Stolpen
— — — Disjectis — muris
reliquias veterumque vides monuments virorum.
Virgil.
Im Meißnischen Kreise des Königreichs Sachsen liegen, drei Meilen von Dresden, über dem Städtchen Stolpen, die Ruinen der vormals schönen und wichtigen Burg gleiches Namens. Ein sanft anlaufender Basaltberg trägt sie, an dessen Fuße die Weiseritz fließt.
Die Geschichte gibt uns zwar von ihren ersten Erbauern keine befriedigende Nachricht, sie beurkundet aher, dass das Städtchen in den ältesten Zeiten, und bis gegen das Ende des fünfzehnten Jahrhunderts, Jockrym, folglich erst von dieser Zeit an, nach der dabei liegenden Veste, Stolpen genannt, und beide im Jahre 1218 von dem adeligen wendischen Geschlechte Mocco besessen wurden.
Bischof Bruno II. von Meißen brachte Stadt und Veste, wahrscheinlich im Jahre 1227, von den Moccos kaufweise an sein Stift. Von dieser Zeit an haben sie diese Bischöfe nebst allem Zubehör bis in die Mitte des 16ten Jahrhunderts besessen, und zuletzt sogar ihren bleibenden Sitz dahin verlegt gehabt.
Zur Zeit der ersten Besitzer mag die Burg von keiner großen Bedeutung gewesen sein, da sie die alte Sage lediglich ein von geschrotenem Holze aufgeführtes Bollwerk nennt. Ihre notwendige Verstärkung und Verschönerung erhielt sie nach und nach erst unter der bischöflichen und churfürstlichen Regierung. Sie bestand und besteht zum Teil noch aus drei durch Zugbrücken mit einander verbundenen Höfen. Indiese gelangte man jedoch erst durch den Hanewald — dem äußersten Plätze vor der Burg, der ein Außenwerk formierte, und von Bischof Johann III. angelegt war — und durch die mit starken Brustwehren, gewölbten Toren und tiefen Gräben versehene Klengelsburg, einem zweiten, vormals mit dem Hanewalde durch eine Zugbrücke verbunden gewesenen Außenwerke, das Churfürst Georg II. von Sachsen 1675 durch seinen Oberlandbaumeister von Klengel anlegen ließ. Im ersten Hofe befand sich der Donatsturm, von dem aber jetzt keine Spur mehr zu sehen ist, desgleichen der Marstall, der Kornboden, die Marterkammer und eine große Zisterne. Der zweite Hof enthält die Hauptwache, rechts einen dicken Turm, die alte Schöfferei genannt, und links den St. Johannisturm. Diesen hat die Gräfin Kosel merkwürdig gemacht. Sie, die in der Geschichte der Liebeleien des Königs Augusts von Polen eine Hauptfigur ist, wollte einmal in einem Anfalle von Eifersucht den König erschießen. Um von dieser endemischen Krankheit geheilt zu werden, musste sie in diesem Turme ihr Vergehen bereuen lernen. Unter einer humanern Regierung bot man ihr die Freiheit wieder an, allein aus freier Wahl blieb sie und konnte sich nicht entschließen, ihren Aufenthalt, den ihr die Gewohnheit angenehm gemacht hatte, zu verlassen. Hier hatte sie ihren kleinen Garten, eine Treppe hoch ihr Wohnzimmer, noch höher ihre Bibliotek, Boudoir und dergleichen. Als eine Merkwürdigkeit zeigt man noch jetzt ihre damalig häusliche Einrichtung.
Innerhalb des dritten, auch mit dicken Mauern und tiefen Gräben wohlverwahrten Hofes standen die ehemaligen herrschaftlichen Gebäude, welche späterhin die Festungskommandanten bewohnten; nämlich: 1) der Seigerturm, den schon Churfürst August erbauete, der 1714 zum letzten Male repariert ward, und neben welchem ein Destillierhaus stand, worin Anna, Augusts wirtschaftliche Gemahlin, allerhand feingebrannte Wasser abgezogen haben soll. 2) der Siebenspitzenturm, den der Bischof Schönberg von Meißen um die Mitte des 15ten Jahrhunderts erbauete, und mit sieben Spitzen versehen ließ. Nachdem er im 30jährigen Kriege durch Kroaten nebst den andern Burggebäuden mit verbrannte, wusste er zwar wieder aufgebauet, erhielt aber nur Eine Spitze; 3) das Brunnenhaus, welches über dem 143 1/2 Elle tiefen, durch lauter Basalt gebrochenen Brunnen stand; 4) das Zeughaus; 5) das Kunsttürmchen, welches seinen Namen von der darin befindlichen, 1563 angelegten, und vor 15 bis 18 Jahren mit großen Kosten wiederhergestellten Wasserkunst hat, vermöge welcher das durch doppelte, größtenteils eiserne Röhren von dem Dorfe Lauterbach hereingeleitete Wasser den Berg hinauf, und in die Burg getrieben wird; 6) die Schlosskapelle. Sie war der heiligen Barbara gewidmet, wurde im Anfange des 15ten Jahrhunderts vom Bischof Timo von Meißen erbaut, und zugleich ein Kollegial von sieben Kanonicis dabei gestiftet. Schenswert war darin ein prächtiger mit Gemälden und Bildsäulen reich verzierter Hochaltar, und ein in der Mitte der Kapelle stehendes, aus Stein sehr künstlich gearbeitetes großes Kreuz, an welchem sonst ein besonderer Altar stand, der nach der Reformation zum Tauftisch gebraucht wurde. Im Jahr 1591 ließ Churfürst August seinen achten Sohn hier taufen. Die Taufzeugen waren Dr. Peucer, Magister Philipp und die Doktorin Nefe. Was würde man jetzt von einem Fürsten sagen, der solche Personen zu Gevattern bäte? - Außerdem war diese Kapelle ehemals mit vielen heiligen Reliquien reichlich versehen; der Aberglaube, so wie der Unglaube, haben sie aber von hier vertrieben. Im Jahre 1539 wurden die kostbarsten Heiligtümer des Domstifts zu Meißen, worunter sich auch ein leibhaftiger Finger des Apostels Paulus befand, in diese Schlosskirche geflüchtet, weil man fürchtete, dass sie dort, wo die neue Lehre schon so weit um sich gegriffen hatte, nicht mehr vor Zerstörungen sicher sein möchten. Gegen das Ende des Jahres 1558 schickte man sie aber auch von hier wieder fort, nachdem sie während der Carlowitzischen Befehdung vom Pfaffen Niklas Gruner im Bettstroh warm verborgen worden. Jetzt ist die Kapelle in das Amtsarchiv verwandelt. Man sieht aus der beträchtlichen Anzahl der Gebäude, welche zum Stolpener Schlosse gehörten, von welcher Wichtigkeit und von welchem Umfang es war. Von allen steht gegenwärtig nur noch der Amtsschütteboden, der Geigerturm und die Kapelle. —
Von den Schicksalen Stolpens ist aus den ältesten Zeiten her wenig, und dies Wenige noch sehr mangelhaft auf uns gekommen. Nur das wissen wir zuverlässig, dass die Hussiten im Jahre 1429, in der dasigen Gegend große Verheerungen anrichteten, auch das Städtchen Jockrym verbrannten, an die Veste Stolpen sich aber nicht wagten. Wir können daher ganz davon schweigen, und sogleich zur Erzählung der für die Macht der geistlichen Herren in Sachsen überhaupt und für das Stift Meißen insbesondere sehr ungünstige Begenheit übergehen.
Nach dem Tode des Bischofs Niklas II. von Meißen, (ein v. Carlowitz) war Johann IX. (ein Edler von Haugwitz) Bischof geworden. Kaum dass er es war, so sah er sich in Streitigkeiten verwickelt, deren Resultat der Verlust des ganzen Stolpener Gebiets war. Hans von Carlowitz, der Neffe Niklas II., verlangte nämlich von ihm die Herausgabe des von seinem Onkel hinterlassenen Testaments. Johann lieferte auch ein versiegeltes, von seinem Vorfahrer, jedoch noch als Kanonikus, errichtetes Testament, nebst einer mit Geld gefüllten Kiste aus; allein Carlowitz behauptete, dass sein Onkel kurz vor seinem Ableben noch ein Testament gemacht, und im Stolpener Archive niedergelegt habe. Dies müsse ihm herausgegeben werden, und wenn es sich nicht fände, so sei es untergeschlagen. Johann verlangte Beweis und Genugtuung, und war bereit, sich einem rechtlichen Erkenntnisse in dieser Sache zu unterwerfen; Carlowitz aber ließ sich hierauf nicht ein, sondern beschloss, mit Gewalt zu erlangen, was er durch Güte nicht bekommen konnte. Am 13ten September 1558 schickte er ihm einen Fehdebrief zu, und den 14ten schon berannte er Stolpen, um Johann wo möglich persönlich zu fangen. Da dieser Plan aber misslang, indem Johann nach Prag entflohen war, so kühlte er seine Rache durch Verwüstung der bischöflichen Besitzungen. Auch suchte er die Burgknechte, jedoch vergebens, aus der Veste zu locken. Den bischöflichen Räten war jedoch herzlich bange, als sie von oben herab die Verwüstungen des Feindes ansehen mussten. Sie ließen aus dem großen Geschütze drei Notschüsse tun und Sturm läuten, damit die Bauern aus den umliegenden Gegenden zusammenkommen und der Verwüstung Einhalt tun sollten; aber es kam auch nicht Einer. Carlowitz verließ zwar den Stolpener Bezirk auf einige Zeit, um die entfernteren bischöflichen Besitzungen zu durchstreichen, kehrte jedoch, nachdem er sich der Städte Wurzen und Mügeln bemächtigt und sie ausgeplündert hatte, bald zurück, und bedrängte Stolpen und Bischofswerda von neuem, und zwar härter als vorher, weil man ihn, ungeachtet aller geäußerten Versicherungen, sich freundschaftlich benehmen zu wollen, nicht einließ.
Bischof Johann sprach indessen den bedrängten Stolpenern von Prag aus Trost zu. Er verhieß ihnen Hilfe, sie möchten nur ausharren. Allein Carlowitz wurde kühner und dringender; die Hilfe blieb aus, und die zur Verzweiflung gebrachten Einwohner Stolpens sahen sich genötigt, ihren obersten Schutzherrn, den Churfürsten, um Rettung und Beistand anzuflehen. Churfürst August versprach Hilfe; aber erst nach drei vollen Wochen schickte er einen Ausschuß von bewaffneten Alt-Dresdenern und Radeberger Bürgern unter der Anführung des Bruders des Befehders. Ohne Widerrede wurde dieser in die Burg eingelassen, und nahm von ihr im Namen des Churfürsten Besitz. Die Streitigkeiten wurden bald ausgeglichen. Johann musste an Carlowitz 4.000 Gülden zahlen, und alle, welche wahrend der Fehde Verlust gehabt hatten, entschädigen. Carlowitz musste aller Ansprüche auf das Testament seines Onkels entsagen, und alle in Besitz genommene bischöfliche Ortschaften zurückgeben. Letzteres geschah, bis auf die Pflege und Burg Stolpen. Diese hatte der Churfürst einmal in Besitz , und gab sie auch nicht wieder heraus, bot jedoch dem Bischof dafür das Amt, die Stadt und das Kloster Mühlberg an. Was wollte der arme Johann machen, er musste sich schon diesen schlechten Tausch gefallen lassen, wenn er nicht ganz leer ausgehen wollte. Auf diese Art erreichte auch in dieser schönen Pflege Sachsens das geistliche Regiment seine Endschaft.
Dass der Churfürst bei Schlichtung dieses Zwists nicht ganz unparteiisch verfuhr, und sich selbst am wenigsten dabei vergaß, leuchtet in die Augen. Ja, es scheint sogar, dass er die Fehde, wenn auch nicht veranlasse, doch sehr begünstigte; denn er ließ geschehen, das er wohl als Landesherr nicht hatte zulassen sollen: dass seine Vasallen, dass selbst sein Stallmeister, Hans von Carlowitz, so unbarmherzig auf den stiftischen Gütern wirtschaften durfte. Dadurch aber machte er sich am verdächtigsten, dass er sich nicht früher in den Streit mischte, als bis ihn die Stolpener und Bischofswerder um Schutz anriefen, und sich dadurch gewissermaßen schon der bischöflichen Herrschaft begaben. Sein Benehmen bei der ganzen Sache bewies auch nur zu deutlich, dass er dem Carlowitz wohl, und dem Bischof, der sich als einen heftigen Gegner der neuen Kirchenverfassung bewies, und den Fortschritten der Aufklärung in seinem Wirkungskreise alle Hindernisse in den Weg legte, übel wollte; *) dass er ihn zu schwächen, und die schönen Stiftsgüter mit guter Manier an sich zu ziehen suchte. Und so gelang es ihm denn auch, das ansehnliche Stiftsamt Stolpen gegen die weit unbeträchtlicheren Mühlbergschen Klöstergüter einzutauschen.
*) In den finsteren Marterkammern und Gefängnissen auf Stolpen ist mancher protestantische Lehrer, zur Ehre der katholischen Religion, zu Tode gepeinigt worden.
Nach dieser traurigen Periode herrschte sechzig Jahre hindurch Ruhe und Friede in dem Bezirke Stolpens. Das Land erholte sich wieder, die Burg gewann an Bequemlichkeit und Festigkeit, und die Stadt zog aus der öfteren Gegenwart des Churfürsten viele Vorteile. Im dreißigjährigen Kriege litt aber Alles wieder von neuem. Im Jahre 1632 wurde Stolpen von den Kroaten sehr heimgesucht. Sie plünderten die Stadt rein aus, ermordeten, wer sich ihnen widersetzte, wendeten sich dann gegen die Burg, in die sich die mehresten Einwohner mit Weibern und Kindern geflüchtet hatten, drangen mit Sturm durch die niederen drei Tore, bemächtigten sich des Kornbodens, schossen über die Zugbrücke auf die Schießlöcher, konnten aber doch des Platzes nicht Meister werden. Die Belagerten wehrten sich tapfer, und feuerten aus Stücken und Doppelhaken so scharf unter die Feinde, dass der Kroatenanführer Romhof die Burg mit Sturm zu erobern verzweifelte. Er forderte den Burghauptmann durch freundliche, ernste und drohende Worte zur Übergabe auf; allein fruchtlos: man antwortete ihm, vielmehr mit grobem Geschütz. Voll von Wut und Rache gab er Befehl, die Stadt in Brand zu stecken, und bald darauf loderten die Flammen. Ein heftiger Sturm vermehrte das Unglück. Von der Stadtkirche flogen die glühenden Schieferstücken auf die Burg. Der Siebenspitzenturm brannte zuerst, und dann alle äußere Gebäude. In drei schrecklichen Stunden waren sie und die ganze Stadt ein Aschenhaufen, welchen die Barbaren mit Hohngelächter verließen.
Durch den Prager Frieden war Sachsen mit dem Kaiser und seinen Verbündeten wieder versöhnt, aber den Schweden und deren Bundesgenossen verhasst. Banner, der furchtbare schwedische Heerführer, kam im Jahre 1639 mit 6.000 Mann vor Stolpen, und ließ die kaum erst etwas aufgebauete Stadt nebst der Beste zur Übergabe auffordern. Der Burghauptmann Hennig beantwortete diese Aufforderung aus seinem groben Geschütz, behauptete tapfer seinen Platz, musste es aber ruhig geschehen lassen, dass die Stadt wieder angezündet ward, und zur Hälfte wieder abbrannte.
Nach Endigüng des schrecklichen 30jährigen Krieges wurden die abgebrannten Gebäude auf der Burg wieder hergestellt und die Festungswerke noch vermehrt. Auch das Städtchen stieg wieder aus der Asche hervor. Aber bald geriet ein Teil der Stadt und der Veste durch Verwahrlosung, bald durch Blitz in Brand, und am 4ten März 1723 wurden alle innerhalb der Ringmauer befindliche Stadt- und auch einige Burggebäude durch Verwahrlosung binnen zwei Stunden in Asche verwandelt. Ein böser Dämon schien dem Aufkommen des Orts entgegenzustreben. Auch waren die Einwohner durch das vielfache anhaltende Unglück so verarmt, dass es ihnen nur durch Hälfe einer Kollekte möglich war, sie wieder aufzubauen. Die Burggebäude wurden aber nur notdürftig ausgebessert, weil der damalige Landesherr, Friedrich August, König von Polen, die Burg nicht achtete. Er besuchte sie zwar einige Male mit der Gräfin Kosel, bezeichnete aber seine Gegenwart durch nichts als durch Jagen in dem an dem Berge gelegenen Tiergarten, und das letzte Mal durch Schüsse gegen den Basaltfelsen, dessen Festigkeit er probieren wollte.
Im siebenjährigen Kriege soll auf der Burg Stolpen der erste feindliche Preußische Schuss auf Sächsischem Boden geschehen sein. Die Veranlassung dazu und die Geschichte dieses ersten Schusses ist folgende:
Mehrere Jahre vor dem Ausbruche des siebenjährigen Krieges war Stolpen, so wie die andern Landesfestungen, mit einer Kompagnie Invaliden besetzt, deren Kommandant der General von Liebenau war. Dieser erhielt in der Nacht vom 30sten auf den 21sten August 1756 Ordre, die Garnison sogleich ab und auf die damalige Festung Sonnenstein marschieren zu lassen, welches auch geschah. Der Kommandant, ein älterer Kapitain und Lieutenant von der Artillerie, welche auf Stolpen wohnten, blieben allein darauf zurück, und die Einwohner des Dorfs Altstadt mussten, zu Folge uralter Verpflichtungen, einige Mann zur Bewachung stellen. Bis zum 3ten September war Alles ruhig, und Niemand vermutete die von Bischofswerda her an diesem Tage des Abends um 6 Uhr in Stolpen ankommenden Husaren. Fast zu gleicher Zeit war auch der Kommandant von seinem in Langenwolmsdorf liegenden Gute zurückgekommen, und man hatte die Zugbrücke niedergelassen, damit er hereinreiten könnte. Dieser zufällige Umstand allein machte den Husaren die Einnahme der Burg leicht und möglich, da sie außerdem bei aufgezogener Brücke ohne Aufforderung und Infanterie nicht würden hineingekommen sein. Der Obristlieutenant und nachherige Generalmajor von Warnery vom Regiment Ezekuly ritt daher ohne Widerstand in die Burg, denn die wachhabenden Bauern hatten kein geladenes Gewehr. Er ließ Appell blasen, und der Generalmajor von Liebenau kam herunter in den Burghof. Hier forderte ihm Warnery den Degen ab, und in dem Augenblicke, als Liebenau nach dem Degen griff, um ihn abzugeben, schoss der Barbar dem 74jährigen Greis, der an keine Gegenwehr dachte noch denken wollte, mit einer Pistole eine Kugel in den Leib, die dieser auch mit ins Grab nahm.
Dies war der erste feindliche Preußische Schuss auf Sächsischem Boden; dies die zufällig leichte Einnahme einer unschuldigen Veste, woraus Warnery in seiner Relation davon eine große Heldentat macht, und, mit vielfachen Unwahrheiten verbrämt, die Geschichte dieses Coups in einem ganz verfälschten Lichte darstellt, ohne zu bedenken, dass die Alles entüllende Zeit auch diese Großsprechereien auf ihr Nichts zu rückführen würde. Das Warnery'sche Gefolge hinterließ auf Stolpen auch kein gutes Andenken. Er führte die metallenen Kanonen hinweg, warf die eisernen, nebst Gewehren und Munition, in den Brunnen, zerstörte die schöne Wasserleitung im Tiergarten, und riss an den Gebäuden und Festungswerken nieder, was es bis zu seinem am 18ten September erfolgten Abzüge niederzureißen vermochte.
Seit dieser Zeit ist nichts wieder aufgebauet, vielmehr ein großer Teil der Werke im Jahr 1787 abgetragen worden. Und so geht das schöne und veste Stolpen seinem gänzlichen Untergange entgegen. Der Tiergarten, unter der Burg, anfangs zu einem Baumgarten bestimmt, enthielt bis zum siebenjährigen Kriege indianisches und Dammwildpret. Jetzt ist eine herrschaftliche Schäferei darin, aus welcher alle Untertanen zur Veredlung ihrer Schaafzucht Böcke und Mutterschaafe erhalten können.
Merkwürdig ist auch noch der so regelmäßig gebildete Basalt, aus welchem der Berg besteht. Der Berg läuft von allen Seiten sanft an; erst da, wo der Basalt anfängt, der auf der obern Kuppe hervorragt, erhebt er sich auf einmal steil. Auf dem Bruche ist der Basalt grobkörnig und mit vielen glänzenden, schwarzen, glasartigen Punkten oder sogenannten Schörlkörpern vermischt, die aber sehr klein sind, und am Stahle Feuer geben. Die Säulen ragen am Tage zu 25 bis 30 Fuß hervor, haben 6 bis 12 Zoll im Durchschnitt, sind fünfeckig, selten sechs oder achteckig, durchgängig von ganzer Masse, und durch keine horizontale Spaltungen getrennt. Er wird von grobkörnigem Granit, mit verschiedenen braunen Quarzdrusen durchsetzt, begleitet, ohne dass man die Grenzen beider Gesteine bestimmen kann. Nach dem im Schlosse befindlichen Brunnen, der durch lauter Basalt gebrochen ist, zu urteilen, ist jede der Säulen, welche zu Tage aussteht, ein ununterbrochenes Ganzes, ohne Querspaltung von mehr als 312 Fuß Länge. An 500 Fuß Tiefe hat der Brunnen noch. Ein hineingeworfener Stein verursacht ein donnerähnliches Gepolter. Durch die öftern Wiederholungen dieses Versuchs ist er schon zur Hälfte mit Steinen angefüllt, und wird mit der Zeit ganz dadurch verschüttet werden. Da der Basalt viele Festigkeit hat, so findet man im Städtchen Stolpen viele Häuser davon erbaut, und auch die Straßen damit gepflastert. Die Aussicht von Stolpen ist zwar ausgebreitet, aber ohne Interesse.
Schlenkerts wahlerische Skizzen von Deutschland, 1stes Heft, 1794; Leonhardi's Erdbeschreibung der sächsischen Lande, 2ter Th., und die bereits in den Anmerkungen oben genannten Werke habe ich bei Vorstehendem benutzt. In Schlenkerts Skizzen findet sich eine von C. A. Günter in Dresden gestochene Ansicht des Stolpener Schlosses in Querfolio, die brav gearbeitet und treu ist. Eine zweite, in doppelt so großem Formate und koloriert, hat Wiziani in Meißen geliefert. Eine dritte gibt es im ersten Hefte der Ansichten sächsischer und böhmischer Gegenden, von Ferdinand Müller, Querfolio. Leipzig, 1798. Beide Hefte kosten 6 Rhlr. Sie stellt die Ruine sehr treu und ganz in der Nähe vor. Bei Rittner in Dresden kostet sie 4 Rtlr. Außerdem gibt es noch einige kleinere Abbildungen, die aber unbedeutend sind.
reliquias veterumque vides monuments virorum.
Virgil.
Im Meißnischen Kreise des Königreichs Sachsen liegen, drei Meilen von Dresden, über dem Städtchen Stolpen, die Ruinen der vormals schönen und wichtigen Burg gleiches Namens. Ein sanft anlaufender Basaltberg trägt sie, an dessen Fuße die Weiseritz fließt.
Die Geschichte gibt uns zwar von ihren ersten Erbauern keine befriedigende Nachricht, sie beurkundet aher, dass das Städtchen in den ältesten Zeiten, und bis gegen das Ende des fünfzehnten Jahrhunderts, Jockrym, folglich erst von dieser Zeit an, nach der dabei liegenden Veste, Stolpen genannt, und beide im Jahre 1218 von dem adeligen wendischen Geschlechte Mocco besessen wurden.
Bischof Bruno II. von Meißen brachte Stadt und Veste, wahrscheinlich im Jahre 1227, von den Moccos kaufweise an sein Stift. Von dieser Zeit an haben sie diese Bischöfe nebst allem Zubehör bis in die Mitte des 16ten Jahrhunderts besessen, und zuletzt sogar ihren bleibenden Sitz dahin verlegt gehabt.
Zur Zeit der ersten Besitzer mag die Burg von keiner großen Bedeutung gewesen sein, da sie die alte Sage lediglich ein von geschrotenem Holze aufgeführtes Bollwerk nennt. Ihre notwendige Verstärkung und Verschönerung erhielt sie nach und nach erst unter der bischöflichen und churfürstlichen Regierung. Sie bestand und besteht zum Teil noch aus drei durch Zugbrücken mit einander verbundenen Höfen. Indiese gelangte man jedoch erst durch den Hanewald — dem äußersten Plätze vor der Burg, der ein Außenwerk formierte, und von Bischof Johann III. angelegt war — und durch die mit starken Brustwehren, gewölbten Toren und tiefen Gräben versehene Klengelsburg, einem zweiten, vormals mit dem Hanewalde durch eine Zugbrücke verbunden gewesenen Außenwerke, das Churfürst Georg II. von Sachsen 1675 durch seinen Oberlandbaumeister von Klengel anlegen ließ. Im ersten Hofe befand sich der Donatsturm, von dem aber jetzt keine Spur mehr zu sehen ist, desgleichen der Marstall, der Kornboden, die Marterkammer und eine große Zisterne. Der zweite Hof enthält die Hauptwache, rechts einen dicken Turm, die alte Schöfferei genannt, und links den St. Johannisturm. Diesen hat die Gräfin Kosel merkwürdig gemacht. Sie, die in der Geschichte der Liebeleien des Königs Augusts von Polen eine Hauptfigur ist, wollte einmal in einem Anfalle von Eifersucht den König erschießen. Um von dieser endemischen Krankheit geheilt zu werden, musste sie in diesem Turme ihr Vergehen bereuen lernen. Unter einer humanern Regierung bot man ihr die Freiheit wieder an, allein aus freier Wahl blieb sie und konnte sich nicht entschließen, ihren Aufenthalt, den ihr die Gewohnheit angenehm gemacht hatte, zu verlassen. Hier hatte sie ihren kleinen Garten, eine Treppe hoch ihr Wohnzimmer, noch höher ihre Bibliotek, Boudoir und dergleichen. Als eine Merkwürdigkeit zeigt man noch jetzt ihre damalig häusliche Einrichtung.
Innerhalb des dritten, auch mit dicken Mauern und tiefen Gräben wohlverwahrten Hofes standen die ehemaligen herrschaftlichen Gebäude, welche späterhin die Festungskommandanten bewohnten; nämlich: 1) der Seigerturm, den schon Churfürst August erbauete, der 1714 zum letzten Male repariert ward, und neben welchem ein Destillierhaus stand, worin Anna, Augusts wirtschaftliche Gemahlin, allerhand feingebrannte Wasser abgezogen haben soll. 2) der Siebenspitzenturm, den der Bischof Schönberg von Meißen um die Mitte des 15ten Jahrhunderts erbauete, und mit sieben Spitzen versehen ließ. Nachdem er im 30jährigen Kriege durch Kroaten nebst den andern Burggebäuden mit verbrannte, wusste er zwar wieder aufgebauet, erhielt aber nur Eine Spitze; 3) das Brunnenhaus, welches über dem 143 1/2 Elle tiefen, durch lauter Basalt gebrochenen Brunnen stand; 4) das Zeughaus; 5) das Kunsttürmchen, welches seinen Namen von der darin befindlichen, 1563 angelegten, und vor 15 bis 18 Jahren mit großen Kosten wiederhergestellten Wasserkunst hat, vermöge welcher das durch doppelte, größtenteils eiserne Röhren von dem Dorfe Lauterbach hereingeleitete Wasser den Berg hinauf, und in die Burg getrieben wird; 6) die Schlosskapelle. Sie war der heiligen Barbara gewidmet, wurde im Anfange des 15ten Jahrhunderts vom Bischof Timo von Meißen erbaut, und zugleich ein Kollegial von sieben Kanonicis dabei gestiftet. Schenswert war darin ein prächtiger mit Gemälden und Bildsäulen reich verzierter Hochaltar, und ein in der Mitte der Kapelle stehendes, aus Stein sehr künstlich gearbeitetes großes Kreuz, an welchem sonst ein besonderer Altar stand, der nach der Reformation zum Tauftisch gebraucht wurde. Im Jahr 1591 ließ Churfürst August seinen achten Sohn hier taufen. Die Taufzeugen waren Dr. Peucer, Magister Philipp und die Doktorin Nefe. Was würde man jetzt von einem Fürsten sagen, der solche Personen zu Gevattern bäte? - Außerdem war diese Kapelle ehemals mit vielen heiligen Reliquien reichlich versehen; der Aberglaube, so wie der Unglaube, haben sie aber von hier vertrieben. Im Jahre 1539 wurden die kostbarsten Heiligtümer des Domstifts zu Meißen, worunter sich auch ein leibhaftiger Finger des Apostels Paulus befand, in diese Schlosskirche geflüchtet, weil man fürchtete, dass sie dort, wo die neue Lehre schon so weit um sich gegriffen hatte, nicht mehr vor Zerstörungen sicher sein möchten. Gegen das Ende des Jahres 1558 schickte man sie aber auch von hier wieder fort, nachdem sie während der Carlowitzischen Befehdung vom Pfaffen Niklas Gruner im Bettstroh warm verborgen worden. Jetzt ist die Kapelle in das Amtsarchiv verwandelt. Man sieht aus der beträchtlichen Anzahl der Gebäude, welche zum Stolpener Schlosse gehörten, von welcher Wichtigkeit und von welchem Umfang es war. Von allen steht gegenwärtig nur noch der Amtsschütteboden, der Geigerturm und die Kapelle. —
Von den Schicksalen Stolpens ist aus den ältesten Zeiten her wenig, und dies Wenige noch sehr mangelhaft auf uns gekommen. Nur das wissen wir zuverlässig, dass die Hussiten im Jahre 1429, in der dasigen Gegend große Verheerungen anrichteten, auch das Städtchen Jockrym verbrannten, an die Veste Stolpen sich aber nicht wagten. Wir können daher ganz davon schweigen, und sogleich zur Erzählung der für die Macht der geistlichen Herren in Sachsen überhaupt und für das Stift Meißen insbesondere sehr ungünstige Begenheit übergehen.
Nach dem Tode des Bischofs Niklas II. von Meißen, (ein v. Carlowitz) war Johann IX. (ein Edler von Haugwitz) Bischof geworden. Kaum dass er es war, so sah er sich in Streitigkeiten verwickelt, deren Resultat der Verlust des ganzen Stolpener Gebiets war. Hans von Carlowitz, der Neffe Niklas II., verlangte nämlich von ihm die Herausgabe des von seinem Onkel hinterlassenen Testaments. Johann lieferte auch ein versiegeltes, von seinem Vorfahrer, jedoch noch als Kanonikus, errichtetes Testament, nebst einer mit Geld gefüllten Kiste aus; allein Carlowitz behauptete, dass sein Onkel kurz vor seinem Ableben noch ein Testament gemacht, und im Stolpener Archive niedergelegt habe. Dies müsse ihm herausgegeben werden, und wenn es sich nicht fände, so sei es untergeschlagen. Johann verlangte Beweis und Genugtuung, und war bereit, sich einem rechtlichen Erkenntnisse in dieser Sache zu unterwerfen; Carlowitz aber ließ sich hierauf nicht ein, sondern beschloss, mit Gewalt zu erlangen, was er durch Güte nicht bekommen konnte. Am 13ten September 1558 schickte er ihm einen Fehdebrief zu, und den 14ten schon berannte er Stolpen, um Johann wo möglich persönlich zu fangen. Da dieser Plan aber misslang, indem Johann nach Prag entflohen war, so kühlte er seine Rache durch Verwüstung der bischöflichen Besitzungen. Auch suchte er die Burgknechte, jedoch vergebens, aus der Veste zu locken. Den bischöflichen Räten war jedoch herzlich bange, als sie von oben herab die Verwüstungen des Feindes ansehen mussten. Sie ließen aus dem großen Geschütze drei Notschüsse tun und Sturm läuten, damit die Bauern aus den umliegenden Gegenden zusammenkommen und der Verwüstung Einhalt tun sollten; aber es kam auch nicht Einer. Carlowitz verließ zwar den Stolpener Bezirk auf einige Zeit, um die entfernteren bischöflichen Besitzungen zu durchstreichen, kehrte jedoch, nachdem er sich der Städte Wurzen und Mügeln bemächtigt und sie ausgeplündert hatte, bald zurück, und bedrängte Stolpen und Bischofswerda von neuem, und zwar härter als vorher, weil man ihn, ungeachtet aller geäußerten Versicherungen, sich freundschaftlich benehmen zu wollen, nicht einließ.
Bischof Johann sprach indessen den bedrängten Stolpenern von Prag aus Trost zu. Er verhieß ihnen Hilfe, sie möchten nur ausharren. Allein Carlowitz wurde kühner und dringender; die Hilfe blieb aus, und die zur Verzweiflung gebrachten Einwohner Stolpens sahen sich genötigt, ihren obersten Schutzherrn, den Churfürsten, um Rettung und Beistand anzuflehen. Churfürst August versprach Hilfe; aber erst nach drei vollen Wochen schickte er einen Ausschuß von bewaffneten Alt-Dresdenern und Radeberger Bürgern unter der Anführung des Bruders des Befehders. Ohne Widerrede wurde dieser in die Burg eingelassen, und nahm von ihr im Namen des Churfürsten Besitz. Die Streitigkeiten wurden bald ausgeglichen. Johann musste an Carlowitz 4.000 Gülden zahlen, und alle, welche wahrend der Fehde Verlust gehabt hatten, entschädigen. Carlowitz musste aller Ansprüche auf das Testament seines Onkels entsagen, und alle in Besitz genommene bischöfliche Ortschaften zurückgeben. Letzteres geschah, bis auf die Pflege und Burg Stolpen. Diese hatte der Churfürst einmal in Besitz , und gab sie auch nicht wieder heraus, bot jedoch dem Bischof dafür das Amt, die Stadt und das Kloster Mühlberg an. Was wollte der arme Johann machen, er musste sich schon diesen schlechten Tausch gefallen lassen, wenn er nicht ganz leer ausgehen wollte. Auf diese Art erreichte auch in dieser schönen Pflege Sachsens das geistliche Regiment seine Endschaft.
Dass der Churfürst bei Schlichtung dieses Zwists nicht ganz unparteiisch verfuhr, und sich selbst am wenigsten dabei vergaß, leuchtet in die Augen. Ja, es scheint sogar, dass er die Fehde, wenn auch nicht veranlasse, doch sehr begünstigte; denn er ließ geschehen, das er wohl als Landesherr nicht hatte zulassen sollen: dass seine Vasallen, dass selbst sein Stallmeister, Hans von Carlowitz, so unbarmherzig auf den stiftischen Gütern wirtschaften durfte. Dadurch aber machte er sich am verdächtigsten, dass er sich nicht früher in den Streit mischte, als bis ihn die Stolpener und Bischofswerder um Schutz anriefen, und sich dadurch gewissermaßen schon der bischöflichen Herrschaft begaben. Sein Benehmen bei der ganzen Sache bewies auch nur zu deutlich, dass er dem Carlowitz wohl, und dem Bischof, der sich als einen heftigen Gegner der neuen Kirchenverfassung bewies, und den Fortschritten der Aufklärung in seinem Wirkungskreise alle Hindernisse in den Weg legte, übel wollte; *) dass er ihn zu schwächen, und die schönen Stiftsgüter mit guter Manier an sich zu ziehen suchte. Und so gelang es ihm denn auch, das ansehnliche Stiftsamt Stolpen gegen die weit unbeträchtlicheren Mühlbergschen Klöstergüter einzutauschen.
*) In den finsteren Marterkammern und Gefängnissen auf Stolpen ist mancher protestantische Lehrer, zur Ehre der katholischen Religion, zu Tode gepeinigt worden.
Nach dieser traurigen Periode herrschte sechzig Jahre hindurch Ruhe und Friede in dem Bezirke Stolpens. Das Land erholte sich wieder, die Burg gewann an Bequemlichkeit und Festigkeit, und die Stadt zog aus der öfteren Gegenwart des Churfürsten viele Vorteile. Im dreißigjährigen Kriege litt aber Alles wieder von neuem. Im Jahre 1632 wurde Stolpen von den Kroaten sehr heimgesucht. Sie plünderten die Stadt rein aus, ermordeten, wer sich ihnen widersetzte, wendeten sich dann gegen die Burg, in die sich die mehresten Einwohner mit Weibern und Kindern geflüchtet hatten, drangen mit Sturm durch die niederen drei Tore, bemächtigten sich des Kornbodens, schossen über die Zugbrücke auf die Schießlöcher, konnten aber doch des Platzes nicht Meister werden. Die Belagerten wehrten sich tapfer, und feuerten aus Stücken und Doppelhaken so scharf unter die Feinde, dass der Kroatenanführer Romhof die Burg mit Sturm zu erobern verzweifelte. Er forderte den Burghauptmann durch freundliche, ernste und drohende Worte zur Übergabe auf; allein fruchtlos: man antwortete ihm, vielmehr mit grobem Geschütz. Voll von Wut und Rache gab er Befehl, die Stadt in Brand zu stecken, und bald darauf loderten die Flammen. Ein heftiger Sturm vermehrte das Unglück. Von der Stadtkirche flogen die glühenden Schieferstücken auf die Burg. Der Siebenspitzenturm brannte zuerst, und dann alle äußere Gebäude. In drei schrecklichen Stunden waren sie und die ganze Stadt ein Aschenhaufen, welchen die Barbaren mit Hohngelächter verließen.
Durch den Prager Frieden war Sachsen mit dem Kaiser und seinen Verbündeten wieder versöhnt, aber den Schweden und deren Bundesgenossen verhasst. Banner, der furchtbare schwedische Heerführer, kam im Jahre 1639 mit 6.000 Mann vor Stolpen, und ließ die kaum erst etwas aufgebauete Stadt nebst der Beste zur Übergabe auffordern. Der Burghauptmann Hennig beantwortete diese Aufforderung aus seinem groben Geschütz, behauptete tapfer seinen Platz, musste es aber ruhig geschehen lassen, dass die Stadt wieder angezündet ward, und zur Hälfte wieder abbrannte.
Nach Endigüng des schrecklichen 30jährigen Krieges wurden die abgebrannten Gebäude auf der Burg wieder hergestellt und die Festungswerke noch vermehrt. Auch das Städtchen stieg wieder aus der Asche hervor. Aber bald geriet ein Teil der Stadt und der Veste durch Verwahrlosung, bald durch Blitz in Brand, und am 4ten März 1723 wurden alle innerhalb der Ringmauer befindliche Stadt- und auch einige Burggebäude durch Verwahrlosung binnen zwei Stunden in Asche verwandelt. Ein böser Dämon schien dem Aufkommen des Orts entgegenzustreben. Auch waren die Einwohner durch das vielfache anhaltende Unglück so verarmt, dass es ihnen nur durch Hälfe einer Kollekte möglich war, sie wieder aufzubauen. Die Burggebäude wurden aber nur notdürftig ausgebessert, weil der damalige Landesherr, Friedrich August, König von Polen, die Burg nicht achtete. Er besuchte sie zwar einige Male mit der Gräfin Kosel, bezeichnete aber seine Gegenwart durch nichts als durch Jagen in dem an dem Berge gelegenen Tiergarten, und das letzte Mal durch Schüsse gegen den Basaltfelsen, dessen Festigkeit er probieren wollte.
Im siebenjährigen Kriege soll auf der Burg Stolpen der erste feindliche Preußische Schuss auf Sächsischem Boden geschehen sein. Die Veranlassung dazu und die Geschichte dieses ersten Schusses ist folgende:
Mehrere Jahre vor dem Ausbruche des siebenjährigen Krieges war Stolpen, so wie die andern Landesfestungen, mit einer Kompagnie Invaliden besetzt, deren Kommandant der General von Liebenau war. Dieser erhielt in der Nacht vom 30sten auf den 21sten August 1756 Ordre, die Garnison sogleich ab und auf die damalige Festung Sonnenstein marschieren zu lassen, welches auch geschah. Der Kommandant, ein älterer Kapitain und Lieutenant von der Artillerie, welche auf Stolpen wohnten, blieben allein darauf zurück, und die Einwohner des Dorfs Altstadt mussten, zu Folge uralter Verpflichtungen, einige Mann zur Bewachung stellen. Bis zum 3ten September war Alles ruhig, und Niemand vermutete die von Bischofswerda her an diesem Tage des Abends um 6 Uhr in Stolpen ankommenden Husaren. Fast zu gleicher Zeit war auch der Kommandant von seinem in Langenwolmsdorf liegenden Gute zurückgekommen, und man hatte die Zugbrücke niedergelassen, damit er hereinreiten könnte. Dieser zufällige Umstand allein machte den Husaren die Einnahme der Burg leicht und möglich, da sie außerdem bei aufgezogener Brücke ohne Aufforderung und Infanterie nicht würden hineingekommen sein. Der Obristlieutenant und nachherige Generalmajor von Warnery vom Regiment Ezekuly ritt daher ohne Widerstand in die Burg, denn die wachhabenden Bauern hatten kein geladenes Gewehr. Er ließ Appell blasen, und der Generalmajor von Liebenau kam herunter in den Burghof. Hier forderte ihm Warnery den Degen ab, und in dem Augenblicke, als Liebenau nach dem Degen griff, um ihn abzugeben, schoss der Barbar dem 74jährigen Greis, der an keine Gegenwehr dachte noch denken wollte, mit einer Pistole eine Kugel in den Leib, die dieser auch mit ins Grab nahm.
Dies war der erste feindliche Preußische Schuss auf Sächsischem Boden; dies die zufällig leichte Einnahme einer unschuldigen Veste, woraus Warnery in seiner Relation davon eine große Heldentat macht, und, mit vielfachen Unwahrheiten verbrämt, die Geschichte dieses Coups in einem ganz verfälschten Lichte darstellt, ohne zu bedenken, dass die Alles entüllende Zeit auch diese Großsprechereien auf ihr Nichts zu rückführen würde. Das Warnery'sche Gefolge hinterließ auf Stolpen auch kein gutes Andenken. Er führte die metallenen Kanonen hinweg, warf die eisernen, nebst Gewehren und Munition, in den Brunnen, zerstörte die schöne Wasserleitung im Tiergarten, und riss an den Gebäuden und Festungswerken nieder, was es bis zu seinem am 18ten September erfolgten Abzüge niederzureißen vermochte.
Seit dieser Zeit ist nichts wieder aufgebauet, vielmehr ein großer Teil der Werke im Jahr 1787 abgetragen worden. Und so geht das schöne und veste Stolpen seinem gänzlichen Untergange entgegen. Der Tiergarten, unter der Burg, anfangs zu einem Baumgarten bestimmt, enthielt bis zum siebenjährigen Kriege indianisches und Dammwildpret. Jetzt ist eine herrschaftliche Schäferei darin, aus welcher alle Untertanen zur Veredlung ihrer Schaafzucht Böcke und Mutterschaafe erhalten können.
Merkwürdig ist auch noch der so regelmäßig gebildete Basalt, aus welchem der Berg besteht. Der Berg läuft von allen Seiten sanft an; erst da, wo der Basalt anfängt, der auf der obern Kuppe hervorragt, erhebt er sich auf einmal steil. Auf dem Bruche ist der Basalt grobkörnig und mit vielen glänzenden, schwarzen, glasartigen Punkten oder sogenannten Schörlkörpern vermischt, die aber sehr klein sind, und am Stahle Feuer geben. Die Säulen ragen am Tage zu 25 bis 30 Fuß hervor, haben 6 bis 12 Zoll im Durchschnitt, sind fünfeckig, selten sechs oder achteckig, durchgängig von ganzer Masse, und durch keine horizontale Spaltungen getrennt. Er wird von grobkörnigem Granit, mit verschiedenen braunen Quarzdrusen durchsetzt, begleitet, ohne dass man die Grenzen beider Gesteine bestimmen kann. Nach dem im Schlosse befindlichen Brunnen, der durch lauter Basalt gebrochen ist, zu urteilen, ist jede der Säulen, welche zu Tage aussteht, ein ununterbrochenes Ganzes, ohne Querspaltung von mehr als 312 Fuß Länge. An 500 Fuß Tiefe hat der Brunnen noch. Ein hineingeworfener Stein verursacht ein donnerähnliches Gepolter. Durch die öftern Wiederholungen dieses Versuchs ist er schon zur Hälfte mit Steinen angefüllt, und wird mit der Zeit ganz dadurch verschüttet werden. Da der Basalt viele Festigkeit hat, so findet man im Städtchen Stolpen viele Häuser davon erbaut, und auch die Straßen damit gepflastert. Die Aussicht von Stolpen ist zwar ausgebreitet, aber ohne Interesse.
Schlenkerts wahlerische Skizzen von Deutschland, 1stes Heft, 1794; Leonhardi's Erdbeschreibung der sächsischen Lande, 2ter Th., und die bereits in den Anmerkungen oben genannten Werke habe ich bei Vorstehendem benutzt. In Schlenkerts Skizzen findet sich eine von C. A. Günter in Dresden gestochene Ansicht des Stolpener Schlosses in Querfolio, die brav gearbeitet und treu ist. Eine zweite, in doppelt so großem Formate und koloriert, hat Wiziani in Meißen geliefert. Eine dritte gibt es im ersten Hefte der Ansichten sächsischer und böhmischer Gegenden, von Ferdinand Müller, Querfolio. Leipzig, 1798. Beide Hefte kosten 6 Rhlr. Sie stellt die Ruine sehr treu und ganz in der Nähe vor. Bei Rittner in Dresden kostet sie 4 Rtlr. Außerdem gibt es noch einige kleinere Abbildungen, die aber unbedeutend sind.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ritterburgen und Bergschlösser Deutschlands - Band 1