Die Abkömmlinge Ruriks. - Worotynski, Paletzki, Posharski, Schuiski, Gorbatyi, Skopin, Kurbski, Romadonowski, Repnin, Odojewski
Zu den bedeutendsten hierher zählenden Geschlechtern möchte ich vor allen acht rechnen, deren Geschichte Interesse erwecken dürfte, Worotynski, Paletzki, Posharski, Schuiski mit den Familien Gorbatyi und Skopin, Kurbski, Romadonowski, Repnin und Odojewski.
1) Ein Nachkomme der alten Theilfürsten in Tschernigow und des heiligen Michail war Fürst Wassilij der Einäugige von Worotynsk. Er trat in Dienst bei dem Grossfürsten von Moskau und verheerte 1492 Lithauen. Sein Verwandter, Knäs Iwan Michailowitsch, verwüstete 1508 Lithauen bis Wilna hin, schlug 1517 die Krimer bei Tula, erwarb sich hierbei den hohen Titel eines Dieners, dann aber kam der im Kriegswesen äusserst erfahrene Mann August 1521 mit anderen Wojewoden in die grosse Acht, weil der Krimsche Chan Magmet-Girai sie geschlagen hatte; man beraubte Iwan seiner Würden, seines Vermögens und seiner Freiheit. In späteren Jahren entliess man ihn zwar aus dem Gefängnisse und duldete ihn wieder bei Hofe, doch durfte er Moskau nicht verlassen. Nach Freiheit sich sehnend, versuchte er nach Lithauen zu entfliehen, wurde aber ergriffen; diesmal verzieh ihm der vierte Wassilij, hingegen kam Iwan 1533 mit seinen Söhnen als angeblicher Mitverschwörer der Schuiski gegen die Regentin Helene ins Gefängniss. Von ihm erfahren wir nun nichts mehr. Von deinen Söhnen befehligte 1552 Wladimir die czarische Leibwache im Kriege mit Kasan und Michail Iwanowitsch erwarb sich einen hochgefeierten Namen. 1552 führte er mit Mstislawski das Hauptheer gegen Kasan, erhielt schwere Wunden, trug aber wie kein Zweiter zur Eroberung des Landes bei und wurde wie sein Vorfahr dafür „czarischer Diener“, ein Titel, der in einem Jahrhundert nur dreimal verliehen wurde. 1558 verfolgte Michail von Tula aus Magraet-Girai bis Oskol, konnte ihn aber nicht einholen. 1562 fiel er bei dem unberechenbaren Iwan IV. in Ungnade, wurde mit Gattin, Tochter und Sohn an dem Bjelo Ozero verwiesen und lebte von hundert Rubeln das Jahr, abgerechnet von dem, was er an Wäsche, Kleidern und Speise empfing. April 1565 wurde der tapfere Knäs, in allen Lagen der treueste Diener seines Herrn, begnadigt, wieder in den Reichsrath gezogen, an die Stätte seines Ruhms nach Kasan als Statthalter entsandt, mit der Herrschaft Nowosilsk beschenkt, aber eidlich verpflichtet nie aus Russland zu entfliehen. Vergebens waren alle Lockungen der Krone Polen, ihn wortbrüchig zu machen. 1571 besetzte er mit mehreren Feldherren die Ufer der Oka, wurde vom Chan Dewlet-Girai umgangen, eilte zum Schutze Moskaus herbei, dessen Brand im Mai er freilich nicht verhindern konnte, dann verfolgte er den Chan; 1572 erwartete er ihn wieder an der Oka und errang über ihn den glorreichen entscheidenden Sieg bei Molody an der Lopassna 1. August — Moskau war hierdurch gerettet. Diese Waffenthat ersten Ranges sollte die letzte Michaliks sein, denn schon lechzte der Tyrann auch nach seinem Blute, nach dem des vornehmsten Wojewoden. Ein Sklave, der wegen Diebstahls entlaufen war, klagte 1573 den Helden des Verkehrs mit Hexen, der Zauberei und des Complotes gegen das Leben Iwan’s IV. an; sofort liess ihn Letzterer binden und foltern und wie sehr auch der Knäs seine Unschuld betheuerte, so wurde er lebendig geröstet und kaum noch athmend an den Bjelo Ozero geschleppt; diese altbekannte Station seines Leidens sah er nicht wieder, unterwegs starb der sechzigjährige Mann und seine Asche ruht, von der Nachwelt geehrt, im Kloster des heiligen Kyrill. Während ein Knäs Worotynski, vielleicht ein Sohn Michails, 1585 als Aufhetzer Mstislawskis gegen Godunow in entfernte Gebiete des Reiches exilirt wurde, trat Iwan Michailowitsch, des Helden Sohn, oft in der Geschichte auf. 1583 zog er als Wojewode gegen die Tscheremissen, erreichte aber so wenig, dass man bereits vorausahnen mochte, Iwan werde kein Michail werden. Bojar geworden, überbrachte er 1605 dem falschen Dimitri die Huldigung Moskaus nach Tula, wurde aber höchst geringschätzig von ihm behandelt. In Folge dessen trat er 1606 eifrig auf die Seite der Schuiski, unterstützte aus bestem Vermögen die Wahl seines Schwagers Wassilij zum Czaren, und sprach gegen die Erhebung eines Galitzin, da diese Familie viel zu zahlreich sei und dadurch dem Reichsrathe gefährlich werden würde. 1606 zerstreute er bei Jeletz die Rebellen, floh aber alsdann, ging, anstatt für sein Vaterland ehrlich sein Blut einzusetzen, heim und als er ein zweites Mal gegen sie auszog, wurde er bei Troitzk geschlagen und floh wiederum. 1607 stiess er von neuem mit ihnen bei Tula zusammen, floh nach Alexin und erlitt eine Schlappe; tief beschämt, traf er bei Wassilij V. in Serpuchow ein, schwur mit ihm zu siegen oder zu sterben, und erschien mit ihm 1608 bei Tuschino. Als er 1610 den zweiten Pseudo-Dimitri verfolgen sollte, eilte er abermals in wilder Flucht nach der Hauptstadt, seine ganze Kriegerlaufbahn schien in Niederlage und Flucht zu bestehen, so unähnlich war der Sohn dem Vater. 1610 meldete Iwan mit Zachar Läpunow seinem czarischen Schwager, er sei entthront, doch muss zu seiner Ehre erwähnt werden, dass er sich in dem nun folgenden Interregnum offen zur nationalen Sache und zum Patriarchen hielt und darum als Aufwiegler von den Partisanen Polen’s gefänglich eingezogen wurde. 1612 — 13 stand Iwan in der Reihe der Throncandidaten, aber seine persönliche Untüchtigkeit und Gebrechlichkeit wie auch der Umstand, dass er keinen tüchtigen Sohn besass, bewirkten, dass man von ihm absah, und so musste er 1613 Michail Romanow’s Wahl unterzeichnen. Mit ihm scheint das Geschlecht der Worotynski erloschen zu sein, an dem der Ruhm des Sieges an der Lopassna haftete.
2) Von den Fürsten in Starodub stammen die Paletzki ab. 1497 erhob Knäs Feodor Mengli-Girai auf den Thron von Kasan, fiel aber 25. Juni 1506, als der dortige Czar Magmet Amin die grossfürstlichen Truppen überrumpelte. Während Knäs Iwan den jungen Wassilij gegen Iwan III., seinen Vater, aufzureizen suchte und dafür 1496 dem Beile verfiel, musste Knäs Boris 1536 als treuer Diener des unglücklichen Prinzen Andrei unter Iwan IV. Folter und Knute erdulden. Knäs Dimitri Feodorowitsch besiegte 1533 die Tataren Sapha-Girai’s von Kasan bei Saraisk, conspirirte 1541 mit Schuiski gegen Iwan Beelski, setzte 1546 mit Dimitri Beelski Schich-Alei wieder auf den Thron von Kasan, wurde 1547 Bojar und brach 1555 als Statthalter von Nowgorod verheerend in Finnland ein, mit reicher Beute kehrte er an den Hof zurück. 3. November 1549 heirathete seine Tochter, die schöne und sanfte Juliane Dimitrijewna, den sechzehnjährigen Bruder Iwan’s IV., Jurij Wassiljewitsch, wurde 24. November 1563 Wittwe und ging, allgemein geliebt und geehrt, als Nonne Alexandra in das Nowodewitschi-Kloster; ihr Schwager, der Czar, umgab sie hier mit einem fürstlichen Hofstaate, aber 1569 liess er die Nonne in der Scheksna ertränken. Januar 1564 fielen für den Tyrannen bei Orscha die Knäse Semen und Feodor, 1568 bei Ula Wassilij. Knäs Semen, welcher 1579 Poloizk eroberte, fiel noch im gleichen Jahre in der Festung Sokol und seitdem wird das Haus Paletzki nicht mehr erwähnt.
3) Gleicher Herkunft mit den Paletzki waren die Posharski. Dieser Name ist wie wenig andere jedem treuen Russen heilig und theuer, denn er ist unlösbar verbunden mit der ruhmwürdigsten nationalen That, mit der Selbstbefreiung vom Drucke Polen’s. Der Descendent Wsewolod’s III. im sechsten Gliede, Fürst Wassilij Andrejewitsch, erbte das Städtchen Pogar, welches durch Feuersbrunst (poshary) verheert wurde und nahm den Namen Posharski an. Knäs Michail führte 1632 Schein Truppen zu, erlitt aber bei Dorogobush 1634 durch die Polen eine Niederlage. Der Ruhm des Hauses war Knäs Dimitri Michailowitsch, geboren 1578. Unter Boris ein rangloser Hofherr und unter dem falschen Dimitri I. Stolnik, schlug er 1608 als Wojewode Wassilij’s V. glänzend die Truppen des zweiten Dimitri bei Kolomna, zerstreute 1609 an der Pephorka die Räuberhaufen des Ataman Salkow und hielt 1610, als alle anderen Städte im Räsan’schen mit Läpunow gingen und Wassilij verliessen, einzig Saraisk bei seiner Fahne. In dem Riesenkampfe, welchen das gebeugte Russland mit dem übermüthigen Polen begann, entsetzte Dimitri 1611 Pronsk, siegte bei Saraisk, befreite ganz Kasan, führte den Vortrab Läpunow’s auf Moskau, wurde aber hier im wilden Gefechte März schwer verwundet, in das Dreieinigkeitskloster und von da nach dem Erbgute Purez geschafft. Kaum hergestellt, trat Dimitri dem berühmten Volksführer Kosma Minin als Anführer der Schaar von Nishnei-Nowgorod zur Seite, eilte mit ihm von Sieg zu Sieg, nahm jedoch, um den nationalen Charakter des Kampfes zu wahren, nur Russen bei seinem Heere an. Er zog auf Moskau, siegte in viertägigem Ringen über den Kronhetman Polen’s, Chodkiewicz, und erstürmte 22. Oktober 1612 den Kreml, Moskau und ganz Mittelrussland waren gerettet, waren frei. Posharski wurde das Feldgeschrei der aufjubelnden Nation, ihr Liebling. 1613 beschenkte ihn der Reichstag mit Ländereien und Leibeigenen als Nationalgabe, und als man zur Czarenwahl schritt, waren im Heere wie in der Versammlung gar Viele der Ansicht, man solle ihn wählen: aber die Bojaren wollten hiervon nichts hören, da ihnen das Haus Posharski in Folge des Meestnitschestwo zu unbedeutend erschien. Dimitri selbst, der reine uneigennützige Kämpe der Freiheit, mochte überdies fühlen, dass er zu wenig politisch beanlagt sei, um den Thron würdig auszufüllen, und weigerte sich darum beharrlich, eine Candidatur anzunehmen. Sofort unterzeichnete er 1613 für sich und den Fürsten Iwan Hawanski die Wahlurkunde Michails, der ihn nun zum Bojaren ernannte. Trotz all seiner unsterblichen Verdienste überlieferte Michail ihn 1614 seinem Gegner, Saltykow, als Beide wegen des Meestnitschestwo in Streit gerathen waren und die Rosrädsbücher gegen Dimitri entschieden hatten, blind folgte der Czar den alten vergilbten Satzungen. Hochherzig vergass dies Dimitri und eilte 1614 ihm zu Hülfe, im Mai schickte er vier Strelitzen-Regimenter gegen Saruzki nach Astrachan und zog selbst gegen die Lissowtschiks, mit eisernem Besen fegte er diese Räuber 1614 und 15 aus dem Lande. Schwer erkrankt, musste Dimitri nun zwei Jahre feiern, erst 1617 durfte er sich von neuem gegen die Lissowtschiks wenden, besetzte Kaluga, drängte Opalinski auf Wiäsma zurück und unterstützte 1618 Moshaisk. In den Tagen des Friedens stand der edelste der Bojaren Michail treu zur Seite, aber Philaret befürchtete, er möchte Einfluss auf ihn gewinnen, und entfernte ihn als Gouverneur nach Nowgorod und Pskow. 1632 wollte ihn zwar der Herrscher nochmals auf die Bühne hervorziehen und betraute ihn mit dem Oberbefehle gegen Polen, aber der 54jährige Fürst verfiel wieder in eine schwere Krankheit, der er erlegen zu sein scheint. Alexander I. wusste den Liebling der Nation würdig zu ehren, indem er ihm und Kosma Minin, „dem erwählten Mann des ganzen Moskowitischen Reiches“, ein gemeinsames Denkmal in Moskau errichtete. 1685 erlosch das Geschlecht Posharski.
4) Von der Linie Rurik’s, die in Susdal herrschte, stammten die Schuiski ab, eine der merkwürdigsten und einflussreichsten Familien des Reiches. 1392 verdrängte Wassilij Dimitrijewitsch die Schuiski aus ihrer Herrschaft, die er mit seinem Staate vereinigte. Lange trugen ihm dies die Schuiski nach und traten lieber in den Dienst des mächtigen Freistaates Nowgorod als in den seinigen oder den seiner Erben, erst allmälig gelangten sie zu der Einsicht, es sei unmöglich, auf die Dauer den Grossfürsten zu widerstehen. 1471 wurde Fürst Wassilij Schuiski mit dem Beinamen Grebenka von Susdal als Befehlshaber des Dwina’schen Gebietes von Nowgorod von den grossfürstlichen Truppen 27. Juli besiegt und erreichte mit Mühe in einem Bote Cholmogory; 18. November 1475 bewillkommnete er Iwan III., den Eroberer Nowgorod’s, und wurde daselbst sein Statthalter — so traten die Schuiski in den Dienst der Grossfürsten. 1495 zog derselbe Wassilij in den Schwedenkrieg und verheerte als Wojewode Finnland in barbarischster Weise; als er aber sein Schwert 1501 gegen den wackeren Heermeister von Livland, Walther von Plettenberg, kehrte, verlor er die Schlacht von Isborsk 27. August und musste, gänzlich vernichtet, das Feld räumen. Viel bedeutender war ein anderer Wassilij Wassiljewitsch, denklich sein Sohn. 1512 zog er als Feldherr Wassilij’s IV. gegen Lithauen, wurde 1514 in Smolensk Statthalter, rückte August 1519 bis Wilna vor, verheerte 1523 mit der Vorhut der Armee das Casan’sche, und wohnte 1533 der Abfassung des Testamentes Wassilij’s IV. an; ihm war er theuer, denn er hatte 1514 Smolensk vom Abfalle an Polen abgehalten. Sein Ansehen war so gross, dass er bald alle Mitbojaren leitete, er gebärdete sich, da der junge Grossfürst unter seiner Vormundschaft stand, als Herr des russischen Reiches und sein Dünkel wuchs noch, als er 1538 als Fünfziger die Tante seines Mündels, die verwittwete Fürstin Anastasia Mstislawski, heimgeführt hatte. Wassilij starb zwar 1539, aber sofort trat sein weit schlimmerer Bruder Iwan Wassiljewitsch in die usurpirte Stellung ein. Iwan hatte durch einen verunglückten Fluchtversuch nach Lithauen 1528 sich die Ungnade des Grossfürsten zugezogen, war jedoch 1530 wieder zu Gnaden gekommen, hatte 1533 der Testamentsabfassung assistirt und war Mitglied des Bojarenrathes der Regentin Helene geworden. Seine schrankenlose Frechheit verschaffte ihm bald ein gewisses Uebergewicht in dem Bojarenrathe und 1539 wurde er dessen Haupt; von da an bestahl er ohne jedes Bedenken den grossfürstlichen Schatz, seine Anhänger sogen die Provinzen aus und theilten mit ihm den gewährten Raub. 1540 überwog am Hofe das Ansehen der Familie Beelski, Iwan zog sich darum vom Rathe zurück und liess sich von Iwan Beelski die Befehlshaberstelle in Wladimir geben; anstatt Beelski dankbar zu sein, dass er seines Lebens geschont, wühlte er ohne Unterlass gegen ihn, conspirirte heimlich mit den Paletzki und Kubenski (einem ebenfalls erloschenen Zweige Rurik’s), marschirte nicht wie er sollte gegen Kasan, sondern warb im Heere Anhänger, förderte durch sie Januar 1542 die Moskauer Erhebung gegen Iwan Beelski und liess ihn im Mai ermorden; 3. Januar war er selbst in Moskau eingezogen, leitete seitdem wieder den Bojarenrath und installirte zum zweiten Male die alte verhasste Tyrannei.
Bald darauf erkrankte der Fürst und verliess den Hof, während seine nächsten Verwandten Iwan und Andrei Michailowitsch und Skopin-Schuiski das Land nach wie vor aussogen, endlich aber ihre Macht so missbrauchten und den Grossfürsten so geringschätzig behandelten, dass Glinski sie allesammt 29. December 1543 stürzte. Iwan Wassiljewitsch starb 1545. Sein Sohn, Fürst Peter Iwanowitsch, leitete im väterlichen Auftrage 3. Januar 1542 das Attentat gegen J. Beelski, machte 1552 die Expedition gegen Kasan mit, wurde im September Wojewode von Swiäshsk und 1553 Statthalter in Kasan. Juli 1558 leitete er die Belagerung von Dorpat, zwang es 19. Juli zur Capitulation und hielt, ganz im Gegensatze zur Plünderungswuth seiner Verwandten, pünktlichst auf strenge Mannszucht, auch suchte er Februar 1559 mit möglichster Schonung dem czarischen Befehle zu genügen, der ihm die Verheerung Kurlands bis zur lithauischen Grenze vorzeichnete. 1563 behauptete Peter für Iwan IV. die eroberte Festung Poloczk, operirte aber in der Folge unvorsichtig und verlor bei der Festung Ula 26. Januar 1564 gegen die Polen unter Nikolaus Radziwill Sieg und Leben, er sank als Russlands brauchbarster Feldherr ins Grab. Doch lebte von seinem Geiste und seiner Tapferkeit etwas in seinem Sohne fort, in Iwan Petrowitsch. Glorreich vertheidigte dieser Pskow von 1579—1581, wurde 1584 im Testamente Iwans IV. zu einem der Räthe und Hüter des Reiches bestellt und galt viel im Rathe. Da er Beelski im Verdachte hatte, er wolle Godunow den Thron verschaffen, so brachte er diesen Argwohn durch die Räsan’schen Dworäne (Hofbeamte) Läpunow und Kikin unter die Leute und führte so den Mai-Aufstand und Beelski’s Verweisung herbei. Feodor I. suchte ihn an sich zu fesseln und überliess ihm seit Mai 1564 die vollen Einkünfte aus Pskow, aber Godunow gönnte dem ehrgeizigen Manne nicht lange den ruhigen Besitz — Einer sann auf den Sturz des Andern. 1585 verband sich Iwan mit Mstislawski gegen Godunow, der Czar sollte dessen Schwester verstossen und die Tochter Jenes heirathen; Godunow aber kam dem Schlage zuvor, indem er rasch den Clerus von den Verschworenen zu sich herüberzog; er vernichtete zwar Iwan noch nicht, wartete aber nur auf eine Gelegenheit hierzu. 1587 erkaufte er dann einen Leibeigenen der Schuiski, machte auf seine Aussagen hin dem Fürsten den Process als Hochverräther, sandte ihn nach dem Bjelo Ozero und liess dort den gefeierten General erdrosseln.
1528 war sein Verwandter Andrei Michailowitsch auf der Flucht nach Lithauen in Dmitrow ertappt und erst 1530 wieder begnadigt worden. Dieser Knäs, im sechsten Grade ein Descendent des Grossfürsten Dimitri Konstantinowitsch in Susdal, trat 1533 in den Bojarenrath, wollte verrätherischer Weise an Stelle Iwan’s IV. dessen Oheim Jurij auf den Thron erheben und kam ins Gefängnis. Leider befreiten ihn 1538 die Seinen, er wurde Bojar und Statthalter von Pskow, wo er so unmenschlich hauste und brandschatzte, dass die Stadt bald als Räuberhöhle verrufen war. 1540 nahm ihn zwar Iwan Beelski der Stadt ab, aber schon Januar 1542 kehrte die alte Geissel zurück. Andrei wüthete noch sinnloser denn zuvor, zwang die Gutsbesitzer, ihm ihre Güter gegen lächerliche von ihm bestimmte Preise abzutreten, indem er dabei den Schein des Kaufes wahrte, und forderte von den ausgebeuteten Bürgern Frohnfuhren, sein frecher Wille war in Pskow Gesetz. Als Akt des Segens begrüsste Pskow seine Hinrichtung; Iwan IV., von den Glinski berathen, liess die Schuiski endlich seinen Arm fühlen; als Andrei bei dem Weihnachtsfeste in Moskau weilte, liess er ihn als den Schuldigsten der ganzen Familie 29. December 1543 von den Hundevögten erschlagen, ein ruhmloses Ende, der gerechte Abschluss eines solchen Lebens. Der Sohn Andrei’s, der Bojar Iwan Andrejewitsch, fiel 1593 als Wojewode gegen Schweden bei Lode, fünf Söhne hinterlassend. Betrachten wir ihr Leben, Andrei Iwanowitsch wurde im Mai 1584 Bojar, intriguirte aber seitdem so beharrlich gegen Godunow, dass ihn dieser des Hochverrathes beschuldigte, gefangen nahm und in Kargopol, dem Orte seiner Verbannung, 1587 erwürgen liess. Der wichtigste der Söhne war der 1547 geborene Wassilij Iwanowitsch. 1581 schützte er die Ufer der Oka gegen die Angriffe der Krim’schen Tataren und 1583 gegen die Nogaier. Iwan IV. werth, war er bei seiner siebenten Heirath sein Brautführer. Mai 1584 erhob ihn zwar Feodor I. zum Bojaren, belastete ihn jedoch bald mit seiner Ungnade und erst 1591 kam er wieder an den Hof. Godunow hatte in ihm einen Liebediener gefunden, der feil genug war, sich offen zur Lüge herzugeben; nachdem er Dimitri’s Tod angeordnet hatte, schickte er Wassilij 1591 nach Uglitsch, um durch eine Scheinuntersuchung den Beweis zu liefern, der Czarewitsch sei durch eigene Hand gefallen und alle Schuld treffe seine unachtsame Familie, die Nagoi. Wassilij genügte in vollem Umfange dem Vertrauen des Mörders Godunow und erhielt 1598 bei dem Scheinfeldzuge gegen die Tataren das Gommando des rechten Flügels. Aber heirathen durfte Wassilij Jwanowitsch nicht, Godunow sah darin eine Gefahr für seine Thronabsichten und dann für die Ruhe seiner Descendenz. 1605 zog Wassilij als zweiter Befehlshaber zum Heere gegen Dimitri, ohne irgend welche Feldherrngaben zu besitzen, er besiegte ihn 21. Januar bei Dobrünitschy, operirte aber bei Kromy und anderen Punkten ganz planlos. Sobald Godunow gestorben, reiste Wassilij nach Moskau ab, nahm seinen hervorragenden Platz im Reichsrathe ein und huldigte bald mit seiner ganzen Familie Dimitri. Dieser gestattete dem Fürsten zu heirathen und der 58jährige Mann eilte, noch die Freuden der Ehe zu geniessen; 1605 verlobte er sich mit Maria Petrowna, der Tochter des Fürsten Peter Iwanowitsch Buinossow de Rostow, einer Abkömmlingin Rurik’s aus der Linie in Rostow. Doch zur Eheschliessung sollte es vorerst noch nicht kommen. Niemand wusste von Anfang an besser, dass der neue Dimitri ein Betrüger sei als Wassilij, und so finden wir ihn, vom Ehrgeiz verzehrt, 1605 im ganzen Lande gegen dessen Regiment thätig; ohnehin hasste er als Stockrusse in ihm den Fremden und Söldner Polen’s, den Begünstiger fremder Verhältnisse und Sitten und den Reformfreund. Seine Wühlereien blieben Dimitri nicht verborgen, 1605 übergab er ihn den Folterern und liess ihn aufs Schaffot fahren; in dem Augenblicke aber, als das Beil niederfallen sollte, wurde er begnadigt. Nachdem Wassilij alle Schrecken des Todes durchkostet, wurde er also dem Leben wieder gegeben, Dimitri aber hatte sich dadurch sein Ende bereitet. Wassilij wurde mit seinen Brüdern des Vermögens beraubt und nach Galitsch exilirt, durfte aber schon nach einem halben Jahre zurückkehren. Sein Schicksal hatte ihn zum Abgotte des Volkes gemacht, man sah in ihm einen Märtyrer der öffentlichen Meinung, die gegen den reformirenden Dimitri in entschiedenster Weise sprach. Wassilij benutzte diese Stimmung, liess bei Dimitri’s Hochzeit tausende von Leibeigenen seiner Familie, unter dem Vorwande den Festlichkeiten anzuwohnen, nach Moskau kommen und stürzte 17. Mai 1606 im Pöbelaufstande den Usurpator, wobei Letzterer ermordet wurde. Wassilij, angestaunt wegen seiner List und Unerschrockenheit, wurde 19. Mai 1606, nachdem er unerhörter Weise Bedingungen eingegangen war, von einer kleinen Anzahl von Bojaren, von den Kaufleuten und dem gemeinen Volke in Moskau zum Czaren als Wassilij V. erwählt und 1. Juni gekrönt. Vom Schaffote zum Thron war ein kühner Sprung, vielleicht einzig in der Geschichte. Obwohl Wassilij grosse Vorzüge hatte, so war er doch zu misstrauisch, zu leichtgläubig und zu unselbständig, als dass sein Regiment Segen hätte bringen können und seitdem er selbst die stärkste Säule seines Thrones, seinen Neffen, niedergestürzt hatte, schien Alles zu Grunde gehen zu sollen. Die Liebe des Volkes war erkaltet, der Zorn gegen die Unfähigkeit des Czaren erfüllte die Herzen, und vergebens suchte der Patriarch Hermogenes die Geister zu beschwören. Es kam zur Empörung, einige Knäse und Cleriker eröffneten Wassilij, er müsse abdanken und führten ihn und seine Frau aus dem Kreml in sein eigenes Haus, 17. Juli 1610. Umsonst waren seine heftigen Weigerungen Mönch zu werden, umsonst verfluchte Hermogenes die Empörer, man las Wassilij die Einkleidungsgebete vor, Knäs Turenin sprach für ihn das Mönchsgelübde aus und er zog 18. Juli in das Tschudow-Kloster ein. Seine Gattin, die er erst 17. Januar 1608 als Czar heimgeführt and die ihm 1610 ein Töchterchen Anastasia geschenkt hatte, durfte trotz ihrer Bitten nicht bei ihm bleiben, sondern musste als Nonne in das Iwan -Kloster und Oktober 1610 in das Jungfrauen- Kloster zu Susdal eintreten, ihr Kind war gestorben. Oktober 1610 nahm der polnische Feldherr Zolkiewski den Entthronten in reicher lithauischer Kleidung mit nach Smolensk, hier imponirte er Allen und selbst dem Könige Sigismund durch sein sicheres und würdevolles Auftreten. Sigismund liess ihn nach dem Schlosse Gostin bei Warschau bringen, hier starb Wassilij V. 12. September 1612; unter Michail Romanow’s Regierung wurden seine Reste nach Moskau gebracht und in der Kathedrale des heiligen Michail beigesetzt. Seine Gemahlin scheint im Kloster verstorben zu sein. Auch sein Bruder Dimitri Iwanowitsch spielte eine bedeutende Rolle. Seine Vermählung mit der Tochter des entsetzlichen Günstlings Iwan’s IV., Maliuta Skuratow, Katharina, hatte ihn zum Schwager Godunow’s gemacht, 1591 wurde er Bojar und schützte den Kreml, während er 1598 den Befehl über die Vorhut gegen die Tataren empfing. 1604 — 5 kämpfte er gegen den ersten Dimitri und nahm dann seinen Platz im Reichsrathe ein. Dimitri war ein gänzlich unfähiger General, ebenso stolz und eitel wie schwach, dabei neidisch auf fremde Tüchtigkeit, grausam und gefühllos. Unglücklicher Weise stellte sein Bruder Wassilij ihn wiederholt an die Spitze seiner Heere. Bei Troitzk wurde er 1606 von den Rebellen geschlagen und floh, 14. April 1608 vernichtete der zweite Dimitri völlig sein Heer bei Bolchow, Schuiski floh wieder nach der Hauptstadt. Ihm noch mehr als Wassilij waren der stets wachsende Ruhm und die Popularität des jungen Skopin-Schuiski ein bleibendes Aergerniss, Dimitri hoffte, einst der Nachfolger auf dem Throne zu werden, aber warum stand ihm Michail Skopin-Schuiski stets vor Augen, wenn er an den Thron dachte, und warum fiel ihm immer wieder die alte Prophezeiung ein, ein Michail werde Czar werden? Er beschloss seinen Untergang, 23. April 1610 credenzte bei einem Mahle die Fürstin Katharina dem jungen Helden den Giftbecher. Das Volk nannte Dimitri offen seinen Mörder und jetzt wurde der Verhasste der Nachfolger seines Opfers als Oberfeldherr, zum Verderben des Czaren, denn seine einzige Leistung war eine Niederlage, welche den wankenden Thron Wassilij’s stürzte: bei Kluschino traf Dimitri mit den Polen, die weit weniger zahlreich waren, zusammen, wurde völlig besiegt, liess sein Lager und Alles im Stiche und floh 24. Juni 1610, sein Pferd blieb im Moraste stecken, zu Fuss kam der eitle Mann nach Moshaisk und meldete in Moskau sein Unglück. Sobald Wassilij entthront worden war, bewachte man Dimitri in seinem Hause, im Oktober nahm Zolkiewski auch ihn mit nach Smolensk, wohin ihn seine Gattin begleiten durfte; hier starb er schon 1611. Ein vierter Bruder, Alexander Iwanowitsch, der 1552 gegen Kasan gefochten, dort eine Zeit lang Statthalter gewesen und 1596 Bojar geworden war, starb schon 1601. Der fünfte Bruder endlich, Iwan Iwanowitsch, ebenfalls seit 1596 Bojar, besiegte 1606 die Rebellen unter Bolotnikow an der Ugra, belagerte aber vergeblich Kaluga, wurde 1608 von Sapieha geschlagen, erhielt 1610 wie seine Brüder Hausarrest und kam mit ihnen nach Smolensk. Iwan überlebte sie alle, aber 1613 bei der Czarenwahl wurde für ihn auch nicht eine Stimme laut, zur Zeit ihrer Macht hatten die Schuiski zu arg gewirthschaftet; 1618 wurde Iwan durch den Waffenstillstand an der Dewulina frei, kehrte nach Russland zurück, hat jedoch nie mehr eine Rolle gespielt, die Zeit der Schuiski war vorüber.
Sehr wichtig waren die Zweige Gorbatyi- Schuiski und Skopin-Schuiski.
Knäs Boris Gorbatyi -Schuiski verheerte 1523 und 1524 mit der Vorhut des Heeres und Schuiski das Kasan’sche Gebiet. Zwar missbilligte er als vollkommener Stockrusse die Politik des Grossfürsten, fremde Familien wie die Mstislawski heranzuziehen und auszuzeichnen, und verfiel der Acht, wurde aber 1530 begnadigt und stand von nun an bei Wassilij IV, in hohem Ansehen; 1533 wurde er Mitglied des Bojarenrathes und schloss 1535 den Frieden mit Livland und Schweden. Sein Sohn, der Bojar Alexander Borissowitsch, unterwarf December 1546 die Tscheremissen an der Swiäga- Mündung und nahm nach Moskau Geisseln mit, 1552 war er bei der Eroberung Kasans thätig und wurde dort im September Statthalter. Später aber traf den hochverdienten Knäsen der an Wahnsinn grenzende Zorn des vierten Iwan, Letzterer verurtheilte ihn und seinen 17jährigen Sohn, Peter Alexandrowitsch, zum Tode, Arm in Arm gingen sie zum Schaffote und fielen vereinigt im Tode, 4. Febr. 1565. In ihnen scheint der Zweig erloschen zu sein.
Von den Skopin-Schuiski treten ebenfalls Mehrere hervor. Feodor Iwanowitsch, ein naher Verwandter des Iwan Wassiljewitsch Schuiski, schützte 1541 die Stadt Wladimir gegen den Czaren von Kasan, wurde aber 1544 von Iwan IV. verbannt und war 1547 einer der Hauptverschwörer gegen die Familie Glinski. Sein Sohn, Knäs Wassilij Feodorowitsch, vertheidigte 1581 mit seinem Vetter Schuiski standhaft Pskow gegen König Stephan von Polen, wurde Statthalter von Kargopol, aber seine Feindschaft mit Godu- now brachte ihn 1587 um diese Würde, er entging zwar als unschuldig dem über die Schuiski verhängten Gerichte und durfte in Moskau bleiben, aber eine Stellung konnte er nie mehr erringen. Hochberühmt wurde sein Sohn, Knäs Michail Wassiljewitsch, ein Neffe des Czaren Wassilij V. Juni 1605 erhob der falsche Dimitri ihn zum Gross-Schwertträger, aber 1606 trat er zu Wassilij V. Wiederholt schlug der 18jährige Krieger die Rebellen unter Bolotnikow, verjagte sie bei Kolomenskoje und besetzte ihr Lager 1606; hierfür Bojar geworden, zog er 1607 nach Kaluga, belagerte seit 30. Juni Bolotnikow und den Landstreicher Ileika, der sich Czarewitsch Peter nannte, in Tula, zwang sie 10. October zur Uebergabe von Tula, liess Bolotnikow ersäufen und schickte Ileika nach Moskau, wo er durch den Strang endete. So verdiente sich der junge Held seine Sporen; unglücklicher Weise übergab ihm der Czar erst 1608 nach der Niederlage von Bolchow den Oberbefehl, Michail lagerte sich an der Nesnana, wo mehrere Wojewoden desertirten, dann warf er an der Chodynka Juli 1608 die Polen und die Schaaren Dimitri’s. Seine Siege liessen den Bruder Wassilij’s V. nicht schlafen, wie ich oben schilderte, and so ersann man in Moskau eine ehrenvolle Entfernung von dem Heere, welches an Michail hing; Letzterer erhielt die Mission, von Schweden Hilfstruppen für den Czaren zu erwirken, verliess höchst ungern sein Heer, schloss aber in Wiborg 28. Februar 1609 den günstigen Vertrag mit Schweden ab. Mit den Subsidialtruppen vereinigte er sich 4. April bei Nowgorod und vertrieb die Rebellen und Polen aus Nordrussland, nach dem Siege über Sapieha bei Koljäsin, 13. August, erschien er der gebeugten Nation als Erretter, man nannte ihn den „Vater des Vaterlandes“. Mit dem schwedischen General de la Gardie reinigte er Russland von den Grenzen Livland’s bis Moskau hin von den Feinden, und führte, von fremdländischen Offizieren unterstützt, militärische Kenntnisse und Disciplin bei seinen Truppen ein. Um die Dankbarkeit der Nation gegen den glänzenden Patrioten recht augenfällig zu bezeugen, kam man auf den Gedanken, ihm die Krone anzubieten, die sein Oheim trug; Procop Läpunow, des Czaren Feind, liess ihm November 1609 durch eine Deputation dies Anerbieten im Namen der Nation machen. Aber der hochherzige Jüngling schauderte vor dem Gedanken an Felonie zurück, der Befreier des Vaterlandes mochte kein Hochverräther werden, voll Abscheu zerriss er das Dokument und dachte im ersten Augenblicke daran, Läpunow verhaften zu lassen. Wie lohnte ihm Wassilij V. diese Treue und Loyalität? Er lauschte den Einflüsterungen seines nichtswürdigen Bruders Dimitri, Michail’s Volksbeliebtheit beängstigte ihn, sein Neid wurde rege, und 23. April 1610 musste Michail sein erlauchtes Dasein durch Gift enden. Sein Mord rächte sich durch die Niederlagen des verwaisten Heeres. Ganz Russland beweinte den 22jährigen unvergleichlichen Patrioten und Helden, man pries sein Andenken als das des „Achilles und Hektor Russland’s“, Wassilij liess ihn mit Herrschergepränge bei den Grossfürsten in der Michail-Kathedrale bestatten - was hätte Michail Wassiljewitsch Russland noch werden können? Die Skopin-Schuiski gingen noch vor der Zeit Peter’s des Grossen aus.
Eine im sechzehnten Jahrhundert nach Polen ausgewanderte Linie der Schuiski blüht dort noch, aber in Russland erloschen alle Zweige im siebzehnten Jahrhundert.
5) Interesse erweckt das im 18. Jahrhundert erloschene Haus Kurbski durch das Loos mehrerer Söhne. Dasselbe war ebenfalls aus Rurik’s Blute und verehrte als Stammvater den heiligen Knäsen Feodor Rostoslawitsch den Schwarzen von Jaroslaw. 1483 zog Fürst Feodor als Wojewode gegen die Jugorier aus und war siegreich. 1512 zog Knäs Semen (Simon), seit 1510 Statthalter in Pskow, von Luki aus gegen Lithauen, ebenso von Starodub gegen Wilna 1519 — ihm verdankte der Grossfürst viel, denn 1499 hatte er seinem Vorgänger West-Sibirien oder Jugorien erobert. Semen war von einer zumal damals seltenen Rechtlichkeit und Sitteneinfalt und besonders rühmte man seine Mäßigkeit, da er nie Fleisch ass. Aber gerade seine Bechtschaffenheit brachte ihn zu Falle, sie gab ihm 1525 den energischen und beharrlichen Widerstand ein, mit dem er Wassilij IV. entgegentrat, als dieser seine unfruchtbare Gemahlin Salomeh durch eine andere ersetzen wollte — Wassilij schickte den greisen Diener ins Exil, 1527 starb er in demselben. Ein anderer Knäs Semen fiel 25. Juni 1506 vor Kasan durch die Tscheremissen. Der wichtigste Sprosse des Fürstenhauses Kurbski war Andrei Michailowitsch, welcher um 1428 zur Welt kam, der Sohn jenes Michail, welcher 1500 die Nogaier geschlagen hatte. 1552 und 1553 führte er den rechten Flügel des Heeres gegen Kasan und kämpfte mit den Baschkiren und Tataren, rühmliche Wunden davon tragend. Sein oppositioneller Geist zeigte sich bereits mit 25 Jahren; 1553, als Iwan IV. lebensgefährlich erkrankte, befahl er, seinem in den Windeln liegenden Sohne Dimitri den Eid der Treue zu schwören, viele Bojaren aber und unter ihnen Andrei verweigerten trotzig den Eid, günstig für des Tyrannen Vetter Wladimir gesinnt. Scheinbar vergass Iwan IV. diese Beleidigung, seit 1558 war Andrei sogar Oberbefehlshaber in Livland, nachdem er den Krieg von 1557 gegen Livland mitbefehligt hatte, und Iwan nannte ihn seinen Liebling; Andrei errang Vortheile über Ketteler und half zur Einnahme Dorpat’s. In den Kriegen in Livland bis 1561 und im Kriege mit Lithauen 1562 — 1563 erfocht er neue Lorbeeren. 1564 aber kam ihm zu Ohren, Iwan trachte nach seinem Leben, und er entschloss sich sofort zur Flucht. Er trennte sich für ewig von seinem Weibe, segnete den 9jährigen Sohn, überstieg bei Nacht die Mauer von Dorpat und entkam nach Lithauen: ein neuer Themistokles suchte er Schutz bei dem Feinde seines Landes und fand ihn wie Jener; König Sigismund verlieh ihm das reiche Dienstgut Kowel. Glücklich in Sicherheit, richtete Andrei an Iwan einen herrlichen Absage- brief und zählte ihm darin seine Sünden vor. Ein Bote übernahm den dornenvollen Auftrag, das Schreiben dem Tyrannen zuzustellen, dieser stiess ihm den spitzen Stab in den Fuss und liess ihn in der Wunde, bis der Vorleser zu Ende war, dann liess er den treuen Knecht foltern. In seinem Entgegnungsschreiben an Andrei suchte er sich weiss zu waschen, höhnte und verklagte ihn, ja zieh ihn der Absicht, den Thron von Jaroslaw zu erbuhlen. Von da nahm die merkwürdige Correspondenz ihren Anfang, die der exilirte Bojar mit seinem ehemaligen Gebieter führt, und in der er ihm die vollendete Nichtswürdigkeit seiner bluttriefenden Regierung in den grellsten Farben schildert. Andrei zeigt sich hierbei als ein für jene eisernen Tage vielleicht einziger Mensch, seine seltene Bildung macht ihn zu einer der anziehendsten Figuren der altrussischen Geschichte, aber er ist mit Absicht parteilich, als starrer Aristokrat hasst er in Iwan nicht nur das Scheusal, sondern zugleich den Verfolger der alten Geschlechter aus dem eigenen Blute. Die Memoiren Kurbski’s sind die ersten in der russischen Literatur. Ustrialow gab sie 1833 (3. Aufl. 1868) heraus. Der Fürst ist bei aller Neigung zur Billigkeit doch einerseits, wie gesagt, streng aristokratisch und andererseits sieht das kirchliche Heil nur im griechischen Glauben, daher vertritt er mit Inbrunst die griechische Kirche in Lithauen. Trotz aller Unbill, welche er durch Iwan den Schrecklichen erlitten, berührt es uns aber schmerzlich, wenn wir Andrei als Verräther gegen sein Vaterland kämpfen sehen, er reizt Sigismund von Polen, seinen neuen Lehensherm, und den Chan der Krim zum Kriege an, führt selbst 1564 ein polnisches Heer auf russische Erde und verwüstet die Gebiete von Weliki-Luki. An Polen treu haltend, Russland entfremdet, starb Andrei Michailowitsch 1583. Sein Geschlecht brachte bis zum Ausgange keine bedeutendere Erscheinung mehr hervor.
6) Das einst hochangesehene Haus der Fürsten Romadonowski stammte gleich den später zu erwähnenden Häusern Gagarin und Hilkow von der Rurik’schen Dynastie in Starodub ab. 1490 geht Fürst Wassilij nach Taurien, um die goldene Horde durch russische Drohungen zu schrecken; auch 1498 geht er zu dem Chan. 29. August 1585 fiel ein Fürst des Namens bei Starodub gegen die Lithauer. 1606 sehen wir den Wojewoden Knäsen Grigorij als Gesandten nach Persien ziehen und unterwegs von den Kosaken erschlagen werden. 1613 unterzeichnet der Bojar Grigorij Petrowitsch, welcher sich aufs Tapferste bei Sdwishensk gegen Sapieha 1608 geschlagen und dabei einen Sohn verloren hatte, die Wahlurkunde des ersten Romanow’schen Czaren. Sein Sohn Grigorij Grigorjewitsch, Bojar, zog als Feldherr des Czaren Alexei Michailowitsch 1658 mit 20,000 Mann nach der Ukraine gegen Polen und erlitt eine furchtbare Niederlage 28. April 1659 bei Konotop an der Deasna durch den Kosakenhetman Wigowski der ihn nahezu vernichtete. 1662 hingegen vertrieb er mit dem Kosakenhänptling der jenseitigen Ukraine, Somka, die Polen ans der diesseitigen Ukraine und bestätigte Somka als deren Hetman, worauf er mit ihm den Hetman der diesseitigen Kosaken Georg Chmelnicki bei Kanjew entscheidend schlug, 23. Juli 1662. Von 1668 — 1675 leitet der Parat gleichsam die kosakishen Affairen, 1668 wird er zwar durch einen neuen Kosakenhetman in der Ukraine Doroschenko von Kotelwa weggetrieben, aber dessen Unterfeldherr Demian Mnogogreeschnoi vergleicht sich mit ihm, wird unter russischem Schutze Hetman 6. März 1669, bis ihm Romadonowski 17. Juni 1672 Samoiloowitsch folgen liess. Mit ihm zog er 1674 über den Dniepr, schlug wiederholt die Tataren und erweiterte dessen Herrschaft, ebenso kam er ihm 1675 über den Dniepr zu Hülfe gegen die Türken, Tataren und Doroschenko’s Kosaken. 1678 zog er dann gegen die Türken an den Dniepr, aber das Glück hatte ihn im Alter verlassen, nach mäßigen Erfolgen wurde er 20. August bei Tschigirin geschlagen, verschanzte sich, wurde im Lager eingeschlossen imd erlitt fast fortgesetzt Verluste. Als er 1679 bei Putiwl zum Kampfe bereit stand, begannen die Friedensverhandlungen mit dem Divan und seine Kriegerlaufbahn war hiermit beendet. Aber auch in den inneren Angelegenheiten hatte Grigorj eine wichtige Stimme. Dem Patriarchen Nikon todfeind, beschimpfte er diesen nicht nur 1658 in der Kirche in brutalster Weise, sondern untergrub auch seine Autorität über Alexei. Alexei verwandt und aufs intimste befreundet, konnte er seinem Laster, der Habsucht, ungestraft frohnen. 1682 unterzeichnete Grigorj mit zweien seiner Söhne die Aufhebung des Meestnitschestwo, dann aber ereilte ihn sein Geschick. Auch der zweite Czar, dem er gedient, Feodor III., war gestorben und unter den Wirren der Nachfolge kam es zu dem Strelitzenaufstande vom 15. Mai 1682 — ihm fielen der wegen seiner Strenge verhasste Fürst und sein Sohn, der Bojar Feodor Grigorjewitsch, zum Opfer. Ein anderer Sohn, der Bojar Michail Grigorjewitsch, erhielt, nachdem er 1687 in Beelgorod die Grenze gegen den Feind geschützt, 1697 den Oberbefehl an der lithauischen Grenze über 10—13,000 Mann, wusste sie aber durchaus nicht im Zaume zu halten, denn sobald sie, meist Strelitzen, von den Neuerungen Peter’s I. hörten, desertirten sie fast alle nach Moskau, um den Neuerungen ein Ende zu machen. Bei Aburtheilung der Strelitzen, mit der er 1698 neben Prosorowski betraut wurde, war er darum ein um so härterer Richter, denn kundgewordene Schwäche bringt leicht Grausamkeit zur Welt. 1711 machte er den Türkenkrieg mit.
Verwandt mit diesen Knäsen war der 1682 bei Aufhebung der Dienstlisten genannte Bojar Jurja Iwanowitsch, und sein Sohn, Fürst Feodor Jurjewitsch, ist unter Peter dem Grossen eine hervorstechende Figur. Generalissimus aller Truppen, bekleidete er 1697 während Peter’s Reisen das Amt eines Reichs Verwesers und erhielt neben dem scherzhaften Titel „Majestät“ den eines „Fürst-Cäsar“. Als Stolnik war er 1698 ebenfalls in der Untersuchungscommission gegen die Strelitzen. Freilich blieb ihm der Name „Fürst-Cäsar“ zeitlebens und musste er bei Peter’s rohen Spottfesten als solcher aufziehen. Darum vergass der Kaiser jedoch nie, was er Feodor schuldete, und Katharina I. hegte die gleichen Gesinnungen für die Familie.
I. Juni 1725 erhob sie seinen Sohn Iwan Feodorowitsch zum wirklichen geheimen Rathe und unter Anna I. stieg er 11. März 1730 zum Senator. Iwan Feodorowitsch’s einzige Schwester aber heirathete am 8. April 1722 den späteren Reichsvicekanzler Grafen Golowkin. Im Mannesstamme erloschen die Romadonowski am Ende des 18. Jahrhunderts, aber von weiblicher Seite war ihr Blut in die Familie der Herren von Ladyjenski gekommen; daher übertrug Paul I. April 1799 auf den Senator Ladyjenski den Namen und Fürstenrang des Geschlechtes als Romadonowski-Ladyjenski; doch ragte seitdem kein Glied hervor.
7) Einer der geachtetsten Namen in Russland ist Repnin. In früheren Zeiten finden wir 1509 einen Knäsen Repnin, der den Beinamen Obolenski führt. Dies rührt daher, weil die Familien Repnin und Obolenski eines Ursprunges sind, beide stammen ab von dem 1247 von den Mongolen ermordeten heiligen Michail, Fürsten von Tschemigow. Obiger Knäs Repnin-Obolenski war eine der Haupttriebfedern zur Unterwerfung des stolzen Pskow. Als grossfürstlicher Statthalter hauste er hier wie ein Proconsul Rom’s, sog die Bevölkerung aus, in seiner Gier kein Maß kennend, und da er wusste, wie die Bedrückten ihn hassten und verfluchten, so lag er Wassilij IV. stets in den Ohren, er möge Pskow erobern, was 1509 geschah. Nun setzte er seine Plünderungen noch zwangloser fort und fand einen gleichgesinnten Partner in dem früher geschilderten Andrei Schuiski. Weit würdiger tritt später der Bojar Michail Repnin in der Geschichte auf. Iwan IV. wuchs in seinen Freveln in’s Unermessliche, sank immer tiefer und wie Nero gefiel er sich in närrischen Festen und Tänzen; auch Repnin wollte er eine Maske vorbinden, dieser aber trat sie mit Füssen, erklärte solchen Mummenschanz für eine Erniedrigung und entging mit knapper Noth der Wuth des Czaren. Aber wenige Tage darauf, als er am Altare kniete und betete, liess ihn Iwan ermorden 1564. Am 15. Februar 1563 nahm ein Knäs Jurij als Wojewode Poloczk für Iwan IV. ein. Nun folgt eine längere Pause in der Geschichte der Familie, bis sie vor ihrem Abgange noch drei im Reiche hochgeehrte Glieder hervorbringt.
Der 1668 geborene Fürst Nikita war einer der tüchtigsten Feldherren des grossen Peter. Dieser erwartete ihn 1700 mit 13,000 Mann bei Narwa; im Juli 1701 stiess er, 19 Regimenter zu Fuss befehligend, mit dem sächsischen Generalfeldmarschall Steinau an der Düna zusammen und erwarb die Billigung Steinau’s durch den guten Zustand seiner Truppen. Ende August vereinigte er sich bei Pskow mit Scheremetew und machte den Feldzug in Livland mit, 1708 befehligte der General einen Theil der Truppen an der Newa, 1707 begleitete er den Czaren nach Polen. Aus Südlithauen brachen im folgenden Jahre seine Truppen nach Poloczk auf, verheerten das ganze Gebiet und schleppten hundert Wagen Polenkinder mit sich fort. 1709 betheiligte sich Repnin in ausgezeichneter Weise am Kriege mit Karl XII. und erhielt am Abend der Schlacht von Pultawa, 8. Juli 1709, den St. Andreas-Orden. 1710 belagerte er Riga, Juni 1711 überschritt er mit Peter den Dniestr, 1716 stand er in Mecklenburg als commandirender General. Peter der Grosse hielt viel auf ihn, denn er hatte seine Tüchtigkeit in 25 Dienstjahren erprobt. Als der Kaiser im Mai 1724 seine Gemahlin krönte, machte er den Fürsten Nikita zum Feldmarschall, und im November liess er ihn an Menschikow’s Stelle treten als Präsident des Kriegscollegiums (heutzutage Kriegsminister). Aber Menschikow liess sich damit nicht beseitigen, durch ewige Zänkereien machte er Nikita das Amt schwer und dornenvoll, und als der grosse Kaiser gestorben war, liess er seine Tücke schonungslos an dem Feldmarscball aus; er beraubte ihn, mit offenkundiger Missachtung verfahrend, alles Einflusses bei Hofe. So zurückgesetzt, starb Nikita als Gouverneur in Riga 16. Juli 1726. Mehr als Bindeglied zwischen Grossvater und Enkel, denn um eigenen Ruhmes wegen ist Fürst Wassilij Nikititsch zu erwähnen, der Sohn des Feldmarschalls. Als Generalmajor machte er 1736 den Türkenkrieg mit und stieg zum Grossmeister der Artillerie empor. Juni 1748 führte er die russischen Hilfstruppen im Solde der Seestaaten; als er nach Franken gekommen, erfuhr er, er müsse zufolge der Aachener Convention vom 2. August unverrichteter Dinge umkehren — doch war letzteres nur seinen Truppen gestattet, ihn ereilte im Lager vor Culmbach der Tod 10. August 1748. Von seinen Söhnen wurde Fürst Peter Wassiljewitsch, ehemaliger Oberstallmeister und seit 1759 Ritter des polnischen weissen Adlers, im Juni 1773 bei der Niederlage von Rustschuk von den Türken gefangen und in Konstantinopel in den sieben Thürmen eingekerkert — sein, späteres Loos ist mir unbekannt. Eine glanzvolle Rolle aber spielte der andere Sohn, zugleich der letzte Repnin, Fürst Nikolai Wassiljewitsch. Am 22. März 1734 geboren, heirathete er die Nichte des mächtigen Ministers Nikita Panin und sicherte sich schon hierdurch einen Halt am Hofe. Auf Panin’s Verwendung wurde er 1764 zum zweiten Minister am polnischen Hofe ernannt, wobei er auch die Leitung der Operationen der russischen Truppen erhielt. Ohne jeden Begriff von der Verfassung, den Zuständen und den Rechten des verkommenen Staates, bei dem er accreditirt war, verfuhr er in allem mit rücksichtsloser Plumpheit und überall anstossender Leidenschaft. Während er sich von der Partei Czartoryski ohne jeden Scrupel bestechen liess, nahm er vom König Stanislaus eine Pension von 10,000 Dukaten an. Denn er brauchte Geld für seine Ausschweifungen, für seine Maitressen, deren vornehmste die Fürstin Czartoryska war. October 1764, nach dem Tode des eisten russischen Ministers in Polen, Keyserlingk, trat er an seine Stelle und fand, nun an keinen Chef mehr gebunden, keine Grenzen in seiner Brutalität. 1764 mit dem weissen Adlerorden Polen’s geschmückt, beförderte er planmässig die Zersetzung des unglücklichen Landes, welches an seinem Adel zu Grunde ging; er unterstützte die Dissidenten, sprengte die Czartoryski’sche Conföderation, mischte sich in vollendeter Frechheit in Alles, beurtheilte und entschied Alles, herrschte wie der Herr des Landes und stellte den Konig gänzlich in den Schatten, stets mit seinen Soldaten drohend. Die Kaiserin lohnte ihm reichlich; 1767 und 68 erhielt er die Orden von Alexander-Newski und Andreas, dazu April 1768 50,000 Rbl., 18—20,000 Dukaten und mehrmonatlichen Reise-Urlaub. Seine Rohheit aber war am Hofe nicht unbemerkt geblieben, der Partei Orlow erschien es unräthlich, in Polen länger einen Mann schalten zu lassen, der es so unvergleichlich verstand, den russischen Namen verhasst zu machen, der die Gegner seiner Politik in die Verbannung schleppte, mit Schimpfreden und Prügeln so wenig sparsam war, und wenn auch sein Oheim Panin ihn lange zu halten wusste, so konnte er doch endlich seinen Sturz nicht mehr verhüten. Januar 1769 rief Katharina II. Nikolai’ ab, d. h. er musste noch bis Juni, bis zur Ankunft seines Nachfolgers, in Polen bleiben, jedoch die militärische Leitung und den Oberbefehl jetzt schon an General Weymam abtreten. Als Diplomat vorerst beseitigt, trat Nikolat 1770 wieder als Krieger auf die Bühne, er nahm hervorragenden Antheil am Türkenfeldzuge, focht mit am Larga und Kaghul Juli und August, und nahm Kilia 5. Sept. ein. Im Juli 1774 ging er als Abgesandter zum Congresse von Kutschuk-Kainardschi und schloss 21. Juli hier den Frieden ab. Hierauf schickte ihn Katharina im Herbste 1775 als Gesandten nach Konstantinopel; dort lebte er in fabelhaftem Luxus und that seiner rohen Natur alle Gewalt an, da es im Interesse der Kaiserin war, die Pforte durch allerlei Connivenz und Freundlichkeit einzuschläfern und sicher zu machen; ja er liess von türkischer Seite jedes Vergehen zu, ohne Einsprache zu erheben, ganz im friedensseligen Sinne Panin’s handelnd. 1776 zurückberufen, wurde er Oberstlieutenant der Ismailow’schen Garde und ging nach Smolensk als Generalgouverneur und Divisionscommandeur. Hier blieb er, bis Katharina, die ihm vorzüglich gewogen war, ihm wieder eine diplomatische Mission anvertraute. Im December 1778 erschien er in Breslau, um den Frieden zwischen Oesterreich und Preussen zu vermitteln oder, wenn dies nicht gelänge, als commandirender General Preussen ein Hilfscorps zuzuführen. Seiner Intervention folgte der Friede von Teschen auf dem Fusse, Mai 1779. Im folgenden Jahre überwarf sich der Fürst, der jezt für einen Mediator galt, mit Potemkin, der ihn nicht zum Generaladjutanten machen wollte, zwei sehr starre und stolze Köpfe prallten an einander, und die innige Verehrung des jungen Grossfürsten Paul für Repnin musste Potemkin gegenüber unterliegen. Erst 1788 trat Repnin wieder in’s volle Licht, als er im Türkenkriege von neuem das Schwert ziehen durfte. Im December führte er einen Theil des Heeres zum Sturme auf Otschakow, 1780 wurde er Befehlshaber der Armee der Ukraine anstatt Kamenski’s; ihm gelang es, den Seraskier Hassan Pascha zu besiegen und in Ismail einzuschliessen, 12. Sept. Oktober 1790 gab ihm Potemkin den Oberbefehl, er besiegte die Türken bei Babada Mai 1791 und dann in der glänzenden Schlacht von Matschin im Juli den Grossvezier selbst. Dies nöthigte die Türken zum Frieden, Nikolai ging als Bevollmächtigter nach Galacz, schloss hier 11, August die Präliminarien und 9. Januar 1792 zu Jassy den Frieden selbst ab; es war dies sein dritter Friedensschluss. Katharina ernannte ihn hierauf 1792 zum Generalgouverneur der Ostseeprovinzen, 1794 sandte sie ihn als Satrapen nach Polen, dem Lande seiner harten Jugend, 1796 wurde er unter Paul Generalfeldmarschall, 1798 suchte er in Berlin vergebens den Beitritt Preussen’s zur Allianz mit Russland und England zu erreichen. Von Paul stets in Ehren gehalten, starb der rauhe Diplomat, der sogleich bereit war, zum Degen zu greifen, in derselben Stadt wie sein Grossvater, in Riga, 24. Mai 1801. Er hinterliess Aufzeichnungen über die von ihm niedergeworfenen Bauernaufstände in den Gouvernements Wologda, Orel und Kaluga, die im Russki Archiv 1869 erschienen. Da mit dem Fürsten Nikolai das Geschlecht Repnin im Mannesstamme erloschen war, 80 übertrug Alexander I. den Namen Juli 1801 auf den Fürsten Nikolai Wolkonski, dessen Mutter die Tochter des alten Repnin, Alexandra Nikolajewna, war, seit 1807 Ehren- Dame der Kaiserin-Mutter und seit 1818 Obersthofmeisterin der Grossfürstin Alexandra Feodorowna. Durch ihre Ehe mit dem Greneral der Cavalerie, Fürsten Grigorj Wolkonski, kam das Repnin’sche Blut in diese Familie, die sich jetzt Repnin-Wolkonski nennt, und von der ich später zu handeln habe.
8) Gleicher Herkunft mit Repnin sind die Fürsten Odojewski, die bis zu ihrem Aussterben für Russland’s vornehmstes Geschlecht galten, weil sie von Rurik und dem Heiligen Michail zunächst abstammten. Sie herrschten früher in der Stadt Odojew, von der sie den Namen tragen, und wegen ihrer Abkunft vom heiligen Michail führten sie das grossfürstliche Wappen von Tschernigow. Die ersten wichtigeren Familienglieder dulden unter Iwan dem Schrecklichen. Eudoxia Romanowna, die zweite Gemahlin seines Vetters Wladimir Andrejewitsch, muss in Slotino mit ihm 1569 den Giftbecher leeren, und ihr Bruder, der Bojar und Wojewode Knäs Nikita, ein bewährter Feldherr, wird — der Schwester wegen dem Tyrannen verhasst und verdächtig — 1573 martervoll hingerichtet. Seinem Sohne, dem Bojaren Knäsen Iwan Nikititsch, verdankte Michail Romanow viel, denn nicht nur ordnete sich dieser Grosse, der 17. Juli 1611 den Frieden von Nowgorod mit Schweden abgeschlossen hatte, ihm sofort unter und unterzeichnete 1613 seine Wahl, sondern er wandte sich auch mit beharrlichster Thatkraft gegen den Hetman Saruzki, schlug ihn bei Woronesh 14. September 1613, brachte ihn 1614 in Gefangenschaft, und Kasan wie der ganze Südosten des Reiches beugten sich vor Iwan’s Befehle. Verdankte dies der erste Romanow dem Vater, so war der Sohn dem Sohne ein treuer Diener und Berather. Dies schätzte Czar Alexel wohl und betraute daher den Fürsten Nikita Iwanowitsch, seinen Bojaren, 1648 bis 1649 mit dem Präsidium der Gesetzgebungscommission, als deren Resultat die „Uloshenie“, das neue Gesetzbuch, hervor- ging. 1664 entsandte er ihn mit Dolgoruki an den Patriarchen Nikon, und noch 1682 unterzeichnete Nikita mit zwei Bojaren gleichen Namens die Auffhebung des Meestnitschestwo.
Erst in unserem Jahrhunderte treten sodann Glieder des Hauses wieder hervor. Bei dem Decemberaufstande von 1825 war Fürst Alexander Feodorowitsch, Fähnrich der Chevaliergarde, einer der thätigsten Verschwörer und Geheimbündler im Nordbunde; als er 26. Decembcr die Wache bei der Kaiserin Mutter hatte, kundschaftete er verwegen Alles aus, was im Palais vorging. Als dann die Conspiration in die Brüche fiel, rettete er sich, fast erstarrt vor Kälte, zu seinem Oheime, dem Minister des Inneren Dimitri Lanskoi, wurde aber ausgeliefert, zu 12jähriger Zwangsarbeit und darauf folgender Ansiedelung in Sibirien verurtheilt, wo er seinen Leidensgefährten Vorträge über russische Literatur hielt und einem von ihnen, Baron Rosen, 4 Jahre russischen Unterricht ertheilte, und starb als gemeiner Soldat im Kaukasus. Das Haus Odojewski verarmte mit der Zeit und seine Vermögensverhältnisse entsprachen dem Glanze des erlauchten Namens wenig. So ging es denn auch in friedlicher Stille des Gelehrtenzimmers aus. Fürst Wladimir Feodorowitsch, 1803 geboren, des unglücklichen Alexander Bruder, geheimer Rath, Hofmeister und Senator im achten Departement (Moskau, Civilsachen), war Vorstand des asiatischen Museums in Petersburg. Als Schriftsteller und Dichter aus der Puschkin’schen Epoche machte er sich einen in der literarischen Welt geehrten Namen und Niemand konnte ihm Eines absprechen, dass er nämlich ein bedeutender Mensch war. Dieser letzte Odojewski starb zu Moskau 11. März 1869. Obgleich sein Haus das erlauchteste aus Rurik’s Blut war, so ist es doch eines derjenigen, welches am wenigsten von sich reden gemacht hat. Ausser den bisher geschilderten gab es noch etwa 68 fürstliche und 8 adelige Häuser aus Rurik’s Stamme, die theils vor, theils nach Peter dem Grossen erloschen sind, doch hielt ich ihre Geschichte nicht für denkwürdig genug, um hier aufgezeichnet zu werden, eben weil sie zu den abgegangenen zählen, bei denen ich nur die merkwürdigsten hervorhebe.
1) Ein Nachkomme der alten Theilfürsten in Tschernigow und des heiligen Michail war Fürst Wassilij der Einäugige von Worotynsk. Er trat in Dienst bei dem Grossfürsten von Moskau und verheerte 1492 Lithauen. Sein Verwandter, Knäs Iwan Michailowitsch, verwüstete 1508 Lithauen bis Wilna hin, schlug 1517 die Krimer bei Tula, erwarb sich hierbei den hohen Titel eines Dieners, dann aber kam der im Kriegswesen äusserst erfahrene Mann August 1521 mit anderen Wojewoden in die grosse Acht, weil der Krimsche Chan Magmet-Girai sie geschlagen hatte; man beraubte Iwan seiner Würden, seines Vermögens und seiner Freiheit. In späteren Jahren entliess man ihn zwar aus dem Gefängnisse und duldete ihn wieder bei Hofe, doch durfte er Moskau nicht verlassen. Nach Freiheit sich sehnend, versuchte er nach Lithauen zu entfliehen, wurde aber ergriffen; diesmal verzieh ihm der vierte Wassilij, hingegen kam Iwan 1533 mit seinen Söhnen als angeblicher Mitverschwörer der Schuiski gegen die Regentin Helene ins Gefängniss. Von ihm erfahren wir nun nichts mehr. Von deinen Söhnen befehligte 1552 Wladimir die czarische Leibwache im Kriege mit Kasan und Michail Iwanowitsch erwarb sich einen hochgefeierten Namen. 1552 führte er mit Mstislawski das Hauptheer gegen Kasan, erhielt schwere Wunden, trug aber wie kein Zweiter zur Eroberung des Landes bei und wurde wie sein Vorfahr dafür „czarischer Diener“, ein Titel, der in einem Jahrhundert nur dreimal verliehen wurde. 1558 verfolgte Michail von Tula aus Magraet-Girai bis Oskol, konnte ihn aber nicht einholen. 1562 fiel er bei dem unberechenbaren Iwan IV. in Ungnade, wurde mit Gattin, Tochter und Sohn an dem Bjelo Ozero verwiesen und lebte von hundert Rubeln das Jahr, abgerechnet von dem, was er an Wäsche, Kleidern und Speise empfing. April 1565 wurde der tapfere Knäs, in allen Lagen der treueste Diener seines Herrn, begnadigt, wieder in den Reichsrath gezogen, an die Stätte seines Ruhms nach Kasan als Statthalter entsandt, mit der Herrschaft Nowosilsk beschenkt, aber eidlich verpflichtet nie aus Russland zu entfliehen. Vergebens waren alle Lockungen der Krone Polen, ihn wortbrüchig zu machen. 1571 besetzte er mit mehreren Feldherren die Ufer der Oka, wurde vom Chan Dewlet-Girai umgangen, eilte zum Schutze Moskaus herbei, dessen Brand im Mai er freilich nicht verhindern konnte, dann verfolgte er den Chan; 1572 erwartete er ihn wieder an der Oka und errang über ihn den glorreichen entscheidenden Sieg bei Molody an der Lopassna 1. August — Moskau war hierdurch gerettet. Diese Waffenthat ersten Ranges sollte die letzte Michaliks sein, denn schon lechzte der Tyrann auch nach seinem Blute, nach dem des vornehmsten Wojewoden. Ein Sklave, der wegen Diebstahls entlaufen war, klagte 1573 den Helden des Verkehrs mit Hexen, der Zauberei und des Complotes gegen das Leben Iwan’s IV. an; sofort liess ihn Letzterer binden und foltern und wie sehr auch der Knäs seine Unschuld betheuerte, so wurde er lebendig geröstet und kaum noch athmend an den Bjelo Ozero geschleppt; diese altbekannte Station seines Leidens sah er nicht wieder, unterwegs starb der sechzigjährige Mann und seine Asche ruht, von der Nachwelt geehrt, im Kloster des heiligen Kyrill. Während ein Knäs Worotynski, vielleicht ein Sohn Michails, 1585 als Aufhetzer Mstislawskis gegen Godunow in entfernte Gebiete des Reiches exilirt wurde, trat Iwan Michailowitsch, des Helden Sohn, oft in der Geschichte auf. 1583 zog er als Wojewode gegen die Tscheremissen, erreichte aber so wenig, dass man bereits vorausahnen mochte, Iwan werde kein Michail werden. Bojar geworden, überbrachte er 1605 dem falschen Dimitri die Huldigung Moskaus nach Tula, wurde aber höchst geringschätzig von ihm behandelt. In Folge dessen trat er 1606 eifrig auf die Seite der Schuiski, unterstützte aus bestem Vermögen die Wahl seines Schwagers Wassilij zum Czaren, und sprach gegen die Erhebung eines Galitzin, da diese Familie viel zu zahlreich sei und dadurch dem Reichsrathe gefährlich werden würde. 1606 zerstreute er bei Jeletz die Rebellen, floh aber alsdann, ging, anstatt für sein Vaterland ehrlich sein Blut einzusetzen, heim und als er ein zweites Mal gegen sie auszog, wurde er bei Troitzk geschlagen und floh wiederum. 1607 stiess er von neuem mit ihnen bei Tula zusammen, floh nach Alexin und erlitt eine Schlappe; tief beschämt, traf er bei Wassilij V. in Serpuchow ein, schwur mit ihm zu siegen oder zu sterben, und erschien mit ihm 1608 bei Tuschino. Als er 1610 den zweiten Pseudo-Dimitri verfolgen sollte, eilte er abermals in wilder Flucht nach der Hauptstadt, seine ganze Kriegerlaufbahn schien in Niederlage und Flucht zu bestehen, so unähnlich war der Sohn dem Vater. 1610 meldete Iwan mit Zachar Läpunow seinem czarischen Schwager, er sei entthront, doch muss zu seiner Ehre erwähnt werden, dass er sich in dem nun folgenden Interregnum offen zur nationalen Sache und zum Patriarchen hielt und darum als Aufwiegler von den Partisanen Polen’s gefänglich eingezogen wurde. 1612 — 13 stand Iwan in der Reihe der Throncandidaten, aber seine persönliche Untüchtigkeit und Gebrechlichkeit wie auch der Umstand, dass er keinen tüchtigen Sohn besass, bewirkten, dass man von ihm absah, und so musste er 1613 Michail Romanow’s Wahl unterzeichnen. Mit ihm scheint das Geschlecht der Worotynski erloschen zu sein, an dem der Ruhm des Sieges an der Lopassna haftete.
2) Von den Fürsten in Starodub stammen die Paletzki ab. 1497 erhob Knäs Feodor Mengli-Girai auf den Thron von Kasan, fiel aber 25. Juni 1506, als der dortige Czar Magmet Amin die grossfürstlichen Truppen überrumpelte. Während Knäs Iwan den jungen Wassilij gegen Iwan III., seinen Vater, aufzureizen suchte und dafür 1496 dem Beile verfiel, musste Knäs Boris 1536 als treuer Diener des unglücklichen Prinzen Andrei unter Iwan IV. Folter und Knute erdulden. Knäs Dimitri Feodorowitsch besiegte 1533 die Tataren Sapha-Girai’s von Kasan bei Saraisk, conspirirte 1541 mit Schuiski gegen Iwan Beelski, setzte 1546 mit Dimitri Beelski Schich-Alei wieder auf den Thron von Kasan, wurde 1547 Bojar und brach 1555 als Statthalter von Nowgorod verheerend in Finnland ein, mit reicher Beute kehrte er an den Hof zurück. 3. November 1549 heirathete seine Tochter, die schöne und sanfte Juliane Dimitrijewna, den sechzehnjährigen Bruder Iwan’s IV., Jurij Wassiljewitsch, wurde 24. November 1563 Wittwe und ging, allgemein geliebt und geehrt, als Nonne Alexandra in das Nowodewitschi-Kloster; ihr Schwager, der Czar, umgab sie hier mit einem fürstlichen Hofstaate, aber 1569 liess er die Nonne in der Scheksna ertränken. Januar 1564 fielen für den Tyrannen bei Orscha die Knäse Semen und Feodor, 1568 bei Ula Wassilij. Knäs Semen, welcher 1579 Poloizk eroberte, fiel noch im gleichen Jahre in der Festung Sokol und seitdem wird das Haus Paletzki nicht mehr erwähnt.
3) Gleicher Herkunft mit den Paletzki waren die Posharski. Dieser Name ist wie wenig andere jedem treuen Russen heilig und theuer, denn er ist unlösbar verbunden mit der ruhmwürdigsten nationalen That, mit der Selbstbefreiung vom Drucke Polen’s. Der Descendent Wsewolod’s III. im sechsten Gliede, Fürst Wassilij Andrejewitsch, erbte das Städtchen Pogar, welches durch Feuersbrunst (poshary) verheert wurde und nahm den Namen Posharski an. Knäs Michail führte 1632 Schein Truppen zu, erlitt aber bei Dorogobush 1634 durch die Polen eine Niederlage. Der Ruhm des Hauses war Knäs Dimitri Michailowitsch, geboren 1578. Unter Boris ein rangloser Hofherr und unter dem falschen Dimitri I. Stolnik, schlug er 1608 als Wojewode Wassilij’s V. glänzend die Truppen des zweiten Dimitri bei Kolomna, zerstreute 1609 an der Pephorka die Räuberhaufen des Ataman Salkow und hielt 1610, als alle anderen Städte im Räsan’schen mit Läpunow gingen und Wassilij verliessen, einzig Saraisk bei seiner Fahne. In dem Riesenkampfe, welchen das gebeugte Russland mit dem übermüthigen Polen begann, entsetzte Dimitri 1611 Pronsk, siegte bei Saraisk, befreite ganz Kasan, führte den Vortrab Läpunow’s auf Moskau, wurde aber hier im wilden Gefechte März schwer verwundet, in das Dreieinigkeitskloster und von da nach dem Erbgute Purez geschafft. Kaum hergestellt, trat Dimitri dem berühmten Volksführer Kosma Minin als Anführer der Schaar von Nishnei-Nowgorod zur Seite, eilte mit ihm von Sieg zu Sieg, nahm jedoch, um den nationalen Charakter des Kampfes zu wahren, nur Russen bei seinem Heere an. Er zog auf Moskau, siegte in viertägigem Ringen über den Kronhetman Polen’s, Chodkiewicz, und erstürmte 22. Oktober 1612 den Kreml, Moskau und ganz Mittelrussland waren gerettet, waren frei. Posharski wurde das Feldgeschrei der aufjubelnden Nation, ihr Liebling. 1613 beschenkte ihn der Reichstag mit Ländereien und Leibeigenen als Nationalgabe, und als man zur Czarenwahl schritt, waren im Heere wie in der Versammlung gar Viele der Ansicht, man solle ihn wählen: aber die Bojaren wollten hiervon nichts hören, da ihnen das Haus Posharski in Folge des Meestnitschestwo zu unbedeutend erschien. Dimitri selbst, der reine uneigennützige Kämpe der Freiheit, mochte überdies fühlen, dass er zu wenig politisch beanlagt sei, um den Thron würdig auszufüllen, und weigerte sich darum beharrlich, eine Candidatur anzunehmen. Sofort unterzeichnete er 1613 für sich und den Fürsten Iwan Hawanski die Wahlurkunde Michails, der ihn nun zum Bojaren ernannte. Trotz all seiner unsterblichen Verdienste überlieferte Michail ihn 1614 seinem Gegner, Saltykow, als Beide wegen des Meestnitschestwo in Streit gerathen waren und die Rosrädsbücher gegen Dimitri entschieden hatten, blind folgte der Czar den alten vergilbten Satzungen. Hochherzig vergass dies Dimitri und eilte 1614 ihm zu Hülfe, im Mai schickte er vier Strelitzen-Regimenter gegen Saruzki nach Astrachan und zog selbst gegen die Lissowtschiks, mit eisernem Besen fegte er diese Räuber 1614 und 15 aus dem Lande. Schwer erkrankt, musste Dimitri nun zwei Jahre feiern, erst 1617 durfte er sich von neuem gegen die Lissowtschiks wenden, besetzte Kaluga, drängte Opalinski auf Wiäsma zurück und unterstützte 1618 Moshaisk. In den Tagen des Friedens stand der edelste der Bojaren Michail treu zur Seite, aber Philaret befürchtete, er möchte Einfluss auf ihn gewinnen, und entfernte ihn als Gouverneur nach Nowgorod und Pskow. 1632 wollte ihn zwar der Herrscher nochmals auf die Bühne hervorziehen und betraute ihn mit dem Oberbefehle gegen Polen, aber der 54jährige Fürst verfiel wieder in eine schwere Krankheit, der er erlegen zu sein scheint. Alexander I. wusste den Liebling der Nation würdig zu ehren, indem er ihm und Kosma Minin, „dem erwählten Mann des ganzen Moskowitischen Reiches“, ein gemeinsames Denkmal in Moskau errichtete. 1685 erlosch das Geschlecht Posharski.
4) Von der Linie Rurik’s, die in Susdal herrschte, stammten die Schuiski ab, eine der merkwürdigsten und einflussreichsten Familien des Reiches. 1392 verdrängte Wassilij Dimitrijewitsch die Schuiski aus ihrer Herrschaft, die er mit seinem Staate vereinigte. Lange trugen ihm dies die Schuiski nach und traten lieber in den Dienst des mächtigen Freistaates Nowgorod als in den seinigen oder den seiner Erben, erst allmälig gelangten sie zu der Einsicht, es sei unmöglich, auf die Dauer den Grossfürsten zu widerstehen. 1471 wurde Fürst Wassilij Schuiski mit dem Beinamen Grebenka von Susdal als Befehlshaber des Dwina’schen Gebietes von Nowgorod von den grossfürstlichen Truppen 27. Juli besiegt und erreichte mit Mühe in einem Bote Cholmogory; 18. November 1475 bewillkommnete er Iwan III., den Eroberer Nowgorod’s, und wurde daselbst sein Statthalter — so traten die Schuiski in den Dienst der Grossfürsten. 1495 zog derselbe Wassilij in den Schwedenkrieg und verheerte als Wojewode Finnland in barbarischster Weise; als er aber sein Schwert 1501 gegen den wackeren Heermeister von Livland, Walther von Plettenberg, kehrte, verlor er die Schlacht von Isborsk 27. August und musste, gänzlich vernichtet, das Feld räumen. Viel bedeutender war ein anderer Wassilij Wassiljewitsch, denklich sein Sohn. 1512 zog er als Feldherr Wassilij’s IV. gegen Lithauen, wurde 1514 in Smolensk Statthalter, rückte August 1519 bis Wilna vor, verheerte 1523 mit der Vorhut der Armee das Casan’sche, und wohnte 1533 der Abfassung des Testamentes Wassilij’s IV. an; ihm war er theuer, denn er hatte 1514 Smolensk vom Abfalle an Polen abgehalten. Sein Ansehen war so gross, dass er bald alle Mitbojaren leitete, er gebärdete sich, da der junge Grossfürst unter seiner Vormundschaft stand, als Herr des russischen Reiches und sein Dünkel wuchs noch, als er 1538 als Fünfziger die Tante seines Mündels, die verwittwete Fürstin Anastasia Mstislawski, heimgeführt hatte. Wassilij starb zwar 1539, aber sofort trat sein weit schlimmerer Bruder Iwan Wassiljewitsch in die usurpirte Stellung ein. Iwan hatte durch einen verunglückten Fluchtversuch nach Lithauen 1528 sich die Ungnade des Grossfürsten zugezogen, war jedoch 1530 wieder zu Gnaden gekommen, hatte 1533 der Testamentsabfassung assistirt und war Mitglied des Bojarenrathes der Regentin Helene geworden. Seine schrankenlose Frechheit verschaffte ihm bald ein gewisses Uebergewicht in dem Bojarenrathe und 1539 wurde er dessen Haupt; von da an bestahl er ohne jedes Bedenken den grossfürstlichen Schatz, seine Anhänger sogen die Provinzen aus und theilten mit ihm den gewährten Raub. 1540 überwog am Hofe das Ansehen der Familie Beelski, Iwan zog sich darum vom Rathe zurück und liess sich von Iwan Beelski die Befehlshaberstelle in Wladimir geben; anstatt Beelski dankbar zu sein, dass er seines Lebens geschont, wühlte er ohne Unterlass gegen ihn, conspirirte heimlich mit den Paletzki und Kubenski (einem ebenfalls erloschenen Zweige Rurik’s), marschirte nicht wie er sollte gegen Kasan, sondern warb im Heere Anhänger, förderte durch sie Januar 1542 die Moskauer Erhebung gegen Iwan Beelski und liess ihn im Mai ermorden; 3. Januar war er selbst in Moskau eingezogen, leitete seitdem wieder den Bojarenrath und installirte zum zweiten Male die alte verhasste Tyrannei.
Bald darauf erkrankte der Fürst und verliess den Hof, während seine nächsten Verwandten Iwan und Andrei Michailowitsch und Skopin-Schuiski das Land nach wie vor aussogen, endlich aber ihre Macht so missbrauchten und den Grossfürsten so geringschätzig behandelten, dass Glinski sie allesammt 29. December 1543 stürzte. Iwan Wassiljewitsch starb 1545. Sein Sohn, Fürst Peter Iwanowitsch, leitete im väterlichen Auftrage 3. Januar 1542 das Attentat gegen J. Beelski, machte 1552 die Expedition gegen Kasan mit, wurde im September Wojewode von Swiäshsk und 1553 Statthalter in Kasan. Juli 1558 leitete er die Belagerung von Dorpat, zwang es 19. Juli zur Capitulation und hielt, ganz im Gegensatze zur Plünderungswuth seiner Verwandten, pünktlichst auf strenge Mannszucht, auch suchte er Februar 1559 mit möglichster Schonung dem czarischen Befehle zu genügen, der ihm die Verheerung Kurlands bis zur lithauischen Grenze vorzeichnete. 1563 behauptete Peter für Iwan IV. die eroberte Festung Poloczk, operirte aber in der Folge unvorsichtig und verlor bei der Festung Ula 26. Januar 1564 gegen die Polen unter Nikolaus Radziwill Sieg und Leben, er sank als Russlands brauchbarster Feldherr ins Grab. Doch lebte von seinem Geiste und seiner Tapferkeit etwas in seinem Sohne fort, in Iwan Petrowitsch. Glorreich vertheidigte dieser Pskow von 1579—1581, wurde 1584 im Testamente Iwans IV. zu einem der Räthe und Hüter des Reiches bestellt und galt viel im Rathe. Da er Beelski im Verdachte hatte, er wolle Godunow den Thron verschaffen, so brachte er diesen Argwohn durch die Räsan’schen Dworäne (Hofbeamte) Läpunow und Kikin unter die Leute und führte so den Mai-Aufstand und Beelski’s Verweisung herbei. Feodor I. suchte ihn an sich zu fesseln und überliess ihm seit Mai 1564 die vollen Einkünfte aus Pskow, aber Godunow gönnte dem ehrgeizigen Manne nicht lange den ruhigen Besitz — Einer sann auf den Sturz des Andern. 1585 verband sich Iwan mit Mstislawski gegen Godunow, der Czar sollte dessen Schwester verstossen und die Tochter Jenes heirathen; Godunow aber kam dem Schlage zuvor, indem er rasch den Clerus von den Verschworenen zu sich herüberzog; er vernichtete zwar Iwan noch nicht, wartete aber nur auf eine Gelegenheit hierzu. 1587 erkaufte er dann einen Leibeigenen der Schuiski, machte auf seine Aussagen hin dem Fürsten den Process als Hochverräther, sandte ihn nach dem Bjelo Ozero und liess dort den gefeierten General erdrosseln.
1528 war sein Verwandter Andrei Michailowitsch auf der Flucht nach Lithauen in Dmitrow ertappt und erst 1530 wieder begnadigt worden. Dieser Knäs, im sechsten Grade ein Descendent des Grossfürsten Dimitri Konstantinowitsch in Susdal, trat 1533 in den Bojarenrath, wollte verrätherischer Weise an Stelle Iwan’s IV. dessen Oheim Jurij auf den Thron erheben und kam ins Gefängnis. Leider befreiten ihn 1538 die Seinen, er wurde Bojar und Statthalter von Pskow, wo er so unmenschlich hauste und brandschatzte, dass die Stadt bald als Räuberhöhle verrufen war. 1540 nahm ihn zwar Iwan Beelski der Stadt ab, aber schon Januar 1542 kehrte die alte Geissel zurück. Andrei wüthete noch sinnloser denn zuvor, zwang die Gutsbesitzer, ihm ihre Güter gegen lächerliche von ihm bestimmte Preise abzutreten, indem er dabei den Schein des Kaufes wahrte, und forderte von den ausgebeuteten Bürgern Frohnfuhren, sein frecher Wille war in Pskow Gesetz. Als Akt des Segens begrüsste Pskow seine Hinrichtung; Iwan IV., von den Glinski berathen, liess die Schuiski endlich seinen Arm fühlen; als Andrei bei dem Weihnachtsfeste in Moskau weilte, liess er ihn als den Schuldigsten der ganzen Familie 29. December 1543 von den Hundevögten erschlagen, ein ruhmloses Ende, der gerechte Abschluss eines solchen Lebens. Der Sohn Andrei’s, der Bojar Iwan Andrejewitsch, fiel 1593 als Wojewode gegen Schweden bei Lode, fünf Söhne hinterlassend. Betrachten wir ihr Leben, Andrei Iwanowitsch wurde im Mai 1584 Bojar, intriguirte aber seitdem so beharrlich gegen Godunow, dass ihn dieser des Hochverrathes beschuldigte, gefangen nahm und in Kargopol, dem Orte seiner Verbannung, 1587 erwürgen liess. Der wichtigste der Söhne war der 1547 geborene Wassilij Iwanowitsch. 1581 schützte er die Ufer der Oka gegen die Angriffe der Krim’schen Tataren und 1583 gegen die Nogaier. Iwan IV. werth, war er bei seiner siebenten Heirath sein Brautführer. Mai 1584 erhob ihn zwar Feodor I. zum Bojaren, belastete ihn jedoch bald mit seiner Ungnade und erst 1591 kam er wieder an den Hof. Godunow hatte in ihm einen Liebediener gefunden, der feil genug war, sich offen zur Lüge herzugeben; nachdem er Dimitri’s Tod angeordnet hatte, schickte er Wassilij 1591 nach Uglitsch, um durch eine Scheinuntersuchung den Beweis zu liefern, der Czarewitsch sei durch eigene Hand gefallen und alle Schuld treffe seine unachtsame Familie, die Nagoi. Wassilij genügte in vollem Umfange dem Vertrauen des Mörders Godunow und erhielt 1598 bei dem Scheinfeldzuge gegen die Tataren das Gommando des rechten Flügels. Aber heirathen durfte Wassilij Jwanowitsch nicht, Godunow sah darin eine Gefahr für seine Thronabsichten und dann für die Ruhe seiner Descendenz. 1605 zog Wassilij als zweiter Befehlshaber zum Heere gegen Dimitri, ohne irgend welche Feldherrngaben zu besitzen, er besiegte ihn 21. Januar bei Dobrünitschy, operirte aber bei Kromy und anderen Punkten ganz planlos. Sobald Godunow gestorben, reiste Wassilij nach Moskau ab, nahm seinen hervorragenden Platz im Reichsrathe ein und huldigte bald mit seiner ganzen Familie Dimitri. Dieser gestattete dem Fürsten zu heirathen und der 58jährige Mann eilte, noch die Freuden der Ehe zu geniessen; 1605 verlobte er sich mit Maria Petrowna, der Tochter des Fürsten Peter Iwanowitsch Buinossow de Rostow, einer Abkömmlingin Rurik’s aus der Linie in Rostow. Doch zur Eheschliessung sollte es vorerst noch nicht kommen. Niemand wusste von Anfang an besser, dass der neue Dimitri ein Betrüger sei als Wassilij, und so finden wir ihn, vom Ehrgeiz verzehrt, 1605 im ganzen Lande gegen dessen Regiment thätig; ohnehin hasste er als Stockrusse in ihm den Fremden und Söldner Polen’s, den Begünstiger fremder Verhältnisse und Sitten und den Reformfreund. Seine Wühlereien blieben Dimitri nicht verborgen, 1605 übergab er ihn den Folterern und liess ihn aufs Schaffot fahren; in dem Augenblicke aber, als das Beil niederfallen sollte, wurde er begnadigt. Nachdem Wassilij alle Schrecken des Todes durchkostet, wurde er also dem Leben wieder gegeben, Dimitri aber hatte sich dadurch sein Ende bereitet. Wassilij wurde mit seinen Brüdern des Vermögens beraubt und nach Galitsch exilirt, durfte aber schon nach einem halben Jahre zurückkehren. Sein Schicksal hatte ihn zum Abgotte des Volkes gemacht, man sah in ihm einen Märtyrer der öffentlichen Meinung, die gegen den reformirenden Dimitri in entschiedenster Weise sprach. Wassilij benutzte diese Stimmung, liess bei Dimitri’s Hochzeit tausende von Leibeigenen seiner Familie, unter dem Vorwande den Festlichkeiten anzuwohnen, nach Moskau kommen und stürzte 17. Mai 1606 im Pöbelaufstande den Usurpator, wobei Letzterer ermordet wurde. Wassilij, angestaunt wegen seiner List und Unerschrockenheit, wurde 19. Mai 1606, nachdem er unerhörter Weise Bedingungen eingegangen war, von einer kleinen Anzahl von Bojaren, von den Kaufleuten und dem gemeinen Volke in Moskau zum Czaren als Wassilij V. erwählt und 1. Juni gekrönt. Vom Schaffote zum Thron war ein kühner Sprung, vielleicht einzig in der Geschichte. Obwohl Wassilij grosse Vorzüge hatte, so war er doch zu misstrauisch, zu leichtgläubig und zu unselbständig, als dass sein Regiment Segen hätte bringen können und seitdem er selbst die stärkste Säule seines Thrones, seinen Neffen, niedergestürzt hatte, schien Alles zu Grunde gehen zu sollen. Die Liebe des Volkes war erkaltet, der Zorn gegen die Unfähigkeit des Czaren erfüllte die Herzen, und vergebens suchte der Patriarch Hermogenes die Geister zu beschwören. Es kam zur Empörung, einige Knäse und Cleriker eröffneten Wassilij, er müsse abdanken und führten ihn und seine Frau aus dem Kreml in sein eigenes Haus, 17. Juli 1610. Umsonst waren seine heftigen Weigerungen Mönch zu werden, umsonst verfluchte Hermogenes die Empörer, man las Wassilij die Einkleidungsgebete vor, Knäs Turenin sprach für ihn das Mönchsgelübde aus und er zog 18. Juli in das Tschudow-Kloster ein. Seine Gattin, die er erst 17. Januar 1608 als Czar heimgeführt and die ihm 1610 ein Töchterchen Anastasia geschenkt hatte, durfte trotz ihrer Bitten nicht bei ihm bleiben, sondern musste als Nonne in das Iwan -Kloster und Oktober 1610 in das Jungfrauen- Kloster zu Susdal eintreten, ihr Kind war gestorben. Oktober 1610 nahm der polnische Feldherr Zolkiewski den Entthronten in reicher lithauischer Kleidung mit nach Smolensk, hier imponirte er Allen und selbst dem Könige Sigismund durch sein sicheres und würdevolles Auftreten. Sigismund liess ihn nach dem Schlosse Gostin bei Warschau bringen, hier starb Wassilij V. 12. September 1612; unter Michail Romanow’s Regierung wurden seine Reste nach Moskau gebracht und in der Kathedrale des heiligen Michail beigesetzt. Seine Gemahlin scheint im Kloster verstorben zu sein. Auch sein Bruder Dimitri Iwanowitsch spielte eine bedeutende Rolle. Seine Vermählung mit der Tochter des entsetzlichen Günstlings Iwan’s IV., Maliuta Skuratow, Katharina, hatte ihn zum Schwager Godunow’s gemacht, 1591 wurde er Bojar und schützte den Kreml, während er 1598 den Befehl über die Vorhut gegen die Tataren empfing. 1604 — 5 kämpfte er gegen den ersten Dimitri und nahm dann seinen Platz im Reichsrathe ein. Dimitri war ein gänzlich unfähiger General, ebenso stolz und eitel wie schwach, dabei neidisch auf fremde Tüchtigkeit, grausam und gefühllos. Unglücklicher Weise stellte sein Bruder Wassilij ihn wiederholt an die Spitze seiner Heere. Bei Troitzk wurde er 1606 von den Rebellen geschlagen und floh, 14. April 1608 vernichtete der zweite Dimitri völlig sein Heer bei Bolchow, Schuiski floh wieder nach der Hauptstadt. Ihm noch mehr als Wassilij waren der stets wachsende Ruhm und die Popularität des jungen Skopin-Schuiski ein bleibendes Aergerniss, Dimitri hoffte, einst der Nachfolger auf dem Throne zu werden, aber warum stand ihm Michail Skopin-Schuiski stets vor Augen, wenn er an den Thron dachte, und warum fiel ihm immer wieder die alte Prophezeiung ein, ein Michail werde Czar werden? Er beschloss seinen Untergang, 23. April 1610 credenzte bei einem Mahle die Fürstin Katharina dem jungen Helden den Giftbecher. Das Volk nannte Dimitri offen seinen Mörder und jetzt wurde der Verhasste der Nachfolger seines Opfers als Oberfeldherr, zum Verderben des Czaren, denn seine einzige Leistung war eine Niederlage, welche den wankenden Thron Wassilij’s stürzte: bei Kluschino traf Dimitri mit den Polen, die weit weniger zahlreich waren, zusammen, wurde völlig besiegt, liess sein Lager und Alles im Stiche und floh 24. Juni 1610, sein Pferd blieb im Moraste stecken, zu Fuss kam der eitle Mann nach Moshaisk und meldete in Moskau sein Unglück. Sobald Wassilij entthront worden war, bewachte man Dimitri in seinem Hause, im Oktober nahm Zolkiewski auch ihn mit nach Smolensk, wohin ihn seine Gattin begleiten durfte; hier starb er schon 1611. Ein vierter Bruder, Alexander Iwanowitsch, der 1552 gegen Kasan gefochten, dort eine Zeit lang Statthalter gewesen und 1596 Bojar geworden war, starb schon 1601. Der fünfte Bruder endlich, Iwan Iwanowitsch, ebenfalls seit 1596 Bojar, besiegte 1606 die Rebellen unter Bolotnikow an der Ugra, belagerte aber vergeblich Kaluga, wurde 1608 von Sapieha geschlagen, erhielt 1610 wie seine Brüder Hausarrest und kam mit ihnen nach Smolensk. Iwan überlebte sie alle, aber 1613 bei der Czarenwahl wurde für ihn auch nicht eine Stimme laut, zur Zeit ihrer Macht hatten die Schuiski zu arg gewirthschaftet; 1618 wurde Iwan durch den Waffenstillstand an der Dewulina frei, kehrte nach Russland zurück, hat jedoch nie mehr eine Rolle gespielt, die Zeit der Schuiski war vorüber.
Sehr wichtig waren die Zweige Gorbatyi- Schuiski und Skopin-Schuiski.
Knäs Boris Gorbatyi -Schuiski verheerte 1523 und 1524 mit der Vorhut des Heeres und Schuiski das Kasan’sche Gebiet. Zwar missbilligte er als vollkommener Stockrusse die Politik des Grossfürsten, fremde Familien wie die Mstislawski heranzuziehen und auszuzeichnen, und verfiel der Acht, wurde aber 1530 begnadigt und stand von nun an bei Wassilij IV, in hohem Ansehen; 1533 wurde er Mitglied des Bojarenrathes und schloss 1535 den Frieden mit Livland und Schweden. Sein Sohn, der Bojar Alexander Borissowitsch, unterwarf December 1546 die Tscheremissen an der Swiäga- Mündung und nahm nach Moskau Geisseln mit, 1552 war er bei der Eroberung Kasans thätig und wurde dort im September Statthalter. Später aber traf den hochverdienten Knäsen der an Wahnsinn grenzende Zorn des vierten Iwan, Letzterer verurtheilte ihn und seinen 17jährigen Sohn, Peter Alexandrowitsch, zum Tode, Arm in Arm gingen sie zum Schaffote und fielen vereinigt im Tode, 4. Febr. 1565. In ihnen scheint der Zweig erloschen zu sein.
Von den Skopin-Schuiski treten ebenfalls Mehrere hervor. Feodor Iwanowitsch, ein naher Verwandter des Iwan Wassiljewitsch Schuiski, schützte 1541 die Stadt Wladimir gegen den Czaren von Kasan, wurde aber 1544 von Iwan IV. verbannt und war 1547 einer der Hauptverschwörer gegen die Familie Glinski. Sein Sohn, Knäs Wassilij Feodorowitsch, vertheidigte 1581 mit seinem Vetter Schuiski standhaft Pskow gegen König Stephan von Polen, wurde Statthalter von Kargopol, aber seine Feindschaft mit Godu- now brachte ihn 1587 um diese Würde, er entging zwar als unschuldig dem über die Schuiski verhängten Gerichte und durfte in Moskau bleiben, aber eine Stellung konnte er nie mehr erringen. Hochberühmt wurde sein Sohn, Knäs Michail Wassiljewitsch, ein Neffe des Czaren Wassilij V. Juni 1605 erhob der falsche Dimitri ihn zum Gross-Schwertträger, aber 1606 trat er zu Wassilij V. Wiederholt schlug der 18jährige Krieger die Rebellen unter Bolotnikow, verjagte sie bei Kolomenskoje und besetzte ihr Lager 1606; hierfür Bojar geworden, zog er 1607 nach Kaluga, belagerte seit 30. Juni Bolotnikow und den Landstreicher Ileika, der sich Czarewitsch Peter nannte, in Tula, zwang sie 10. October zur Uebergabe von Tula, liess Bolotnikow ersäufen und schickte Ileika nach Moskau, wo er durch den Strang endete. So verdiente sich der junge Held seine Sporen; unglücklicher Weise übergab ihm der Czar erst 1608 nach der Niederlage von Bolchow den Oberbefehl, Michail lagerte sich an der Nesnana, wo mehrere Wojewoden desertirten, dann warf er an der Chodynka Juli 1608 die Polen und die Schaaren Dimitri’s. Seine Siege liessen den Bruder Wassilij’s V. nicht schlafen, wie ich oben schilderte, and so ersann man in Moskau eine ehrenvolle Entfernung von dem Heere, welches an Michail hing; Letzterer erhielt die Mission, von Schweden Hilfstruppen für den Czaren zu erwirken, verliess höchst ungern sein Heer, schloss aber in Wiborg 28. Februar 1609 den günstigen Vertrag mit Schweden ab. Mit den Subsidialtruppen vereinigte er sich 4. April bei Nowgorod und vertrieb die Rebellen und Polen aus Nordrussland, nach dem Siege über Sapieha bei Koljäsin, 13. August, erschien er der gebeugten Nation als Erretter, man nannte ihn den „Vater des Vaterlandes“. Mit dem schwedischen General de la Gardie reinigte er Russland von den Grenzen Livland’s bis Moskau hin von den Feinden, und führte, von fremdländischen Offizieren unterstützt, militärische Kenntnisse und Disciplin bei seinen Truppen ein. Um die Dankbarkeit der Nation gegen den glänzenden Patrioten recht augenfällig zu bezeugen, kam man auf den Gedanken, ihm die Krone anzubieten, die sein Oheim trug; Procop Läpunow, des Czaren Feind, liess ihm November 1609 durch eine Deputation dies Anerbieten im Namen der Nation machen. Aber der hochherzige Jüngling schauderte vor dem Gedanken an Felonie zurück, der Befreier des Vaterlandes mochte kein Hochverräther werden, voll Abscheu zerriss er das Dokument und dachte im ersten Augenblicke daran, Läpunow verhaften zu lassen. Wie lohnte ihm Wassilij V. diese Treue und Loyalität? Er lauschte den Einflüsterungen seines nichtswürdigen Bruders Dimitri, Michail’s Volksbeliebtheit beängstigte ihn, sein Neid wurde rege, und 23. April 1610 musste Michail sein erlauchtes Dasein durch Gift enden. Sein Mord rächte sich durch die Niederlagen des verwaisten Heeres. Ganz Russland beweinte den 22jährigen unvergleichlichen Patrioten und Helden, man pries sein Andenken als das des „Achilles und Hektor Russland’s“, Wassilij liess ihn mit Herrschergepränge bei den Grossfürsten in der Michail-Kathedrale bestatten - was hätte Michail Wassiljewitsch Russland noch werden können? Die Skopin-Schuiski gingen noch vor der Zeit Peter’s des Grossen aus.
Eine im sechzehnten Jahrhundert nach Polen ausgewanderte Linie der Schuiski blüht dort noch, aber in Russland erloschen alle Zweige im siebzehnten Jahrhundert.
5) Interesse erweckt das im 18. Jahrhundert erloschene Haus Kurbski durch das Loos mehrerer Söhne. Dasselbe war ebenfalls aus Rurik’s Blute und verehrte als Stammvater den heiligen Knäsen Feodor Rostoslawitsch den Schwarzen von Jaroslaw. 1483 zog Fürst Feodor als Wojewode gegen die Jugorier aus und war siegreich. 1512 zog Knäs Semen (Simon), seit 1510 Statthalter in Pskow, von Luki aus gegen Lithauen, ebenso von Starodub gegen Wilna 1519 — ihm verdankte der Grossfürst viel, denn 1499 hatte er seinem Vorgänger West-Sibirien oder Jugorien erobert. Semen war von einer zumal damals seltenen Rechtlichkeit und Sitteneinfalt und besonders rühmte man seine Mäßigkeit, da er nie Fleisch ass. Aber gerade seine Bechtschaffenheit brachte ihn zu Falle, sie gab ihm 1525 den energischen und beharrlichen Widerstand ein, mit dem er Wassilij IV. entgegentrat, als dieser seine unfruchtbare Gemahlin Salomeh durch eine andere ersetzen wollte — Wassilij schickte den greisen Diener ins Exil, 1527 starb er in demselben. Ein anderer Knäs Semen fiel 25. Juni 1506 vor Kasan durch die Tscheremissen. Der wichtigste Sprosse des Fürstenhauses Kurbski war Andrei Michailowitsch, welcher um 1428 zur Welt kam, der Sohn jenes Michail, welcher 1500 die Nogaier geschlagen hatte. 1552 und 1553 führte er den rechten Flügel des Heeres gegen Kasan und kämpfte mit den Baschkiren und Tataren, rühmliche Wunden davon tragend. Sein oppositioneller Geist zeigte sich bereits mit 25 Jahren; 1553, als Iwan IV. lebensgefährlich erkrankte, befahl er, seinem in den Windeln liegenden Sohne Dimitri den Eid der Treue zu schwören, viele Bojaren aber und unter ihnen Andrei verweigerten trotzig den Eid, günstig für des Tyrannen Vetter Wladimir gesinnt. Scheinbar vergass Iwan IV. diese Beleidigung, seit 1558 war Andrei sogar Oberbefehlshaber in Livland, nachdem er den Krieg von 1557 gegen Livland mitbefehligt hatte, und Iwan nannte ihn seinen Liebling; Andrei errang Vortheile über Ketteler und half zur Einnahme Dorpat’s. In den Kriegen in Livland bis 1561 und im Kriege mit Lithauen 1562 — 1563 erfocht er neue Lorbeeren. 1564 aber kam ihm zu Ohren, Iwan trachte nach seinem Leben, und er entschloss sich sofort zur Flucht. Er trennte sich für ewig von seinem Weibe, segnete den 9jährigen Sohn, überstieg bei Nacht die Mauer von Dorpat und entkam nach Lithauen: ein neuer Themistokles suchte er Schutz bei dem Feinde seines Landes und fand ihn wie Jener; König Sigismund verlieh ihm das reiche Dienstgut Kowel. Glücklich in Sicherheit, richtete Andrei an Iwan einen herrlichen Absage- brief und zählte ihm darin seine Sünden vor. Ein Bote übernahm den dornenvollen Auftrag, das Schreiben dem Tyrannen zuzustellen, dieser stiess ihm den spitzen Stab in den Fuss und liess ihn in der Wunde, bis der Vorleser zu Ende war, dann liess er den treuen Knecht foltern. In seinem Entgegnungsschreiben an Andrei suchte er sich weiss zu waschen, höhnte und verklagte ihn, ja zieh ihn der Absicht, den Thron von Jaroslaw zu erbuhlen. Von da nahm die merkwürdige Correspondenz ihren Anfang, die der exilirte Bojar mit seinem ehemaligen Gebieter führt, und in der er ihm die vollendete Nichtswürdigkeit seiner bluttriefenden Regierung in den grellsten Farben schildert. Andrei zeigt sich hierbei als ein für jene eisernen Tage vielleicht einziger Mensch, seine seltene Bildung macht ihn zu einer der anziehendsten Figuren der altrussischen Geschichte, aber er ist mit Absicht parteilich, als starrer Aristokrat hasst er in Iwan nicht nur das Scheusal, sondern zugleich den Verfolger der alten Geschlechter aus dem eigenen Blute. Die Memoiren Kurbski’s sind die ersten in der russischen Literatur. Ustrialow gab sie 1833 (3. Aufl. 1868) heraus. Der Fürst ist bei aller Neigung zur Billigkeit doch einerseits, wie gesagt, streng aristokratisch und andererseits sieht das kirchliche Heil nur im griechischen Glauben, daher vertritt er mit Inbrunst die griechische Kirche in Lithauen. Trotz aller Unbill, welche er durch Iwan den Schrecklichen erlitten, berührt es uns aber schmerzlich, wenn wir Andrei als Verräther gegen sein Vaterland kämpfen sehen, er reizt Sigismund von Polen, seinen neuen Lehensherm, und den Chan der Krim zum Kriege an, führt selbst 1564 ein polnisches Heer auf russische Erde und verwüstet die Gebiete von Weliki-Luki. An Polen treu haltend, Russland entfremdet, starb Andrei Michailowitsch 1583. Sein Geschlecht brachte bis zum Ausgange keine bedeutendere Erscheinung mehr hervor.
6) Das einst hochangesehene Haus der Fürsten Romadonowski stammte gleich den später zu erwähnenden Häusern Gagarin und Hilkow von der Rurik’schen Dynastie in Starodub ab. 1490 geht Fürst Wassilij nach Taurien, um die goldene Horde durch russische Drohungen zu schrecken; auch 1498 geht er zu dem Chan. 29. August 1585 fiel ein Fürst des Namens bei Starodub gegen die Lithauer. 1606 sehen wir den Wojewoden Knäsen Grigorij als Gesandten nach Persien ziehen und unterwegs von den Kosaken erschlagen werden. 1613 unterzeichnet der Bojar Grigorij Petrowitsch, welcher sich aufs Tapferste bei Sdwishensk gegen Sapieha 1608 geschlagen und dabei einen Sohn verloren hatte, die Wahlurkunde des ersten Romanow’schen Czaren. Sein Sohn Grigorij Grigorjewitsch, Bojar, zog als Feldherr des Czaren Alexei Michailowitsch 1658 mit 20,000 Mann nach der Ukraine gegen Polen und erlitt eine furchtbare Niederlage 28. April 1659 bei Konotop an der Deasna durch den Kosakenhetman Wigowski der ihn nahezu vernichtete. 1662 hingegen vertrieb er mit dem Kosakenhänptling der jenseitigen Ukraine, Somka, die Polen ans der diesseitigen Ukraine und bestätigte Somka als deren Hetman, worauf er mit ihm den Hetman der diesseitigen Kosaken Georg Chmelnicki bei Kanjew entscheidend schlug, 23. Juli 1662. Von 1668 — 1675 leitet der Parat gleichsam die kosakishen Affairen, 1668 wird er zwar durch einen neuen Kosakenhetman in der Ukraine Doroschenko von Kotelwa weggetrieben, aber dessen Unterfeldherr Demian Mnogogreeschnoi vergleicht sich mit ihm, wird unter russischem Schutze Hetman 6. März 1669, bis ihm Romadonowski 17. Juni 1672 Samoiloowitsch folgen liess. Mit ihm zog er 1674 über den Dniepr, schlug wiederholt die Tataren und erweiterte dessen Herrschaft, ebenso kam er ihm 1675 über den Dniepr zu Hülfe gegen die Türken, Tataren und Doroschenko’s Kosaken. 1678 zog er dann gegen die Türken an den Dniepr, aber das Glück hatte ihn im Alter verlassen, nach mäßigen Erfolgen wurde er 20. August bei Tschigirin geschlagen, verschanzte sich, wurde im Lager eingeschlossen imd erlitt fast fortgesetzt Verluste. Als er 1679 bei Putiwl zum Kampfe bereit stand, begannen die Friedensverhandlungen mit dem Divan und seine Kriegerlaufbahn war hiermit beendet. Aber auch in den inneren Angelegenheiten hatte Grigorj eine wichtige Stimme. Dem Patriarchen Nikon todfeind, beschimpfte er diesen nicht nur 1658 in der Kirche in brutalster Weise, sondern untergrub auch seine Autorität über Alexei. Alexei verwandt und aufs intimste befreundet, konnte er seinem Laster, der Habsucht, ungestraft frohnen. 1682 unterzeichnete Grigorj mit zweien seiner Söhne die Aufhebung des Meestnitschestwo, dann aber ereilte ihn sein Geschick. Auch der zweite Czar, dem er gedient, Feodor III., war gestorben und unter den Wirren der Nachfolge kam es zu dem Strelitzenaufstande vom 15. Mai 1682 — ihm fielen der wegen seiner Strenge verhasste Fürst und sein Sohn, der Bojar Feodor Grigorjewitsch, zum Opfer. Ein anderer Sohn, der Bojar Michail Grigorjewitsch, erhielt, nachdem er 1687 in Beelgorod die Grenze gegen den Feind geschützt, 1697 den Oberbefehl an der lithauischen Grenze über 10—13,000 Mann, wusste sie aber durchaus nicht im Zaume zu halten, denn sobald sie, meist Strelitzen, von den Neuerungen Peter’s I. hörten, desertirten sie fast alle nach Moskau, um den Neuerungen ein Ende zu machen. Bei Aburtheilung der Strelitzen, mit der er 1698 neben Prosorowski betraut wurde, war er darum ein um so härterer Richter, denn kundgewordene Schwäche bringt leicht Grausamkeit zur Welt. 1711 machte er den Türkenkrieg mit.
Verwandt mit diesen Knäsen war der 1682 bei Aufhebung der Dienstlisten genannte Bojar Jurja Iwanowitsch, und sein Sohn, Fürst Feodor Jurjewitsch, ist unter Peter dem Grossen eine hervorstechende Figur. Generalissimus aller Truppen, bekleidete er 1697 während Peter’s Reisen das Amt eines Reichs Verwesers und erhielt neben dem scherzhaften Titel „Majestät“ den eines „Fürst-Cäsar“. Als Stolnik war er 1698 ebenfalls in der Untersuchungscommission gegen die Strelitzen. Freilich blieb ihm der Name „Fürst-Cäsar“ zeitlebens und musste er bei Peter’s rohen Spottfesten als solcher aufziehen. Darum vergass der Kaiser jedoch nie, was er Feodor schuldete, und Katharina I. hegte die gleichen Gesinnungen für die Familie.
I. Juni 1725 erhob sie seinen Sohn Iwan Feodorowitsch zum wirklichen geheimen Rathe und unter Anna I. stieg er 11. März 1730 zum Senator. Iwan Feodorowitsch’s einzige Schwester aber heirathete am 8. April 1722 den späteren Reichsvicekanzler Grafen Golowkin. Im Mannesstamme erloschen die Romadonowski am Ende des 18. Jahrhunderts, aber von weiblicher Seite war ihr Blut in die Familie der Herren von Ladyjenski gekommen; daher übertrug Paul I. April 1799 auf den Senator Ladyjenski den Namen und Fürstenrang des Geschlechtes als Romadonowski-Ladyjenski; doch ragte seitdem kein Glied hervor.
7) Einer der geachtetsten Namen in Russland ist Repnin. In früheren Zeiten finden wir 1509 einen Knäsen Repnin, der den Beinamen Obolenski führt. Dies rührt daher, weil die Familien Repnin und Obolenski eines Ursprunges sind, beide stammen ab von dem 1247 von den Mongolen ermordeten heiligen Michail, Fürsten von Tschemigow. Obiger Knäs Repnin-Obolenski war eine der Haupttriebfedern zur Unterwerfung des stolzen Pskow. Als grossfürstlicher Statthalter hauste er hier wie ein Proconsul Rom’s, sog die Bevölkerung aus, in seiner Gier kein Maß kennend, und da er wusste, wie die Bedrückten ihn hassten und verfluchten, so lag er Wassilij IV. stets in den Ohren, er möge Pskow erobern, was 1509 geschah. Nun setzte er seine Plünderungen noch zwangloser fort und fand einen gleichgesinnten Partner in dem früher geschilderten Andrei Schuiski. Weit würdiger tritt später der Bojar Michail Repnin in der Geschichte auf. Iwan IV. wuchs in seinen Freveln in’s Unermessliche, sank immer tiefer und wie Nero gefiel er sich in närrischen Festen und Tänzen; auch Repnin wollte er eine Maske vorbinden, dieser aber trat sie mit Füssen, erklärte solchen Mummenschanz für eine Erniedrigung und entging mit knapper Noth der Wuth des Czaren. Aber wenige Tage darauf, als er am Altare kniete und betete, liess ihn Iwan ermorden 1564. Am 15. Februar 1563 nahm ein Knäs Jurij als Wojewode Poloczk für Iwan IV. ein. Nun folgt eine längere Pause in der Geschichte der Familie, bis sie vor ihrem Abgange noch drei im Reiche hochgeehrte Glieder hervorbringt.
Der 1668 geborene Fürst Nikita war einer der tüchtigsten Feldherren des grossen Peter. Dieser erwartete ihn 1700 mit 13,000 Mann bei Narwa; im Juli 1701 stiess er, 19 Regimenter zu Fuss befehligend, mit dem sächsischen Generalfeldmarschall Steinau an der Düna zusammen und erwarb die Billigung Steinau’s durch den guten Zustand seiner Truppen. Ende August vereinigte er sich bei Pskow mit Scheremetew und machte den Feldzug in Livland mit, 1708 befehligte der General einen Theil der Truppen an der Newa, 1707 begleitete er den Czaren nach Polen. Aus Südlithauen brachen im folgenden Jahre seine Truppen nach Poloczk auf, verheerten das ganze Gebiet und schleppten hundert Wagen Polenkinder mit sich fort. 1709 betheiligte sich Repnin in ausgezeichneter Weise am Kriege mit Karl XII. und erhielt am Abend der Schlacht von Pultawa, 8. Juli 1709, den St. Andreas-Orden. 1710 belagerte er Riga, Juni 1711 überschritt er mit Peter den Dniestr, 1716 stand er in Mecklenburg als commandirender General. Peter der Grosse hielt viel auf ihn, denn er hatte seine Tüchtigkeit in 25 Dienstjahren erprobt. Als der Kaiser im Mai 1724 seine Gemahlin krönte, machte er den Fürsten Nikita zum Feldmarschall, und im November liess er ihn an Menschikow’s Stelle treten als Präsident des Kriegscollegiums (heutzutage Kriegsminister). Aber Menschikow liess sich damit nicht beseitigen, durch ewige Zänkereien machte er Nikita das Amt schwer und dornenvoll, und als der grosse Kaiser gestorben war, liess er seine Tücke schonungslos an dem Feldmarscball aus; er beraubte ihn, mit offenkundiger Missachtung verfahrend, alles Einflusses bei Hofe. So zurückgesetzt, starb Nikita als Gouverneur in Riga 16. Juli 1726. Mehr als Bindeglied zwischen Grossvater und Enkel, denn um eigenen Ruhmes wegen ist Fürst Wassilij Nikititsch zu erwähnen, der Sohn des Feldmarschalls. Als Generalmajor machte er 1736 den Türkenkrieg mit und stieg zum Grossmeister der Artillerie empor. Juni 1748 führte er die russischen Hilfstruppen im Solde der Seestaaten; als er nach Franken gekommen, erfuhr er, er müsse zufolge der Aachener Convention vom 2. August unverrichteter Dinge umkehren — doch war letzteres nur seinen Truppen gestattet, ihn ereilte im Lager vor Culmbach der Tod 10. August 1748. Von seinen Söhnen wurde Fürst Peter Wassiljewitsch, ehemaliger Oberstallmeister und seit 1759 Ritter des polnischen weissen Adlers, im Juni 1773 bei der Niederlage von Rustschuk von den Türken gefangen und in Konstantinopel in den sieben Thürmen eingekerkert — sein, späteres Loos ist mir unbekannt. Eine glanzvolle Rolle aber spielte der andere Sohn, zugleich der letzte Repnin, Fürst Nikolai Wassiljewitsch. Am 22. März 1734 geboren, heirathete er die Nichte des mächtigen Ministers Nikita Panin und sicherte sich schon hierdurch einen Halt am Hofe. Auf Panin’s Verwendung wurde er 1764 zum zweiten Minister am polnischen Hofe ernannt, wobei er auch die Leitung der Operationen der russischen Truppen erhielt. Ohne jeden Begriff von der Verfassung, den Zuständen und den Rechten des verkommenen Staates, bei dem er accreditirt war, verfuhr er in allem mit rücksichtsloser Plumpheit und überall anstossender Leidenschaft. Während er sich von der Partei Czartoryski ohne jeden Scrupel bestechen liess, nahm er vom König Stanislaus eine Pension von 10,000 Dukaten an. Denn er brauchte Geld für seine Ausschweifungen, für seine Maitressen, deren vornehmste die Fürstin Czartoryska war. October 1764, nach dem Tode des eisten russischen Ministers in Polen, Keyserlingk, trat er an seine Stelle und fand, nun an keinen Chef mehr gebunden, keine Grenzen in seiner Brutalität. 1764 mit dem weissen Adlerorden Polen’s geschmückt, beförderte er planmässig die Zersetzung des unglücklichen Landes, welches an seinem Adel zu Grunde ging; er unterstützte die Dissidenten, sprengte die Czartoryski’sche Conföderation, mischte sich in vollendeter Frechheit in Alles, beurtheilte und entschied Alles, herrschte wie der Herr des Landes und stellte den Konig gänzlich in den Schatten, stets mit seinen Soldaten drohend. Die Kaiserin lohnte ihm reichlich; 1767 und 68 erhielt er die Orden von Alexander-Newski und Andreas, dazu April 1768 50,000 Rbl., 18—20,000 Dukaten und mehrmonatlichen Reise-Urlaub. Seine Rohheit aber war am Hofe nicht unbemerkt geblieben, der Partei Orlow erschien es unräthlich, in Polen länger einen Mann schalten zu lassen, der es so unvergleichlich verstand, den russischen Namen verhasst zu machen, der die Gegner seiner Politik in die Verbannung schleppte, mit Schimpfreden und Prügeln so wenig sparsam war, und wenn auch sein Oheim Panin ihn lange zu halten wusste, so konnte er doch endlich seinen Sturz nicht mehr verhüten. Januar 1769 rief Katharina II. Nikolai’ ab, d. h. er musste noch bis Juni, bis zur Ankunft seines Nachfolgers, in Polen bleiben, jedoch die militärische Leitung und den Oberbefehl jetzt schon an General Weymam abtreten. Als Diplomat vorerst beseitigt, trat Nikolat 1770 wieder als Krieger auf die Bühne, er nahm hervorragenden Antheil am Türkenfeldzuge, focht mit am Larga und Kaghul Juli und August, und nahm Kilia 5. Sept. ein. Im Juli 1774 ging er als Abgesandter zum Congresse von Kutschuk-Kainardschi und schloss 21. Juli hier den Frieden ab. Hierauf schickte ihn Katharina im Herbste 1775 als Gesandten nach Konstantinopel; dort lebte er in fabelhaftem Luxus und that seiner rohen Natur alle Gewalt an, da es im Interesse der Kaiserin war, die Pforte durch allerlei Connivenz und Freundlichkeit einzuschläfern und sicher zu machen; ja er liess von türkischer Seite jedes Vergehen zu, ohne Einsprache zu erheben, ganz im friedensseligen Sinne Panin’s handelnd. 1776 zurückberufen, wurde er Oberstlieutenant der Ismailow’schen Garde und ging nach Smolensk als Generalgouverneur und Divisionscommandeur. Hier blieb er, bis Katharina, die ihm vorzüglich gewogen war, ihm wieder eine diplomatische Mission anvertraute. Im December 1778 erschien er in Breslau, um den Frieden zwischen Oesterreich und Preussen zu vermitteln oder, wenn dies nicht gelänge, als commandirender General Preussen ein Hilfscorps zuzuführen. Seiner Intervention folgte der Friede von Teschen auf dem Fusse, Mai 1779. Im folgenden Jahre überwarf sich der Fürst, der jezt für einen Mediator galt, mit Potemkin, der ihn nicht zum Generaladjutanten machen wollte, zwei sehr starre und stolze Köpfe prallten an einander, und die innige Verehrung des jungen Grossfürsten Paul für Repnin musste Potemkin gegenüber unterliegen. Erst 1788 trat Repnin wieder in’s volle Licht, als er im Türkenkriege von neuem das Schwert ziehen durfte. Im December führte er einen Theil des Heeres zum Sturme auf Otschakow, 1780 wurde er Befehlshaber der Armee der Ukraine anstatt Kamenski’s; ihm gelang es, den Seraskier Hassan Pascha zu besiegen und in Ismail einzuschliessen, 12. Sept. Oktober 1790 gab ihm Potemkin den Oberbefehl, er besiegte die Türken bei Babada Mai 1791 und dann in der glänzenden Schlacht von Matschin im Juli den Grossvezier selbst. Dies nöthigte die Türken zum Frieden, Nikolai ging als Bevollmächtigter nach Galacz, schloss hier 11, August die Präliminarien und 9. Januar 1792 zu Jassy den Frieden selbst ab; es war dies sein dritter Friedensschluss. Katharina ernannte ihn hierauf 1792 zum Generalgouverneur der Ostseeprovinzen, 1794 sandte sie ihn als Satrapen nach Polen, dem Lande seiner harten Jugend, 1796 wurde er unter Paul Generalfeldmarschall, 1798 suchte er in Berlin vergebens den Beitritt Preussen’s zur Allianz mit Russland und England zu erreichen. Von Paul stets in Ehren gehalten, starb der rauhe Diplomat, der sogleich bereit war, zum Degen zu greifen, in derselben Stadt wie sein Grossvater, in Riga, 24. Mai 1801. Er hinterliess Aufzeichnungen über die von ihm niedergeworfenen Bauernaufstände in den Gouvernements Wologda, Orel und Kaluga, die im Russki Archiv 1869 erschienen. Da mit dem Fürsten Nikolai das Geschlecht Repnin im Mannesstamme erloschen war, 80 übertrug Alexander I. den Namen Juli 1801 auf den Fürsten Nikolai Wolkonski, dessen Mutter die Tochter des alten Repnin, Alexandra Nikolajewna, war, seit 1807 Ehren- Dame der Kaiserin-Mutter und seit 1818 Obersthofmeisterin der Grossfürstin Alexandra Feodorowna. Durch ihre Ehe mit dem Greneral der Cavalerie, Fürsten Grigorj Wolkonski, kam das Repnin’sche Blut in diese Familie, die sich jetzt Repnin-Wolkonski nennt, und von der ich später zu handeln habe.
8) Gleicher Herkunft mit Repnin sind die Fürsten Odojewski, die bis zu ihrem Aussterben für Russland’s vornehmstes Geschlecht galten, weil sie von Rurik und dem Heiligen Michail zunächst abstammten. Sie herrschten früher in der Stadt Odojew, von der sie den Namen tragen, und wegen ihrer Abkunft vom heiligen Michail führten sie das grossfürstliche Wappen von Tschernigow. Die ersten wichtigeren Familienglieder dulden unter Iwan dem Schrecklichen. Eudoxia Romanowna, die zweite Gemahlin seines Vetters Wladimir Andrejewitsch, muss in Slotino mit ihm 1569 den Giftbecher leeren, und ihr Bruder, der Bojar und Wojewode Knäs Nikita, ein bewährter Feldherr, wird — der Schwester wegen dem Tyrannen verhasst und verdächtig — 1573 martervoll hingerichtet. Seinem Sohne, dem Bojaren Knäsen Iwan Nikititsch, verdankte Michail Romanow viel, denn nicht nur ordnete sich dieser Grosse, der 17. Juli 1611 den Frieden von Nowgorod mit Schweden abgeschlossen hatte, ihm sofort unter und unterzeichnete 1613 seine Wahl, sondern er wandte sich auch mit beharrlichster Thatkraft gegen den Hetman Saruzki, schlug ihn bei Woronesh 14. September 1613, brachte ihn 1614 in Gefangenschaft, und Kasan wie der ganze Südosten des Reiches beugten sich vor Iwan’s Befehle. Verdankte dies der erste Romanow dem Vater, so war der Sohn dem Sohne ein treuer Diener und Berather. Dies schätzte Czar Alexel wohl und betraute daher den Fürsten Nikita Iwanowitsch, seinen Bojaren, 1648 bis 1649 mit dem Präsidium der Gesetzgebungscommission, als deren Resultat die „Uloshenie“, das neue Gesetzbuch, hervor- ging. 1664 entsandte er ihn mit Dolgoruki an den Patriarchen Nikon, und noch 1682 unterzeichnete Nikita mit zwei Bojaren gleichen Namens die Auffhebung des Meestnitschestwo.
Erst in unserem Jahrhunderte treten sodann Glieder des Hauses wieder hervor. Bei dem Decemberaufstande von 1825 war Fürst Alexander Feodorowitsch, Fähnrich der Chevaliergarde, einer der thätigsten Verschwörer und Geheimbündler im Nordbunde; als er 26. Decembcr die Wache bei der Kaiserin Mutter hatte, kundschaftete er verwegen Alles aus, was im Palais vorging. Als dann die Conspiration in die Brüche fiel, rettete er sich, fast erstarrt vor Kälte, zu seinem Oheime, dem Minister des Inneren Dimitri Lanskoi, wurde aber ausgeliefert, zu 12jähriger Zwangsarbeit und darauf folgender Ansiedelung in Sibirien verurtheilt, wo er seinen Leidensgefährten Vorträge über russische Literatur hielt und einem von ihnen, Baron Rosen, 4 Jahre russischen Unterricht ertheilte, und starb als gemeiner Soldat im Kaukasus. Das Haus Odojewski verarmte mit der Zeit und seine Vermögensverhältnisse entsprachen dem Glanze des erlauchten Namens wenig. So ging es denn auch in friedlicher Stille des Gelehrtenzimmers aus. Fürst Wladimir Feodorowitsch, 1803 geboren, des unglücklichen Alexander Bruder, geheimer Rath, Hofmeister und Senator im achten Departement (Moskau, Civilsachen), war Vorstand des asiatischen Museums in Petersburg. Als Schriftsteller und Dichter aus der Puschkin’schen Epoche machte er sich einen in der literarischen Welt geehrten Namen und Niemand konnte ihm Eines absprechen, dass er nämlich ein bedeutender Mensch war. Dieser letzte Odojewski starb zu Moskau 11. März 1869. Obgleich sein Haus das erlauchteste aus Rurik’s Blut war, so ist es doch eines derjenigen, welches am wenigsten von sich reden gemacht hat. Ausser den bisher geschilderten gab es noch etwa 68 fürstliche und 8 adelige Häuser aus Rurik’s Stamme, die theils vor, theils nach Peter dem Grossen erloschen sind, doch hielt ich ihre Geschichte nicht für denkwürdig genug, um hier aufgezeichnet zu werden, eben weil sie zu den abgegangenen zählen, bei denen ich nur die merkwürdigsten hervorhebe.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Russlands Geschichte und Politik