Russische Revue. Band 01
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Je unverkennbarer trotz noch so vieler Missstände und Fehlgriffe das Streben sowohl der Regierung als aller einsichtigen Patrioten auf dieses Ziel gerichtet ist, von desto größerem Interesse muss es für Europa sein, den Bewegungen des geistigen Lebens, den Fortschritten volkstümlicher Entwicklung in Russland zu folgen und von den wichtigsten Erscheinungen derselben eine fortlaufende Übersicht zu erhalten. Es muss dies ein Interesse nicht bloß politischer Art sein, sondern auch ein moralisches, das Interesse der Humanität.
Wenn es sich aber um ein das Interesse der Humanität vermittelndes Organ für das russische Leben handelt, wo könnte ein solches geeigneter hervortreten, als in Deutschland, in deutscher Sprache, inmitten der Nation, welche die Vermittlung der erhabensten Humanitätsideen als ihren segensreichen und unentfremdbaren Beruf in jedem Teile der alten und neuen Welt bewährt hat!
Diese Überzeugung ist es, die den Herausgeber bei seinem Unternehmen leitet. Er spricht es offen aus, dass er im Geiste, dass er seinen teuersten Interessen nach vor allem Anderen Deutscher ist; dass er, mit deutschem Volkstum im Innersten verwachsen, keinen heißeren politischen Wunsch hat, als Deutschlands Macht und Größe. Aber eben so frei gesteht er, dass die Liebe zu dem russischen Boden, auf welchem er geboren ward, und dessen Eigentümlichkeiten, dessen herrliche Keime und unzerstörbare Tragkraft er aus unbefangener Anschauung, aus gründlicher Forschung kennt, es ihm schon in früher Jugend zur Lebensaufgabe gemacht hat, die Resultate dieser seiner Anschauung und Forschung den Deutschen vorzulegen, hier, in seiner geistigen Heimat, den Vorurteilen gegen ein Land, gegen ein Volk entgegenzuwirken, das zu verkennen eine um so schreiendere Ungerechtigkeit war, da man es für die Sünden Derjenigen verantwortlich machte, von denen es am schwersten zu leiden hatte.
Dieser Aufgabe hat seit einer langen Reihe von Jahren der Herausgeber einen großen Teil seiner Tätigkeit gewidmet. So war schon seine Erstlingsarbeit eine Übersicht der russischen Literatur: ein Versuch, der, für so mangelhaft ihn der Verfasser selbst nach reiferer Ansicht und tieferer Kenntnis erklären musste, doch in Deutschland wie in Russland eine ungewöhnlich beifällige Aufnahme gefunden hat. Schon jene Arbeit enthielt Proben seiner Übertragungsweise, mit welchen es ihm — namentlich bei den ältesten und originellsten russischen Volksliedern — gelang, von Neuem darzutun, dass der deutschen Sprache der Ausdruck keiner noch so fernliegenden Nationalität verschlossen ist. Er darf dieses Zeugnis, das auch seinen späteren Übertragungen (einer ganzen Reihe russischer Novellendichter) einstimmig von der Kritik zuerkannt wurde, mit desto größerer Befriedigung hervorheben, da es nicht sowohl ihn, als die deutsche Sprache ehrt. Und wie als Übersetzer, bekundete der Herausgeber in vielfachen kritischen Arbeiten, Biographien und Charakteristiken seine intime Beschäftigung mit der Literatur und den Zuständen Russlands. Er zeichnete die letzteren schließlich in seinen eignen dramatischen Dichtungen, die ihren erfolgreichen Weg über die deutsche Bühne machten, und von denen sein Schauspiel: „Nur eine Seele", indem es das empörende Institut der Leibeigenschaft brandmarkte, doch auch die Hoffnung auf eine Lösung dieser verhängnisvollen Frage aussprach.
Seine Hoffnung wurde erfüllt. Ist sie es auch noch nicht in dem Maße, in welchem die natürliche Ungeduld der unmittelbar dabei Beteiligten, oder die unverzeihliche Ungeduld einer überstürzenden Partei es wünscht, so tröstet sich der Herausgeber mit den Worten seines Schauspiels: „Was nicht mit der Zeit geschieht, geschieht immer nur halb."
Die Zuversicht, dass aus aller Verwirrung, aus allen Missverständnissen, aus allen sinnlosen Ausschreitungen einerseits und allen reaktionären Gelüsten andererseits, die für den Augenblick selbst die unparteiische Beobachtung trüben, doch siegreich der Geist des Guten, der Geist der Liebe und Gerechtigkeit sich in Russland emporringen wird — diese Zuversicht lässt der Herausgeber sich durch nichts rauben. Und knüpfte er sie auch nur an den einzigen Mann, der aus eignem Herzenstriebe, mehr abgeschreckt als aufgemuntert, den großen Willen und die hohe sittliche Kraft hatte, mit hundertjährigen Traditionen zu brechen und das in seinen Folgen unberechenbare Recht der Selbstbestimmung für alle seine Untertanen zu verkünden! Doch der Herausgeber, der kein Fürstenschmeichler ist, knüpft seine Zuversicht auch an alle Wohlgesinnten des Landes, und ihnen wie dem Herrscher vertrauend, hält er die Überzeugung fest, dass Russland die Bahn des Fortschrittes, die Bahn der Freiheit und Gesetzlichkeit betreten, von der es trotz aller unvermeidlichen Missbräuche und Gegenanstrengungen nimmermehr umkehren kann.
So lange es sich auf dieser Bahn befindet, hält der Herausgeber es für ein zeitgemäßes Werk, dem westeuropäischen Publikum, vornan dem deutschen, eine übersichtliche Zusammenstellung der Tatsachen zu bieten, welche den neuen Lebensweg Russlands bezeichnen, die Hindernisse und Abirrungen mit eingerechnet, die auf demselben nicht ausbleiben können.
Eine solche Zusammenstellung beabsichtigt er in der „Russischen Revue", die fürs Erste sich auf die engen Grenzen weniger Jahreshefte beschränken muss, bis die Teilnahme der Lesewelt eine Erweiterung gestattet. Doch innerhalb dieser engen Grenzen soll das europäische Publikum auf den verschiedenen Kulturgebieten Russlands orientiert werden. Die Zeitschrift wird, von Abstraktionen entfernt, auf das volle Leben eingehen, wie es sich in Literatur und Kunst darstellt, wie es in allen Schichten der Gesellschaft zur Erscheinung und in den mannigfaltigen Zweigen der Wissenschaft zur Erörterung kommt. Nur das Politische bleibt ausgeschlossen, wie überhaupt der eigentlichen Debatte weniger Spielraum gegeben, vielmehr eine möglichst vollständige Übersicht der tatsächlichen Erscheinungen erstrebt wird; und zwar teils in selbständigen Aufsätzen, teils in auszugsweisen Mitteilungen aus allen öffentlichen Organen Russlands, ferner in Biographien, die eine fortlaufende Galerie bedeutender russischer Zeitgenossen bilden, in Charakteristiken der Städte und Anstalten des Landes, statistischen, ethnologischen, historischen Notizen, zusammenfassenden Berichten u. s. w. Von Zeit zu Zeit werden neben ausführlichen Kritiken auch Proben der poetischen Literatur beigegeben.
Der Standpunkt der „Russischen Revue" ist aller Lobrednerei und Liebedienerei durchaus entgegen, doch ebenso jeder leidenschaftlichen Polemik fern. Es ist der Standpunkt eines Freimutes, der selbst in den kühlsten Referaten sich nicht verleugnen, das Schlechte nie gut heißen, aber alles einseitige Raisonnement verwerfend, stets auf die Tatsachen hinweisen und zu deren Prüfung anregen wird. Aufklärung und positive Kenntnis genügt, das Urteil zu bilden, das falsche zu berichtigen, die Leidenschaft unschädlich zu machen und das Vorurteil zu beschämen. Aufklärung und positive Kenntnis wird daher die Losung der „Russischen Revue" sein.
Dem Unternehmen kommt die Unterstützung der russischen Schriftsteller, der gelehrten Korporationen, der Universitäten Russlands entgegen; es ist demselben bei vollständiger Unabhängigkeit des Herausgebers wesentliche Förderung von Seiten der Regierung zugesichert. Auch deutsche Schriftsteller und Gelehrte von wohlbegründetem Ruf werden an dieser Zeitschrift regelmäßig mitwirken. Im Hinweis auf solche Kräfte und nach den in Vorstehendem angedeuteten Gesichtspunkten wird es keiner weiteren Empfehlung bedürfen, ihr die teilnehmende Aufmerksamkeit des Publikums zuzuwenden.
Inhaltsangaben
Faust. Novelle von Iwan Turgenew
Russische Städte:
Astrachan
Odessa
Pirogoff — Ausländer in Russland und Russen im Auslande
Gedanken über Natur- und Wortpoesie der russischen Sprache
Bulmerincq über Schutzpockenimpfung
Eine neue Handelsschule
Das Tagewerk. Gedicht von A. Chomjakow
Der Frühling. Gedicht von Th. Tiutschew
Die Umgestaltung der Justizpflege in Russland
Flüchtige Blicke auf die Naturkunde in Russland
Theodor Dostojewsky und seine sibirischen Memoiren
Vergangenes Leben
Eine Pädagogische Kontroverse
Auch ein Emanzipationsthema
Verdi in Russland
Zur Geschichte der Kaiserl. öffentl. Bibliothek in St. Petersburg
Auf Puschkins Tod. Gedicht von M. Lermontow
Aus Dostojewskys sibirischen Memoiren
Aus dem sozialen und literarischen Leben Russlands
Don Juan vom Grafen A. Tolstoy
Theaterzustände in Petersburg
Obligatorische Dienstbotenzeugnisse
Russische Vorlesungen in Dresden
Ein Buch über die sixtinische Madonna
Armenwohnungen in Mitau
Einer Ausländerin. Gedicht von A. Puschkin
Timotheus Granowsky
Die Stenographie in Russland
Pirogoff über deutsche Universitäten
Gogols „Revisor" in Deutschland
Mumu. Erzählung von I. Turgenew
Anton Rubinstein
Ein russischer Arzt über das Dresdner Stadtkrankenhaus
Seltsame Totenfeier
Wolfsohn, Wilhelm Dr. (1820-1865) Journalist, Dramendichter, Übersetzer und Vermittler deutsch-russischer Literaturbeziehungen
Russisches Kaiserpaar in historischen Kostümen
Pferdeschlitten
Russische Parlamentaria beim Verlassen der Duma
Reiterstandbild Peter I.
Kosaken
Mutterliebe
Ganz privat - Teestunde am Samowar
Russisches Bauernmädchen
Auf dem Vieh- und Fleischmarkt in St. Petersburg
An der Neva mit Blick auf den Winter-Palast
Dostojewski, Fjodor Michailowitsch 1821-1881
Turgenew, Iwan (1818-1883) russischer Schriftsteller
Tjutschew, Theodor (1803-1883) russischer Dichter
Tolstoi 1828-1910
Moskau - Bettler und Obdachlose wärmen sich am Feuer
Moskau - Die Zaren-Glocke
Moskau - Die Zaren-Kanone
Moskau - Roter Platz
Moskau - Kaiser-Proklamation
Moskau - Glockenspieler