Drittes Kapitel - In Goy's Fabeln wird erzählt von einem unglücklichen Schiffer, der verwegen die Anker ...

In Goy's Fabeln wird erzählt von einem unglücklichen Schiffer, der verwegen die Anker eines Fahrzeugs lichtete, das er nicht zu regieren weiß und es der vollen Flut eines schiffbaren Stromes überläßt. Kein Schulknabe, der zwischen Fröhlichkeit und Uebermut ein ähnliches Unternehmen versucht, kann sich verlegner fühlen als ich, da ich mich, ohne Kompaß auf dem Ozean des Lebens treibend erblickte. Die unerwartete Leichtigkeit, mit der mein Vater ein Band auflöste, das gewöhnlich als das stärkste der geselligen Verhältnisse gilt, und mich gleichsam als Verbannter aus seinem Hause gehen ließ, dämpfte merkwürdigerweise das Vertrauen in meine persönlichen Vorzüge, das mich bis dahin beseelt hatte.

Als das Geräusch der Hauptstadt an meinem Ohr verhallte, rief mir der ferne Ton ihrer Glocken mehr als einmal ein warnendes: Kehre wieder! zu, und als ich von der Höhe auf ihre umnebelte Herrlichkeit hinab blickte, war es mir, als ob ich Freude und Ueberfluß, die Reize der Gesellschaft und alle Vergnügungen des gesitteten Lebens zurückließ.


Allein der Würfel war gefallen. Es ließ sich nicht erwarten, daß eine späte und ungünstige Nachgiebigkeit gegen meines Vaters Wünsche mich wieder in die Lage setzen würde, die ich verloren hatte. Bestimmt und fest in Vorsätzen, wie mein Vater war, würde ihm im Gegenteil meine langsame und erzwungne Beipflichtung zu dem, was er wünschte, eher Mißfallen erregt als ihn versöhnt haben. Meine eigentümliche Hartnäckigkeit kam mir dabei zu Hilfe, und mein Stolz flüsterte mir zu, was für eine armselige Gestalt ich machen würde, wenn die frische Luft vier Meilen weit von London die Entschließungen verweht hätte, welche aus einer ernsten Erwägung von vier Wochen hervorgegangen waren.

Einstweilen war ich nun aber mein eigner Herr, und empfand jenes Gefühl der Unabhängigkeit, welches die jugendliche Brust mit einem Gemisch von Freude und Befürchtung empfängt. Obgleich nicht reichlich versehen, konnte meine Börse doch alle Bedürfnisse und Wünsche eines Reisenden befriedigen. In Bourdeaux hatte ich mich daran gewöhnt, mich selbst zu bedienen. bald wies ich die traurigen Betrachtungen von mir, die im Anfang der Reise mich bedrängt hatten.

Unter all denen, die mir während dieser Reise begegneten, machte mir eine armer Mensch, mit dem ich anderthalb Tage reiste, den meisten Spaß. Er hatte auf seinem Sattel ein sehr kleines, aber dem Anschein nach sehr schweres, Felleisen, für dessen Sicherheit er absonderlich besorgt zu sein schien, das er nie aus seiner unmittelbaren Aufsicht ließ, weshalb er auch stets den dienstfertigen Eifer der Kellner und Stallknechte, die es ins Haus tragen wollten, zurückwies. Mit gleicher Vorsicht suchte er nicht allein den Zweck seiner Reise und seinen endlichen Bestimmungsort, sondern selbst die Richtung jeder Tagesreise zu verbergen. Seinen Ruheplatz für die Nacht untersuchte er mit ängstlicher Sorgfalt und vermied es sowohl ganz allein als auch zusammen mit Leuten zu bleiben, die er für verdächtige Gesellen hielt, und in Grantham, glaube ich, blieb er die ganze Nacht auf, weil im nächsten Zimmer ein untersetzter, schielender Bursche, mit einer schwarzen Perücke und einer verschossenen, goldbesetzten Weste, schlief. Bei all diesen Gemütssorgen war mein Reisegefährte, seiner Leibesbeschaffenheit nach, ein Mann, der so gut, wie die meisten Männer, der Gefahr hätte Trotz bieten können. Er war stark und wohlgebaut, und nach seinem Tressenhut und der Kokarde zu urteilen, schien er in der Armee gedient zu haben, oder wenigstens in irgend einer Verbindung mit dem Soldatenstande zu stehen. Seine Unterhaltung, obgleich ziemlich gemein, war die eines verständigen Mannes, sobald die furchtbaren Schreckbilder, die seine Einbildungskraft beunruhigten, ihn auf einen Augenblick verließen. Allein jede auffällige Gedankenverbindung rief sie zurück. Eine offene Heide, eine umschlossene Anpflanzung, waren gleiche Gegenstände seiner Furcht, und das Pfeifen eines Hirtenjungen ward sogleich in das Zeichen eines Mörders umgewandelt. Selbst der Anblick eines Galgens bezeugte ihm zwar, daß die Gerechtigkeit einen Räuber sicher aufgehoben hatte, erinnerte ihn aber auch stets daran, wie viele noch immer ungehängt blieben.

Die Gesellschaft dieses Menschen würde mir bald beschwerlich gewesen sein, wenn meine eignen Gedanken mir nicht noch lästiger gewesen wären. Einige seiner wunderbaren Geschichten hatten indes ein eigentümliches Interesse, und ein andrer, seltsamer Zug seiner Sonderbarkeiten gab mir Gelegenheit, mich auf seine Kosten lustig zu machen. Mehrere der unglücklichen Reisenden, die nach seinen Erzählungen unter Räuber gefallen waren, zogen sich ihr Mißgeschick dadurch zu, daß sie sich auf der Straße zu wohlgekleideten, gesprächigen Fremden gesellten, in deren Gesellschaft sie Schutz und Vergnügen zu finden hofften, die ihre Reise mit Sage und Gesang erheiterten, und sie gegen Ueberteuerungen und falsche Rechnungen schützten, bis sie endlich, unter dem Vorwande, einen nähern Weg über öde Heiden zu zeigen, das arglose Opfer in eine furchtbare Schlucht lockten. Auf den Ton einer Pfeife brachen hier plötzlich die Mitgenossen aus ihren Schlupfwinkeln hervor, und der Begleiter zeigte sich in seiner wahren, Gestalt als der Anführer einer Räuberbande, durch welche die unvorsichtigen Reisegefährten ihre Börsen und vielleicht das Leben verloren. Gegen das Ende einer solchen Geschichte, und wenn sich mein Begleiter durch seine Mitteilungen in eine fieberhafte Angst versetzt hatte, sah er mich gewöhnlich mit einem Blick voll Zweifel und Argwohn an, als wenn er sich die Möglichkeit denke, daß er sich gerade in der Gesellschaft eines ebenso gefährlichen Mannes befinden könne, als seine Erzählung geschildert hatte. So oft solche Vorstellungen in der Seele dieses sinnreichen Selbstquälers erwachten, ritt er an die entgegengesetzte Seite der Straße, blickte vor sich, hinter sich und um sich, untersuchte seine Waffen und schien sich zur Flucht oder Verteidigung, wie es die Umstände erfordern möchten, vorzubereiten.

Der bei solchen Gelegenheiten gezeigte Argwohn schien nur augenblicklich und kam mir zu lächerlich vor, als daß er hätte beleidigend sein können. In jenen Zeiten konnte jemand das ganze äußere Ansehen eines rechtlichen Mannes haben, und am Ende dennoch ein Straßenräuber sein. Die Sitten hatten einen Anstrich von Rauhigkeit und Härte, der sich seitdem in hohem Grabe gemildert und verringert hat. Die ausgebreitetste Heiden in der Nähe der Hauptstadt und die weniger besuchten Straßen der entfernten Gegenden wurden oft von berittnen Straßenräubern heimgesucht. Ein junger Mann in meinen Verhältnissen brauchte daher nicht sehr über einen Irrtum entrüstet zu sein, der ihn mit dieser verehrlichen Klasse von Räubern vermengte.

Auch war ich nicht beleidigt. Dagegen fand ich es sehr belustigend, den Argwohn meines furchtsamen Gefährten bald zu erwecken, bald einzuschläfern. Wenn meine freimütige Unterhaltung ihn vollkommen sicher gemacht hatte, so bedurfte es nur einer beiläufigen Frage nach der Richtung seines Weges oder der Natur seines Geschäftes, um seinen Argwohn sogleich wieder zu erregen.

Ich erwähne dieses Mannes Gemütsstimmung und meine Art, darauf zu wirken, so genau, weil diese Vorfälle, so geringfügig sie an sich selbst waren, einen wichtigen Einfluß auf künftige Ereignisse in dieser Geschichte hatten. Damals flößte mir ein solches Betragen nur Verachtung ein und bestätigte die Meinung, daß unter allem, womit der Mensch sich selbst peinigen kann, eine grundlose Furcht das störendste, geschäftigste, quälendste und bedauernswürdigste ist.