Schmucke Kottagen, waldbedeckte Hügel, malerische Anlagen, Dominalflecken, Spielhölle, Seebad Heiligendamm, Doberan, Stahlbad, 1879, Friedrich Franz II., Quellholz, Eikhäge, Cistercienser, 1171, Althof, Kloster, Fürst Borwin I., Frederico Franzisceum, Füstenresidenz.

Es ist ein köstliches, lauschiges Fleckchen Erde, auf dem sich das Städtchen Doberan mit seinem Bade, seinen sauberen Häusern und schmucken Kottagen erhebt. Rings von hohen, waldbedeckten Hügeln umgeben, breitet sich der Ort mit seinen malerischen Anlagen und freundlichen breiten Straßen weit aus. Im Städtchen selbst ist es still und ruhig, was für den Kurgast, der Genesung und Erholung in schöner, freier Natur sucht, um so angenehmer ist. Von jenen geräuschvollen und luxuriösen Vergnügungen großer Bäder gibt es in Doberan nicht viel, und wer zu diesem Zwecke ins Bad geht — und das sind trotz der Nervosität unseres Zeitalters nicht wenige — der wendet sich wohl kaum hierher. Dass es in Doberan hoch herging und dass das Städtchen — damals noch ein Dominialflecken — mit zu den ersten Luxusbädern gehörte, sind Tempi passati, denn es ist lange her, als noch der hochselige Friedrich Franz I. — ein echter Mecklenburger — hier unter seinen Landeskindern in leutseligster Weise Hof hielt. Das war ein schönes Verhältnis zwischen dem Landesfürsten und seinen Untertanen! — Auch die Spielhölle von Doberan, die sich ihrer Zeit mit denen von Wiesbaden und Homburg wohl messen konnte, ist nicht mehr. Damals gab es viel lautes Treiben, frohe Feste, Rennen, Sports und Luxus aller Art, liebte doch der Großherzog das selbst und stand nicht an, inmitten der Hof- und Badegesellschaft länger auf dem Turf oder am grünen Tisch zu verweilen; heute aber ist das „faites votre jeu“ längst verklungen! Zwar war Doberan auch ein Lieblingsaufenthalt Großherzog Friedrich Franz II., der den Flecken 1879 zur Stadt erhob; doch kamen jene alten lustigen Zeiten nicht wieder. Aber das Stahlbad Doberan. wie sein Seebad Heiligendamm tun noch dieselben stärkenden und erquickenden Wunder, die sie zur Zeit ihres Gründers und ersten Förderers leisteten, und deshalb wird auch der Ruf derselbe bleiben. Was Doberan mit seinen schönen Anlagen, dem „Camp“, Buchenberg, dem Kellerwald, dem Quellholz und der Eikhäge, an Naturgenüssen bietet, das wird nur von wenigen Plätzen übertroffen.
Der Ort Doberan ist sehr alt und verdankt seine Anlage den Cisterciensern, die zuerst 1171 bei Althof ein Kloster gründeten, dasselbe jedoch nach einem großen Brande 1186 an der jetzigen Stelle erbauten. Dass gerade dieser Ort zum Wiederaufbau gewählt wurde, kam der Sage nach daher, dass Fürst Borwin I, unschlüssig, wo er die Klosterkirche errichten solle, diese dort zu bauen beschloß, wo ein im nahen Forste gejagter Hirsch verenden würde. Daher soll auch der Hirsch im Doberaner Wappen herrühren. Das Kloster wuchs mächtig empor und die Abtei Doberan — die dem Bischof von Schwerin unterstand — kam bald in den Besitz großer Ländereien und Reichtümer, die durch den Besuch der zahlreichen Reliquien und Heiligtümer fortwährend vermehrt wurden. Durch die Reformation sank jedoch das Kloster mehr und mehr herab, und 1552 mußte Abt Nikolaus dasselbe mit allen seinen Besitzungen an Herzog Johann Albrecht abtreten, der es säkularisierte und 1564 an der Kirche den ersten evangelischen Seelsorger anstellte. Furchtbar hatte Doberan unter den Greueln des dreißigjährigen Krieges zu leiden. Die Kirche wurde zuerst von Wallenstein, dann von den Schweden ihrer großen Silberschätze beraubt, die auf Nimmerwiedersehen in alle Welt zerstreut wurden; auch die arme Bevölkerung hatte schrecklich zu leiden. Aus dem Bericht des Doberaner Predigers Eddelin vom Jahre 1649 sehen wir, wie entsetzlich es herging, wenn er schreibt: „Summa der schwedische General Bannier hat mit seinen ruchlosen, kriegerischen Völckern das gantze Land gar erschöpfet, aus der Mekelburg eine rechte Ekelburg gemacht und das „Reinab“ fast rein ab — Gott bessere es — mit ihm gespielt.“ —
Aus der alten Zeit ist uns nur die Abteikirche und das Brauhaus erhalten. Das heutige Doberan ist fast ausschließlich eine Schöpfung Großherzog Friedrich Franz I., dessen unbestrittener Lieblingsaufenthalt es war. Das Palais, das Theater, das Rathaus, das Logierhaus, das Stahlbad sind teils auf seine Veranlassung, teils unter seiner Regierung nach seinen Intentionen gebaut und spiegeln diese Gebäude den Stil oder auch die Stillosigkeit und Einfachheit wieder, die sich vom ersten Kaiserreich bis tief in unser Jahrhundert hineinzieht. Doberan erscheint uns noch heute als ein getreues Bild einer kleinen, deutschen Fürstenresidenz der zwanziger Jahre. Einen hübschen Schmuck erhielt die Stadt durch das kürzlich eingeweihte, neue Gymnasium Friederico Francisceum. — Das schönste Gebäude Doberans — und in seiner Art vielleicht einer der schönsten Backsteinbauten Deutschlands — ist die alte Abteikirche.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Rostock, Warnemünde, Doberan und der Heilige Damm