das Schwimmen lehren. Als Ekke hinunter an das Ufer kam, wurde Dorret erschreckt und wollte die Flucht nehmen, denn Dorret war kein Knabe, sie war ein Mädchen, welches Mannskleider trug, damit die Unterirdischen sie nicht nähmen, wie Finn sein Weib. Aber es half ihr nichts, Ekke ergriff sie und hielt sie fest, wie viel sie auch bat, dass er sie gehen lassen und Niemand es sagen solle, dass sie ein Mädchen sei. Er versprach ihr das, wenn sie seine Braut sein und ihn um Jahr und Tag heiraten wolle. Sie musste ihm das geloben, sonst hätte er sie gleich mitgenommen nach seiner Höhle. Nun war Ekke froh, aber der arme Mught (Teufel?), — er konnte nicht schweigen, was er wusste. Er saß wohl oft in seinem Loche oder auf den Hügeln beim Mondschein und sang!

„Ekke soll brauen,
Und Ekke soll backen,
Ekke er will Hochzeit machen.
Dorte Bundis ist meine Braut;
Ich bin Ekke Nekkepenn,
Und das weiß Niemand als ich allein."

Sylter:
„Ekke skel bruu,
En Ekke skel baak,
Ekke hi wel Bröllep maak.
Dörte Bunjis es min Brid;
Ik sen Ekke Nekkepen,
En dit weet nemmen üs ik alliining."

Das hörten die Braderuper und auch andere Leute, und so kam es aus, dass Dorret ein Mädchen und Ekkes Braut war. Dorret, die später auch Dorte und Djüür genannt wurde, ärgerte sich recht krank darüber. Es verdross die Braderuper um sie, und dass die Unterirdischen so trachteten nach ihren schönen Mädchen und überdies ihnen oft etwas wegnahmen und von ihnen liehen, was sie nie wieder bekamen. Sie hielten daher Wache bei ihren Weibern und schlugen die kleinen Leute, wo sie diese sahen.

Sie waren so böse auf Ekke, dass sie nachher allezeit ihre toten Kälber und Hunde in die Schlucht dicht bei Ekkes Wohnung warfen — man nennt die Stelle noch deshalb Aasthal— und sogar einst eine tote Katze in seine Höhle steckten ihm zum Verdruss und ihm zuriefen: „Das ist Bundis Katze, mit der kannst du dich verheiraten." — Ekke konnte es zuletzt da nicht mehr aushalten vor Gestank und Schimpf und musste die Flucht nehmen. Er ging wieder zu Finn und klagte dem seine Not. Finn wurde recht bitter, als Ekke ihm alles erzählt hatte, was ihn drückte. Finn sagte: „Der Sadrach plagt dich! Du bist all zu dumm für einen Unterirdischen. Als du das Mädchen hattest, da solltest du es behalten haben, und sonst hättest du schweigen sollen. Dein Singsang verrät dich bei dem Pöbel und macht dir und uns anderen ein Unglück. Geh' du wieder nach Hörnum oder zur See, bei uns auf der Heide und in den Hügeln taugst du nichts." — Ekke wurde grob, sagte, er sei eben so klug wie Finn, und er wolle ihm beweisen, dass er nicht allein auf der See Macht habe, sondern auch auf dem Lande mehr tauge als Finn. Er setzte sich nieder auf den großen Sessel- oder Sitzstein und rief Finn zu: „Kannst du mich nun von dem Stein wegstoßen, so bist du stärker als Ekke, sonst bleibe ich bei euch auf der Heide und will König über euch Alle sein." — Finn antwortete ihm: „Es ist nichts leichter als das." — Er lief einmal gegen Ekke an und gab ihm einen tüchtigen Schlag beim Kopfe. — Eike rief „Au!" blieb aber doch sitzen. — „Warte nur!" sprach Finn— „ich will meine Axt holen." — Ekke dachte: Er könnte mich wohl tot schlagen, aber er sagte: Ekke hat einen dicken Kopf und einen starken Rücken; so lange als ich auf deinem Stuhle sitze, ist Ekke König über die ganze Heide und alle Heidehügel und Unterirdischen; wer auf dem Königsstuhl sitzt, der ist König." — Dagegen konnte Finn nichts sagen, er ging nun aus, um seine Axt zu holen, welche er begraben hatte. *) Es dauerte nicht lange, da kam er wieder zurück. Er sagte zu seiner Frau, die vor einigen Wochen ein Kleines (Kind) bekommen hatte: „Es ist ein Schiff auf den Strand gekommen." — „Wo?" — rief Ekke, der neugierig wurde. — „Hier dicht bei", antwortete Finn. — „Es ist durch's Riisgap (Loch im roten Kliff) hineingetrieben; es hat Affen am Bord, die Komödie machen. Wir, ich und meine Frau, wollen heute Abend zur Komödie und dann kannst du auf das Kind passen, welches in der Wiege liegt." — „Ich will mit!" rief Ekke und sprang von dem Stein ab.

*) Man findet noch bisweilen auf der Heide in den Dünen und aus den Kliffen von ihren begrabenen oder verlorenen Äxten und Messern aus Flintstein, auch von ihren Kochstellen mit Resten von blauen Miesmuscheln und mit Töpfen.

„Meine Axt ist noch scharf", sagte Finn und lachte bei sich selbst. — Ekke wurde bestürzt, er bedachte sich, dass er aufgestanden war, und setzte sich schnell wieder auf den Stein. Allein er wollte doch nicht zu Hause bleiben, um auf das kleine Kind zu passen, und war neugierig, die Komödie zu sehen. Er band sich den großen Sessel- oder Sadelstein auf den Rücken, keuchte mit dem Steine westwärts und dachte, dass Finn und sein Weib schon voran wären. Als er mit dem Steine eine halbe Stunde geschleppt hatte, war er so müde wie eine Made, er pustete und stöhnte und war durchnass von Schweiß. Er konnte die Last nicht länger tragen, er musste den Stein fallen lassen, aber er setzte sich sofort oben auf denselben. Er saß da auf dem Sesselstein die ganze Nacht und hoffte, dass Finn zu ihm kommen und die Komödie beginnen sollte, allein es wurde nichts aus all' diesem. Er glotzte hinunter in die Niederung, die nachher immer das Affental genannt worden ist, ob er nicht das Schiff oder die Affen gewahr werden könne, aber er sah nichts. — Am andern Morgen früh, während er da noch auf dem Königsstuhl saß, und die Zeit ihm schrecklich lange wurde, kam ein ganzer Trupp Zwerge über die Kesseldünen vom Strand herauf. Sie schleppten ein wunderlich großes Ding mit sich. Es war in der Mitte so dick wie eine Tonne, hatte einen Kopf wie ein Mensch und einen Schwanz wie ein Fisch; es heulte und weinte und wollte nicht mit. — „Oho!" rief Ekke, als sie näher kamen. — „Es ist mein altes Meerweib Ran. — Kommt nicht näher!" schrie er den Zwergen zu. — „Bringet das alte Beest wieder ins Wasser, ich will nichts mehr von ihr wissen!" — Aber es war, als wenn sie ihn nicht gehört oder verstanden hätten, sie kamen immer näher.— „Bleibet mir vom Leibe mit ihr!" rief er — „Ich bin nun euer König. Ekke sitzt auf dem Sesselstein und dann sollt ihr ihm gehorchen!" — Es half nichts, sie kamen immer näher. Als Ekke das sah, ließ er den Stein liegen, lief westwärts über das Kliff hinunter nach dem Strande, sprang ins Wasser und schwamm südwärts und kam nimmer wieder zu den Zwergen. Sein altes Weib kam bald hinten nach und war ihm immer auf den Fersen. Aber der Sesselstein liegt noch bei dem Affentale und Riisgap, dem Riesenloch oder Friesenhafen, von wo die Angelsachsen und Friesen einst absegelten, um Britannien zu erobern.“