1. Abschnitt. Entwicklungsgang der Seestadt. - Erste Erwähnung Rostocks 1160. Obotriten-Fürst Niklot. Pribislav, Wartislaw. Sachsen-Herzog Heinrich der Löwe. Dänen-König Waldemar. Geschichtsschreiber Saxo. Slavenchronik Helmolds. Die Burgen Meklenburg, Ilow, Rostock. Arnold Abt zu Lübek. Heinrich Borwin I. Niklot II. König Knud von Dänemark. Fürst Nicolaus von Rostock. Die Burgen Kessin, Werle. Kloster Doberan.

Eine Stadt, der die Ehre zu Theil wird, einen Verein in ihren Mauern zu begrüßen, dessen Thätigkeit der Geschichte und Alterthumskunde des ganzen Landes gewidmet ist, hat die natürliche Verpflichtung, sich auf ihre eigene, besondere Geschichte zu besinnen. Wer einen Gast umherführt, wird ihm aber nicht absichtlich dasjenige zeigen wollen, was derselbe täglich zu Hause sieht, sondern das, was seiner Meinung nach eigenartig und charakteristisch ist, was der Stadt, in der er lebt, ihr individuelles Gepräge giebt. Ein solches Gepräge aber wird der Geschichte der Stadt Rostock durch ihre Bezeichnung Seestadt ausgedrückt, die bekanntlich nicht ihre Lage unfern der See kennzeichnen, sondern ihren Entwickelungsgang zum Ausdruck bringen will, der sich nicht nur innerhalb der Landesgeschichte Meklenburgs, sondern auch außerhalb derselben in der Geschichte des hansischen Städtevereins bewegt.

Der Name Rostock bedeutet einen Ort, neben welchem ein Gewässer aus enger Rinne heraustritt, um in breiterem Bette seine Wellen weiter zu rollen. Schon Bischof Boguphal von Posen, um die Mitte des 13. Jahrhunderts, giebt solche Ableitung: Rostock, sagt er, trägt seinen Namen von dem Auseinanderfließen des Wassers (Rostoky a dissolucione aquarum). Ursprünglich eignete dieser Name jener Wendenburg, welche die am rechten Ufer der Warnow wohnenden Kissiner in der Sumpfniederung der jetzigen Petribleiche aufgeworfen hatten. Einige wenige Notizen, welche sich in den Geschichtswerken dreier verschiedener Schriftsteller finden, bilden aber die Gesammtheit dessen, was uns über die Wendenburg Rostock von zeitgenössischen Historiographen überliefert ist.


Es ist das Jahr 1160, zu welchem Alt-Rostocks zum ersten Male Erwähnung geschieht. Als der Obotriten-Fürst Niklot im August dieses Jahres gefallen war und seine Söhne Pribislav und Wartislav sich vor dem Sachsenherzog Heinrich dem Löwen in die Wälder geflüchtet hatten, erschienen Heinrichs Verbündete, die Dänen, mit ihrer Flotte vor der Warnow, erzwangen sich die Einfahrt in den Breitling und verwüsteten die Ufer; ihr König Waldemar brannte, wie der dänische Geschichtsschreiber Saxo sich ausdrückt, das von seinen Bewohnern feige verlassene Rostock nieder und überlieferte auch ein dort verehrtes Götzenbild dem Feuer. Die zweite Nachricht verdanken wir der Slavenchronik Helmolds, des Pfarrers von Bosau. Von Pribislav, der im Jahre 1167 die Lande seines Vaters, mit Ausnahme der Grafschaft Schwerin, von Heinrich dem Löwen zurück erhalten hatte, berichtet er am Schlusse seines Werkes: Er begnügte sich mit dem, was ihm geblieben war, und baute die zerstörten Burgen wieder auf, Meklenburg, Ilow und Rostock. Helmolds Fortsetzer, Arnold, Abt zu Lübek, theilt uns die letzten Nachrichten mit. Nach Pribislavs Tode (30. Dec. 1178) standen dessen Sohn Heinrich Borwin I und Wartislavs Sohn, Niklot II, der sich im Besitze von Ilow und Rostock befand, einander gegenüber; die Wechselfälle des Krieges führten beide in die Gefangenschaft König Knuds von Dänemark; als dieser die gegnerischen Vettern im Jahre 1184 wieder in Freiheit setzte, theilte er das Land dergestalt unter sie, daß Heinrich Borwin zwar neben Meklenburg auch Ilow behielt, Rostock aber an Niklot zurückgeben mußte.

Vom Fürsten Niklot II sind zwei Urkunden vom 8. April 1189 erhalten, die für die Geschichte Rostocks vom höchsten Interesse sind. Auf den Siegeln derselben nennt sich der Fürst Nicolaus von Rostock, während sein Oheim im Jahre 1171 die Bezeichnung Pribislav von Kessin geführt hat. Von den drei bekannteren Burgen der Kissiner, Rostock, Kessin und Werle, war Kessin die Hauptburg gewesen; hier war die Gottheit der Kissiner, Goderak, verehrt worden, nach der die Dänen die Warnow als Goderaks-Fluß, Gudakr-Aa, Gudakurs-Aa, bezeichneten; jetzt aber stand offenbar Rostock an hervorragendster Stelle. Unter den Zeugen werden Thiedwig, Kaplan zu Rostock, und Heinrich, Kaplan zu Goderak, aufgeführt. Ausgestellt sind die Urkunden zu Rostock; erlassen sind sie zu Gunsten des Klosters Doberan. In der einen gestattet der Fürst den Mönchen, wie auch den Handwerkern des Klosters Doberan den zollfreien Einkauf und Verkauf auf seinem Markte (in foro nostro), in der andern befreit er die Klosterbauern von den Landespflichten, speciell vom Burgwerk und vom Bau der Brücke vor der Burg (ab extructione urbium aut pontis ante urbem). Die hier genannte Burg ist diejenige, in welcher Fürst Niklot urkundet, das wendische Rostock; die Brücke vor der Burg, deren Bau und Unterhaltung Landessache ist, kann meines Erachtens nur als Warnowbrücke, in der Gegend der jetzigen Petribrücke, aufgefaßt werden; der Markt aber, auf dem der Fürst einen Zoll erheben läßt, ist der mittels der Warnowbrücke mit der Wendenburg verbundene Altmarkt, die Grundlage und der Ausgangspunkt für die Entwickelung der deutschen Stadt Rostock.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Rostocks Stellung in der Hanse.