5. Abschnitt. Handelsbeziehungen zu Livland. 1235 Papst Gregor. Wustrow auf Fischland, Volkenshagen, Bentwisch, Mönchhagen. Rostocker Rathsmänner. 1284 Krieg mit Norwegen. Getreideembargo gegen Norwegen. Rostocks Handelsverbindungen im 13. Jahrhundert. Geschichte des Rostocker Fürstenhauses.

Noch weiter zurück reichen vermuthlich die Beziehungen Rostocks zu Livland. Nicht gehört hierher der übrigens noch unaufgeklärte Besitz des Klosters Dünamünde in Rostocks Nachbarschaft, den 1235 Papst Gregor in seinen Schutz nimmt: Wustrow auf Fischland, Volkenshagen, von wo aus die alte Straße nach Ribnitz führt, Bentwisch und ein vierter Ort, in dessen verstümmeltem Namen ich Mönchhagen vermuthen möchte. Wohl aber darf man das Privileg, in welchem Heinrich Borwin III im Jahre 1257 der Stadt Riga Zollfreiheit in seinen Landen gewährt, für die Bestätigung eines älteren Rechtes halten, da als Gegenleistung ausbedungen wird, daß Riga im Namen des Fürsten jährlich einen Gewappneten stelle zum Kampf gegen die Heiden, wie es solches bisher gethan zum Seelenheil Heinrich Borwins I und Heinrich Borwins II (sicut pro anima nostri avi et anima patris nostri facere consueverunt). Ein Rostocker Bürger setzt 1268 seinen beiden Tochtersöhnen 40 Mark aus, unter der Bedingung, daß einer von ihnen zu seinem Seelenheile nach Riga gehe. In den Jahren 1297 und 1298 schickt mit den übrigen wendischen Städten auch Rostock einen Rathmann nach Riga, um in dem Streit, der zwischen der Stadt und dem Deutschorden obwaltet, vermitteln zu helfen.

Auch der Handelsverkehr mit Norwegen ist für frühe Zeiten beglaubigt. Vom Jahre 1260 besitzen wir eine Aufzeichnung über Verluste, die der König von Norwegen Rostocker Bürgern zugefügt hat. Eine Reise Rostocker Rathmannen nach Norwegen ergiebt sich aus der Kämmerei-Rechnung vom Jahre 1283; offenbar steht sie im Zusammenhange mit den Gewaltthätigkeiten, welche 1284 den Krieg der Städte gegen Norwegen herbeiführen. Scheint doch unter den Räubereien Alf Erlingssons, des Lehnmanns von Tönsberg, Rostock besonders gelitten zu haben:


„Und als Kunde davon kam nach Rostock herein,
Da erbleichte manch rothrosig Wängelein.
Kennt ihr den Alf?“

In diesem Kriege versuchen sowohl die wendischen Städte, wie König Erich, England für sich zu gewinnen. Von Seiten der Städte sind es Lübek, Rostock und Wismar, welche 1284 König Eduard I die Unbilden klagen, die dem gemeinen Kaufmann in Norwegen zugefügt sind, und ihn bitten, auch seinerseits die Getreideausfuhr nach Norwegen zu verbieten. Schon 1262 finden wir Engländer in Rostock, die sich mit einem Bürger, der zu ihnen in einem Schuldverhältniß steht, vor dem hiesigen Rathe vergleichen.

Lassen sich demgemäß aus den fünfziger und sechziger Jahren des 13. Jahrhunderts Handelsbeziehungen Rostocks sowohl mit Dänemark und Livland, wie mit Norwegen und England nachweisen, so ist doch weit erheblicher die Zahl der Urkunden, in denen Rostock nicht allein. sondern mit Lübek und den übrigen Genossinnen des wendischen Städtebundes auftritt, und denen allein wir Kunde von Rostocks Beziehungen zu Nowgorod 1293 und zu Flandern 1295 verdanken. Was den Verkehr mit Wisby betrifft, so wissen wir, daß Rostock 1283 gothländische Fliesen (lapides de Gothlandia) bei seinen städtischen Bauten gebrauchte, und daß das Rathmannen-Geschlecht derer von Gothland seinen Namen der Handelsrichtung ihres Stammvaters verdankte: Heinrich von Gothland, der 1296 zuerst genannte Rathmann, hieß eigentlich Heinrich Gothlandsfahrer (Heinricus Gothlandesvare). In gleicher Weise war nach seinen oder eines Vorfahren nach Livland gerichteten Handelsfahrten Lubbert Dünafahrer, Rathmann seit 1289, genannt. Auf die vielen Personennamen, welche Herkunftsbezeichnungen zu enthalten scheinen, kann ich hier des Näheren nicht eingehen; erwähnt werden mögen: Hermann von Doetinchem, der 1288 nach Rostock kommt, um ein Legat zu erheben, und von Rostocker Bürgern auf der einen Seite Daniel Fläming und Marsilias von Jülich, auf der andern die von Horsens, von Skanör, von Kopenhagen, von Nestved und von Nyköping auf Falster. Schlüsse aus Namen führen freilich leicht irre, und ich gebe gern zu, daß auch Daniel Fläming und Marsilias von Jülich nicht nothwendig unmittelbar aus Flandern und Jülich nach dem fernen Rostock gekommen zu sein brauchen; für die nach Dänemark hinweisenden Namen dagegen werden die Nachbarschaft des Landes und die Lebhaftigkeit des wechselseitigen Verkehrs bei der Frühzeitigkeit ihres Auftretens keinen begründeten Zweifel aufkommen lassen; nur freilich, daß man einen Hartwig von Nyköping, einen Heinrich von Horsens, Johann von Skanör, von Kopenhagen, von Nestved schwerlich für Dänen halten darf, sondern für Deutsche, die von dorther gekommen sind oder nach dorthin Geschäfte treiben.

Auf die Geschichte des Rostocker Fürstenhauses, die der Untersuchung noch dringend bedarf, kann hier nicht näher eingegangen werden. Sein letzter männlicher Sproß war Nicolaus das Kind, Sohn Waldemars, Enkel Heinrich Borwins III. Auf den Rath des Fürsten Heinrich II von Meklenburg hatte sich Nicolaus mit dessen Schwägerin Margareta, einer Tochter des Markgrafen Albrecht von Brandenburg, verlobt, brach aber solches Verlöbniß und vermählte sich auf Anrathen des Fürsten Wizlav von Rügen im Jahre 1299 mit Margareta, der Tochter Bogislavs IV von Pommern-Wolgast. Das gab den Anlaß oder den Vorwand zu einem Bündniß, dessen Seele Nicolaus von Werle gewesen zu sein scheint, und das darauf hinausging, Nicolaus dem Kinde sein Land abzugewinnen. Gegen die verbündeten Fürsten suchte Nicolaus Schutz bei König Erich von Dänemark; 22. December 1300 nahm er Stadt und Land Rostock von ihm zu Lehn. Im Juni 1301 kam der König nach Rostock, schloß aber bald darauf Frieden mit Nicolaus von Werle und theilte sich mit ihm in das Land. Ihrem verrathenen Landesherrn getreu, leistete die Stadt Rostock dem Dänenkönige Widerstand; am 26. August 1302 schlossen vor der belagerten Stadt die Herzoge von Schleswig und Langeland, die Grafen von Holstein, die Fürsten von Rügen, von Werle und von Meklenburg mit König Erich und dem Markgrafen von Brandenburg einen Vertrag, nach welchem alle Theilnehmer dazu helfen wollten, daß König Erich Stadt und Land Rostock bekomme; gegen die Mitte September war der König Herr der Stadt. Vom Fürsten Nicolaus fehlt uns von 1302-1308 jegliche Spur; 1308-1312 urkundet er dagegen wieder in Rostock, während nach wie vor die Rechte des dänischen Königs durch Hauptleute des Landes Rostock wahrgenommen werden. In der Zwischenzeit sind die Fürsten Nicolaus von Werle und Heinrich von Meklenburg darauf bedacht, nominell zu Gunsten Nicolaus' des Kindes, dem Dänenkönige seine Beute zu entreißen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Rostocks Stellung in der Hanse.