3. Abschnitt. Kaufleute aus Köln, London, Flandern. Handelsverkehr nach Russland, Gothland, Schleswig. Germanisierung der Ostseelande. Privilegien in Cleve 125, Flandern 1252, Utrecht 1244, England 1267. Handel mit Smolensk, Polozk, Nowgorod, Witebsk, Riga, Gothland. Kaufleute aus Soest, Münster, Dortmund, Groningen, Bremen, Wisby. 1259 Bund gegen See- und Straßenräuber. 1283 Landfriedensbündnis.

Die deutsche Hanse, der große hansische Städtebund, war bekanntlich eine Vereinigung der deutschen Seestädte zur Sicherung ihrer Handelsstraßen und zum Schutze des deutschen Kaufmanns im Auslande.

So lange noch die jetzigen deutschen Ostseelande in der Hand von Undeutschen sich befanden, war die Nordsee - die Westsee hieß sie eigentlich den Deutschen - die vorzüglichste Wasserstraße für den Handelsverkehr zwischen Deutschland und dem Auslande. Besonders lebhaft zeigt sich dieser Verkehr in Bezug auf England und Flandern. Während aber der Handel zwischen Deutschland und Flandern in älterer Zeit offenbar mehr von den Flämingern als von den Deutschen betrieben wird, befindet sich der Handel zwischen Deutschland und England größtentheils in den Händen der Deutschen. In London wurden nach einer dortigen Aufzeichnung etwa ums Jahr 1000 die Leute des Kaisers, die in ihren Schiffen kamen, der gleichen Gesetze würdig geachtet, wie die Londoner selbst. Diese Leute des Kaisers, homines imperatoris, mercatores de terra domini imperatoris, waren vorzüglich die Kaufleute Kölns, die schon 1157 ihr eigenes Haus, die Gildehalle, in London besaßen; der Kölner Hanse gehörten aber auch die übrigen deutschen Kaufleute an, welche aus Städten an oder unweit der Nordsee4) oder aus dem Binnenlande über dieselben nach London kamen. Auf der Ostsee wurde der Handelsverkehr zwischen Deutschland und Rußland von Alters her durch die Insel Gothland vermittelt; aber vermuthlich suchten auch westfälische Kaufleute Schleswig aus Gothland auf, wagten sogar von hier aus die den Gothen längst bekannte Fahrt nach Rußland, dessen Besuch durch Kaufleute aus der kleinen Stadt Medebach für das Jahr 1165 bezeugt ist. In der Hauptstadt Gothlands, Wisby, bestand 1163 eine eigene deutsche Stadtgemeinde, deren Anfänge natürlich in frühere Zeiten zurückreichen müssen.


Einen gewaltigen Aufschwung nahm der deutsche Handel, als ihm durch die Christianisirung und Germanisirung der Ostseelande die Ostsee völlig erschlossen worden war. Von Lübek bis nach Riga und Reval erwuchs eine Reihe von deutschen Städten, die sich am Seehandel zu betheiligen vermochten, auf Handel und Schifffahrt angewiesen waren; allen voran strebte Lübek jugendkräftig empor. Von besonderer Bedeutung war die enge Verbindung, die sich zwischen Lübek und Hamburg spann, denn diese bedeutete eine Verbindung zwischen Ostsee und Westsee. Hand in Hand mit der älteren Schwesterstadt, die aber durch die Gründung einer mit Lübischem Rechte bewidmeten Neustadt frisches Leben gewonnen hat, geht Lübek zunächst auf der Westsee vor. Gemeinsam erwerben beide Städte Privilegien in der Grafschaft Holland 1243 und 1249, im Bisthum Utrecht 1244, in der Grafschaft Cleve 1251, in Flandern 1252. Diese Privilegien in Flandern werden aber nicht nur für Lübek und Hamburg nachgesucht, sondern zugleich auch für alle Kaufleute des römischen Reichs. In England, wo die Bürger von Köln und Tiel und deren Genossen die Kaufleute Lübeks 1226 als gleichberechtigt nicht anerkennen wollen, erwirbt Lübek 1238 ein neues Privileg für sich und die Kaufleute anderer Städte Deutschlands; 1260 wird ein Freibrief für „die Kaufleute Deutschlands, welche die Gildehalle besitzen,“ nicht für Köln, sondern für Lübek ausgefertigt; 1266 wird Hamburg, 1267 wird Lübek gestattet, eine eigene Hansa in England zu haben. Nachdem so im Bunde mit Hamburg Kölns Uebergewicht im Nordseehandel beseitigt ist, schickt Lübek sich an, im Bunde mit den deutschen Ostseestädten auch die Leitung des deutschen Kaufmanns auf der Ostsee zu gewinnen.

Bereits im Jahre 1163 hat Heinrich der Löwe zu abgabefreiem Besuch seiner Stadt Lübek Russen, Gothen, Normannen und die andern Völker des Ostens eingeladen. 1199 wird der alte Frieden hergestellt zwischen Deutschen, Gothen und Nowgorod. 1229 wird auf Gothland ein Handelsvertrag vereinbart zwischen Smolensk, Polozk und Witebsk einerseits und Riga, Gothland und den deutschen Kaufleuten andererseits. Nach Riga, wie nach Nowgorod, war der Deutsche von Gothland aus gekommen; Wisbysches Recht galt wie in Riga, so auch auf dem Hof der Deutschen zu Nowgorod, der schon 1199 neben dem älteren Gothenhof vorhanden war; zu Wisby wurde das „Siegel der gesammten Kaufmannschaft“ aufbewahrt, dessen Abdruck 1229 an den Vertrag mit Smolensk gehängt wurde. Beim Abschluß dieses Vertrages aber waren die Deutschen vertreten durch Kaufleute aus Lübek, Soest, Münster, Dortmund, Groningen und Bremen, und die Schlüssel zu der Geldkiste des deutschen Kaufmanns zu Nowgorod führten die vier Aelterleute von Wisby, Lübek, Soest und Dortmund. Wie Köln auf der Westsee, war Wisby auf der Ostsee die Führerin und der Vorort der deutschen Kaufmannschaft. Lübek, das sich bereits neben und vor die westfälischen Städte gedrängt hat, hat sich nun auseinanderzusetzen mit Wisby.

Am 6. Januar 1257 finden wir zum ersten Mal Rathmannen der drei Städte Lübek, Rostock und Wismar zusammen; in Wismar vergleichen sich Lübek und Rostock zu gegenseitigem Verzicht auf die Ansprüche, die sie an einander wegen des Krieges haben, der zwischen Lübek und Dänemark stattgefunden hat. 1259 beschließen Lübek, Rostock und Wismar, daß See- und Straßenräuber nirgendwo Frieden haben, sondern bei allen Städten und Kaufleuten für verfestet gelten sollen; wird solchen Räubern mit ihrem Raube Zuflucht gewährt, so soll das Land oder die Stadt, die sich dessen schuldig macht, gleichfalls bei allen Städten und Kaufleuten für verfestet gelten. Etwa 1264 zu Wismar und wiederum 1265 werden Beschlüsse gefaßt zum Nutzen aller Kaufleute, die nach Lübischem Rechte leben (in subsidium omnium mercatorum, qui jure Lubicensi gaudent et reguntur). Im Jahre 1281 findet eine Versammlung zu Rostock statt, wo die bisher zum Nachtheil des Kaufmanns obwaltenden Streitigkeiten zwischen Stralsund und Greifswald durch Lübek, Wismar und Rostock beigelegt werden. Auf dieser Rostocker Versammlung sind die fünf Städte zum ersten Male zusammen. Zwei Jahre später, am 13. Juni 1283, wird zu Rostock ein Landfriedensbündnis geschlossen, an dem außer einer Reihe Fürsten auch die Städte Lübek, Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald, Stettin, Demmin und Anklam betheiligt sind, und in das neben dem Herzog Otto von Braunschweig-Lüneburg und König Erich von Dänemark auch die Städte Hamburg und Kiel aufgenommen werden. Im Jahre darauf, 1284, treten die Rathmannen der Seestädte, welche dem Rostocker Landfrieden angehören (consules istarum civitatum maritimarum, comprehensarim in confederacione concepte pacis in civitate Rozstoc), zu hochwichtigen Beschlüssen in Wismar zusammen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Rostocks Stellung in der Hanse.