Die finnländische Frage

Die finnländische Frage darf nicht für sich allein, losgerissen von der ganzen Entwicklung des russischen Reichs, betrachtet werden. Ihre Entstehung und ihr heutiges Stadium müssen vielmehr mit dem Erwachen des russischen Nationalbewusstseins und den Bemühungen, die russischen Staatsprinzipien zu befestigen, in Zusammenhang gebracht werden. Der Entwicklungsgang des russischen Staates im vorigen Jahrhundert, unter der Regierung von vier Kaisern, lässt sich in Kürze folgendermaßen charakterisieren:

Bis zu Alexander I. sehen wir die russischen Herrscher bald schüchtern, bald mit den Kraftmitteln eines Suworoff in den Gang der europäischen Politik eingreifen. Alexander I. verschaffte unserm Lande dann die ihm gebührende Stellung in dem Konzert der europäischen Mächte. Nikolaus I. war hauptsächlich mit dem inneren Ausbau des weiten Reiches beschäftigt, vergaß aber dabei niemals, dass die auf dem Gebiete der auswärtigen Politik errungenen Resultate weiter auszunutzen seien. Dem von seinem Vater gesteckten Ziele nachstrebend, ließ er die Befestigung der inneren politischen Fundamente des Staates seine Hauptsorge sein. Unter seiner Regierung entstanden die Grundgesetze des Staates und die zentralen Regierungsbehörden. Speziell die letzteren gewannen eine immer vollendetere und präzisere Form, da sie ja nunmehr im Gesetze eine feste Grundlage besaßen. Als conditio sine qua non einer jeden Institution, die richtig funktionieren soll, muss jedoch ein Bestand an geeigneten Arbeitskräften angesehen werden, der an seine Aufgabe mit Initiative und eigenem Denken herantritt. Solche tatkräftigen Leute gab es zwar in Russland unter Nikolaus I., aber ihre Zahl war noch zu gering. Es galt also, ihrer mehr heranzubilden. Um nun die selbständige Tätigkeit zur Entwicklung zu bringen und um in der Bevölkerung das Interesse für die Fragen des öffentlichen Lebens zu heben, wurde unter Alexander II. die Institution der Landschaften geschaffen, wurden die Gerichte reorganisiert und die Bauernbefreiung durchgeführt. Heute bedauern wir, dass wir diese sog. „freien Institutionen“ aus England herübergenommen haben. Denn England war ein Gemeinwesen mit rein kommerziellen Interessen, also gänzlich verschieden von dem Grundcharakter unseres Staates. England hat sich denn auch wohl gehütet, seine verfassungsrechtlichen Einrichtungen auf Indien oder gar auf Irland auszudehnen. Noch viel weniger war die Herübernahme dieser „freien Institutionen“ auf einen Staat wie Russland angebracht, der zum ersten Male eine enorme Zahl seiner Untertanen zur „selbständigen Arbeit“ berief und dessen Hauptaufgabe es war, alle Kräfte zusammenzufassen und seine militärische Macht zu befestigen.


Russland erwies sich für diese „freien Institutionen“ noch nicht reif. Ihre Aufnahme bedeutete für uns eine Schwächung, die sich in äußeren Misserfolgen und innerer Zerfahrenheit bekundete.

Bedrohliche Symptome staatlicher Zersetzung drängten den leitenden Persönlichkeiten bei uns die Überzeugung auf, dass eine Wiedergeburt des russischen Volkes zu neuer schöpferischer Tätigkeit, eine Erstarkung seiner Kräfte nur möglich sein werde durch eine Hebung des Nationalbewusstseins, eine Befreiung aus fremdländischer Vormundschaft und eine Klarlegung der Elemente, auf denen das historische Wachstum des Reiches beruhte. Das waren die wahrhaft kaiserlichen Aufgaben, die sich Alexander III. gestellt hatte. Dem russischen Volke war damit auch die Aufgabe gezeigt, die es bei der Schaffung einer eigenen nationalen Kultur zu erfüllen hatte: Einheitlichkeit und Machtfülle wurden zu den Grundpfeilern der Staatsidee erklärt. Der Anfang zum gemeinsamen Vorgehen mit Frankreich in internationalen Fragen wird gemacht. Die große Sibirische Bahn mit ihren projektierten Abzweigungen umfasst wie ein stählernes Band das russische Reich; ein neues Leben pulsiert und sucht sich neue Bahnen dort, wo noch vor kurzem der nomadisierende Kirgise, der Pelzjäger und der entlaufene Sträfling die einzigen Träger der Kultur gewesen waren.

Angesichts solcher Leistungen kann man sagen, dass Russland als Träger der Kultur wirklich große Verdienste besitzt und in der Erfüllung seiner Weltmission alle nationalen Kräfte scharf anzuspannen verstand.

Die auf solche Weise errungenen Erfolge Russlands liegen denn auch klar vor Aller Augen. Die Arbeit aber im Innern, die eine Einheitlichkeit des Staates anstrebt und die, neben der Tätigkeit auf dem weiten Gebiete des Weltverkehrs und der Vereinigung aller nationalen Kräfte, ein unbedingt notwendiges Element im fortschrittlichen Leben des Reiches darstellt, entzieht sich meist der Beobachtung des Auslandes. Wenn wir hier vom Prinzip der Einheitlichkeit reden, so möchten wir ganz besonders betont wissen, dass es sich um eine Einheitlichkeit der Staatsprinzipien handelt, die aber durchaus keine Bedrückung der fremden Volkselemente in sich schließen soll.

Dann und wann scheint es zwar, als ob nichtrussische Völkerschaften resp. ihre kulturellen und religiösen Anschauungen in Russland Bedrückungen ausgesetzt seien. In diesen Fällen liegt aber häufig ein politischer Gegensatz vor, eine politische Richtung, die ihre Opposition gegen das russische Staatsprinzip hinter Kultur und Religion zu verstecken sucht. Es ist falsch, wenn die russische Herrschaft im Auslande intolerant genannt wird. Sie ist ganz im Gegenteil der Meinung, dass die Erhaltung lokaler Besonderheiten und kultureller Eigentümlichkeiten die nationale Kraft Russlands um neue gesunde Elemente bereichert.

Das Arbeiten und Ringen um die nationale Einheit und Geschlossenheit ist ein besonders schwieriges und undankbares Beginnen; denn es findet im Auslande keine Anerkennung, ja es ist dort sogar häufig einseitiger, parteiischer Kritik ausgesetzt. Der Riesenorganismus des russischen Reiches umfasst von altersher mannigfaltige Völkerschaften, Bruchstücke ehemaliger, häufig auf eine kraftvolle Vergangenheit zurückblickender Staaten. Unter russischem Szepter, unter russischem Schutz haben diese Völkerschaften erhebliche kulturelle Fortschritte gemacht, andrerseits aber auch versucht, Staatsprinzipien, deren Traditionen von ihnen im stillen weiter bewahrt worden waren, zu neuem Leben zu erwecken. Aus diesen Bestrebungen ergaben sich Konflikte mit den Staatsprinzipien des russischen Einheitsstaates. Diese Konflikte lassen sich aus dem kulturellen Wachstum des Reiches und der Freiheit erklären, die das russische Regierungssystem der Entwicklung der inneren nationalen Kräfte ließ. Bei solchen Konflikten muss jeder Staat, der an seiner einheitlichen Grundlage festhalten will, seinen Volksbestandteilen die staatspolitischen Grundsätze, auf denen die Entwicklung seines ganzen Organismus beruht, ins Gedächtnis zurückrufen. Darin liegt die Aufgabe für die russischen Staatsmänner, die über der staatlichen Einheit Russlands zu wachen haben. Leider wird die westeuropäische Presse, wenn sie die innerpolitischen Fragen Russlands einer Betrachtung würdigt, diesem Zusammenhange nur selten gerecht. Jede Frage wird da durch eine Menge Randglossen kompliziert, die von dem Mangel an wohlwollendem Verständnis für die Besonderheiten des russischen Lebens diktiert sind. Häufig schweift die Kritik von dem Thema der staatlichen Zentralisation auf das religiöse und nationale Gebiet ab, einzig und allein, um auf die Nationen Westeuropas, die in Nationalcharakter und Glauben dem russischen Volke fremd gegenüberstehen, in einem für Russland ungünstigen Sinne zu wirken. Mit anderen Worten, die Gegner suchen die Leidenschaften aufzustacheln, statt die Frage vom Standpunkte eines Staates zu betrachten, der sich die Aufgabe gestellt hat, alle seine Kräfte zu konzentrieren. Dieser falschen Auffassung begegnen wir in ganz Europa.

Dadurch, dass wir die Ursachen für die Gehässigkeit, die West-Europa gegenüber dem innerpolitischen Regime Russlands an den Tag legt, konstatierten, haben wir teilweise auch schon die ablehnende Haltung der öffentlichen Meinung Europas in der finnländischen Frage erklärt. Die Herren Publizisten West-Europas beurteilen die russischen Maßregeln in Finnland falsch, weil sie die Frage auf das Gebiet des Nationalitätenstreites verlegten und weil sie die Bedingungen nicht kennen, unter denen Finnland verwaltet wird.

Vom russischen Standpunkte aus erklärt sich der Konflikt mit Finnland aus dem Bestreben der russischen Regierung, durch einige gesetzgeberische Maßregeln im Bewusstsein der Finnländer die Prinzipien zu befestigen, die bei der Aufnahme des Großfürstentums in das Reich die Basis für die russisch-finnländischen Beziehungen abgaben. Die Notwendigkeit, das Allgemeinbewusstsein stärker mit diesen Prinzipien zu erfüllen, ergab sich daraus, dass bis vor kurzem die öffentlichen Angelegenheiten und die Verwaltung Finnlands von eingeborenen Beamten geleitet wurden, denen die russische Staatsidee vollständig fremd war und die alle Erscheinungen des öffentlichen Lebens von ihrem partikularistischen Standpunkte aus betrachteten. Von demselben partikularistischen Standpunkte aus interpretierten die finnländischen Juristen auch alle Gesetz- und Rechtsakte, die das Großfürstentum betrafen. Dadurch, dass diese Rechtsgelehrten sich nur auf solche Rechtsbestimmungen stützten, die der inneren Verwaltung Finnlands eine Sonderstellung einräumen, und dadurch, dass sie dieselben nicht mit den Dokumenten verglichen, welche die Stellung des Großfürstentums als Teil des ganzen russischen Reichs regeln, mussten sie natürlicherweise zu dem Schlusse gelangen, dass Finnland ein Staat für sich sei und verbriefte Rechte auf eine staatliche Sonderstellung habe. Zu ganz anderen Resultaten gelangt man, wenn man die fraglichen Dokumente im Zusammenhange betrachtet.

Alexander I. gewährleistete Finnland Erhaltung der Religion, der Grundgesetze, Rechte und Vorrechtewelche jeder Stand dieses Großfürstentums im allgemeinen und alle ansässigen Untertanen im besonderen laut ihren Konstitutionen genossen. Er versprach, sie in ihrer vollen Geltung und Ausübung aufrecht zu erhalten. In Wirklichkeit besaß jedoch Finnland bis dahin bloß die Rechte einer schwedischen Provinz, deren Bewohner in der Person ihrer Vertreter an dem Stockholmer Reichstage teilnahmen. Mit denselben Rechten ging Finnland in das russische Reich über, wofür die Worte Alexanders in einem Briefe an Napoleon Zeugnis ablegen: „ J'ai déclaré la Finnlande suédoise province russe“.

Unsere Behauptung wird durch den besonderen Charakter der Volksvertretung Finnlands bestätigt, denn diese Volksvertretung wurde als Landtag, nicht als Reichstag einberufen. Auf dem Landtage zu Borgo im Jahre 1809 hatte die Versammlung der Volksvertreter keinen konstituierenden Charakter; sie hatte sich um das Verhältnis zwischen dem Monarchen und dem Volke nicht zu kümmern; sie regelte auch nicht die Beziehungen der Staatsbehörden zu einander. Der Landtag hatte nur das Recht, Meinungen zu äußern, nicht aber Anordnungen zu treffen, wie sich der geistige Vater dieses Landtages, Speranski, äußerte. Außerdem sind der Landtag und die Urkunde vom 15. März 1809 nur Glieder in einer ganzen Reihe von Tatsachen, die deutlich zeigen, dass sich Finnland in der Lage einer einverleibten Provinz befand. Das Manifest vom 20. März 1809, das für die staatsrechtliche Stellung Finnlands maßgebend ist, lautet: „Dieses Land, das durch die Gewalt unserer Waffen erworben ist, vereinigen wir von nun an für alle Zeiten mit dem russischen Reiche. Infolgedessen befehlen wir, seinen Einwohnern folgenden Eid abzunehmen: Unserm Throne immerdar treue Untertanen sein zu wollen.“ Das war die erste Kundgebung, die das Verhältnis des Großfürstentums zum Reiche regelte. Die Bewohner Finnlands sind durch eine Gesetzesbestimmung, die aus dem Boden des allgemeinen Staatsrechts erwuchs, verpflichtet, dem kaiserlichen Throne, nicht aber einem speziell großfürstlichen den Eid der Treue zu leisten. Der Allerhöchste Befehl wurde ausgeführt. Alle Einwohner, die Universitäten, die Geistlichkeit, die Richter des Landes, die Gouverneure, der Adel und die Bauern leisteten am 9. und 10. Mai 1808 in 18 Städten den Untertaneneid. An den zwei folgenden Sonntagen schloss sich die übrige Bevölkerung sowohl in den Städten als auch in den ländlichen Gemeinden diesem Akte an. Auch leisteten die Deputierten in Borgo im März 1809 den Untertaneneid im Namen der ganzen Bevölkerung. Aber einerlei, wie oft dieser Eid geleistet wurde, die wichtige Tatsache bleibt bestehen, dass er das erste Mal infolge eines Befehls abgelegt wurde, der allgemein anerkannten staatsrechtlichen Gesetzesbestimmungen entsprach.

Als zweite Urkunde, die in derselben Weise publiziert wurde, muss das Manifest vom 5. Juni 1808 angesehen werden. Dasselbe wendet sich an die Bewohner „des mit dem Reiche neu vereinten Finnlands“. Es wird darin weiter betont, dass die Vereinigung für alle Zeiten vollzogen sei und dass die Bewohner des Großfürstentums von nun an „zur Zahl der dem russischen Szepter untertänigen und ein einheitliches Reich bildenden Völker gehören“. Dasselbe Manifest enthält auch das Versprechen, „die althergebrachten, Eurem Lande eigentümlichen Institutionen“ unangetastet zu erhalten. Aber dieses Versprechen braucht nicht so aufgefasst zu werden, als ob es der Erklärung über die Aufnahme Finnlands in das Reich widerspreche. Die „althergebrachten Institutionen“, die dem Lande, das nunmehr vollkommen in dem russischen Einheitsstaate aufzugehen hatte, erhalten bleiben sollten, konnten nur rein provinzieller Natur sein.

Diese beiden Urkunden, die doch als allgemein staatsrechtliche Festlegung die Stellung des Großfürstentums im Rahmen des russischen Reiches präzisieren und die Basis für § 4 der russischen Staatsgrundgesetze abgeben, werden von den finnländischen Rechtsgelehrten vollkommen ignoriert. Wenn sie das Band, das Finnland mit dem Reiche verknüpft, charakterisieren, bevorzugen sie die Akten des Landtages zu Borgo. In diesen wird aber die bereits vollzogene Einverleibung nicht mehr mit der erforderlichen Bestimmtheit betont, da die Erklärung darüber damals bereits vorlag. In den Landtagsakten wird nur von „Besitzergreifung“ gesprochen. Auf demselben Landtage wird das Verhältnis des Großfürstentums zum Reiche vollkommen mit Stillschweigen übergangen. Nach der Meinung finnländischer Historiker und Rechtsgelehrter hätte Kaiser Alexander I. ein Jahr nach der Publikation der beiden Manifeste den „Gedanken fallen gelassen“, Finnland in eine Provinz umzuwandeln, und beschlossen, aus dem Großfürstentum einen besonderen Staat zu machen. Außerdem sollen diese vom Kaiser den Vertretern des finnischen Volkes gemachten Versprechungen ganz den Charakter eines förmlichen Vertrages gehabt haben.

Sollte aber ein Gesetzgeber von einem einmal gefassten Beschlüsse „abgehen wollen“, so muss diese Abänderung doch in klaren Worten in einem dementsprechenden Gesetze ausgedrückt werden. Das ist in dem vorliegenden Falle jedoch nicht geschehen. Wenn die Finnländer ferner glauben, von einem wirklichen „Vertrage“ reden zu dürfen, so mag dabei das Bestreben obwalten, dem Landtage zu Borgo den Charakter eines schwedischen Reichstages zu verleihen. In Wahrheit unterschied sich der Landtag sehr wesentlich von dem Reichstage; es fehlte vor allem an einer präzisen Erklärung, dass eine ganz bestimmte Verfassung vorhanden sei.

Außerdem stützen die Finnländer ihre Ansprüche durch einzelne Sätze aus der Rede Alexanders I., wie den: „J'ai promis de maintenir votre Constitution, vos lois fondamentales etc.“ Wie sehr aber Kaiser Alexander I., ungeachtet seines Versprechens, die hergebrachten Institutionen heilig zu halten, seiner Ansicht, dass Finnland als Provinz einverleibt sei, treu geblieben war, ersieht man aus § 4 des Friedrichshammer Friedenstraktats, der sechs Monate nach Eröffnung des Landtages zu Borgo, am 5. September 1809, vom Kaiser unterschrieben wurde. Der genannte Paragraph sagt bezüglich Finnlands: „Diese Gouvernements . . . werden von nun an zu dem Besitze des russischen Reiches gehören und sind ihm, unter seiner Oberhoheit, für alle Zeiten einverleibt.“ In § 6 desselben Traktats wird auch gesagt, dass die Rechte der Bewohner Finnlands „einzig und allein durch den hochherzigen Willen des russischen Kaisers gewährleistet werden“.

Auf Grund dieses Tatsachenmaterials muss man zu dem Schlusse gelangen, dass, wenn Finnland eine konstitutionelle Verfassung in dem heute gebräuchlichen Sinne versprochen worden ist, diese Verfassung nur einer Provinz Finnland zugesagt wurde, sie also nur für die provinzielle Verwaltung und Gesetzgebung gelten konnte. Aufprägen, die Interessen des Gesamtstaates betreffen, konnte sich eine solche Verfassung aber nicht erstrecken; denn in den Teilen des allgemeinen Staatsrechtes, durch die die rechtliche Natur der Beziehungen zwischen Russland und Finnland geregelt wird, ist von einem solchen Rechte nicht die Rede. Derartige Bestimmungen bestehen auch gar nicht. Auf dem Gebiete des allgemeinen Staatsrechtes ist der Kaiser von Russland unumschränkter Selbstherrscher. Was speziell die kaiserlichen Untertanen finnländischer Herkunft betrifft, so muss bemerkt werden, dass sogar auf dem Landtage zu Borgo die Abgeordneten Alexander I. den Eid der Treue in folgender Form geleistet haben: „Dem Kaiser und Selbstherrscher aller Reußen und dem Großfürsten von Finnland“.

Die Stellung Finnlands als Provinz erfuhr auch in späteren Zeiten keine Veränderung, selbst im Jahre 1869 nicht, wo die Landtagsordnung von Alexander II. Allerhöchst bestätigt wurde. In der letzteren werden die Vertreter des finnländischen Volkes zum ersten Male „Vertreter der Landschaft“, aber nicht „Vertreter des Staates“ genannt. Nicht eine Charte konstitutionelle, sondern ein Reglement betr. Wahl und Geschäftsordnung wurde für den Landtag festgestellt. Nirgends ist darin das Verhältnis des Landtages zu den höchsten Staatsbehörden präzisiert. Daraus darf man mit Recht schließen, dass die Volksvertretung, der Landtag, nicht zu den obersten Organen der Staatsverwaltung zu zählen ist. Auch die Befugnis, die Staatsverwaltung zu kontrollieren, was doch für ein charakteristisches Attribut eines Parlaments gilt, ist dem Landtage versagt.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Russland und Finnland
Nikolaus I. (1769-1855), russischer Zar

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Moskau - Roter Platz

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Finnisches Nationaltheater

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Frederik Pacius (1809-1891), finnischer Komponist

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Bauer auf dem Weg zum Pflügen

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Universitätsbibliothek von Helsinfors

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Juhani Aho (2861-1921), finnischer Schriftsteller

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Julius Kohn (1835-1888), finnischer Dichter und Literat

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