Aufwand- und Kostentheorie.

Die Theorie von der Arbeit als einzig wertbildendem Faktor der wirtschaftlichen Güter, sowie die des Mehrwerts ist, wie von Anton Menger 1) nachgewiesen, bereits vor Rodbertus und Marx von altern englischen Theoretikern, vor allem von Thompson, aufgestellt worden. Jedoch haben die Anschuldigungen Mengers, Rodbertus und Marx hätten, ohne es zu erwähnen, „ihre wichtigsten sozialistischen Theorien altern englischen Schriftstellern entlehnt“, 2) einer ruhigen Kritik nicht standhalten können. 3) Durch das Erscheinen von Marx' „Theorien über den Mehrwert“ sind jene etwas sensationslüsternen Angriffe völlig gegenstandslos geworden. Es ergibt sich aus diesem Werke, wie sehr es Marx ferngelegen hat, sich die Urheberschaft fremder Ideen anzueignen, da man ihn vielmehr bemüht sieht, seine Lehre bei den altern nachzuweisen, ja sogar sie in frühere nationalökonomische Theorien geradezu hineinzudeuten. Auch Rodbertus' Vorwurf gegen Marx, letzterer habe ihn, ohne ihn zu nennen, geplündert, ist als ungerechtfertigt erwiesen worden. 4) Immerhin steht fest, daß Rodbertus seine Arbeitswerttheorie schon vor Marx aufgestellt hat, wenn er auch im Irrtum war, zu glauben, er habe alles Wesentliche und Richtige von Marx schon vor diesem, „nur viel kürzer und klarer“ gesagt. Die hauptsächlich in Betracht kommenden Schriften sind die 1842 erschienene „Zur Erkenntnis unserer staatswirtschaftlichen Zustände“, ferner die einige Jahre darauf verfassten „Sozialen Briefe“ (3. u. 4.); Ansätze finden sich bereits in dem 1837 verfassten Aufsatze „Die Forderungen der arbeitenden Klassen“.

1) Recht auf d. vollen Arb.-Ertrag.


2) Ebenda, Vorrede.

3) S. Aug. Onckens Besprechg. der 1903/4 erschienenen Übersetzung d. Thompsonschen Werks: „Untersuchg. üb. d. Grundsätze d. Verteilg. des Reichtums“ i. d. Dtsch. Lit.-Zeitg. 1904 u. Ad. Wagners „Grdlegg.“ S. 37, 322 3. Aufl.

4) S. Wagners Vorr. z. Z. Bei. d. soz. Fr. Th. II S. XXVIII ff. Immerhin nennt ihn auch Wagner an anderer Stelle („Einiges v. u. über Rodbertus-Jagetzow“, Zeitschr. f. d. ges. Stw. Bd. 34 S. 202) den „bedeutendsten u. originellsten rein wissenschaftlichen Vertreter des ökonomischen Sozialismus“ und stellt ihn „neben und über Lassalle, Marx und Engels“.


Wenn auch manche und gerade die Hauptsätze sich bereits bei frühem Schriftstellern vorfinden, so ist es doch von Interesse, den einzelnen Denker auf seinem Wege zu verfolgen; während es einerseits gewiß von Nutzen ist, die Wiederkehr gewisser Ideen bei verschiedenen Autoren aufzuzeigen, so würde die Wissenschaft andererseits doch wenig Vorteil davon haben, wenn man allzu eifrig Plagiate festzustellen sich bemühen und nicht vielmehr durch genauere Kenntnis der einzelnen Denker das sie Unterscheidende aufzudecken sich in den Stand setzen würde.

Rodbertus tritt zunächst in die Fußstapfen der klassischen Nationalökonomie, speziell Ricardos, mit der Behauptung: „Alle wirtschaftlichen Güter kosten Arbeit und nur Arbeit.“ 5) Von den klassischen Nationalökonomen hat auch Adam Smith, angeregt von seinem Lehrer Hutcheson, eine Arbeitswerttheorie aufgestellt. Aber Arbeit als allein wertbestimmender Faktor gilt ihm nur für den Ur- und Naturzustand der Menschen. „Arbeit war der uranfängliche Preis, das ursprüngliche Kaufgeld, welches man für alle Dinge bezahlte.“ 6) In der modernen Volkswirtschaft aber, wo Kapitalbesitz und privates Grundeigentum vorhanden sind, bestimmen, nach Smith, außer der aufgewendeten Arbeitsmenge auch Zins und Grundrente den Wert.

5) Z. Erkenntnis S. 1.

6) Rodbertus vertritt für diesen Zustand gerade die entgegengesetzte Ansicht; solange Tauschfälle nur vereinzelt vorkommen, entscheidet nur die Dringlichkeit des Bedürfnisses und der Vorrat über den Tauschwert (2. soz. Brief, Z. Beleuchtung d. Soz. Fr. Th. I S. 77).

Rodbertus aber verfolgt jene Theorie auch unter den veränderten heutigen Verhältnissen; auch heute kann nichts als Arbeit Entstehungsgrund des Wertes sein; die heute herrschende Ordnung alteriert nur die Besitzverhältnisse; die Eigentümlichkeit im „Zustande mit rentierendem Eigentum“ ist die, daß das Produkt nicht dem Produzenten, sondern den Grund- und Kapitalbesitzern gehört, die dem Arbeiter im Arbeitslohn einen Anteil daran gewähren. Es kommt also auch fernerhin nur Arbeit als „Kosten“ des Produkts in Betracht, während Zins (Kapitalgewinn) sowohl, als auch Grundrente und Arbeitslohn nicht Kosten des Produkts, sondern Anteile an demselben sind. Schon Ricardo hatte die Grundrente als nicht zu den Kosten des Produkts gehörig ausgeschieden, sie als Anteil am Produkt erklärt und sie nicht als Ursache, sondern als Folge des Produktwertes erkannt. Allerdings, in anderer Formulierung als später Rodbertus, der die Richtigkeit der Ricardoschen Rententheorie leugnete. Doch verfolgte Rodbertus den von Ricardo eingeschlagenen Weg und schied auch den Kapitalzins, den auch Ricardo nur wenig mehr beachtet hatte, von den Kosten des Produkts aus, indem er die einheitliche Quelle sowohl der Grundrente wie des Kapitalzinses aufwies.

Rodbertus begleitet nun jenen Satz, daß alle wirtschaftlichen Güter nur Arbeit kosten, mit der Erklärung, daß unter die wirtschaftlichen Güter nur die materiellen fallen. Mit den immateriellen hat sich die Nationalökonomie nicht zu befassen. Also ist nicht jede produktive Tätigkeit, die ein nützliches Resultat schafft, schon dadurch eine wirtschaftliche, ihr Resultat ist nicht immer Wirtschaftsobjekt. Nur eine bestimmte Art der Tätigkeit, die körperliche Arbeit, produziert Wirtschaftsobjekte.

Es ist nun zu unterscheiden zwischen Sachen von „ Brauchbarkeit“ und Sachen von „Wert“. Erstere ist die von dem Menschen erkannte Tauglichkeit einer Sache „als Mittel zur Erreichung irgend eines Zwecks dienen zu können.“ 7) Brauchbarkeit ist also die objektive Grundlage, sie weist die konkrete „Geeigenschaftheit“ einer Sache auf. Mit diesem Begriff ist noch nicht gegeben, daß der Mensch sich ihr gegenüber auch wirklich einen Zweck setzt. Dies liegt erst in dem Begriffe der „Sache von Wert“. In diesem ist erst die subjektive Beziehung ausgedrückt, in die der Mensch zum Gegenstande von „Brauchbarkeit“ tritt, indem er, um ein Bedürfnis zu befriedigen, sich wirklich den Zweck vorsetzt, zu dessen Erreichung jener seiner konkreten „Geeigenschaftheit“ nach dienen kann. „Sachen von Wert sind also bedurfte brauchbare Dinge“.

Es liegt hier zweifellos eine ähnliche Unterscheidung vor, wie sie Rau mit den beiden Begriffen von „abstraktem“ und „konkretem“ Werte vollzog, indem er die abstrakte Wertschätzung ein bloßes Urteil des Verstandes sein läßt, das auch ein solches bloßes Urteil bleiben könnte, ohne den Willen anzuregen, und erst im konkreten Wert jenes echte Werturteil erblickte, welches unser praktisches Urteil gegenüber den Gütern bestimmt. Karl Menger ging weiter, indem er die Abhängigkeit menschlicher Bedürfnisbefriedigungen von Gütern als dasjenige „kausale Verhältnis“ bezeichnete, welches „den Wert im Gegensatze zur bloßen Nützlichkeit“ begründet und ihn als die Bedeutung definierte, „welche konkrete Güter oder Güterquantitäten für uns dadurch erlangen, daß wir in der Befriedigung unserer Bedürfnisse von der Verfügung über dieselben abhängig zu sein uns bewußt sind.“ 8) Auch Rodbertus hat bereits den eigentlichen Begriff des Wertes von dem der bloßen Nützlichkeit abgelöst. Sachen von Brauchbarkeit und Sachen von Wert sind nicht identische Begriffe, erklärt er. Brauchbarkeit ist die „objektive Geeigenschaftheit“ und es ist in diesem Begriff noch nicht ausgesprochen, „ob der Mensch sich wirklich den Zweck vorgesetzt hat, zu dessen Erreichung die Sachen von Brauchbarkeit dienen können“. „Dadurch, daß der Mensch sich nun wirklich einen Zweck vorsetzt, den er durch ein dazu brauchbares Mittel nur erreichen kann, kommt er zu dieser Sache in jenes gleichsam abhängige Verhältnis, das Bedürfnis heißt, und die Sache gewinnt lediglich hierdurch, als Bedurftes, jene Bedeutung, die „Wert“ genannt wird. Der Wert ist nicht die Qualität der Sache, sondern ihr Status, in den sie infolge des Bedürfnisses nach ihrer objektiven Geeigenschaftheit gesetzt ist.“ „Erst bei den Dingen von Wert beginnt die Freiheit der menschlichen Vorstellung, denn die Zwecksetzungen, in deren Gefolge lediglich die Bedürfnisse erscheinen, gehören seinem Willen an.“ 9)

7) Z. Erkenntnis S. 3.

8) S. Böhm-Bawerk Art. „Wert“ i. Hdw. d. Staatsw.

9) Z. Erkenntnis S. 3.

Diese für die Aufstellung einer Wertlehre so wichtigen Einsichten haben auf die Werttheorie Rodbertus` keinen Einfluß ausgeübt. Wiewohl er auch das subjektive Moment im Wert, wie man sieht, klar erkannt hat, hat er sich diese Erkenntnis doch nicht dazu dienen lassen, eine eigentliche Werttheorie, aufzustellen; dazu war die Absicht seiner Wertlehre eine zu einseitige. Auch hier wieder steht im Vordergrunde nicht die Frage: „Was leistet und wie wertet die Gesellschaft, wie geht aus der Mannigfaltigkeit der Bedürfnisse und Leistungen die Einheit, der Wert hervor?“ Der leitende, wenn auch uneingestandene Gesichtspunkt ist vielmehr: „Was leisten, was fordern die arbeitenden Klassen?“ So gibt Rodbertus im engsten Sinne eine Kosten- und keine Wertlehre, wie dies, wohl nicht in gleicher Weise zutreffend, Ad. Wagner von Marx bemerkt. 10).

Damit die „Sachen von Wert“ zu „Gütern“ werden, müssen sie in physische Unmittelbarkeit zum Menschen gesetzt, sie müssen wirtschaftlicher Besitz werden.

Da die dem Menschen notwendigen Güter nicht in; solcher Unmittelbarkeit sich ihm darbieten, wie etwa Lieht und Luft, so sind sie in diese Unmittelbarkeit durch eine Tätigkeit des Menschen zu versetzen. Die Art der hierzu notwendigen Tätigkeit ist in jedem Falle und jederzeit im Grunde eine und dieselbe, nur ihre Intensität ist eine verschiedene. In verschiedenen Graden sich äußernd, ist sie ihrer Natur nach sich immer gleich, erstrecke sie sich nun auf die einfachste Handlung der Okkupation, auf das bloße Handausstrecken nach der Frucht oder auf die komplizierte Kraftanstrengung, die eine Dampfmaschine konstruiert. Immer ist sie Unterwerfung und Dienstbarkeit der menschlichen Kraft und Zeit unter den Zweck der Aneignung einer bestimmten Sache, sie ist überall Arbeit.

10) Vergl. Ad. Wagner: Grundlegung 3. Aufl. S. 323. .

Da der möglichen Mannigfaltigkeit der menschlichen Bedürfnisse nur ein beschränktes Maß von Kraft und Zeit gegenübersteht, so entsteht die Notwendigkeit, die Früchte der Arbeit zu verwalten. Das ist die Aufgabe der Wirtschaft: sie ist die „Verwaltung vorhandener Güter zum Zweck der möglichst besten Befriedigung“. 11) Die Wirtschaft also beschränkt sich nach Rodbertus darauf, Vorhandenes zu verwalten; „wer nichts hat, wirtschaftet nicht, sondern arbeitet“. Und es folgt daraus, daß nur Güter, die Arbeit kosten, wirtschaftliche Güter sind.

11) Z. Erkenntnis S. 4. .

Der Begriff der Wirtschaft als eine bloße Verwaltung von Vorhandenem ist hier viel zu eng gefaßt. Die Definition trifft höchstens für die Hauswirtschaft zu. In der Produktion aber beginnt die Wirtschaft nicht erst bei den vorhandenen Gütern, sondern sie ist der Inbegriff aller „zur Beschaffung und Verwendung“ (Wagner) der Güter notwendigen Tätigkeiten selbst. Aus der Wirtschaft gehen erst die Güter hervor, sie sind ohne sie noch gar nicht vorhanden. Rodbertus dient seine Auffassung des Begriffs der „Wirtschaft“ dazu, die Güter lediglich unter dem Gesichtspunkte der Kosten der materiellen Arbeit zu betrachten, alle übrigen Tätigkeiten, da sie nicht als „Aufwand“ in Betracht kommen, als nicht unmittelbar wirtschaftliche auszuschalten.

Unter Kosten eines Guts versteht Rodbertus einen Aufwand, von dem ein Subjekt, also der Mensch, unwiederbringlich so betroffen wird, daß er auf einen zweiten Gegenstand nicht mehr gemacht werden kann. „Arbeit“ ist nun das einzige Element bei der Entstehung wirtschaftlicher Güter, welches unter dem Gesichtspunkt der Kosten betrachtet werden kann. Der Natur mit ihren zum größten Teil noch nicht genussreifen Gütern steht der menschliche Geist gegenüber, der den Gütern die Form der Tauglichkeit zu geben bereit ist. „Beide Reiche sind wirtschaftlich als gegeben und vorliegend zu betrachten.“ 12) Aus beiden zu schöpfen ist nur die in ihrer Zeit beschränkte und deshalb als Aufwand in Betracht kommende menschliche Arbeit befähigt, sie bildet auch den einzigen Aufwand.

12 ) Ebenda S. 7.

Bei der Entstehung der Güter sind allerdings das Material, das die Natur darbietet, die Naturkräfte und die Idee des Menschen, jenes Material in den Zustand der Tauglichkeit zu versetzen und der Arbeit den Weg zu weisen, mit tätig. Allein von einem Aufwand kann da nicht die Rede sein. Die Naturkräfte sind immer im Gefolge der Substanzen, diese aber liefert die Natur, und man könnte nur von einem Aufwand der Natur sprechen, nicht aber von einem solchen des Menschen. Ebenso ist auch der Anteil des Geistes an der Produktion kein Aufwand. Denn die Idee, die er dem Gute leiht, ist so wenig vernutzbar, als seine Leitung der Arbeit. Beide bleiben nach wie vor dieselben.

Arbeit, die als Aufwand in Betracht kommt, ist für Rodbertus nur Muskelarbeit.

Nun erscheint es einerseits unsinnig, aus dieser Aufwandlehre eine Wertlehre zu machen, es ist auch außerdem unzutreffend, die Muskelarbeit allein als Aufwand zu bezeichnen, da nicht nur die Hervorbringung einer Idee, sondern auch ihre wirtschaftliche Verwirklichung in einem Produkt organische Kraft erfordert, beide also zu dem Kostenwert des Produkts aus denselben Gründen beitragen, wie die Muskelarbeit es tut.

Rodbertus entging diese Schwierigkeit, weil seine Fassung des Problems der Arbeit von vorne herein bei ihm bestimmt und beschränkt wurde durch das Problem der Arbeiter. So wendet er sich näher liegenden Einwendungen zu, auf die er eine Antwort sucht.

Daß heute auch von einem Aufwand an Material, auf das noch keine Arbeit verwendet wurde, geredet werden kann, ist nur eine Folge des heutigen positiven Rechts, das einen Besitzer desselben statuiert. Unter „natürlichen“, nicht historisch zufälligen Verhältnissen muß man sich die Schätze der Natur nicht als Privateigentum, sondern als die gemeinsame, jedem in gleicher Weise zugängliche Grundlage des Wirtschaftens überhaupt denken, so daß dasjenige, was jeder beiträgt, aufwendet, um ein Produkt genussreif zu machen, schließlich nur seine Arbeit ist; und dann kann von einer Ausschließlichkeit des Eigentums an Sachen nur die Rede sein, soweit sie durch Arbeit in Besitz genommen werden. „Wer in der Wirtschaft die Dinge anders auffasst, faßt sie naturgeschichtlich, aber nicht wirtschaftlich auf.“ 13)

Was bei der Produktion außer der unmittelbaren Arbeit an Material und Werkzeugen verwendet wird, ist auch auf Arbeit zurückzuführen. Das Material, sofern Arbeit bereits darauf verwendet wurde, ist nur das Gut auf einer bestimmten Stufe der Produktion. Ebenso ist das Werkzeug nichts als Produkt der Arbeit; soweit es bei der Produktion abgenutzt wird, ist der Aufwand auf einen entsprechenden Teil, den das Werkzeug herzustellen gekostet hat, zu reduzieren. 13a)

13) 3. soz. Brief S. 27.

13a) Vergl. Z. Erkenntnis S. 117f.

Dagegen können die während der Produktion aufgewendeten Nahrungsmittel der Arbeiter nicht als Aufwand für das Gut betrachtet werden, denn der Mensch erarbeitet die Güter, um davon zu leben, nicht umgekehrt.

Dies natürliche Verhältnis nun, wonach Arbeit allein die Kosten des Produkts darstellt, wird durch die Einführung der Teilung der Arbeit und des Privateigentums an Grund und Kapital nicht alteriert. Vor der Teilung der Arbeit und vor der Einführung des Privateigentums produziert jeder das Gut von Anfang bis zu Ende, ist alleiniger Besitzer desselben und auch sein Konsument. Die Teilung der Arbeit ändert nur so viel, daß nun verschiedene Arbeiter an der Herstellung eines Gutes tätig sind, während das „rentierende“ Eigentum bewirkt, daß dem Arbeiter nur ein Teil des Produkts, der Rest den Rentiers und den Unternehmern zufließt. Aber es ist falsch, Renten, Profit und Arbeitslohn zu den Kosten des Produkts zu rechnen.

Daß man den Arbeitslohn zu den Kosten des Produkts rechnet, beruht auf einer falschen Auffassung des Kapitals, wie auch auf einer Verwechslung von „Kosten des Guts“ und „Kosten des Betriebs“.

„Kapital an sich, logisch oder im national wirtschaftlichen Sinn, ist Produkt, das weiter zur Produktion benutzt wird, wie man gut gesagt hat, vorgetane Arbeit.“ 14) Danach können nur Material und Werkzeuge in wirklicher Kapitalbeziehung zum Produkt stehen. Deren Aufwand gehört daher zu den Kosten des Produkts. Die Unterhaltsmittel sind Einkommen einer frühern Periode. Der Arbeitslohn ist Anteil am Produkt. Durch Einführung der Teilung der Arbeit stellt zwar der Arbeiter nicht das ihm notwendige Produkt her, aber während er produziert, vollenden sich Produkte auf höhern Stufen der Produktion, an denen er kraft seiner an andern Produkten geleisteten Arbeit seinen Anteil hat. 15) Der Arbeiter wird erst nach seiner Arbeit gelohnt, und sein Lohn ist also Lohn der gleichen Periode, in der er arbeitet. Was aber Einkommen einer Periode ist, kann nicht zum Kapital der gleichen Produktionsperiode gerechnet werden.

14) 3. soz. Brf. Z. Beleuchtung d. soz. Frage, Th. I, 1. Aufl. S. 77.

15) Z. Erkenntnis S. 14 ff.

In den meisten Fällen allerdings wird der Unternehmer das von dem Arbeiter gelieferte Produkt nicht so schnell umsetzen können, um mit dem Erlös desselben den Arbeiter zu löhnen. In diesem Falle ist ihm ein Geldfonds erforderlich, aus dem er den Lohn zahlt; aber immer stellt dieser den Gegenwert von bereits geleisteter Arbeit, von hergestelltem Produkt dar. Nur im Zustande der Sklaverei konnte der Unterhalt des Arbeiters, da dieser nicht mehr als heute die Maschine bedeutete, zum Kapital gerechnet werden; der modernen Rechtsidee aber, die den Arbeiter als freie Persönlichkeit anerkennt, widerspricht diese Auffassung. In dem heutigen Zustande der Dinge sind die Genussmittel des Arbeiters ebenso gut unmittelbare Güter, wie die des Kapitalisten. Denn obwohl der Anteil des letzteren häufig auch erst aus einem Geldfonds noch vor Umsetzung des Produkts bezahlt wird, wird er doch als Anteil am Produkt angesehen; es ist daher willkürlich, den Arbeitslohn nicht ebenso zum Einkommen zu rechnen.

Wenn auch von Rodbertus nicht ausdrücklich betont, so erhellt es doch, daß diese Ausführungen gegen die sog. „ Lohnfondstheorie“ der Freihandelsschule gerichtet sind, wonach die mögliche Höhe des Lohnes gewissermaßen naturgesetzlich bestimmt sei durch die Größe der für Lohnzahlungen bestimmten Fonds. Ein Irrtum, der aus der Annahme entsteht, daß der Gegenwert, den die Arbeiter erhalten, vom Kapitale des Unternehmers herstammt, den Rodbertus durch den Erweis widerlegt, daß der Arbeiter im Arbeitslohn einen Anteil an seinem Produkt erhält, der wohl unter der Herrschaft der freien Konkurrenz stets nach dem Existenzminimum gravitieren muß, dessen Erhöhung jedoch durch staatsgesetzliche Maßregeln nicht nur möglich ist, sondern, auch eine notwendig zu erfüllende nationalwirtschaftliche Forderung werden kann.

Rodbertus gelangt nun auf jenem Wege dazu, das Kapital „im engern Sinn“ von dem Kapital „im weitern Sinn“ zu unterscheiden. Das Kapital im engern Sinn kann nur das Material und die Werkzeuge umfassen, was aus der obigen Definition des Kapitals hervorgeht, die das Wesen des Kapitals unabhängig von einem bestimmten historischen, wechselnden Zustand zu erfassen hatte. Dagegen würde unter Kapital „im weitern Sinn“ der unter den heutigen Produktionsverhältnissen mit privatem Grund- und Kapitaleigentum notwendige Unternehmungsfonds zu verstehen sein. Aber nur das Kapital im engern Sinn ist beim Beginn der Produktion notwendig vorhandener Gütervorrat, im übrigen kann nur von einem Vorrat an Zirkulationsmitteln die Rede sein, die die Anteile des künftigen Produkts repräsentieren, zu deren Liquidation er dient. „Jener ist das zur Produktion absolut notwendige Kapital, dieser hat nur durch die heutigen Verhältnisse eine solche relative Bedeutung.“ 16)

Aus dieser für die Wissenschaft so wichtig gewordenen Unterscheidung des rein ökonomischen und des historischrechtlichen Standpunktes in der Betrachtung des Kapitalbegriffes, die von Rodbertus zuerst, lange vor Lassalle, dem gewöhnlich die Unterscheidung logischer und historischer Kategorien zugeschrieben wird, gemacht worden ist, 17) folgt auch der Unterschied von „Kosten des Guts“ und „Kosten des Betriebs“. Zu den Kosten des Produkts kann niemals das gezählt werden, was Bruchteile desselben sind, also Arbeitslohn ebensowenig wie Grund- und Kapitalrente. Was vom Standpunkt des heutigen Unternehmers, für den die Differenz zwischen Auslagen an Material und Werkzeugen einerseits und Rente und Arbeitslohn andererseits aufgehoben erscheint, der Berechnung zu Grunde gelegt wird, kann nicht als Kosten des Guts angesehen werden, sondern bildet die Kosten des Betriebs. Rein ökonomisch bleiben aber immer nur die Kosten des Guts die eigentlichen „ewigen“ Kosten.

16 ) Ebenda S. 24.

17 ) Vergl. Ad. Wagner: Grdlgg. S. 288; „Einiges v. u. üb. Rodb.Jag.“ i. d. Ztschr. f. d. ges. Stw. Bd. 34 S. 205.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Rodbertus Stellung zur sozialen Frage