Kleinere Rügensch - Pommersche Städte: Loitz, Barth, Damgarten, Tribsees, Grimmen, Garz, Gegensatz der späteren Schöpfungen Bergen und Franzburg

Während Stralsund und Greifswald im raschen Aufschwunge wetteifernd alsbald an die Spitze unserer Rügensch-Pommerschen Städte gelangen, entfaltet das Deutsche Element ringsumher auch in kleinerem Maßstabe seine städtebildende Triebkraft.

Loitz, die alte Liutizen-Burg, unweit Demmin an der Peene belegen, wie Gützkow damals unter einem eigenen kleinen Dynastengeschlecht, trat unter den frühesten in die Reihe der Deutschen Städte ein. Bereits im Jahr 1242 ward es von Dethlew, Herrn von Gadebusch, mit dem Lübischen Recht bewidmet. Die Stadt erhielt einen nicht unbedeutenden Besitz an Grund und Boden, und ihre Bürger wurden für den Anbau desselben von allen Abgaben befreit*). Gegen Ende des Jahrhunderts, als Loitz an Rügen fiel, bestätigte Wizlaw II. der Stadt die freie Stellung, welche sie durch die Verleihung des Lübischen Rechts gewonnen hatte.


Zu den ältesten Deutschen Städten unserer Gegend gehört ferner Barth, wenn wir auch das Jahr nicht mehr angeben können, in dem der alte Wendische Burgflecken seine Umwandlung zur Deutschen Stadt vollzog. Im Jahr 1255 war sie bereits eine vollendete Tatsache; in diesem Jahr verkauft Fürst Jaromar II. seiner geliebten Stadt Barth und ihren Einwohnern ein Stück Landes in der Umgebung der Stadt und dehnt das in ihr bereits geltende Lübische Recht ausdrücklich auch auf die neue Erwerbung aus **). Schon fühlte sich auch hier das Bürgertum stark genug, für seine eigene Verteidigung zu sorgen, und den zweifelhaften Schutz der vor den Toren gelegenen landesherrlichen Burg entbehren zu können. Solche Schutzwehren, die unter Umständen auch zu einem Zwing-Uri werden können, liebten unsere alten Bürger weder in ihren Mauern noch in ihrer Nähe. Der Fürst von Rügen erkannte mit seinem freien vorurteilslosen Blick, dass eine wehrhafte von freien Bürgern bewohnte Stadt eine bessere Stütze seiner Herrschaft bildete, als ein von seinen Dienstmannen verteidigtes Kastell, und verpflichtete sich, die neue nordwestlich vor den Toren der Stadt liegende Burg auf eigene Kosten wieder abzutragen; die alte südwärts gelegene Burg war wahrscheinlich schon damals verfallen. Neben der Deutschen Stadt hielt sich die alte Wendische Bevölkerung in einem Flecken noch bis in den Anfang des folgenden Jahrhunderts.

Wenige Meilen südwestlich von Barth an der Mecklenburgischen Grenze, unweit Ribnitz, an dem Ausfluss der Rekenitz in das Binnenwasser liegt die kleine Stadt Damgarten. Sie war in alter Wendischer Zeit ein Dorf oder Flecken des Namens Dambagora, abgekürzt Damgor, zu Deutsch Eichenberg. Fürst Jaromar II. von Rügen, den wir überall mit rastloser Energie die Deutsche Kolonisation fördern sehen, begründete auch hier im Jahr 1258 eine Deutsche Stadt, welcher er das Recht von Lübeck und Stralsund verlieh. Sie ward, wie dies überall in dieser Zeit geschah, reichlich mit Grundbesitz ausgestattet und erhielt die Fischereigerechtigkeit in dem Binnenwasser an der Küste bis Barth. Das alte Wendische Dorf wird zur Stadt geschlagen; seine Einwohner wurden eine halbe Meile davon an die Küste verpflanzt; das Dorf Wendorf deutet durch seinen Namen aus solchen in jener Zeit gewöhnlichen Hergang.

Ungefähr gleichzeitig mit Barth und Damgarten mag auch der Hauptort der alten Wendischen Landschaft Tribsees seine Umwandlung aus einer Burg mit Burgflecken in eine Deutsche Stadt vollzogen haben. Das Jahr können wir nicht angeben; aber schon 1267 finden wir in der Stadt ein Rats-Kollegium, welches wie auf gleichem Fuß mit dem Rath von Stralsund unterhandelt. Im Jahr 1285 bestätigt dann Fürst Wizlaw II. seinen geliebten Bürgern von Tribsees das Rostock-Lübische Recht und ihren Grundbesitz in den Grenzen, wie die Stadt sie schon unter seinen Vorgängern gehabt hat. Eine Reihe anderer Begünstigungen kommen

*) Das Lübische Recht hat Tribsees gewiss nicht erst bei dieser Gelegenheit erhalten, obwohl bei der Erwähnung desselben nicht auf eine frühere Verleihung ausdrücklich Bezug genommen wird. Dafür spricht die Existenz eines Rats-Kollegiums schon 1267. Auch ist es eine sehr gewöhnliche Erscheinung in unseren alten Urkunden, dass sie bei der Bestätigung von Verleihungen, die bereits früher Statt gefunden haben, es nicht zu erkennen geben, dass es eigentlich nur eine Wiederholung ist. So vergleiche man die beiden Urkunden von 1234 und 1240, in denen Stralsund das Recht von Rostock verliehen wird; hätten wir die Urkunde von 1234 nicht mehr, so würden wir bei dem Mangel aller Bezugnahme schließen können, dass die Verleihung 1240 zuerst erfolgte. — Die Tribseer Urkunde steht bei Fabricius a. a. O. III. p. 50.

hinzu, darunter die Fischereigerechtigkeit auf dem kleinen Flüsschen Trebel, an dem die Stadt liegt, die Abgabenfreiheit für den Fisch- und Heringsfang innerhalb der Rügenschen Grenzen, der freie Holzhieb in den landesherrlichen Waldungen, soweit es sich um die Befriedigung ihres Bedarfs handelte, die Gerichtshaltung und deren Einkünfte zu halben Teilen, endlich die bestimmte Zusicherung, dass wer in der Stadt wohnt, dem Stadtrecht unterworfen sein soll, falls die Bürger nicht das Gegenteil bewilligen. Zugleich erhielten sie die fürstliche Fähre in Erbpacht, und die Mecklenburgische Fähre kauften sie einige Monate später von dem Herrn von Werle.

Der jetzige Kreisort Grimmen tritt als Stadt erst etwas später als die genannten hervor. Zwar hat die Sage ihr schon eine Rolle zugeteilt in dem Kriege Pommerns gegen Rügen zu Anfang des Jahrhunderts, wo eine Rügensche Besatzung, die sich in Grimmen hielt, den Anfall auf Stralsund verzögert haben soll. Aber, wenn man auch diesem Zug als glaubwürdig annimmt, so war Grimmen damals keinesfalls schon eine Deutsche Stadt, sondern eine Wendische Burg mit einem Flecken daneben. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts erscheint eine Familie, welche sich von Grimmen nennt (127S); das „von“ bezeichnet hier wie gewöhnlich den Ort der Herkunft, aber ob derselbe damals schon eine Stadt gewesen, erhellt nicht. Als eine solche tritt sie zuerst im Anfange des folgenden Jahrhunderts hervor; im Jahr 1305 verschreibt der Fürst Wizlaw von Rügen seiner Gemahlin Margaretha die beiden Städte Tribsees und Grimmen zu ihrem Leibgedinge, und da die Bestimmung hinzugefügt ist, dass die alten Grenzen der Städte hierbei maßgebend sein sollten, so muss man annehmen, dass auch Grimmen wie Tribsees damals schon feit längerer Zeit als Stadt bestand. Im Jahr 1306 tritt auch ein Rats-Kollegium urkundlich hervor, und dass auch hier wie in unseren anderen Städten das Lübische Recht Geltung hatte, wird durch spätere Urkunden des vierzehnten Jahrhunderts bezeugt.

Während solchergestalt in den festländischen Provinzen des Rügenschen Fürstentums Deutsches Städtewesen seit der ersten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts in immer ausgedehnterem Maße festen Fuß fasste, finden wir auf der Insel Rügen während dieses ganzen Zeitraums noch keine Stadt. Erst im zweiten Jahrzehnt des folgenden vierzehnten Jahrhunderts tritt neben der altberühmten Burg Karenz das Deutsche Garz als Rügensche Stadt hervor. Wann es als solche gegründet und mit Deutschem Recht bewidmet ist, wissen wir nicht; aber im Jahr 1319, wo der letzte Fürst von Rügen dem Rat und der Bürgerschaft von Garz die Erlaubnis zu einer auf ihren Grundbesitz hypothekierten Anleihe erteilte, war Garz noch eine „neue“ Stadt*). Wahrscheinlich war sie nur wenige Jahre zuvor gegründet, und abweichend von den andern Städten des Fürstentums Rügen, mit Schwerin’schem Recht bewidmet; wenigstens galt dort Schwerin’sches Recht im Jahr 1333 nach einer Aufzeichnung des alten Stadtbuches, und es ist kaum anzunehmen, dass die Stadt bei ihrer Begründung ein anderes Recht empfangen habe. Das Schwerin’sche Recht hatte übrigens auf dem Laude sowohl auf der Insel Rügen als in Pommern auch noch später eine sehr ausgedehnte Geltung; es war weit über die Grenzen des Schweriner Bistums-Sprengels vorgedrungen**).

Kurz nach ihrer Begründung hatte die Stadt Garz eine andere benachbarte Deutsche Stadt in sich aufgenommen, welche, wie es scheint, gleichzeitig durch fremde Ansiedler gegründet war. Sie führte den Namen Rügendal und lag wahrscheinlich südwestlich von Garz und westlich vom Garzer See ***). Auf ihrer kurzen Existenz ruht ein ähnliches Dunkel, wie auf Schadegard, der Rivalin Stralsunds. Sie taucht zuerst auf im Jahr 1313; Rat und Gemeinde der Stadt stellen einem Priester Rotcher eine Schuldverschreibung aus über eine Rente von 24 Mark Silberpfennige, und setzen als Sicherheit den Grund und Boden der Stadt im Betrage von 8 Hufen, mit denen sie bei ihrer ersten Gründung ausgestattet ist. Da der Zinsfuß in jener Zeit etwa zehn Prozent betrug, so mochte die Stadt für die übernommene Rente von 24 Mark ein Kapital von 240 Mark (720—800 Thaler) erhalten haben. Aber der Gläubiger hatte sich gut vorgesehen, wie es die Männer der Kirche zu tun pflegten. Er traute, wie es scheint, der jungen Stadt keine Zukunft zu, und ließ daher in die Schuldverschreibung eine Bestimmung aufnehmen, die ihm seine Rechte auf den Grund und Boden auch für den Fall sicherte, dass die Stadt zum Dorf herabsänke, verarmte, verödete oder an einen andern Ort versetzt würde. Der letzte Fall trat schon nach wenigen Jahren ein. Schon im Jahr 1319 ist die Stadt Rügendal von Garz inkorporiert; der Fürst von Rügen gibt hier seine Einwilligung, dass die Stadt Garz die an den Priester zu zahlende Rente übernimmt, und so vollständig ist die Verschmelzung, das; die acht Hufen, welche Rügendal als Hypothek gestellt hatte, als die der Stadt Garz bezeichnet werden können. Sieben Jahre später (1326) finden wir die letzte ausdrückliche Erwähnung der Stadt Rügendal; der priesterliche Gläubiger von Rügendal empfing eine von diesem Jahre datierte Schuldverschreibung des Rates von Garz, in welcher sich dieser ausdrücklich zu den Verpflichtungen bekennt, welche der Rat von Rügendal übernommen. Die Versetzung von Rügendal nach Garz wird in der Einleitung der Schuldverschreibung als die Veranlassung derselben hingestellt. Damit verschwindet Rügendal spurlos aus unserer Geschichte.

*) Die Urkunde bei Schwarz a. a. O. p. 589 f.
**) Vergl. Kosegarten, Pommersch-Rüg. Geschichtsdenkmäler p. 276 f,
***) Man kann diese Bestimmung der Lage mit einiger Wahrscheinlichkeit aus dem Ortschaftsverzeichnis der sogenannten Rothschilder Matrikel schließen; hier wird im Kirchspiel Swantow (Swanteghur) eine „neue Stadt“ (nova civitas) ohne Namen genannt, die unzweifelhaft auf Rügendal zu beziehen ist, wenn man nicht außer Garz und Rügendal in dieser Gegend noch eine gänzlich verschollene Stadt annehmen will.

Während so die Deutsche Ansiedlung bei der Burg von Karenz zur Stadt ward, blieb der alte Burgflecken der Sitz der Wenden, und während er anfangs noch als das Wendische Garz von dem Deutschen Garz unterschieden ward, erhielt er bald im Gegensatz zu der Deutschen Stadt den Namen des Wendendorfes, Wendorp *).

*) Wentdorp bei Garz kommt zuerst in der sogenannten Rothschildschen Matrikel (um 1320) vor, während in dem Rügenschen-Hebungsregister von 1314 (bei Fabricius a. a. O. IV. 2. P. 41) noch ein Slawisches Garz und ein Deutsches Garz — außer dem Schloss (castrum) Garz — unterschieden wird. Das Wendische Garz gab damals an Hühnern für den Landesherrn 333, das Deutsche 217 Stück. — Außer Wendorf bei Garz und dem bereits früher erwähnten Wendorf bei Damgarten gibt es in Neu - Vor - Pommern noch zwei Wendorf, eines im Franzburger Kreise bei Voigdehagen, und eines im Grimmer Kreise bei dem Kirchdorf Horst.

Garz war Jahrhunderte lang die einzige Stadt auf der Insel Rügen. Mit den Städten hatte es hier keine rechte Art. Auch Garz, schon der Lage nach eine Binnenstadt und der Wasserverbindung entbehrend, hat es nie zu einer größeren Bedeutung gebracht.

Mit den ersten Jahrzehnten des vierzehnten Jahrhunderts endigte für unsere Gegenden die schöpferische Periode der Städtegründung. Nennen wir in dem Rügenschen Anteil von Pommern noch die kleine Landstadt Richtenberg, eigentlich Rikeberg, welche sich um diese Zeit unter der milden Herrschaft des Klosters Neuen-Camp aus einem Dorf zu einem Städtchen herausarbeitete, so ist damit die Reihe unserer älteren Städte geschlossen*).

Aus einer viel jüngeren Zeit datiert das Städtetum der jetzigen beiden Kreisorte Franzberg und Bergen auf Rügen. Ihre Begründung, die Verhältnisse, unter denen sie erfolgte und die Gesichtspunkte, welche dabei leitend waren, bilden einen bezeichnenden Kontrast zu den Städtegründungen der alten Zeit. Am wenigsten ist es noch bei Bergen auf Rügen der Fall. Hier hatte sich neben dem alten Fürstenschloss auf dem Rugard, welches noch um die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts den Landesherren öfter als Aufenthaltsort diente, und neben dem Kloster auf dem Berge, dem ältesten unserer Lande, allmählich ein Flecken Deutscher Ansiedler gebildet, welcher von dem Berge, an dessen Abhang er lag, mit Wendischem Namen Gora, mit Deutschem Bergen genannt ward. Jahrhunderte lang hatte er schon bestanden, als im Jahr 1613 der Pommersche Herzog Philipp Julius ihm die Stadtgerechtigkeit verlieh**). Die Bewilligung kostete der Stadt die runde Summe von 8.000 Mark und die, Verpflichtung zu einer jährlichen Abgabe von 600 Mark. Und was sie dafür erhielt, stand in keinem Verhältnis zu dem, was die alten Städte, im Anfang wenigstens, meist umsonst erhalten hatten. Nicht nur, dass sie eine Reihe lästiger Verbindlichkeiten übernehmen, dass sie dem Landesherrn dreißig Katen mit ihren Insassen zu Dienstleistungen überweisen musste, dass sie ein paar Pferde für den Herzog und seine Beamten zu halten und demselben bei persönlicher Anwesenheit „mit Aufwartung sich fleißig zu bezeigen“, auch bei den herzoglichen Jagden in der Stubnitz die erforderliche Mannschaft zu stellen verpflichtet war, so waren ihre Gerechtsame auch in Hauptpunkten sehr eng beschränkt. Der Rat stand in wesentlichen Dingen unter dem Rügenschen Landvoigt, das Lübische Recht ward nur für Testaments- und Erbfälle zugelassen, im Übrigen blieb die Stadt unter dem Rügenschen Landrecht; endlich erhielt der Adel, welcher in der Stadt wohnte, eine eximierte Stellung: der Jurisdiktion über denselben sollte sich der Rat „nicht anmaßen“. Damit war das Rechts-Fundament unserer alten Städteverfassungen, in denen die Einheit des Rechts und des Gerichts- Forums für alle Bürger ohne Unterschied galt, in seinem innersten Wesen aufgehoben.

*) Die kleinen Neu-Vor-Pommerschen Städte Gutzkow und Lassan, welche sich unter eigenen kleinen Herren seit dem Ende des 13. Jahrhunderts ans Wendischen Burgen und Burgflecken zu Deutschen Städten umwandelten, standen unter Pommerscher Oberhoheit und zu Rügen in keinem näheren Verhältnis. Von Wolgast ist bereits in der allgemeinen Einleitung die Rede gewesen.
**) Die Urkunde von 1613 und die erläuternde von 1616 bei Albert Schwarz, Pomm. Rüg. Städte p. 338 f.

Einen noch schneidenderen Kontrast gegen die Städtegründungen des dreizehnten Jahrhunderts bildet die Entstehungsgeschichte von Franzburg. Das alte Zisterzienser - Kloster Neuen-Camp war in Folge der Reformation (feit 1335) zur landesherrlichen Domäne geworden. Herzog Bogislaw XIII. fasste im Jahr 1587 den Beschluss, an Stelle des alten baufälligen Klosters eine neue Stadt zu gründen, trotzdem das nahe Richtenberg den Beweis lieferte, dass eine Stadt hier keine großen Aussichten habe. Aber die neue Stadt, nach dem Herzog Franz von Lüneburg, dem Schwiegervater des Pommern-Herzogs, Franzburg benannt, sollte etwas ganz Besonderes werden. Der Herzog machte einen Kontrakt darüber mit dem Adel; er selbst wollte sich dort ein Residenzschloss bauen, und der Adel sollte die ihm angewiesenen Baustellen mit Palästen besetzen. Die Bürgerschaft, welche doch auch nicht fehlen konnte, sollte einen durchaus städtischen Charakter haben; Se. fürstliche Gnaden erklärten mit dem Adel der Ansicht zu sein, dass zwischen Bürger und Bauer ein großer Unterschied sei, und deshalb unterließ man es grundsätzlich, im Unterschied von den bei den alten Städtegründungen befolgten Prinzipien, die Bürgerschaft von Franzburg mit Landbesitz auszustatten. Sie sollte vorzugsweise aus „allerlei kunstreichen und bescheidenen Handwerkern“ bestehen, und dann aus den notwendigen Kaufleuten, um die gefertigten Waren, die man selbst nicht gebrauchte, fortzuschaffen und zu verhandeln. Also eine Manufakturstadt sollte Franzburg werden; als ob sich dergleichen oktroyieren ließe! Das Regiment der Stadt sollte natürlich bei Fürsten und Adel sein; von einer Selbstregierung der Bürgerschaft wie in alten Zeiten war keine Rede, vielmehr wurden die bürgerlichen Kaufleute und Handwerker zur Regierung ausdrücklich für unfähig erklärt. „Nachdem aber Kaufleute und Handwerker justice und Regiment zu halten“, heißt es in der Urkunde, „als die dazu nicht erzogen, undüchtig, und ohne Versäumnis ihrer Arbeit und Handlung, da sie schon tüchtig zu befunden würden, solchen Sachen nicht beiwohnen können; zu geschweigen, dass sie auch wegen ihres geringen Standes und Herkommens das Gehör und Ansehen, so bei den Regenten sein muss, nicht haben, und davon und sonsten, dass sie von Jugend auf gewohnt, ihren eigen und nicht allgemeinen Nutz fürnemlich zu suchen, in wohl bestellten Regimenten von der Regierung ausgeschlossen worden, und von Natur allen Tieren ein gepflanzet, dass die Edlen über die Unedlen herrschen, und solch Regiment, weil es aus der Natur herfleußt, bei allen Völkern zu allen Zeiten das beständigste gewesen, und auch noch ist, immaßen man an den Venediern sieht, so nun weit über tausend Jahr von dem von Adel regieret, und wegen guter und beständiger Ordinanz länger denn keine Stadt in der Christenheit gewehret und in ihrer Freiheit gestanden und heutiges Tages bestehet, und allen andern an Macht Gewalt Reichthum und Herrlichkeit vorgehet: So haben Se. fürstliche Gnaden sich mit denen von Adel usw.“ — *)

*) Die merkwürdige für die ganze Zeit charakteristische Urkunde bei Alb. Schwarz a. a. O. p. 480 f.

Aber das Neu-Vor-Pommersche Venedig hat die hochfliegenden Pläne seines Stifters niemals verwirklicht; schon vor dem dreißigjährigen Kriege war es, was es noch heute ist, eine kleine Pommersche Landstadt, und erhielt von dem Herzog Philipp Julius, demselben, der auch Bergen mit städtischen Gerechtsamen bewidmete, eine für ihre Verhältnisse berechnete Verfassung.

Der Gegensatz der Anschauungen, welche bei unsern jüngsten Städtegründungen maßgebend waren, gegen die in der alten Zeit herrschenden Grundsätze ist, wie man leicht gewahrt, ein vollständiger und durchgreifender. Die große und freie Politik unserer alten Fürsten, welche die neubegründeten städtischen Gemeinwesen ohne alle ängstlichen Beschränkungen sich selbst überließ und in einem kräftigen zur Selbstregierung erzogenen Bürgertum den stärksten Hebel der eigenen Macht fand, ist einem engherzigen Standes- und Kastengeist, einer kleinlichen Regiererei und Reglementiererei gewichen. Freilich war auch das Bürgertum bereits von seiner Höhe herabgesunken und in Zunftzopf und kleinlichen Eigennutz verkommen. Eine neue Form des Staats und der Gesellschaft war im Anzuge: der dreißigjährige Krieg sollte ihr mit erbarmungsloser Hand den Weg ebenen. —
Garz, Turm der St. Petri-Kirche

Garz, Turm der St. Petri-Kirche

Loitz, mittelalterliches Stadttor

Loitz, mittelalterliches Stadttor

Loitz, St. Marienkirche

Loitz, St. Marienkirche

Loitz um 1615

Loitz um 1615

Bergen auf Rügen

Bergen auf Rügen

Rügen, Jagdschloss Granitz

Rügen, Jagdschloss Granitz

Rügen, Schloss Ralswieck

Rügen, Schloss Ralswieck

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