8. Abschnitt. Rostock hat nie aufgehört eine meklenburgische Stadt zu sein. Rostocks Verhältnis zu anderen nordischen Städten. Rostocks Rolle in der Landesvertheidigung. Rostocks Bündnisse. Rostock, eine meklenburgische Seestadt.

Als Mitglied des hansischen Städtevereins hat Rostock selbstverständlich nicht aufgehört, meklenburgische Stadt zu sein. Abgesehen von Lübek, Köln, Goslar und Dortmund stehen vielmehr alle Mitglieder des Bundes in der Doppelstellung einer Hansestadt und einer Territorialstadt. Auf die Conflicte, die bei solcher Doppelstellung unvermeidlich waren, mußte natürlich Rücksicht genommen werden. Schon etwa 1264 ist deshalb beschlossen worden, daß dem Landesherrn, der mit einer Stadt in Streit geräth, von keiner andern Stadt Unterstützung gewährt werden soll, als von seiner eigenen Territorialstadt.5) Das Bündniß von 1296 bestimmt dagegen, daß in einem solchen Falle die Stadt, welche einen Erbherrn über sich hat, die bedrängten Verbündeten wenigstens mit Geld unterstützen solle.1) Ein ähnlicher Conflict entstand für Rostock und Wismar durch das Streben ihres Landesherrn, Mitglieder seiner Familie in Schweden, wie in Dänemark auf den Königsthron zu bringen. Als deshalb die Hansestädte 15. März 1364 den Beschluß faßten, die Schiffahrt völlig einzustellen, gestatteten sie den beiden meklenburgischen Städten, ihrem Herzog Lebensmittel aus ihren Häfen zuzuführen; 2) 25. Mai erklärten die von Rostock und Wismar, sie hätten einen Herrn und könnten demselben, wenn er den König von Dänemark bekriegen wolle, ihre Unterstützung nicht versagen und ihren Hafen nicht verschließen. 3) Auch 1370 muß nach den Friedensschlüssen zwischen den Hansestädten und den Reichen Dänemark und Norwegen das Verhältnis der Städte Rostock und Wismar zu den nordischen Reichen noch besonders bestimmt werden: zwischen Rostock und Dänemark soll Friede sein, wenn auch Meklenburg mit Dänemark im Kriege ist; wird das Land Meklenburg von Dänemark angegriffen, so darf Rostock, ohne dadurch den Frieden zu brechen, seinem Landesherrn Hülfe leisten, so gut es kann; will aber Rostock seinem Herrn jenseit des Meeres folgen mit Banner und Gewappneten, so soll es Dänemark vier Wochen vorher seine Absage schicken; mitten im Kriege zwischen Meklenburg und dem dänischen Reiche sollen die Bürger Rostocks in Dänemark und die dänischen Kaufleute zu Rostock in der Stadt und im Hafen sicher sein; wenn auch der Herzog im Hafen Schiffe gegen Dänemark ausrüstet, wenn die Mannen des dänischen Reiches über diese Schiffe herfallen, wenn Rostock seinem Herrn Hülfe leistet, und wenn es dabei ebenfalls an Schiffen und Leuten geschädigt wird, so soll doch durch das Alles der Friede zwischen Rostock und Dänemark nicht gebrochen sein. Dieser Vertrag versucht es, sich genau der Doppelstellung Rostocks anzupassen, welche es der Stadt möglich macht, mit einem Nachbarlande gleichzeitig in Krieg und in Frieden zu leben, in Krieg durch die Landesvertheidigung, durch den Beistand gegen seinen Herrn als Territorialstadt, in Frieden als Hansestadt. Als aber in späteren Jahren der unglückliche Ausgang jener Bestrebungen der Landesherren Herzog Albrecht, den König von Schweden, in die Gefangenschaft seiner großen Gegnerin, Margareta von Norwegen, führt, läßt sich bei der Noth des Landes die Doppelstellung nicht aufrecht erhalten; einmüthig treten Rostock und Wismar dem Bündnisse bei, das 3. Mai 1391 von den Landesherren, der Ritterschaft und den Städten zum Kriege gegen die drei nordischen Reiche geschlossen wurde, 1) und öffnen entschlossen, wenn auch schweren Herzens, allen denjenigen, welche diese Reiche zu schädigen beabsichtigen ihre Häfen; 2) „wie Gott weiß,“ schreiben sie an die Hansestädte, „nicht aus Uebermuth, sondern, weil unsere Ehre es nicht anders zuläßt, als daß wir in diesem Kriege unserm Landesherrn helfen“ (dar uns neen weel efte overmud tu drift, alzo dat God wol weet, men dat wy dat van ere weghen nicht laten moghen, wy moten by desme krighe blyven in nnses hern hulpe). 3)

Nach mühsamer Wanderung, hochgeehrte Versammlung, stehen wir endlich am Ziel. Werfen wir einen kurzen Blick zurück auf den Weg, den ich Sie habe führen müssen, so schen wir, wie Rostock, begünstigt durch seine Lage und von seinen Fürsten mit den wichtigsten Freiheiten ausgestattet, durch den Seehandel aufblüht, sich mit den unter gleichen Lebensbedingungen erstandenen Nachbarstädten innig zusammenschließt und ununterbrochen theilnimmt an dem Entwickelungsgange, durch welchen sich aus den beiden Elementen einer Gemeinschaft des deutschen Kaufmanns und einer Vielheit von Städtebünden der große Hansische Städteverein herausbildet, an dessen Spitze Lübek steht und in dessen leitender Gruppe Rostock nach Lübek Anfangs den vornehmsten, immer einen hervorragenden Platz einnimmt; daneben aber sehen wir auch, daß Rostock weder aufhört, noch vergißt, eine Territorialstadt zu sein, die treue Residenz seiner Rostockischen Fürsten, die bedeutendste Stadt der Herzoge von Meklenburg, die erste ihrer beiden Seestädte, die, wie es im Jahre 1610 einmal heißt, des ganzen Landes Schlüssel, propugnacula und promptuaria,4) seine herrliche Zier und Kleinodien sind. 5) Die Zeiten, welche den hansischen Städteverein möglich und notwendig machten, sind glücklicher Weise vorüber. Wenn aber in Erinnerung an jene seegebietenden civitates maritimae sich unser Rostock noch heute mit Stolz eine meklenburgische Seestadt nennt, so möge solche Erinnerung seine Bürger gemahnen an ihrer Vorfahren kluges Würdigen und weises Benutzen der obwaltenden Verhältnisse, an das Hochhalten der inneren Selbstständigkeit und die Unterordnung der Sonderinteressen unter das Wohl der Gemeinheit, vor Allem aber an jene stählerne Thatkraft, die durch keinen zeitweiligen Mißerfolg dauernd gelähmt werden konnte, auf daß die Seestadt Rostock, was sie war und noch ist, bleiben und immer mehr werden möge, des Landes Meklenburg herrliche Zier und Kleinod!


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Rostocks Stellung in der Hanse.