Die „Rente“ bzw. der „Mehrwert“ bei Rodbertus und bei Marx.

Rodbertus stellt sich die Frage, woher es kommt, daß Personen unter dem Namen Grundrente und Kapitalgewinn (oder Zins) Anteile von Gütern beziehen, an deren Produktion sie nicht mittätig gewesen, zu deren Herstellung sie auch anderweitige indirekte Dienste nicht geleistet haben. Grundrente und Kapitalgewinn faßt er unter dem Namen „Rente“, die dem Marxschen Mehrwert entspricht, zusammen.

Zunächst, wie entsteht Rente? Da sämtliche wirtschaftlichen Güter nur aus Arbeit hervorgehen, so kann Rente nur dadurch entstehen, daß die Produktivität der Arbeit dermaßen steigt, daß über dem notwendigen Unterhalt der an der Produktion Beschäftigten noch ein Überschuss übrig bleibt, der an die nicht unmittelbar wirtschaftlich Arbeitenden abgeführt werden kann. Wenn alle wirtschaftlichen Güter nur Produkte materieller Arbeit sind, so folgt daraus, daß die Arbeit produktiver geworden ist, wenn es dem Menschen gelingt, mit weniger Arbeit mehr Güter zu produzieren. 30) Die Rente ist also das „mehrere Produkt, was die infolge ihrer Teilung produktiver gewordene Arbeit über den notwendigen Unterhalt der Arbeiter herstellt“. 31) Diese wirtschaftliche Tatsache, die das Entstehen eines „mehreren Produkts“ ermöglicht, ist begleitet von einer zweiten, die rechtlicher Natur ist. Letztere besteht darin, daß seitdem Teilung der Arbeit existiert, der Boden und das Kapital und deshalb auch das Arbeitsprodukt selbst niemals den Arbeitern, sondern anderen Privatpersonen angehört haben. Diesen ist somit wirtschaftlich wie rechtlich ermöglicht, den Arbeitern, die nichts als ihre Arbeitskraft besitzen, den kurzen Kontrakt zu diktieren: „Ihr Arbeiter überlasst uns das ganze Produkt eurer Arbeit und ihr erhaltet einen Teil davon zu eurem Einkommen zurück“. 32) D. h. in einer Volkswirtschaft mit Privateigentum an Boden und Kapital wird sich das Verhältnis notwendig so gestalten, daß die unmittelbar produzierenden, besitzlosen Arbeiter sich mit dem notwendigen Unterhalt werden zu begnügen haben, während der ganze Rest als Rente den Grund- und Kapitalbesitzern, d. h. denjenigen, die nicht arbeiten, zufließen wird. Dieses Verhältnis konnte geschichtlich dadurch entstehen, daß durch Unterwerfung eines Feindes der Arbeiterstand und die Möglichkeit ihrer Ausbeutung gegeben waren. 33)


30) Vergl. Z. Erkenntnis S. 67 ff.; 3. soz. Brief a. Kirchmann, a.a.O., S. 31, 57 f.

31) Ebenda S. 43 f.; vergl. auch: Z. Erkenntnis S. 74.

32) 3. soz. Brief S. 59.

33) Vergl. Ebenda S. 49; Z. Erkenntnis S. 74 f.

Der Ursprung der Güter allein aus Arbeit war solange offensichtlich, als dieselben sich in naturaler Beschaffenheit unter Arbeiter und Grund- und Kapitaleigentümer teilten. Sobald jedoch eine intensivere Arbeitsteilung Platz greift und die Produktion ausschließlich für den Markt stattfindet, ist es nicht mehr möglich, daß das Einkommen der an dem Produkt Beteiligten in naturaler Beschaffenheit aus dem Arbeitsprodukt verteilt wird; vielmehr wird dasselbe in solchem Zustande der Volkswirtschaft erst versilbert; und erst in der Geldform fließen die Anteile den einzelnen Berechtigten zu. Durch diese Metamorphose der Ware in Geld wird die Täuschung hervorgerufen, als sei die „Rente“ Ertrag eines Vermögens, während sie in Wahrheit nur Teil des Arbeitsprodukts sein kann 34); sie geht nicht aus einem Wertzuschlag auf das Produkt hervor, sondern ist bereits dadurch ermöglicht, daß der Arbeitslohn nicht dem „natürlichen Werte“ (der „Kostenarbeit“) des Produkts gleich ist, sie ist also ein Wertabzug, den der Arbeitslohn erleidet. 35) Während man für den Zustand der Sklaverei gar nicht anstehen würde, einzusehen, daß das sämtliche Einkommen des Herrn Arbeitsprodukt der Sklaven ist, wird in der heutigen Gesellschaft die gleiche Tatsache, daß alles Einkommen nur Arbeitsprodukt der materiell Arbeitenden ist, dadurch verdunkelt, daß das Produkt Ware wird und erst in Geldform zur Verteilung gelangt Die Arbeiter bleiben aber nach wie vor die „alleinigen Produzenten des gesellschaftlichen Einkommens“.

34) Vergl. 3. soz. Brief S. 64, 90 f.

35) Rodbertus' Kapital S. 311 f.; 3. soz. Brief S. 87.

Von diesem Gesichtspunkte aus unternimmt es Rodbertus nun, die Grundrente, indem er die „Rente“ in Kapitalgewinn und Grundrente scheidet, zu erklären. Ursprünglich konnte es eine solche Scheidung nicht geben, da es, wie z. B. in der antiken Wirtschaft, einen von den Grundbesitzern sich scheidenden besonderen, Vermögen besitzenden Stand nicht gab. Im Altertum, wenn dieses auch eine weitgehende Arbeitsteilung bereits kannte, wurde in der Regel nicht eher vertauscht, als bis das Produkt seine Vollendung erhalten hatte. Erst mit der Bildung der modernen Städte, mit dem gesetzlichen Gegensatz zwischen Stadt und Land, mit dem ausschließlichen Recht der ersteren zum Betriebe der meisten Fabrikationsgewerbe trat die Notwendigkeit ein, daß die Rohprodukte ihre Besitzer wechselten, und damit ein vom Grundeigentum abgesonderter Kapitalistenstand sich bildete, 36) ohne daß beider Verhältnis zu den Arbeitern dadurch alteriert wurde. 37) Mit jener Differenzierung trat auch eine Scheidung des Nationaleinkommens ein. Den Grundbesitzern gehört nunmehr das landwirtschaftliche, den Kapitalisten das Fabrikations- und Transportationsprodukt. Rodbertus geht nun von der Annahme aus, daß sich die Rente nach Maßgabe des Werts des Rohprodukts und des Fabrikationsprodukts unter die Besitzer desselben, d. h. im Verhältnis der Produktivität der landwirtschaftlichen und der Fabrikationsarbeit teilt.38) Er stellt somit die Industrie als Ganzes der Agrikultur gegenüber und ist der Meinung, daß in jene Rohprodukte der letztern eingehen, während diese ihre Roh- und Hilfsstoffe selber produziert 39) Die Größe der Rente, oder wie Marx es nennt, die Rate des Mehrwerts wird nun auch nach Rodbertus nicht bestimmt durch die Größe des angewandten Kapitals, auf welches der Gewinn berechnet wird, sondern nur durch die unmittelbare Arbeit zuzüglich derjenigen Arbeit, „die wegen der vernutzten Werkzeuge und Maschinen mit aufzurechnen ist.“ 40) Derjenige Kapitalteil dagegen, der in dem Materialwert besteht, kann die Rate des Mehrwerts nicht mitbestimmen, da die Kostenarbeit des herzustellenden Produkts nicht wieder durch die Kostenarbeit des als Material angewandten Rohprodukts mitbestimmt werden kann, „z. B. die Kostenarbeit des besonderen Produkts, das Gespinst oder Gewebe ist,“ nicht durch die Kostenarbeit, „die der Wolle als Rohprodukt zu berechnen ist.“ 41) Dieser Kapitalteil figuriert nun aber in der Industrie im Gesamtkapital, und wenn er auch auf die Größe der Rente keinen Einfluß hat, so wird doch dieselbe auf das gesamte Kapital verteilt; der so resultierende Gewinnsatz ermäßigt sich also demgemäss. Der gleiche Gewinnsatz gilt nun auch für die in der Landwirtschaft angelegten Kapitalien, in denen jedoch, da die Landwirtschaft nicht Produkt einer ihr vorangehenden Produktion zu Material bedarf, eine Auslage für Material nicht figuriert. Indem nun von Rodbertus angenommen wird, daß sich der Wert des Rohprodukts und des Fabrikationsprodukts nach der Kostenarbeit richtet, und die Rente sich im Verhältnis dieses Werts an die Besitzer des Rohprodukts und Fabrikationsprodukts verteilt, folgt ihm, daß, bei Geltung des gleichen Gewinnsatzes auch für das in der Landwirtschaft angewandte Kapital, in dem der Materialwert fehlt, ein von der Gewinnberechnung nicht absorbierter Rententeil übrig bleiben muß. 42) Dieser Überschuss ist die Grundrente. Auf diesem Wege glaubt Rodbertus, dem die Ricardosche Grundrententheorie deshalb nicht genügt, weil sie nur die größere Rente, nicht aber die Rente überhaupt


erklärt, die Existenz einer absoluten Grundrente nachgewiesen zu haben. Sie ist immer vorhanden, vorausgesetzt, daß die Arbeit überhaupt so produktiv ist, um Rente abzuwerfen und vorausgesetzt ferner, daß alle Produkte sich nach auf ihnen haftender Arbeitszeit verwerten.

36) Vergl. 3. soz. Brief S. 82.

37)Ebenda S. 85 f.

38) Ebenda S. 89, 93, 96 f.

39) Vergl. Z. Erkl. u. Abh. d. Kred. Not I S. 123 Anm.

40) 3. soz. Brief S. 97.

41) Ebenda S. 97.

42) Ebenda S. 98 f.

Aus diesen doch noch sehr verworrenen, die Konsequenzen der Arbeitstheorie mehr ahnenden, als wirklich erkennenden Gedankengängen sieht man, daß Rodbertus wenig Grund hatte, sich über eine Plünderung durch Marx zu beklagen und zu behaupten, er hätte schon vor ihm die Theorie des Mehrwerts viel kürzer und klarer als dieser gegeben. 43) Marx hat in seinen „Theorien über den Mehrwert“ die Rodbertus'sche Theorie der Grundrente einer scharfen Kritik unterzogen. Marx unterscheidet anders als Rodbertus im Gesamtkapital zwei Teile: konstantes (c) und variables (v) Kapital und läßt, wie es die Konsequenz der Arbeitstheorie fordert, nur das letztere, d. h. den in Arbeitslohn angelegten Kapitalteil, Mehrwert erzeugen. Das variable Kapital bestimmt demgemäss die Rate des Mehrwerts; die Profitrate dagegen (bei Rodbertus „ Gewinnsatz“) geht aus dem Verhältnis des Mehrwerts zur Gesamtsumme des vorgeschossenen Kapitals hervor. Daraus folgt, daß die Zusammensetzung von c, ob darin mehr Werkzeuge und wenig oder gar kein Materialwert enthalten ist, gar keinen Einfluß auf die Profitrate haben kann. Ob nun also im konstanten Kapital des Industrieprodukts auch Materialwert mit figuriert, die Profitrate würde doch dadurch in keiner Weise alteriert.

Diese Einsicht läßt also Rodbertus' Erklärung der Grundrente nicht mehr bestehen, auch wenn seine Voraussetzung zugegeben wird, daß im landwirtschaftlichen Kapital ein Materialwert fehlt. Aber auch diese Voraussetzung ist eine falsche; Marx bezeichnet sie in gewohnter Derbheit mehrfach als Blödsinn. Es ist lächerlich, zu sagen, daß in die Landwirtschaft, weil sie die ihr notwendigen Rohstoffe selbst herstellt, kein Rohstoff als Ware eingeht. Ob der Landwirt die gewonnenen Rohstoffe auf den Markt trägt oder selbst zur Produktion verwendet, bleibt sich doch in diesem Falle gleich. Die Rodbertus'sche Grundrente würde demnach nichts als das Resultat einer falschen Rechnung sein, in welcher der Bauer Samen, Futter etc. als Auslagen zu berechnen übersieht. 44) „Wenn Herr Rodbertus glaubt, deswegen die Agrikulturprodukte nicht als „Waren“ in die Reproduktion eingehen zu lassen, wegen der eigentümlichen Form, worin sie als „Gebrauchswerte“ (technologisch) in dieselbe eingehen, so ist er total auf dem Holzweg und basiert offenbar auf der Erinnerung an die Zeit, wo die Agrikultur noch kein kapitalistisches Geschäft (trade) war, nur der Überschuss ihres Produkts über die Konsumtion des Produzenten Ware wurde, und ihr auch diese Produkte, so weit sie in die Produktion eingingen, nicht als Waren erschienen. Es ist ein Grundmissverständnis über die Anwendung der kapitalistischen Produktionsweise auf die Industrie. Für letztere ist alles Produkt, das Wert hat — also an sich Ware ist — auch Ware in Rechnung.“ 45);

43) Briefe u. soz.-pol. Aufsätze S. 111.

44) Marx: Theorien über d. Mehrwert II i, S. 209.

45) Ebenda S.224f.

Außerdem ist aber auch die Vorraussetzung Rodbertus`, daß die Rente (Mehrwert) sich im Verhältnis des Wertes des Rohprodukts und des Fabrikationsprodukts verteilt, die er für die Ableitung seiner Grundrente macht, falsch. Rodbertus berücksichtigt nur den relativen Mehrwert, d. h. denjenigen, der entsteht und wächst mit der Produktivität der Arbeit, übersieht aber, wie Marx zeigt, das Wachsen des Mehrwerte, soweit es aus der Verlängerung des Arbeitstages selbst entspringt (den absoluten Mehrwert). 46) Bei Wachsen des absoluten Mehrwerts in einer Produktionssphäre ergibt sich ein neues Verhältnis des Mehrwerts zum Wert, d. h. der in dem Produkt enthaltenen unbezahlten Arbeit zum Quantum der in demselben überhaupt enthaltenen Arbeit. Durch Verlängerung des Arbeitstages in der einen Produktionssphäre kann sich das Verhältnis zwischen unbezahlter Arbeit und der überhaupt geleisteten Arbeit dermaßen verschieben, daß es dem Verhältnis in andern Produktionssphären nicht mehr entspricht. Die Gleichheit der Profitrate aber vorausgesetzt, könnte sich die Rente der Produkte dieser verschiedenen Produktionssphären nicht mehr im Verhältnis zu ihren Werten verteilen. 47)

46) Vergl. Marx' Kapital I 5. Aufl. S. 473 f. In d. „Dtsch. Lit.-Ztg.“ 1904 hat A. Oncken in der bereits erwähnten Besprechung gegenüber Anton Menger einen ähnlichen Unterschied zwischen der Thompsonschen und der Marxschen Wertlehre nachgewiesen.

47)Vergl. Marx: Theor. üb. d. Mehrwert II“ S. 168 ff., 214 ff.

Ein Beispiel von Marx mag dies noch erläutern. Nach Rodbertus sollen sich die in den Waren enthaltenen Mehrwerte verhalten wie ihre Werte, d. h. die unbezahlt gebliebenen Arbeitsquanten wie die ganzen auf das Produkt verwandten Arbeitsquanten. Es müßten sich also, wenn die in den Waren A und B enthaltenen Arbeitsquanten sich wie 3:1, auch die in ihnen unbezahlte Arbeit, d. h. die Mehrwerte, wie 3: 1 verhalten. Das ist aber, wie Marx zeigt, falsch. „Die notwendige Arbeitszeit gegeben, z. B. = 10 Stunden, mag die eine Ware [von A] das Produkt von 30 Arbeitern sein, die andere [von B] das von 10. Arbeiten die 30 Arbeiter [von A] nur 12 Stunden, so beträgt der von ihnen geschaffene Mehrwert 60 Stunden, und arbeiten die 10 [von B] 16 Stunden täglich, so ist der von ihnen geschaffene Mehrwert dito gleich 60 Stunden. Danach wäre der Wert von A = 30 x 12 = 360 Arbeitsstunden. Die Werte der Waren von A und B verhalten sich also wie 360:160 oder wie 9:4. Die in den Waren enthaltenen Mehrwerte dagegen verhalten sich wie 60:60 oder wie 1:1. Sie wären gleich, obgleich sich die Werte wie 9:4 verhalten.“ 48)

48) Ebenda S. 215 f.

Marx leugnet die Existenz einer absoluten Grundrente nicht. U. a. genügt schon die Tatsache des Privateigentums bestimmter Personen an Grund und Boden, um diese zu befähigen, den in „den Waren dieser besondern Produktionssphäre enthaltenen Überschuss über den Profit, Durchschnittsprofit, über die durch die allgemeine Rate des Profits bestimmte Profitrate, aufzufangen, abzufangen, einzufangen und zu verhindern einzugehen in den allgemeinen Prozess, wodurch die allgemeine Profitrate gebildet wird“. 49) Während daher im allgemeinen durch die Konkurrenz ein Ausgleich der Profitraten in allen Produktionssphären herbeigeführt wird, gibt es solche, in denen gewisse natürliche Produktionsmittel, die also nicht produzierbar, ohne welche die Ware dieser Produktionssphäre nicht produziert werden kann, sich im Privateigentum bestimmter Personen befinden, die den gesamten in ihrer Produktionssphäre erzeugten Mehrwert einfangen, oder ihre Produktionsmittel nur unter der Bedingung einem andern zur Verfügung stellen, daß er ihnen den Überschuss über die Durchschnittsrate vergütet. 50) Beim Grund und Boden würde also der zu vergütende Überschuss die Grundrente sein.

49) Ebenda S. 198.

50) Ebenda S. 203.

Man sieht, Marx hat die bei Rodbertus im Keime enthaltenen Ideen konsequenter durchzuführen gesucht. Es zeigt sich aber, daß zur Durchführung der Arbeitstheorie der ursprüngliche Ausgangspunkt aufgegeben werden mußte. Marx war davon ausgegangen, daß die gültigen Tauschwerte der Waren ein Gleiches ausdrückten, gleiche Quanten von in letzteren verkörperter menschlicher Arbeit. 51) Die Wirklichkeit aber zeigt überall eine Nichtübereinstimmung des Wertes der Waren mit der auf sie verwendeten Kostenarbeit. Im Laufe der Untersuchungen mußten sich seine „ Werte“ in von ihnen verschiedene „Produktionspreise“ verwandelt, ja völlig verdrängt sehen. Es ist unverkennbar, daß durch die notwendig gewordene Unterscheidung von konstantem und variablem Kapital, von Rate des Mehrwerts und Profitrate, durch das Zugeständnis ferner, daß bei Seltenheitsgütern der Mehrwert nicht in den allgemeinen Prozess der Profitratenbildung eingeht (d. h. dass deren Bewertung der konsequenten Arbeitstheorie widerspricht, wobei es gar nicht in Betracht kommt, ob deren Produktionsmittel in Privatbesitz sich befinden oder nicht), indirekt andere so entscheidende objektive und subjektive Momente der Wertbestimmung zugestanden sind, daß sie in den erst angenommenen Grundsatz der Arbeit als allein wertbestimmend doch bedenklich einbrechen. Der Ausweg, den Marx betritt, daß er gesellschaftliche Arbeit „nicht fertige Voraussetzung, sondern werdendes Resultat“ sein läßt, besagt doch im Grunde auch, daß es nicht die Arbeit ist, welche den Wert der Waren bestimmt, sondern daß schon der Wert derselben bestimmt sein muß, damit man daraus ableiten könne, was eigentlich „gesellschaftliche Arbeit“ ist. „Denn Bedingung“, heißt es im 3. Bande des „Kapital“, „bleibt der Gebrauchswert, . . das gesellschaftliche Bedürfnis, d. h. der Gebrauchswert auf gesellschaftlicher Potenz erscheint hier bestimmend für die Quote der gesellschaftlichen Gesamtarbeitszeit, die den verschiedenen besonderen Produktionssphären anheimfallen“. 52)

51) Vergl. Marx' Kapital T, 5. Aufl. S. 3.

52) S. E. Bernstein: Die Voraussetzungen d. Sozialism. S. 42.

Diese Schwierigkeiten der Arbeitstheorie entgingen Rodbertus nicht, und er hat durchaus nicht geglaubt, wie Marx einmal von ihm annimmt, 53) daß die Konkurrenz die Waren auf ihre wirklichen Werte („Kostenarbeit“) reduziert, er sah vielmehr ein, daß „das von der englischen Schule behauptete Gesetz der Gravitation des Marktwerts nach der Arbeitsquantität“ durch verschiedene Kapitalanwendung, auch durch die Wirkung des Bedürfnismoments eine Abänderung erleidet, aber es lag ihm ferner, jene Schwierigkeiten zu überwinden, weil ihm seine Werttheorie nicht so sehr dazu dienen sollte, das Wesen der jetzt herrschenden kapitalistischen Wirtschaftsordnung besser verstehen zu lehren, wenn sie allerdings auch diesen Zweck verfolgte, als vielmehr eine seiner Meinung nach gerechtere Richtschnur für die Verteilung der Arbeitsprodukte in einer späteren, jetzt sich vorbereitenden sozialistischen Gesellschaft abzugeben. Der Satz (daß der Wert aller wirtschaftlichen Güter ihrer auf sie verwendeten Arbeit entspricht), heißt es, bedeutet aber nicht, daß der Wert des Produkts der Kostenarbeit äqual ist, m. a. W., daß Arbeit heute schon einen Maßstab des Werts abgeben könne“ . . , „es ist noch keine wirtschaftliche Tatsache, sondern nur erst eine staatswirtschaftliche Idee.“ 54) Und es zeugt von der Fülle von Missverständnissen, zu denen die Arbeitstheorie Anlaß gibt, wenn Rodbertus seinerseits auch Marx den Vorwurf machen konnte, er sehe „den Arbeitswert in dem heutigen Zustande als von selbst realisiert“ an, „während dies nur durch Gesetze geschehen kann“. 55)

53) Vergl. Marx Theor. üb. d. Mehrw. II,, S. 182.

54) S. 3. soz. Brief, S. 26. Briefe u. soz.-polit. Aufsätze S. 160; Erkenntnis S. 110 f, 129 f.

55) Rodbertus: Kapital S. XV; Briefe a. soz.-pol. Aufsätze S. 100; Erkenntnis S. 174 f; D. Forderungen d. arb. Kl. S. 220.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Rodbertus Stellung zur sozialen Frage