Drittes Capitel. - Catullus und seine Zeit. - Je mehr die alte Zucht und Strenge wich, je mehr Steine täglich aus dem alten aristokratischen Gebäude gerissen wurden, desto breiter wurde der Strom der Demokratie, desto freier die Bande des häuslichen und öffentlichen Lebens, ...

Wie auch der geistig bedeutendste Mann nie von dem mächtigen Einflusse seiner Zeit sich ganz frei machen kann, sondern sie zugleich beherrscht und von ihr beherrscht wird, so sind Catullus und unter mehreren weniger Bedeutenden Calvus einerseits Product ihrer Zeit, andererseits hatten sie einen Einfluß auf die poetische Richtung der Zeit, welcher durch das dem Ersteren gewordene stehende Prüdicat doctus dauernd bezeichnet ist.

Obgleich ich nicht gegen Niebuhr streiten will, welcher (R. G. 3. S. 364.) aus der griechischen Structur der Theater zu Tusculum und Fäsulä eine sehr frühe und genaue Kenntniß der griechischen Litteratur erweisen zu können glaubt, so ist doch vor Ennius keine Spur einer Uebertragung und Nachahmung zu finden, wie es denn überhaupt ein großer Unterschied ist, die Sprache nothdürftig zu verstehen und ihren Geist zu erfassen und zu beherrschen. Wie steif und hölzern ist noch die oben angeführte Uebersetzung eines griechischen Epigramms von Catulus! Wie sehr zeigt sie, daß die geistige Verwandtschaft fehle, welche zwischen zwei Völkern so gut wie Individuen herrschen muß, wenn die Uebertragung mehr als eine Wortstümperei, ein sich geistig Aneignen sein soll. Dieses letztere, als das Uebersetzen und Nachahmen in seiner höchsten Vollendetheit, wird wiederum bedingt von einer gewissen äußeren Aehnlichkeit der Lage und Verhältnisse beider Theile, und diese letztere trat zwischen Griechen und Römern kurz vor Catullus Zeit ein. Je mehr die alte Zucht und Strenge wich, je mehr Steine täglich aus dem alten aristokratischen Gebäude gerissen wurden, desto breiter wurde der Strom der Demokratie, desto freier die Bande des häuslichen und öffentlichen Lebens, desto kecker die Zunge des spottsüchtigen Homers. Da erst konnte die wesentlich auf demokratische Elemente gegründete Lyrik der Dorer, Aeolier und attischen Ionier in römischen Busen Anklang und somit den richtigen Ausdruck in dieser Sprache finden. Wie kurz diese Periode war, werden wir bald sehen; wir wenden uns jetzt zuvörderst zu dem Leben dessen, welcher dieselbe repräsentirt, zu Catullus.


Sein richtiger Name ist Quintus Valerius Catullus, nicht Caius, wie gewöhnlich und noch bei Bernhardy R. Littg. angegeben wird. Quintus wird er genannt in der Handschrift des Carolus Datus (D. bei Lachmann, welcher ihr auch hierin gefolgt ist), im Riocardianus und bei Plinius N. H. 37, 6.; so edirte auch Scaliger aus seinem Cuiacianus, so auch haben andere Handschriften von minderem Werthe. Eine andere bedeutende Handschrift, die des Santenius, mit den ihr folgenden andern Manuscripten, so wie der Scholiast des Cruquius zu Moralins p. 398., lassen den Vornamen ganz weg, letzterer auch das nomen gentile. Und so bleibt denn für die Autorität des Caius nichts übrig, als das Zeugniß des Appuleius in der Apologie p. 279. ed. Elm., denn diejenigen Handschriften und Ausgaben, welche Caius lesen, haben unstreitig aus der erwähnten Quelle geschöpft. Die Autorität des Appuleius aber ist in diesem Falle eine durchaus unsichere. Denn theils konnte jeuer Irrthmn von Appuleius selbst herrühren, indem er, besonders bei einer so flüchtigen Gelegenheits-Schrift, als die Apologie ist, leicht eben so gut irren konnte, wie bei uns der gründlichste Geschichtsschreiber Christoph mit Christian verwechselt, theils auch konnte jenes C. vor Catullum eben so wohl aus Verdoppelung des C. entstehen, als es durch Broukhuysen wahrscheinlich gemacht ist, daß bei Tibullus Namen durch das A. des Albius der Vorname Aulus verloren gegangen sei. Wenn aber Huschke Anal, litterar, den Einwurf des Is. Voß, daß unser Catullus mit dem oben erwähnten Q. Catulus verwechselt sei, gegründet findet, so muß dagegen erinnert werden, daß es schwer zu glauben sei, wie ein Dichter von so untergeordneter Wichtigkeit einen solchen Einfluß auf einen weit höher stehenden gehabt haben könne, wozu noch kommt, daß gerade die Gleichheit des Vornamens nicht allein dieser beiden, sondern auch des mit ihnen oft verwechselten Catullus Urbicarius, des Mimographen, eine Weglassung und mithin auch Veränderung des Vornamens bewirken konnte. Es wird aber vollends jeder Zweifel durch die Angabe von Schurzfleisch zu Juvenal’s Scholien 8, 186. gehoben, welcher bei Gelegenheit der Erwähnung des Mimographen Catullus, obwohl selbst ein Gegner unserer Meinung, gesteht, daß sowohl mehrere Handschriften des Gellius als des Macrobius Q. Catullus haben 25). Was die Quellen des Lebens unseres Dichters betrifft, so sind sie spärlich. Denn außer den Gedichten selbst, geben Eusebius im Chronicon und Suetonius mit Tacitus dürftige Notizen, wozu noch eine von unbekanntem Verfasser herrührende vita kommt, welche sich schon in der Ausgabe von 1472. findet und neuerdings von Huschke abgedruckt ist Anal. litterar, p. 53. Eine ähnliche findet sich von Tibullus, welche von Heyne, Huschke und Lachmann in ihre Ausgaben des Tibullus aufgenommen ist. Allen Beiden wird von Huschke ein hohes Alter zugeschrieben, und zu leugnen ist nicht, daß sie ein eigenthümliches Gepräge haben. Doch ist es eine eben so verbreitete als irrthümliche Ansicht, daß das bekannte Epigramm des Domitius Marsus auf den Tod des Tibullus zu Ende jener vita zuerst sich gefunden habe; denn es heißt ausdrücklich in ihr: obiit adolescens, ut indicat epitaphium infra scriptuni, und selbst diese Worte nebst dem Elogium selbst sind von Lachmann, gewiß aus triftigen Gründen, eingeklammert 26). Von praktischem Nutzen ist aber überhaupt diese Frage in nicht hohem Grade, weil die Lebensbeschreibungen kurz sind, und wesentlich nicht mehr enthalten, als aus den Gedichten erhellt, ja bei weitem nicht so viel. Aufser diesen Quellen sind als Hülfsmittel zu nennen: die Lebensbeschreibungen des Catullus von Antonius Parthenius in der Ausg. des Dichters, Brixen, 1486 u. öfter wiederholt, des Vulpius und Bayle in dem Dictionnaire bist, crit., endlich die Anmerkungen von Vossius und Scaliger.

Unter allen Städten Italiens kann sich keine im Verhältnisse rühmen, mehr bedeutende Männer, namentlich Dichter, hervorgebracht zu haben, als Verona. Sie ist die Mutterstadt des Plinius und Nepos, wie des Catullus; sie gebar den Sänger der Syphilis und sah in Johannes Cotta einen zweiten Catullus 27). Sein Geburtsjahr ist nach Eusebius im Chronikon 667 a. u. c., womit übereinkommt die vita, welche Olympias 163 anno ante natum Sallastium angiebt, und sein Vater scheint kein unangesehener Mann gewesen zu sein, da er nach Suet. Caes. 73. mit diesem in gastfreundschaftlicher Verbindung stand. Ein besonderer Rang aber, in welchem unser Dichter oder sein Vater sich befunden, wird nirgends erwähnt. Früh kam er nach Rom, wo er, wie es scheint, bis an seinen Tod blieb. Oeffentliche Stellen bekleidete er nicht, nur daß er eine Zeit lang sich in der Cohorte des Prätor C. Memmius Gemellus in Bithynien aufhielt, ohne sonderlichen Gewinn (c. 10.) und durch die Persönlichkeit des Befehlshabers höchlichst indignirt (c. 28.). Er starb jung, wie Tibullus und Propertius, nach der vita im dreißigsten Jahre 698. (699.), welche Angabe jedoch offenbar falsch ist, da c. 52. eine Anspielung auf das Consulat des Vatinius enthält, welches in das Jahr 707. fällt, um welche Zeit auch c. 93. geschrieben sein muß. Auch ist wol möglich, daß bei der beneidenswerthen Nachlässigkeit der Alten in Chronologie die Neigung, runde Zahlen anzuführen, jene Angabe veranlaßt hat. Doch dem sei wie ihm wolle, jedenfalls unrichtig ist die Meinung Scaliger’s zum Eusebius, welcher ihn den Cäsar überleben und mit Virgilius bekannt sein läßt. Ungeachtet ihm hierin der vorsichtige Casaubonus beistimmte (zu Suet. Caes. 73.), so läßt sich das Unhaltbare dieser Ansicht leicht darthun, wie es denn auch von Is. Voß und Bayle gethan ist. Scaliger nämlich ließ sich durch c. 29. (c. 26.) und durch Martialis 4, 14. irre führen. Im ersten Gedichte, einer bittern Satyre, welche direct auf Mamurra, praefectus fabrum des Cäsar in Gallien, indirect aber auf Cäsar selbst gerichtet ist, erwähnt Catullus der praeda Pontica und Hibera, quam scit amnis aurifer Tagus. Die erstere nahm Scaliger von dem prächtigen Triumphe über Pharnaces, die zweite von dem Siege bei Munda. Doch richtig lehrt Voß, wie die Pontische Beute sich auf den Aufenthalt Cäsars in Bithynien, unter Befehl des Prätor Thermus, beziehe, welcher einträglicher war, als der des armen Catullus ebendaselbst, die Iberische aber von dem Lusitanischen Kriege 683 a. u. zu nehmen sei. Daß dieß die richtige Erklärung sei, zeigt der ganze Zusammenhang. Catullus erwähnt Cäsar’s Aufenthalt in Gallia comata und Britannia und geht dann gleich zur Erwähnung jener Beute über. In Britannien war aber Cäsar 699 und 700 — 701 (Dio C. 39, 60. 40, 1), in Iberien 692 (Suet. C. 18. cl. Baumgarten Cr.) und v. 12. zeigt, daß das Gedicht unmittelbar nach der ersten oder zweiten britischen Expedition geschrieben ist. Ueberdieß spielte Mamurra keine so bedeutende Rolle in der spätern Zeit des Cäsar, um so angegriffen zu werden, und überhaupt trägt das ganze Gedicht den Charakter der jugendlichsten Heftigkeit und Keckheit, ganz wie Horatius zweite Satyre, aber weit entfernt von dem erbitterten, aber schon geknickten Gemüthe, welches sich in den spätern Epigrammen gegen Vatinius zeigt. Noch weniger aber hat das andere Argument des Scaliger zu bedeuten; denn die Worte des Martialis:

Sic forsan tener ausus est Catullus
Magno mittere passerem Maroni.

sagen weiter nichts, wie das ganze Gedicht beweist, als daß Martial sich mit Catull, den Silius aber mit Virgil vergleicht. Doch in anderer Hinsicht sind uns diese Verse wichtig, wovon nachher. Indessen läßt sich sein Todesjahr genauer berechnen, als Bernhardy thut S. 235., wenn er sagt: „Er mag wenig über den Anfang des 8. Jahrhunderts gelangt sein.“ Denn erstlich ist ein sicherer Führer das schon erwähnte Epigramm auf Vatinius, dessen Anfang: Quid est Catulle? quid moravis emori? von einem tief verwundeten, gebrochenen Herzen zeugt, und zweitens sind wohl zu beachten die Worte des Cornel. N. Vit. Attic. 12., wo er vom Cal-dus sagt: quem post Lucretii Cutullique mortem elegantissimum poetam — videor posse contendere. Lucretius aber starb nach Eichstaedt’s Berechnung (Proleg. Lucret. p. 64.) zwischen 699 und 703. Berücksichtigt man diese Verbindung beider Dichter, die Stimmung, welche jenes Epigramm verräth, und die Worte des Ovidius (Amor. 3, 9, 61.): hedera iuvenilia cinctus tempora, so kann man mit Bestimmtheit behaupten, Catullus sei 707 oder spätestens 708, also in einem Alter von etwa 40 Jahren gestorben 28). Dieß ist das Wenige, welches uns von seinem äußern Leben bekannt ist; reicher ist sein inneres Leben, wie es sich in seinen Gedichten und den in denselben geschilderten Personen abspiegelt.

Wie Calderon das Abendroth des katholischen Mittelalters ist, so zeigt sich in Catullus die hinsinkende, in ihren tiefsten Fugen aufgelöste Republik, nur leise noch angehaucht von der Pest des spätern Sittenverderbnisses und frei von aristokratischem Zwange. Es war eben damals ein freies Leben und Weben, wie weder vorher noch nachher, ein Ausbreiten und Geltendmachen der Persönlichkeit, wie man es zu anderer Zeit nicht kannte, ein Leichtsinn endlich über das kommende Schicksal, wie er immer sich in verhängnißvollen schweren Zeiten zeigt. Und dabei war jener einfache, republikanisch treuherzige, derbe Charakter noch nicht untergegangen, welchen erst die Despotie vernichtete. In diesen Elementen schwelgte der heitere, schuldlose, liebenswürdige Sinn des Dichters so recht frei und ungebunden, mit jugendlichem Ungestüm eintauchend in die Tiefen der Sinnlichkeit, aber immer selbstbewußt das Edlere in sich bewahrend, den Sinn für Recht, Wahrheit und Freiheit, für Bruder und Freund. Nicht tief, sondern mehr harmlos an der Oberfläche hinstreifend, neigte sein feuriger Sinn weit mehr zum Epigrammatischen, zum Auffassen äußerer Verhältnisse, als zur Objectivität. Diese Subjectivität hat aber nun nicht, wie bei Tibullus, etwas Einförmiges, indem sie von einem Gegenstande vorzugsweise beherrscht wird, sondern berührt immer mit Innigkeit die mannigfachsten Verhältnisse. In Hinsicht seines politischen Bekenntnisses war er eifriger Republikaner, was theils das oben erwähnte Gedicht c. 54. und theils die anmuthige Huldigung des Cicero c. 49. beweisen. Und liest man die Worte des Cremutius Cordus bei Tac. A. 4, 34.: Carmina Bibaculi et Catulli referta contumeliis Caesarum leguntur — sed ipse D. Julius, ipse D. Augustus et tulere ista 29) et reliquere, haud facile dixerim moderatione magis an sapientia, verglichen mit Scaliger’s zu Anfange seiner Castigationen zweimal wiederholter und auch ganz unzweifelhafter Versicherung, daß das Buch des Catull lückenhaft und unvollständig sei, so mag es nicht unwahrscheinlich sein, daß gerade der politische Theil seiner Gedichte durch spätere Censur vertilgt sei. Gemäß dem Charakter eines Freistaates, tritt die Liebe bei Catull etwas derb auf, und übt bei weitem nicht den mächtigen Einfluß aus, als es bei einer auf engere Verhältnisse beschränkten Lage der Fall ist. Außer der Ipsithilla und Aufilena (17. 110.), welche in ziemlich untergeordneten Verhältnissen erscheinen, liebte er die Lesbia oder, wie sie nach Appuleius klassischer Stelle Apolog. p. 279. ed. Elm. geheißen haben soll, Clodia. Schon Bahrdt bemerkte Adv. l, 21-, daß die meisten bei den alten Dichtern vorkommenden Namen fingirte seien, und Acron zu Hor. Sat. l, 2, 64. lehrte, wie die Körner bei Fiugirung dieser Namen eine mit dem wahren Namen übereinstimmende Quantität und Silbenzahl sich zum Gesetze gemacht hätten. Diese Regel, abgesehen von dem praktischen Nutzen, den wahren Namen sogleich an die Stelle des ändern setzen zu können, oder ihn für Näherstehende errathbarer zu machen, findet ihre Begründung völlig in dem Formalismus der Alten und in der Analogie von Sitten, wie z. B. die war, soviel cyathi auf das Wohl der Geliebten zu leeren, als ihr Name Buchstaben hatte (Martial. l, 39.), und wird auf keine Weise durch spätere Abweichungen umgestoßen, so wenig auch zu leugnen ist, daß man sich in den Jamben, vermöge ihrer Natur, oft eine größere Freiheit nahm 30). S. Martial Vorr. z. ersten B. d. Epigr. Daß diese Clodia die bei Cicero so oft vorkommende berüchtigte Schwester des P. Clodius gewesen sei, wie Einige meinten, ist nicht glaublich, und die Worte der vita, Clodiam puellam primariam, gehen nicht sowohl auf Stand und Rang, als auf individuelle Bedeutendheit. Denn weder die Ungebundenheit und das sich Gehenlassen des Dichters, noch seine politische Gesinnung konnten mit einer solchen Neigung harmoniren. Auch findet sich in den zahlreichen, die Lesbia betreffenden Gedichten, nicht das Mindeste, was jene Vermuthung rechtfertigen könnte. Daß Catull sie mit


Öl allem Feuer der Jugend liebte, daß er für Liebe nahm, was bloße Sinnlichkeit war, zeigt c. 11 3I). Verheirathet war sie (c. 83.), gehörte aber gewiß zu der Klasse römischer Frauen, welche aus dem Plebs sich herausgebildet hatten, und anfingen, einen eigenthümlichen Stand zu bilden, wovon im nächsten Capitel die Rede sein wird. Mit Recht bemerkt Bernhardy, wie nirgends sich die Tüchtigkeit der Gesinnung klarer ausspreche, als c. 76., in welchem er auf wahrhaft ehrenfeste Weise der Lesbia entsagt Vergl. auch 60. 72. 83.

Es darf aber hier nicht der Sperling der Lesbia übergangen werden, nicht etwa um der tollen Interpretation des Voß und Verburg willen, welche Huschken erwünschte Gelegenheit gaben, die von Alemann ausgelassenen und von Moneta ergänzten Stellen der Anecdota des Procopius zu conimentiren (Anal. Litt. p. 65 bis 76.), sondern wegen einer Stelle des Grammatiker Appuleius de Orthogr. p. 13., wo er, nachdem er von Phädra und Hippolytus gesprochen, fortfährt: Parthenius aliter ... Poeta doctus in suo passere, und Osann in den Anm. S. 82. bezieht diese Worte nicht ohne Grund auf Catull’s Epithalamium des Peleus und der Thetis, in welchem die Geschichte des Theseus weitläufig behandelt ist. Aber sollte wirklich das Buch des Catull den Namen passer geführt haben, wie das des Mimnermos Nanno hieß, und wovon oben weitläufiger gesprochen? Voß erzählt zu c. 2., der große Scaliger habe den Carrio eine Eidechse wegen dieser Meinung gescholten, und ich glaube, nicht mit Unrecht. Was in der oben angezogenen Stelle des Martial ganz an seinem Platze war, indem nämlich der Dichter durch passer das Frivole und Unbedeutende jener Liebe im Gegensatze zum Epos bezeichnen wollte, ist anderswo albern und absurd, und wie Appuleius 32) und vielleicht andere Grammatiker ohne Urtheil dieses Wort aus dem Martial aufgriffen, so thaten dasselbe Spätere, wie jener Carrio, ohne ihre Vorgänger zu kennen. Zu leugnen ist außerdem nicht, daß sowohl die Neuheit des Arguments, als die vorzügliche Behandlung desselben, von je an die besondere Aufmerksamkeit auf jene beiden Lieder wandte.




25) Es ist mit dem Vornamen des Catullus gegangen, wie es vielleicht mit der ersten Ausgabe seiner Gedichte der Fall ist. Als editlo princeps wird gemeiniglich die Veneta 1472. 4mai. angeführt; auch noch von Sillig, welcher Huschken das Lob giebt, diligentissime von ihr gehandelt zu haben. Wie gewissenhaft ertheilt dieß Lob sei, kann man danach abmessen, daß Huschke Catal. edd. Tibull. p. XXXVIII sq. es wahrscheinlich macht, die editio princeps des Catullus sei von 1472. sine 1. et a., von welcher ein Exemplar sich in Cambridge befinde.

26) Interpolationen sind auch in der vita Catulli, wo die Worte: quo die Plotinus (was wenigstens Plotius heißen muß, s. Suet, de clar. rhet. 2.) latinam rhetoricam primus Romae docere coepit, völlig absurd sind.

27) Eine vergleichende Zusammenstellung der Geburtsörter der römischen Dichter würde interessante Resultate geben und nicht ohne Einfluß auf die Beurtheilung der römischen Poesie sowohl, als der einzelnen Dichter sein.

28) Ob er, wie der Verfasser der vita sagt, mit allgemeiner Trauer begraben sei, lassen wir dahin gestellt sein; die Worte klingen dort wenigstens ganz so, wie eine Zeitungsphrase. — Wenn Bernhardy ans 68, 15. schließen will, Catull habe die meisten Gedichte vor dem zwanzigsten Jahre verfertigt, so scheint dieß weder in dem dort Gesagten zu liegen, noch mit dem großen Studium, das namentlich in den längern Gedichten sich zeigt, vereinbar zu sein.

29) S. Suet. C. 73.

30) Ich mag daher Huschke’s Einwürfe Anal. Litt. S. 303 u. f. nicht weiter widerlegen, besonders da dieß auf speciellere Weise schon von Weichert geschehen ist Poett. Latt. Reliquiae p. 4 und p. 415. n. S. auch später Cap. 6. Bei Huschke’s unglücklicher Neigung, heterogene Dinge zu vermischen, kann es beinahe wundern, daß er nicht auch die Carraosina des Sannazar anführte, welche unter dem Namen Phyllis verherrlicht wurde.

31) Wahrhaft rührend ist der Schluß:
Qui illius culpa cecidit velut prati
Ultimi flos, praelereunte postquam
Tactus aratro est.

In Zell’s Ferienschrifton findet sich ein Aufsatz, Lesbia betitelt, doch erinnere ich mich nicht, etwas Bemerkenswerthes darin gefunden zu haben.

32) Appuleius scheint überhaupt wunderliche Büchertitel gemacht zu haben, in der Absicht, das Charakteristische des Buches gleich durch den Titel anzugeben, woraus wahrlich nicht der geringste Schluß auf Unechtheit zu ziehen ist. S. §. 2. 5. 15. 26. 28.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Römische Erotik