Die ältesten Denkmäler bis zum Einfall der Tataren
§ 1. Die Slawen, die ältesten Bewohner des östlichen Europas (im Altertum Skythen und Sarmaten), nahmen den weiten Raum von der Oka bis zur Elbe, von der Donau bis zur Ostsee ein und teilten sich in viele Stämme, von denen die bedeutendsten sind: die Poljänen am mittleren Lauf des Dnjepr, die Kriwitschen an der Mündung der Wolga, die Nowgorodzer an den Ufern des Ilmensees.
Die Slawen gehören, wie wir, zur indogermanischen Sprachenfamilie. Vor Annahme des Christentums war ihre Religion, wie bei uns, Naturverehrung. Ihre Hauptgötter waren Pjerun, der Gott des Donners, des Blitzes und des Kriegs, Dashbog, der Sonnengott, Woloss, der Schützer der Herden. Ihren Göttern brachten sie Tiere, auch Menschen zu Opfern. Sie waren starke, kräftige Leute, gastfreundlich, sanftmütig, im Norden blondhaarig, im Süden dunkel.
Im 9. Jahrhundert gaben die Slawen das Nomadenleben auf und beschäftigten sich mit Ackerbau und Viehzucht. Die ersten Städte waren Nowgorod, Pskov, Polozk, Ssmolensk, Kijev. Die rieben sich jedoch in inneren Zwistigkeiten auf und wurden so leicht eine Beute kriegerischer Nachbarn, besonders der Chasaren und der Normannen. Die Chasaren, türkischen Stammes, bedrängten sie von Süden und nahmen von ihnen Tribut; sie herrschten in Kijev. Die Normannen, die Bewohner von Skandinavien (Waräger), bedrängten sie von Norden.
Durch die inneren Kämpfe erschöpft, kamen mehrere verbündete slawische Stämme im Norden zu der Überzeugung, dass nur eine starke, einheitliche Macht sie vor dem Elend der Gesetzlosigkeit retten könnte, und erbaten deshalb bei einem befreundeten normannischen Stamme Rus (Rus ist die finnische Bezeichnung der Schweden) einen Fürsten. So geht die Sage; in Wirklichkeit haben sich die Waräger kaum bitten und nötigen lassen; sie werden wohl von selber gekommen sein. Jedenfalls zog im Jahre 862 Rurik, begleitet von zwei Brüdern und seinem ganzen Stamm, in das slawische Land ein und setzte sich in Ladoga, Nowgorod, Pskov, Polozk, Rostov, Bjelosjersk fest. Dieses Land empfing den Namen Russland. Die Hauptstadt war Nowgorod. Rurik nahm den Titel Großfürst an.
Rurik und seine Nachfolger dehnten die Grenzen des neuen Reiches weit aus, von den Ufern des Ilmensees bis zu den Stromschnellen des Dnjepr, bis zu den Quellen der Weichsel und zum westlichen Bug, bis zur Mündung der Oka und den Quellen des Chopjer. Alle slawischen und zum Teil auch finnischen Stämme erkannten die unumschränkte Herrschaft von Ruriks Haus an und traten in den Verband Russlands, dessen Hauptstadt jetzt Kijev wurde. Oleg, ein Verwandter Ruriks und Vormund seines Sohnes Igor, belagerte sogar Zargrad (Konstantinopel).
Der Urenkel Ruriks war Wladimir, der heilige Wladimir. Im Anfang seiner Regierung führte er nach dem Beispiel seiner Vorgänger Kriege; er unterwarf das jetzige Galizien und einen Teil von Litauen und Livland. Das Hauptverdienst Wladimirs war jedoch die Einführung des christlichen Glaubens in Russland. Im Jahre 988 nahm er den christlichen Glauben der orientalisch-orthodoxen-katholischen (griechischen) Kirche an.
Mit dieser Zeit kamen auch die ersten Anfänge einer Literatur. Mit dem christlichen Glauben erhielt Russland die Bibel in der Übersetzung der Brüder Kyrill und Methodius, und auf ihr bauen sich bald andere religiöse Werke auf. Neben dieser Kunstliteratur läuft aber, mit ihren Anschauungen oft in die heidnische Zeit zurückreichend, viel, viel reichhaltiger und innerlich schöner, weil speziell russisch, eine Volksdichtung, die, wenn man sie auch erst im Anfang des 19. Jahrhunderts zu sammeln begonnen hat, doch deutlich auf jene Zeit zurückzuführen ist.
Natürlich ist alles nach und nach entstanden. Denn auf die russischen Fürsten hatte das Christentum zunächst nur sehr geringen Einfluss. Nach dem Tode des heiligen Wladimir (†1015) brachen, genährt durch die Thronfolge „bestimmung", nach der jeder Sohn einen gleichen Anteil am väterlichen Reich hatte — und Wladimir hatte acht Söhne — , zwischen diesen Teilfürsten die schlimmsten, blutigsten Kämpfe aus, welche feindliche Völker wie die Polowzer, am nördlichen Ufer des Schwarzen Meeres, oder die Petschenegen, gleichfalls am Schwarzen Meer, die Litauer, die Polen, die Griechen zu Raubzügen ausnützten. Aber nach und nach ebnen sich auch diese Fluten. Man gründete Städte, Kirchen, Klöster, Schulen, und wir sehen unter Jarosslav dem Weisen (Mitte des II. Jahrhunderts) zwei der großartigsten Bauwerke entstehen: die Sophienkathedrale in Kijev, ein herrliches Denkmal byzantinischer Kunst, noch heute erhalten, und ebenso noch heute erhalten das vornehmste Kloster Russlands, das „Höhlenkloster" in Kijev. Man sagt kaum zu viel, wenn man die zweite Hälfte des 11. Jahrhunderts und das 12. Jahrhundert eine Blütezeit in der russischen Entwicklung nennt, auch auf literarischem Gebiet.
Die Slawen gehören, wie wir, zur indogermanischen Sprachenfamilie. Vor Annahme des Christentums war ihre Religion, wie bei uns, Naturverehrung. Ihre Hauptgötter waren Pjerun, der Gott des Donners, des Blitzes und des Kriegs, Dashbog, der Sonnengott, Woloss, der Schützer der Herden. Ihren Göttern brachten sie Tiere, auch Menschen zu Opfern. Sie waren starke, kräftige Leute, gastfreundlich, sanftmütig, im Norden blondhaarig, im Süden dunkel.
Im 9. Jahrhundert gaben die Slawen das Nomadenleben auf und beschäftigten sich mit Ackerbau und Viehzucht. Die ersten Städte waren Nowgorod, Pskov, Polozk, Ssmolensk, Kijev. Die rieben sich jedoch in inneren Zwistigkeiten auf und wurden so leicht eine Beute kriegerischer Nachbarn, besonders der Chasaren und der Normannen. Die Chasaren, türkischen Stammes, bedrängten sie von Süden und nahmen von ihnen Tribut; sie herrschten in Kijev. Die Normannen, die Bewohner von Skandinavien (Waräger), bedrängten sie von Norden.
Durch die inneren Kämpfe erschöpft, kamen mehrere verbündete slawische Stämme im Norden zu der Überzeugung, dass nur eine starke, einheitliche Macht sie vor dem Elend der Gesetzlosigkeit retten könnte, und erbaten deshalb bei einem befreundeten normannischen Stamme Rus (Rus ist die finnische Bezeichnung der Schweden) einen Fürsten. So geht die Sage; in Wirklichkeit haben sich die Waräger kaum bitten und nötigen lassen; sie werden wohl von selber gekommen sein. Jedenfalls zog im Jahre 862 Rurik, begleitet von zwei Brüdern und seinem ganzen Stamm, in das slawische Land ein und setzte sich in Ladoga, Nowgorod, Pskov, Polozk, Rostov, Bjelosjersk fest. Dieses Land empfing den Namen Russland. Die Hauptstadt war Nowgorod. Rurik nahm den Titel Großfürst an.
Rurik und seine Nachfolger dehnten die Grenzen des neuen Reiches weit aus, von den Ufern des Ilmensees bis zu den Stromschnellen des Dnjepr, bis zu den Quellen der Weichsel und zum westlichen Bug, bis zur Mündung der Oka und den Quellen des Chopjer. Alle slawischen und zum Teil auch finnischen Stämme erkannten die unumschränkte Herrschaft von Ruriks Haus an und traten in den Verband Russlands, dessen Hauptstadt jetzt Kijev wurde. Oleg, ein Verwandter Ruriks und Vormund seines Sohnes Igor, belagerte sogar Zargrad (Konstantinopel).
Der Urenkel Ruriks war Wladimir, der heilige Wladimir. Im Anfang seiner Regierung führte er nach dem Beispiel seiner Vorgänger Kriege; er unterwarf das jetzige Galizien und einen Teil von Litauen und Livland. Das Hauptverdienst Wladimirs war jedoch die Einführung des christlichen Glaubens in Russland. Im Jahre 988 nahm er den christlichen Glauben der orientalisch-orthodoxen-katholischen (griechischen) Kirche an.
Mit dieser Zeit kamen auch die ersten Anfänge einer Literatur. Mit dem christlichen Glauben erhielt Russland die Bibel in der Übersetzung der Brüder Kyrill und Methodius, und auf ihr bauen sich bald andere religiöse Werke auf. Neben dieser Kunstliteratur läuft aber, mit ihren Anschauungen oft in die heidnische Zeit zurückreichend, viel, viel reichhaltiger und innerlich schöner, weil speziell russisch, eine Volksdichtung, die, wenn man sie auch erst im Anfang des 19. Jahrhunderts zu sammeln begonnen hat, doch deutlich auf jene Zeit zurückzuführen ist.
Natürlich ist alles nach und nach entstanden. Denn auf die russischen Fürsten hatte das Christentum zunächst nur sehr geringen Einfluss. Nach dem Tode des heiligen Wladimir (†1015) brachen, genährt durch die Thronfolge „bestimmung", nach der jeder Sohn einen gleichen Anteil am väterlichen Reich hatte — und Wladimir hatte acht Söhne — , zwischen diesen Teilfürsten die schlimmsten, blutigsten Kämpfe aus, welche feindliche Völker wie die Polowzer, am nördlichen Ufer des Schwarzen Meeres, oder die Petschenegen, gleichfalls am Schwarzen Meer, die Litauer, die Polen, die Griechen zu Raubzügen ausnützten. Aber nach und nach ebnen sich auch diese Fluten. Man gründete Städte, Kirchen, Klöster, Schulen, und wir sehen unter Jarosslav dem Weisen (Mitte des II. Jahrhunderts) zwei der großartigsten Bauwerke entstehen: die Sophienkathedrale in Kijev, ein herrliches Denkmal byzantinischer Kunst, noch heute erhalten, und ebenso noch heute erhalten das vornehmste Kloster Russlands, das „Höhlenkloster" in Kijev. Man sagt kaum zu viel, wenn man die zweite Hälfte des 11. Jahrhunderts und das 12. Jahrhundert eine Blütezeit in der russischen Entwicklung nennt, auch auf literarischem Gebiet.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Russische Literaturgeschichte