Der höfische Charakter der Gegenrevolution

Die Tätigkeit der gegenrevolutionären Mordbrennerbanden, der sogenannten „Tschornaja Ssotnia", der „Schwarzen Schar", ist von größter Bedeutung für den gänzlichen Mangel an Sympathie, dessen sich das Zarentum im Volke erfreut. Das Beispiel der blutigen Ereignisse, die dem Verfassungsukase vom 30. Oktober 1905 folgten, beweist diese paradoxe Wahrheit geradezu mathematisch.

Einige Tage vor diesem Datum durfte die reaktionäre Hofpartei, unter der Leitung der Großfürsten „Wladimir und Alexander Michailowitch, des Generals Trepoff und einer Kohorte von Prätorianergenerälen, verstockten Großfürsten, blöden Ministern und blutrünstigen, aber geldgierigen Verwaltungsbeamten, hoffen, der von seinen Oheimen, Schwestern, Schwägern und „Freunden" in Unwissenheit und — Gefangenschaft gehaltene Zar würde sich für die „starke Manier" entscheiden. Die Partei hatte die ganze gegenrevolutionäre Organisation, die im Laufe des Jahres ausgebildet worden war, in Bewegung gesetzt. Sie stellte im Grunde eine Verschwörung dar, neben deren Großartigkeit die Catilinas als harmloses Spiel erscheinen würde. Sie hatte zum Zweck, die wundervollen Maßregeln, die Plehwe mit so großem Erfolge zum Zweck der Erzielung der Kischinewer Judengemetzel getroffen hatte, in ungeheuer vergrößertem Maßstabe auf das ganze Reich anzuwenden. Fast alle hohen Zivil- und Militärbeamten in den Haupt- und Provinzstädten gehörten der Organisation an. Sie verfügte über enorme Geldmittel, obschon persönlich kein einziges Mitglied in seine Tasche zu greifen brauchte. Das ganze, seit Plehwes Tode gegenstandslos gewordene persönliche Geheimbudget des ins Jenseits bombardierten Ministers stand ihr durch Trepoffs Güte zur Verfügung; es belief sich allerdings nur auf eine Million Rubel. Aber es kamen die sämtlichen Polizeibudgets der einzelnen Städte hinzu, sowie der ungeheuerliche Posten der „außerordentlichen Ausgaben" des Ministeriums des Innern, welcher im offiziellen Etat verschleiert aber nach, den Indiskretionen führender Mitglieder auf etwa siebenundzwanzig Millionen zu veranschlagen ist. Das Ministerium hatte überdies allen Gouverneuren zum Zweck der „Aufrechterhaltung der Ordnung" sämtliche Truppen zur Verfügung gestellt. Mit einem Worte, es war eine wahre Nebenregierung geschaffen, welcher die mitwissenden Minister ihre Machtmittel abgetreten hatten. In der ganzen Partei war nur Einer nicht auf dem Laufenden. Das war natürlich der Selbstherrscher aller Reussen.


Die technische Anordnung der unzähligen ineinandergreifenden Organe war wirklich ausgezeichnet. Als ,,Manager“ figurierte der übel beleumundete, aber gerade deshalb besonders zarentreue General Bogdanowitch, dessen Familie sich als Gegenstand des Volkshasses und als Opfer des revolutionären Terrorismus, wenn man so sagen darf, rühmlichst hervorgetan hatte. An seinem Telephonhaken hing das Leben von Millionen Juden, Arbeitern, Studenten, Bauern und naiven Spießbürgern. An ihm hingen einen Monat später die Leichen von zweitausend kleinen Kindern, achttausend Mädchen und Frauen, vierzigtausend unschuldigen Männern. Seine Rache für seinen in Ufa aus Rache für hundert Arbeiterleichen elegant erlegten Bruder war großartig. Auf seinem Tische flossen die Geheimberichte aus allen Städten zusammen. Bei ihm holten die großen Verschwörer ihre Instruktionen. Sein Generalagent, der durch die weise Organisation der Gemetzel in Kischineff zu herostratischem Weltruf gelangte Dieb, Mörder, Kuppler und Antisemitenoberst Kruschewan, inspizierte mit Begeisterung das mobilgemachte Offizierskorps, das sich ausschließlich aus Polizisten und Gendarmerieoffizieren rekrutierte. Jeder Polizist wurde, ohne dass seine Vorgesetzten es offiziell wussten, ein Werber fürs Mordbrennerheer und zugleich der Bataillonschef seiner Söldlinge. Die späteren Geheimberichte, die man in Petersburg in engem Kreise mit Wonne las, sagen ausdrücklich, dass „der Erfolg nur dadurch möglich war, dass alle vom Ministerium des Inneren abhängigen Beamten haben mitarbeiten dürfen", und dass „alle Emissäre, welche die Bevölkerung zum Widerstand gegen die Revolutionäre begeistert haben, nicht nur genügend Geld und Waffen verteilen, sondern auch ihren Einfluss als Beamte der kaiserlichen Behörden haben geltend machen können.''

Dass die „spontane Gegenrevolution" über die Truppen, das Staatsbudget, die Zivil- und Militärbehörden, die Arsenale und die Polizei verfügte, ist danach klar. Aber wie haben die „Emissäre" die „Bevölkerung'' zu ihren Mordbrennereien „begeistert"? Ihre Aufgabe war nicht leicht.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Russlands Wiederaufbau
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