Abschnitt 2

Rostocker Tonnen-Ausfuhr- und Einfuhr-Verbote


Die Brauerei war zu jener Zeit, vielleicht durch den 30 jährigen Krieg mitgenommen, speciell durch ein dänisches Biereinfuhrverbot arg getroffen, tief gesunken. Wohl bestanden noch 249 Brauhäuser, aber nur 25 waren regelmäßig „im Gebrauche des Biers“, und selbst diese thätigen Brauer führten den kleinsten Theil ihres Erzeugnisses aus, waren vielmehr froh, im Ausschank „bey Kannen vnd Stübichen“ ihren Absatz am Orte zu finden. Daraus folgte für die Böttcherei eine sehr gedrückte Lage, der die Handwerker in vermuthlich übertreibender Weise wiederholt kräftigen Ausdruck verliehen. In normalen Verhältnissen, wenn von den 249 Brauberechtigten auch nur 200 brauten, hatten sie alle Hände voll zu thun. Denn für jedes Gebräu wurden 4 Last Tonnen gebraucht; jetzt aber wurde dieselbe Tonne 3, 4, auch 5 Mal benutzt. Dazu sank bei mangelnder Nachfrage der Preis auf 3 bis 4 Gulden pro Last. Unter diesen Umständen konnten die Böttcher nichts verdienen - einige von ihnen hatten sich bereits als Hirten aufs Land hinaus verdungen, um nicht Hungers zu sterben - und versuchten vernünftiger Weise einen Absatz ins Innere des Landes nach anderen meklenburgischen Städten zu organisiren. Insbesondere legten sie sich auf die Fabrikation von Fässern zur Aufnahme von Mumme und sandten sie nach Wismar, wo man sie mit 6, 7, auch 8 Gulden pro Last bezahlte. Theils vermittelten Schiffer diesen Verkehr, theils waren sie direct im Auftrag Wismarscher Kaufleute und Brauer thätig.


Hätte man nun eigentlich in Rostock hiermit nur zufrieden sein können, denn die Allgemeinheit zog von einem blühenden Gewerbe immer Vortheil, so wußten doch die sich beeinträchtigt fühlenden Brauer beim Rathe ein Verbot der Ausfuhr von Tonnen durchzusetzen. Die Brauer behaupteten, daß für sie bei solcher Sachlage nicht genug Tonnen vorhanden wären, daß aller verfügbare Holzvorrath aufgebraucht werden würde und sie dann zu hohe Preise für das Fabrikat zahlen müßten. Gleichzeitig wiesen sie darauf hin, daß auf diese Weise fremdes Bier in Rostocker Band (d. h. Tonnen) geriethe und dadurch der Ruf des Rostocker Bieres zu Schaden käme. Die Wahrheit war, daß man Wismar, wo die Bereitung von Mumme einen erfreulichen Aufschwung genommen hatte und von wo insbesondere nach Kopenhagen eine schwungvolle Ausfuhr stattfand, beneidete und, indem man dieser Stadt den Export erschwerte, die Dänen zwingen wollte, wieder auf das Rostocker Bier zurückzugreifen.

Die Böttcher waren unglücklich; sie beschworen den Rath, das Ausfuhrverbot zurückzunehmen und wandten sich, als sie nicht einmal eine Antwort erhielten, an den Herzog Adolph Friedrich. Vermittelnd schlug dieser vor, den Böttchern die Ausfuhr zu gestatten, wenn 100 Last Tonnen in Vorrath wären, wovon der Rath sich durch Abgesandte jeweilig überzeugen sollte. Dann könnten die einheimischen Brauer nicht leicht in Verlegenheit gerathen und alles, was sie über 100 Last Tonnen erzeugten, würde auswärts vortheilhaft zu Gunsten der Böttcher Absatz finden. Es war vergeblich. Das Einzige, wozu sich der Rath am 27. Juli 1653 schließlich verstand, war, den Böttchern die Ausfuhr von 40 Last Tonnen zu gestatten, auch dieses nur ein Mal - „diese vergönstigung nicht in consequentz ziehen sollen“ - und erst nachdem 8 Tage vorher sie den Brauern zum Ankauf angeboten waren.

Wir wissen leider nicht den officiellen Schluß der Uneinigkeit. Augenscheinlich ist es beim Ausfuhrverbot geblieben. Wenigstens hebt ein Gesuch der Böttcher an den Rath von 1687, sie mit städtischen Oneribus und Contributionen so lange zu verschonen, bis es ihnen ein wenig besser gehe, unter den Ursachen ihrer Armuth den Umstand hervor, daß sie in die Fremde keine Tonnen ausführen dürften. Es ist kein freundliches Bild, das sich auf diese Weise von den damaligen Zuständen offenbart. Eine gewisse Interessenpolitik ist unverkennbar, und Herzog Adolph Friedrich dürfte Recht gehabt haben, wenn er in einem Rescript zu Anfang des Jahres 1653 4) an den Rath diesem vorhält, „es entstehen fast viele unordnungen und Misstrawen daher, daß der Rath gutentheilss mit Brawern besetzt und wan andere Zunffte und Aempter etwas anzutrawen haben, so wider die Brawer und deroselben Vorteil lauffen möchte, sie eben dieselbe, die in effectu ihr contrepart sein, zu Richtern im Rhat haben müssen.“ Er meinte daher, daß wenn Bürgermeister und Rathsherren das Brauwerk betrieben, sie sich in dergleichen Fällen des Votirens enthalten sollten.

Im 18. Jahrhundert ist von Ausfuhrverboten nicht mehr die Rede. Wahrscheinlich legten die Brauer und Kaufleute in dem Maße, als die Brauerei mehr und mehr einschrumpfte und der Handel sich verringerte, selbst kein Gewicht darauf. Dafür aber waren es jetzt die Böttcher, die unter Berufung auf die Polizei-Ordnung von 1576 sich jede Concurrenz fern zu halten suchten und verschiedene Male sich beim Gewett über die nach ihrer Ansicht widerrechtliche Einfuhr auswärts hergestellter Tonnen beschwerten. Nicht immer fanden ihre Klagen hier geneigtes Gehör. Eine 1736 gegen den Kammerjunker von der Lühe angestrengte Klage wegen der Einfuhr neuer Tonnen wurde zwar dahin beschieden, daß dieser sich in Zukunft des Imports enthalten sollte. Aber bei einem 1762 mit der Kaufmannscompagnie begonnenen Streit, der zu einem mehrjährigen Proceß führte, zogen sie den Kürzeren. Die Böttcher hatten sich in diesem Falle zur Selbsthülfe verleiten lassen, von den Kaufleuten eingeführte leere Tonnen an sich genommen und verweigerten ihre Herausgabe. Daraufhin veranlaßte dann ein von der Leipziger Juristenfacultät erbetenes Gutachten den Rath, die Angelegenheit zu Ungunsten der Böttcher zu entscheiden. Er verurtheilte die Ruhestörer zur Herausgabe der Tonnen, zur Bezahlung aller aufgelaufenen Unkosten und untersagte ihnen „alle ferneren tarbationen bey zwanzig Thaler Strafe.“ Wie es scheint, beruhigten sich die Handwerker bei diesem Urtheil nicht und wenn ein aus dem Jahre 1773 herrührendes Schriftstück, in dem der Rath für die Kaufleute und Böttcher einen „Termin zum Versuch der Güte“ anberaumt, sich auf diesen Vorfall bezieht, was bei der Lückenhaftigkeit der Acten nicht mit Sicherheit festzustellen ist, so hatte sich ein langjähriger Proceß abgewickelt.

In einem anderen Falle nahm sich der Rath der bedrängten Böttcher besser an. Ein Schiffer Fredland hatte im Jahre 1780 von Stettin 96 leere Apfeltonnen eingeführt, die von Rostock wohlgefüllt die Reise nach Rußland antreten sollten. Auf die Beschwerde der Böttcher verurtheilte ihn das Gewett zu einer Zahlung von 2 Schillingen pro Tonne an die Böttcher „als eine Ergötzlichkeit statt des entzogenen Verdienstes“ und untersagte ihm bei 25 Thaler Strafe in Zukunft die weitere Einfuhr. Auch nachdem der Beklagte appellirte, blieb der Rath in seinem Erkenntniß vom 9. Februar 1784 dabei, daß „in erster Instanz wohl gesprochen und übel appelliret worden.“

Hatten die Böttcher in diesem Falle gesiegt, so war es bei dem Wechsel der Grundsätze, die ihnen gegenüber zur Anwendung kamen und da sie zur Wahrung ihrer Rechte auch zu Processen hatten schreiten müssen, erklärlich, daß sie eine neuerliche endgültige Regelung der Angelegenheit wünschten. Noch im Jahre 1795 hatte ihnen ein Schiffer Engelhard, der aus Helsingör leere Tonnen mitbrachte, in der Absicht, sie mit Branntwein gefüllt wieder mitzunehmen, Verdrießlichkeiten und Schreibereien verursacht, und ehe der Proceß entschieden, war der Schiffer wieder weggegangen. So unterbreiteten sie denn am 9. December 1795 dem Rathe ein Gesuch, öffentlich bekannt machen zu lassen, „dass sich Niemand, wer er auch sey, und unter keinem Vorgeben unterstehen solle, neue Tonnen oder sonstige Gefässe, deren Fertigung dem Amte der Böttcher zustehet, anhero zu bringen, unter dem unausbleiblichen Nachtheil der Confiscation und anderen scharffen Einsehens.“ Indeß lehnte der Rath dieses Ansinnen ab. Unter dem 13. Januar des nächsten Jahres ertheilte er den Bescheid, „dass die Einbringung der ledigen Tonnen und Gefässe von auswärts, um selbige gefüllt wieder mit sich zu nehmen, als eine Beeinträchtigung ihrer Amtsbefugnisse, wobey man belobtes Amt sonst gerne zu schützen geneigt sey, füglich nicht möge geachtet werden, mithin die Beschränkung dieser Freiheit durch Erlassung eines allgemeinen Verboths deren Ein - und Abführung billiges Bedenken finde.“

Diese ablehnende Haltung des Rathes stand im Einklang mit der schon einige Jahrzehnte früher im Landtage gegen ähnliche schutzzöllnerische Tendenzen der herzoglichen Regierung zu Tage getretenen Opposition. Man hielt damals allgemein in Meklenburg an dem Grundsatze der Handelsfreiheit fest. Wenn auch im Laufe der Jahrhunderte das Handwerk hier und da Schutz erfahren hatte, im Ganzen überwogen in der städtischen Politik doch die Interessen des Handels.




4) Siehe den Abdruck weiter unten.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Rostocker Tonnen - Ausfuhr- und Einfuhr - Verbote