Althof, Kapernsicht, Mühlenberg, Rostock, Farnemünde, Hütter-Wohld, Basdorfer Leuchtturm, Dietrichshäger Berge, Fünen Laaland, Seebad Heiligendamm, Elmenhorst, 1843, Firedrich Franz I., Vergnügungsdampfer, Großherzogin Marie, Sommerresidenz, Spiegelsee

Zahlreich und abwechselungsvoll sind die Spaziergänge in Doberans nächster Nähe, und auch weiter nach der See oder ins Land hinein. Vor allen beliebt ist der Weg nach Althof, der fortwährend im Waldesschatten durch das Quellholz und die Eikhäge führt. In Althof steht in der Nähe der Mühle, wo wir freundlich bewirtet werden, die alte Kapelle des ersten Klosters Doberan. Sie war lange Zeit in ein Backhaus verwandelt, bis 1822 durch das Einschlagen eines Blitzes die entstellende Hülle fiel und sie ihrem eigentlichen Zwecke zurückgegeben werden konnte. Auf dieses Begebnis, wie auf die Gründerin der Kapelle, die Fürstin Woizlava († 1172), weisen zwei Gedenktafeln im Inneren hin. — Der nahe Mühlenberg gewährt eine schöne Fernsicht auf Rostock, Warnemünde und die See. — Nicht minder abwechselnde und prächtige Landschaftsbilder bieten Ausflüge nach dem Hütter-Wohld, dem Basdorfer Leuchtturm und dem Dietrichs-häger Berge, von dem man eine weite Fernsicht über Wismar hinaus bis Fehmarn und Holstein und nach Norden bis Fünen und Laaland hat. — Zu Fuß oder mit der Dampfbahn gelangen wir schnell nach dem kaum 6 Kilometer entfernten Seebade Doberans, nach dem Heiligen Damm.
Die breite, mit schönen Bäumen bepflanzte Chaussee, die von dem Städtchen zur See führt, geht bis auf eine kurze Strecke, dicht neben den köstlichen Buchen des grossen Wohld — auch Dammholz genannt — entlang. Kurz vor dem Heiligen Damm beginnen sich auch westlich der Heerstrafse die Buchenbestände auszudehnen und gewähren so dem Wanderer, wie dem Passagier der Eisenbahn eine angenehme Reise. — Wie gewaltig aber wirkt der Anblick, wenn wir am Ende der Chaussee bei den Kolonnaden aus dem Walde heraustreten und das Meer in seiner ganzen Majestät zu unseren Füßen sehen! Eine so großartige Überraschung wird uns nur selten zu teil! —
Wir stehen mitten auf dem Kurplatz. Hier liegt ein kolossaler Denkstein, ein erratischer Block — aus dem nahen Dorfe Elmenhorst — dessen Transport fast ein Jahr in Anspruch nahm, und der 1843, zur Feier des 50jährigen Bestehens des Seebades, hierher gebracht wurde. Die Inschrift lautet: „Friedrich Franz I. gründete hier Deutschlands erstes Seebad. 1793/1843“. Vor uns liegt der Anlegeplatz für die Vergnügungsdampfer und Schaluppen zu Spazierfahrten in See; weiter rechts das Herren-, links das Damenbad. Hier am Kurplatze steht das Logierhaus mit seinen Nebengebäuden, die Villa der Großherzogin Marie und weiterhin längs des Meeres und gleichzeitig dicht am Rande des Waldes breiten sich zahlreiche Villen und Häuser in reizvollem Kottagenstil aus. — Jenseits der Kolonnaden erhebt sich inmitten saftiger Rasenflächen und schattiger Baumgruppen die Sommerresidenz des Großherzogs und weiterhin die der Großherzogin-Mutter mit ungehinderten Ausblicken aufs Meer. In nächster Nähe liegt der Marstall, das kaiserliche Post- und Telegraphenamt und ein Restaurant in kühlem Waldesschatten. — Doch wenden wir uns hinter den Villen in den Wald, in dessen köstlichen Laubhallen wir Erfrischung und Kühlung atmen. Auf wohlgepflegten Wegen einherwandelnd gelangen wir an eine Lichtung des Waldes, wo sich in der schwarzgrünen Wasserfläche eines kleinen Weihers die hochstämmigen Buchen mit ihren mächtigen Baumkronen widerspiegeln. Eine Rast an diesem herrlichen Orte — dem „Spiegelsee“ — inmitten der köstlichen, stillen Waldeinsamkeit ist wahrhaft zauberisch. Das Rauschen des Laubes und das Gelispel des Schilfes umgiebt uns, und nur zuweilen tönt, vom Windhauch getragen, die Brandung des Meeres in die feierliche Stille. —
Wir wandern weiter zum Meeresstrande. Das Ufer ist wild zerrissen, denn in der rauhen Jahreszeit lecken die Wogen oft hinauf bis zum Saume des Waldes, begierig, den mächtigen Damm zu zerstören, den vor Jahrhunderten — wie die Sage erzählt — der Himmel auf die Gebete der Doberaner Mönche den drohen den Fluten entgegensetzte. — Wir lagern uns im Schatten der sturmzerzausten Buchen in das kurze Strandgras, während zu unseren Füßen die Wellen der Brandung weit auf den Sand auslaufen. — Die ewige Melodie des Meeres und das Rauschen des Waldes! -
  „Ich lieg’ auf warmer Düne,
  Vom feuchten Hauch gekühlt,
  Und kann nicht satt mich schauen,
  Wie Färb’ in Farbe spielt,
  Wie blendend ihre Schwingen
  Die Möve senkt und hebt
  Und traumhaft fern am Horizont
  Des Dampfschiffs Säule schwebt.“
E. Geibel.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Rostock, Warnemünde, Doberan und der Heilige Damm