Viethold, Großherzog von Litthauen, rüstete sich im Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts zum Kriege gegen die Tartaren.

Viethold, Großherzog von Litthauen, rüstete sich im Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts zum Kriege gegen die Tartaren. Sie hatten sich den Gränzen des Landes genähert, und Verwüstungen aller Art bezeichneten ihre Schritte. Jetzt standen beide Heere sich gegenüber. Viethold wollte einen Versuch machen, ob sich noch ein anständiger Friede vermitteln ließe. Er sandte daher einen seiner ersten Krieger, einen vornehmen Litthauer, Namens Splittko an Idukan, den Feldherrn der Tartaren. Der Gesandte wurde sehr freundlich aufgenommen. Idukan selbst schloß mit ihm Gastreundschaft, nahm ihn für die Nacht zum Zeltgefährten und äußerte viel Neigung zum Frieden, forderte für den Abzug mit seinen Horden so unbedeutende Opfer daß Splittko freudenvoll in’s Lager der Litthauer zurückkehrte. Kaum war er indessen angelangt, kaum hatte sich die Gewißheit der freundlichen Aufnahme der Friedensvorschläge unter den Litthauern verbreitet, als sich auch sogleich die Gesinnungen derselben änderten. Man hielt diese Nachgiebigkeit für Schwäche des Feindes, man glaubte sich des Sieges gewiß und so furchtbar auch Splittko in einer Versammlung der Häupter dem Herzoge die Macht seines ihm gegenüberstehenden Feindes schilderte und ihn darauf aufmerksam machte, daß Idukan den so schleunigen Bruch der angefangenen Unterhandlungen als Hohn auslegen müßte, so wurde er dennoch bald überstimmt. Selbst der Herzog machte dem tapfern und berühmten Splittko den Vorwurf, er scheue vielleicht den Tod, weil er ein schönes Weib und ein großes Vermögen besäße; indeß solle er selbst in’s feindliche Lager und dem Idukan die Nachricht hinterbringen, daß alle Friedensvorschläge verworfen wurden, und daß der Herzog Idukan’s Unterwerfung und seiner Horden fordre. Splittko antwortete auf diesen Vorwurf nur: ,,Du wirst es erfahren!“

Er eilte ins feindliche Lager, und richtete den Auftrag seines Herrn aus.
,,Dein Herzog ist ein sehr wankelmüthiger Mann, er wird mich kennen und besser achten lernen; doch Du bist mein Gastfreund. Willst Du bei mir bleiben, so sei einer meiner Ersten, nicht mein Diener, sondern mein Waffengenfährte, und willst und kannst Du das nicht, so nimm diesen meinen Adlerflügel (er nahm ihn von seinem Helm) und befestige ihn an Deinen Helm. Er sey das Zeichen für jeden meiner Krieger, Dich zu schonen, wenn wir, wie ich nicht zweifle, eure Sieger seyn sollten,“ sprach Idukan.


Splittko verwarf mit Unwillen das erste, mit Rührung das zweite Anerbieten. „Ich werde meinem Herrn mit aller Treue dienen und Deinem Heere so viel Schaden zufügen, als ich kann, darf also als ehrlicher Mann keine Nachsicht fordern.“

Man schied mit Achtungsbezeigungen.

Es kam zur Schlacht. Die Tartaren siegten, die Litthauer nahmen die Flucht. Splittko hatte ohne Abzeichen an Viethol’ds Seite gefochten, und als dieser jetzt mit allen seinen Hofleuten dem Feinde den Rücken kehrte, da rief er ihm zu:
,,Herzog, warte noch einen Augenblick und sey Zeuge, daß ich Deinen Hohn nicht verdiente, daß ich einen ehrlichen Tod einer schändlichen Flucht vorziehe!“

Mit diesen Worten stürzte er sich in den Feind und focht so lange, bis er niedergehauen wurde.