Vorwort

Die Entstehungsgeschichte der vorliegenden Schrift ist bald erzählt.

Während einer Periode jahrelangen Siechtums, wo in den freieren Zeiten das Lesen die einzige mir mögliche Tätigkeit bildete, fand ich die Muße für eine eingehendere Beschäftigung mit der Geschichte meiner speziellen Heimat, der Insel Rügen, wofür es mir früher während meiner akademischen und politischen Wirksamkeit in Schleswig-Holstein weniger an Neigung als an Zeit gefehlt hatte. Dabei drängte sich mir die Bemerkung auf, dass die genauere Kenntnis unserer Heimatlichen Geschichte ungleich weniger verbreitet ist, als sie es bei dem Interesse und der Wichtigkeit des Gegenstandes sein könnte und sein müsste.


Zum Teil wenigstens glaubte ich den Grund dieser Erscheinung in dem Mangel an Darstellungen finden zu müssen, die einen wirklich wissenschaftlichen Gehalt mit einer leicht ansprechenden Form vereinigten. Die urkundlichen Werke von Fabricius und Kosegarten — um von den älteren zu schweigen — so unschätzbar sie auch als grundlegende für den wissenschaftlichen Forscher sind, können doch ihrer Natur nach nicht geeignet sein, in größere Kreise zu dringen. Eigentliche Geschichtswerke aber, wie Bartholds zu sehr missachtete Geschichte von Rügen und Pommern oder Giesebrechts verdienstvolle Wendische Geschichten, behandeln die Geschichte Rügens nur als Teil eines größeren Ganzen, daher sich das speziell auf Rügen Bezügliche unter der Masse anderen Stoffes zersplittert. Zudem ist es nicht Jedermanns Sache, Werke von drei oder vier Bänden durchzulesen, in denen die geschlossene über einen längeren Zeitraum und über größere Ländermassen sich verbreitende Darstellung es notwendig mit sich bringt, dass neben den interessanteren Partien auch viel trockener historischer Stoff gebracht werden muss.

Unter diesen Erwägungen entstand in mir die Idee einer Darstellung, welche der Geschichte Rügens ein allgemeineres Interesse gewinnen könnte, als es bisher geschehen ist. Ich beschloss, aus dem geschichtlichen Gesamtverlauf der Ereignisse einzelne besonders interessante und hervorragende Partien heraus zu heben und sie im Zusammenhange der ganzen Zeit, der sie angehören, in einer für einen größeren Leserkreis zugänglichen Form zur Darstellung zu bringen. Jedes Jahrhundert seit dem Beginn unserer heimatlichen Geschichte sollte durch eine oder zwei solcher Darstellungen repräsentiert werden, deren jede übrigens ein in sich abgeschlossenes Ganzes zu bilden hätte. Tiefer eingehende Detailuntersuchungen sollten, wo sie notwendig erschienen, in die Form von Anhängen gebracht werden, um die Kontinuität der Erzählung nicht zu unterbrechen.

Sobald mein Befinden ein größeres Maß von Anstrengung gestattete, ging ich an die Ausführung jener Idee, und der erste Versuch dieser Ausführung ist es, den ich hiermit einem größeren Publikum vorlege. Von der Teilnahme, die er findet, sowie von dem ferneren Stande meiner Gesundheit wird es abhängen, ob und wann weitere Darstellungen dieser Art folgen werden.
Den allgemeinen Titel Rügensch-Pommersche Geschichten habe ich gewählt, weil es meine Absicht ist, in die Reihe meiner Darstellungen außer der Insel Rügen auch die angrenzenden Teile von Pommern hineinzugehen, deren Geschicke von jeher zu eng mit denen Rügens verknüpft gewesen sind, um sie von einander trennen zu können.

Schließlich habe ich noch die angenehme Pflicht zu erfüllen, Allen, die sich durch die Mitteilung von Büchern oder auf sonstige Weise unterstützt haben, namentlich dem Hrn. Prof. Dr. Zober, dem Hrn. Pastor Dr. Tamms, Dr. Kromayer und Prof. Dr. v. Gruber in Stralsund, sowie meinem Freunde dem Herrn Prof. Dr. Müllenhoff in Berlin meinen verbindlichsten Dank auszusprechen.

Zu ganz besonderem Dank endlich bin ich dem königl. Bauführer Herrn Knoche verpflichtet, der mit der zuvorkommendsten Bereitwilligkeit während seiner Anwesenheit auf dem Leuchtturm von Arkona die von mir gewünschten Messungen vornahm und den dieser Schrift beigegebenen Grundriss des alten Burgwalles anfertigte.

Die kleine Karte des alten Rügen habe ich zur Orientierung derjenigen Leser beigegeben, denen die Hagenow’schen Karten, oder die, welche Fabricus seinem Urkundenwerk angehängt hat, nicht zur Hand sein sollten. Nur die in der Darstellung vorkommenden alten Namen sind aufgenommen; die eingeklammerten Namen sind neueren Datums.
Schwarbe bei Altenkirchen auf Rügen, im April 1861.
Otto Fock