Abschnitt 1

Rostocker Tonnen-Ausfuhr- und Einfuhr-Verbote


Zu den Grundsätzen einer verständigen hansestädtischen Politik gehörte es, die einheimische Böttcherei gegen auswärtige Concurrenz zu schützen. Durch den Bedarf des Binnen- wie des Außenhandels an Tonnen und Fässern hatte dieses Gewerbe sich mächtig entwickelt und zählte überall zu den angesehensten und stark besetzten Aemtern. Insbesondere der von den Seestädten aus eifrig betriebene Heringsfang setzte viele fleißige Böttcher behufs Beschaffung der zur Verpackung des gesalzenen Fisches erforderlichen Tonnen in Bewegung, die in den Städten des Landes ansässig waren und nur zeitweilig „vp de Schonesche reyse“ sich von ihrem Wohnsitze entfernten oder ihre Gesellen den Kaufleuten als sog. „Zuschläger“ mitgaben. Die Anfertigung dieser Tonnen als einen sehr einträglichen Nahrungszweig den Städten vorbehalten zu sehen, wurde schon im Jahre 1342 beschlossen, daß in Skanör, dem Hauptplatz für den Fischfang auf Schonen, keine neuen Tonnen angefertigt und keine alten ausgebessert werden sollten. Gegen das Ende des 14. Jahrhunderts scheint das Verbot des Böttcherei-Betriebes dahin umgewandelt worden zu sein, daß nicht schlechthin die Anfertigung von Tonnen untersagt wurde, sondern die Arbeit auf die dazu Berechtigten beschränkt blieb. Wenigstens wurden im Jahre 1389 die schonenschen Vögte von den wendischen Städten angewiesen, nur denen die Böttcherei zu gestatten, die sich als hansestädtische Bürger oder als Knechte hansestädtischer Meister auswiesen. Und ähnlich forderten die preußischen Städte im folgenden Jahre ihren Vogt in Schonen auf, darauf zu achten, daß nur Bürger oder Einwohner einer Hansestadt zur Herstellung von Tonnen zugelassen würden. 1)


War es in diesem Falle darauf abgesehen, sich vor der dänischen Concurrenz zu schützen oder wollte man vielleicht vermeiden, daß deutsche Geschicklichkeit zur Entfaltung eines blühenden Erwerbszweiges im Auslande Veranlassung wurde, indem hansische Böttcher sich auf Schonen niederließen, so wurde in späterer Zeit, als der Bund zerfallen war, es üblich, daß die einzelnen Städte sich gegen einander abschlossen und ihren Handwerkern den örtlichen Absatzkreis zu erhalten bemüht waren. So erklärt die Rostocker Polizei-Ordnung von 1576 ausdrücklich, es nicht „vor unbillich zu erachten, dass unsere Bürger und Einwohner den einwonenden Böttichern vor auslendischen das Gelt gönnen“ und verbietet daher, „bei den Auslendischen“ Tonnen oder Fässer zu bestellen, machen zu lassen und in die Stadt zu bringen. Die „Auslendischen“ waren jetzt nicht mehr Personen, die nicht zum Hansebunde gehörten, sondern das Interesse verlangte, sich Jeden, der nicht auf dem einheimischen engen Gebiete ansässig war, vom Halse zu halten.

Indeß scheint in Rostock die Aufrechterhaltung dieses schutzzöllnerischen Grundsatzes auf die Dauer nicht möglich gewesen oder, was wahrscheinlicher ist, mit anderen mächtigeren Interessen in Collision gerathen zu sein. Es ist möglich, wenn auch keine Anzeichen dafür vorliegen, daß die Rostocker Böttcherei gegen Ende des 16. Jahrhunderts zurückging. Jedenfalls gab es eine Zeit, wo bei dem lebhaften Betriebe der Brauerei diese nicht genug Tonnen oder nicht zu ansprechenden Preisen geliefert bekommen konnte und daher Fässer von auswärts bezog. Insbesondere ließ man sich von Lübeck Gebinde schicken und schien die dagegen sprechende Vorschrift der Polizei-Ordnung vergessen zu haben. Gegen das Jahr 1597 hatte diese Einfuhr so starken Umfang gewonnen, daß, wie ein Eintrag in ein auf dem Rostocker Stadtarchiv aufbewahrtes Rollenbuch besagt, die Aelterleute des Böttcheramts dem Rath die Bitte um ein Einfuhrverbot unterbreiteten. Indeß wurde ihnen bedeutet, daß ohne Vorwissen der Brauer ein solches nicht erlassen werden könnte, und es ist nicht anzunehmen, daß die Brauer zu ihrem eigenen Nachtheil darin gewilligt haben werden.

Später kam aus zur Zeit nicht erklärbaren Ursachen das alte Einfuhrverbot der Polizei-Ordnung von 1576 wieder zur Geltung. Nach einem Rathsdecret vom 7. Juli 1610 2) soll kein Schiffer, weder aus Lübeck, noch aus Wismar, neue Tonnen in Rostock einbringen, und wurden auf Ansuchen der Böttcher diverse „frembde“ auf der Ober-Warnow befindliche Biertonnen confiscirt. Dieser Beschluß wurde drei Jahre später, am 9. April 1613, erneuert und im Jahre 1618 ein großer Feldzug gegen „alle frembde tunnen, so zu Warnemünde in heusern, buden und schuten vorhanden sein“ eröffnet. Der uns über die Ausführung des Auftrages erhaltene Bericht des Vogtes Peter Lange zu Warnemünde giebt an, daß bei dieser Gelegenheit 57 Last und 3 Tonnen, d. h. 687 Tonnen, weggenommen wurden. Davon gehörten 133 Tonnen dem Schiffer Peter Witte aus Lübeck, 144 einem Brauer in Rostock, die anderen zwei Schiffern in Rostock. Alle solche Maßregeln verhinderten nicht, daß immer wieder von Neuem auswärts gemachte Tonnen in Rostock Eingang fanden.

Im Mai des Jahres 1632 brachten die Aelterleute des Böttcheramts beim Gewett zur Anzeige, daß aus dem Keller eines gewissen Hans Behrens Bier in lübeckischen Tonnen ausgeführt sei. Man könnte die Tonnen noch in der im Hafen vor Anker liegenden Schute sehen. Im November desselben Jahres aber verklagten sie wieder einen Schiffer, der Tonnen aus Wismar mitgebracht hatte und sich damit auszureden suchte, daß er sie als Ballast ins Schiff genommen und in Rostock den Böttchern zum Kaufe angeboten hätte, die sie aber nicht gewollt hätten. Wie die Obrigkeit sich in diesen Fällen stellte und ob sie wirklich den Import gemäß der alten Polizei-Ordnung bestrafte, wissen wir nicht. Erst gegen Ausgang des 17. Jahrhunderts hören wir von einem Kaufmanne Reinhold Zander, der dafür, daß er in Lübeck Tonnen eingekauft und nach Rostock gebracht hatte, mit drei Thalern bestraft wurde. 3) Die Tonnen erlaubte man ihm zu behalten und zu gebrauchen.

Wie es nach diesen Mittheilungen den Anschein hat, verfuhr der Rath mit den Böttchern nach Gutdünken mit einer gewissen Willkür. Hatten die Brauer und Kaufleute starken Bedarf an Tonnen, so gestattete man trotz der Einsprache der Böttcher, die in solchem Falle viel zu verdienen hofften, die Zufuhr von auswärts. In anderen Jahren aber ging man auf die Klagen der Handwerker ein und berücksichtigte ihre berechtigten Beschwerden. Von einer festen Verfolgung des ursprünglichen Schutzgedankens hatte man sich allmählig entfernt. Schlimmer aber als dieses Vorgehen - und von unserem heutigen Standpunkte aus ganz unverständlich - war, daß der Rostocker Rath im Jahre 1652 ein Verbot der Ausfuhr von Tonnen erließ. Der hierüber zwischen den Böttchern, dem Rathe und dem Herzog Adolph Friedrich von Meklenburg-Schwerin, an den sich die ersteren hülfesuchend gewandt hatten, vom 16. Juli 1652 bis 9. October 1653 vor sich gegangene Schriftenwechsel läßt folgende Zustände erkennen.




1) Vergl. meinen Aufsatz „Hansische Vereinbarungen“ in Hans. Geschichtskunde, 1886, S. 115.
2) Dieses wie die anderen folgenden noch Papieren aus der Amtslade der Rostocker Böttcher gegenwärtig im Besitz des Vereins für Rostocks Alterthümer.
3) 1687, October 13.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Rostocker Tonnen - Ausfuhr- und Einfuhr - Verbote