Gleisberg oder Kunitzburg
So vergehen alle die Werke der Menschen!
So verschwinden die Reiche und die Nationen.
Volney.
Wenig mehr als einige historische Bruchstücke kann ich von dieser bei der Universitätsstadt Jena gelegenen Burg mitteilen; dennoch glaube ich aber, dass siie von denen, die einst ihre Jugendjahre in Jena verlebten und die Kunitzburg wohl nicht unbesucht ließen, willkommen geheißen werden dürfte. Bei ihnen erwecken sie vielleicht manche liebe Erinnerung an Stunden des Genusses und der Freude in diesen Mauern: Erinnerungen an jene glückliche Periode der Tauschung, wo dem jungen Manne die ganze Welt noch angehört, für ihn nur da zu sein scheint. Wie mancher hochfliegende Plan mag in ihren Trümmern geträumt, wie manchem Jünglinge die Brust von dunkeln wehmütig-frohen Gefühlen gehoben worden sein, wenn er im halb verfallenen Fenster lag und hinabblickte in die schöne romantische, vor ihm ausgebreitete, von der Saale durchströmte Ebene! Mit was für schönen Vorsätzen mag sich hier mancher seinen künftigen Lebensplan entworfen haben, und wie sehr fand er sich beim Eintritt in die Geschäftswelt getäuscht! —
Gleisberg liegt eine Stunde von Jena. In älteren Zeiten hieß es Glizberg, Glisberg; jetzt nennt man es die Kunitzburg, von dem darunter gelegenen ehemaligen Städtchen und jetzigen Dorfe Kunitz. Seinen Ursprung hat es ohne Zweifel irgend einem deutschen Könige oder Kaiser im 10ten, wo nicht schon im 9ten Jahrhundert zu danken, und es ist wahrscheinlich, dass die Kaiser diese Burg gewissen Kommandanten oder Vögten anvertrauten, welche nachher das Eigentum des Schlosses nebst einigem Zubehör an sich gebracht! und alsdann ihren Geschlechtsnamen davon angenommen haben.
Diese Herren von Gleisberg, welche einige Jahhunderte hindurch in bekannten Urkunden häufig vorkommen, haben den Historikern viel zu schaffen gemacht. Bald sollten es Grafen, dann domini oder advokati de Glitzberg, dann wieder gemeine Edelleute oder Vögte gewesen sein, und keine dieser Meinungen konnte ganz unumstößlich bewiesen werden. Wir wollen die alten Herren sich streiten lassen, besonders da in keiner Urkunde die geringste Nachricht zu finden ist, dass die Gleisberge Besitzer des Schlosses waren, von welchem hier gesprochen werden soll.
Im Jahre 1290, wo Kaiser Rudolph verschiedene thüringische Bergvesten, welche in Raubschlösser ausgeartet waren, zerstören ließ, soll Gleisberg mit darunter gewesen sein. Es scheint jedoch, dass es seinen Inhabern nur abgenommen, als ein ursprünglich kaiserliches und Reichsschloss eingezogen, und allenfalls nur die Festungswerke, nicht das Schloss selbst, demoliert wurden. Dies wird dadurch wahrscheinlich, weil das Schloss einige Zeit nachher noch eine brauchbare Veste, oder, wenn es auch bei jener Eroberung beschädigt worden sein sollte, doch unter den Regierungen der folgenden Kaiser in guten Stand gesetzt worden war. Denn im Jahre 1327 wurde es vom Kaiser Ludwig IV. dem damaligen Herrn Reußen Vogt von Plauen, zuverlässig nicht als ein verwüstetes, sondern als ein zum Dienste für Kaiser und Reich taugliches Haus in der Absicht eigentümlich und erblich übereignet, dass er und seine Erben mit dem Schlosse dem damaligen und allen folgenden Kaisern auf Erfordern dienen und aufwarten solle. Im Besitze der beiden Urkunden und Lehnbriefe, welche der Beschenkte darüber erhielt, und die zu Pisa ausgestellt sind, ist das fürstliche Haus Reuß zu Greiz noch jetzt, im Besitze des Schlosses aber nicht mehr.“
Reuß von Plauen erhielt mit dem Schlosse auch den dazu gehörigen Bezirk und alle von diesem Besitze abhängende Gerechtsame. Der Umfang, welchen diese Herrschaft, hatte, läßt sich aber nicht mehr genau angeben; doch lässt sich vermuten, dass die meisten um Gleisberg herum liegenden Orte dazu gehört haben, und der Gerichtsbarkeit, oder, wie es genannt wurde, der Vogtei, des Besitzers desselben unterworfen gewesen sind. Nach dieser Zeit findet man nichts mehr von einer kaiserlichen Belehnung, und es müssen in der Folge, in Rücksicht der Lehnsabhängigkeit Gleisbergs, Veränderungen eingetreten sein, wovon aber nichts Genaues bekannt ist. Überhaupt ist von dem, was mit diesem Schlosse und der dazu gehörigen Herrschaft zwischen 1290 bis 1327, wo es sich in kaiserlichen Händen unmittelbar befand, und hernach während des Reußischen Besitzes vorgegangen, keine zuverlässige Nachricht aufzufinden. So viel ist gewiss, dass die Reußischen Nachkommen Gleisberg noch in der zweiten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts als Eigentum besaßen. Nach dieser Zeit kam es an das markgräflich Meißnische und landgräflich Thüringsche Haus. Unter welchen Umständen dies geschah, ist nicht zu bestimmen. Wahrscheinlich ist es, dass Gleisberg, nachdem das markgräfliche Haus auf irgend eine Art die Lehnsherrlichkeit darüber erlangt hatte, nach dem Tode zweier Reußischen Brüder zu Ende des vierzehnten Jahrhunderts an jenes Haus als eröffnetes Lehn zurückfiel.
1405 verpfändete Markgraf Wilhelm die Gleisbergschen Schlossgüter zu Kunitz an die Familie, von Buttelstädt. Nach seinem Tode kam dieser Distrikt, in der Länderteilung von 1410, an Landgraf Friedrich den jüngern oder Friedfertigen in Thüringen, der ihn 1429 an seine Vettern, den Churfürsten zu Sachsen Friedrich den Gütigen und Herzog Sigismund, verkaufte. Herzog Johann Wilhelm III. belieh hierauf 1450, die Familie von Vitzthum und einen von Witzleben mit dem bis dahin wüste gelegenen Schlosse unter der Bedingung, es wieder aufzubauen und wider seinen Bruder, den Churfürsten Friedrich II. von Sachsen, mit welchem er Krieg führte, zu gebrauchen. Drei Jahre später aber schlossen die Brüder Friede, und nun wurden die Vitztume zur Erkenntlichkeit aus dem Lande gejagt, Weisberg nebst allen ihren sonstigen Besitzungen in Thüringen und Weißen ihnen abgenommen und ersteres wieder zerstört. Seit dieser Zeit liegt es in Ruinen. Seit 1485 ist die Herrschaft Gleisberg zum Amte Jena geschlagen worden, und gehört jetzt dem Hause Sachsen-Weimar. Der Name Gleisberg hat allmählig dem der Kunitzburg weichen müssen, und jener ist nun gänzlich verschwunden.
Die noch vorhandenen Reste dieser Burg liegen ganz vorn auf der Felsenstirn des Berges, welcher der Gleis- oder auch Kunitzer-Berg genannt wird, und seinen Fuß in die Saale streckt. Aus den noch sichtbaren Fragmenten der äußern Mauer kann man den Umfang entnehmen, den die Burg hatte. Die Aussicht ist durch unendlicheFülle an Mannigfaltigkeit und durch den Blick auf einen großen Teil des lieblichen Saaltals entzückend schön. Vorn unter dem schroffen Abgrund das freundliche wohlhabende Dorf Kunitz, von seinen reichlichen Äckern, Obstgärten und Rebenhügeln umgeben; dann das weite, zu beiden Seiten stundenlang ausgedehnte Tal mit der von Dorf zu Dorf durch Wiesen und Fluren sich schlängelnden Saale und Landstraße. Gegenüber eine Kette von Bergen, über welche mehrere Dörfer oder Meiereien, und rechter Hand, ganz am Ende, das Schloss nebst dem Städtchen Dornburg hervorragen.
An einen hohen Turm schließt sich eine hohe Wand mit zwei Fensteröffnungen an, in denen noch jetzt die steinernen Sitze entalten sind, von welchen vielleicht mancher Ritter oder manches Burgfräulein forschend oder liebend hinabblickte. Von hier sieht man aufwärts im Saaltale die Stadt Jena liegen.
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Ein Aufsatz über Gleisberg im Oktoberstück der Sächsischen Provinzialblätter von 1800 hat mir größtenteils den Stoff zu Vorstehendem geliefert.
Die beste mir bekannte Abbildung der Ruinen findet man in den malerischen Ansichten aus der Gegend der Universitätsstadt Jena, von J. Roux, I. Heft. Jena, 1826. Querfol., von Roux gezeichnet und gestochen.
So verschwinden die Reiche und die Nationen.
Volney.
Wenig mehr als einige historische Bruchstücke kann ich von dieser bei der Universitätsstadt Jena gelegenen Burg mitteilen; dennoch glaube ich aber, dass siie von denen, die einst ihre Jugendjahre in Jena verlebten und die Kunitzburg wohl nicht unbesucht ließen, willkommen geheißen werden dürfte. Bei ihnen erwecken sie vielleicht manche liebe Erinnerung an Stunden des Genusses und der Freude in diesen Mauern: Erinnerungen an jene glückliche Periode der Tauschung, wo dem jungen Manne die ganze Welt noch angehört, für ihn nur da zu sein scheint. Wie mancher hochfliegende Plan mag in ihren Trümmern geträumt, wie manchem Jünglinge die Brust von dunkeln wehmütig-frohen Gefühlen gehoben worden sein, wenn er im halb verfallenen Fenster lag und hinabblickte in die schöne romantische, vor ihm ausgebreitete, von der Saale durchströmte Ebene! Mit was für schönen Vorsätzen mag sich hier mancher seinen künftigen Lebensplan entworfen haben, und wie sehr fand er sich beim Eintritt in die Geschäftswelt getäuscht! —
Gleisberg liegt eine Stunde von Jena. In älteren Zeiten hieß es Glizberg, Glisberg; jetzt nennt man es die Kunitzburg, von dem darunter gelegenen ehemaligen Städtchen und jetzigen Dorfe Kunitz. Seinen Ursprung hat es ohne Zweifel irgend einem deutschen Könige oder Kaiser im 10ten, wo nicht schon im 9ten Jahrhundert zu danken, und es ist wahrscheinlich, dass die Kaiser diese Burg gewissen Kommandanten oder Vögten anvertrauten, welche nachher das Eigentum des Schlosses nebst einigem Zubehör an sich gebracht! und alsdann ihren Geschlechtsnamen davon angenommen haben.
Diese Herren von Gleisberg, welche einige Jahhunderte hindurch in bekannten Urkunden häufig vorkommen, haben den Historikern viel zu schaffen gemacht. Bald sollten es Grafen, dann domini oder advokati de Glitzberg, dann wieder gemeine Edelleute oder Vögte gewesen sein, und keine dieser Meinungen konnte ganz unumstößlich bewiesen werden. Wir wollen die alten Herren sich streiten lassen, besonders da in keiner Urkunde die geringste Nachricht zu finden ist, dass die Gleisberge Besitzer des Schlosses waren, von welchem hier gesprochen werden soll.
Im Jahre 1290, wo Kaiser Rudolph verschiedene thüringische Bergvesten, welche in Raubschlösser ausgeartet waren, zerstören ließ, soll Gleisberg mit darunter gewesen sein. Es scheint jedoch, dass es seinen Inhabern nur abgenommen, als ein ursprünglich kaiserliches und Reichsschloss eingezogen, und allenfalls nur die Festungswerke, nicht das Schloss selbst, demoliert wurden. Dies wird dadurch wahrscheinlich, weil das Schloss einige Zeit nachher noch eine brauchbare Veste, oder, wenn es auch bei jener Eroberung beschädigt worden sein sollte, doch unter den Regierungen der folgenden Kaiser in guten Stand gesetzt worden war. Denn im Jahre 1327 wurde es vom Kaiser Ludwig IV. dem damaligen Herrn Reußen Vogt von Plauen, zuverlässig nicht als ein verwüstetes, sondern als ein zum Dienste für Kaiser und Reich taugliches Haus in der Absicht eigentümlich und erblich übereignet, dass er und seine Erben mit dem Schlosse dem damaligen und allen folgenden Kaisern auf Erfordern dienen und aufwarten solle. Im Besitze der beiden Urkunden und Lehnbriefe, welche der Beschenkte darüber erhielt, und die zu Pisa ausgestellt sind, ist das fürstliche Haus Reuß zu Greiz noch jetzt, im Besitze des Schlosses aber nicht mehr.“
Reuß von Plauen erhielt mit dem Schlosse auch den dazu gehörigen Bezirk und alle von diesem Besitze abhängende Gerechtsame. Der Umfang, welchen diese Herrschaft, hatte, läßt sich aber nicht mehr genau angeben; doch lässt sich vermuten, dass die meisten um Gleisberg herum liegenden Orte dazu gehört haben, und der Gerichtsbarkeit, oder, wie es genannt wurde, der Vogtei, des Besitzers desselben unterworfen gewesen sind. Nach dieser Zeit findet man nichts mehr von einer kaiserlichen Belehnung, und es müssen in der Folge, in Rücksicht der Lehnsabhängigkeit Gleisbergs, Veränderungen eingetreten sein, wovon aber nichts Genaues bekannt ist. Überhaupt ist von dem, was mit diesem Schlosse und der dazu gehörigen Herrschaft zwischen 1290 bis 1327, wo es sich in kaiserlichen Händen unmittelbar befand, und hernach während des Reußischen Besitzes vorgegangen, keine zuverlässige Nachricht aufzufinden. So viel ist gewiss, dass die Reußischen Nachkommen Gleisberg noch in der zweiten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts als Eigentum besaßen. Nach dieser Zeit kam es an das markgräflich Meißnische und landgräflich Thüringsche Haus. Unter welchen Umständen dies geschah, ist nicht zu bestimmen. Wahrscheinlich ist es, dass Gleisberg, nachdem das markgräfliche Haus auf irgend eine Art die Lehnsherrlichkeit darüber erlangt hatte, nach dem Tode zweier Reußischen Brüder zu Ende des vierzehnten Jahrhunderts an jenes Haus als eröffnetes Lehn zurückfiel.
1405 verpfändete Markgraf Wilhelm die Gleisbergschen Schlossgüter zu Kunitz an die Familie, von Buttelstädt. Nach seinem Tode kam dieser Distrikt, in der Länderteilung von 1410, an Landgraf Friedrich den jüngern oder Friedfertigen in Thüringen, der ihn 1429 an seine Vettern, den Churfürsten zu Sachsen Friedrich den Gütigen und Herzog Sigismund, verkaufte. Herzog Johann Wilhelm III. belieh hierauf 1450, die Familie von Vitzthum und einen von Witzleben mit dem bis dahin wüste gelegenen Schlosse unter der Bedingung, es wieder aufzubauen und wider seinen Bruder, den Churfürsten Friedrich II. von Sachsen, mit welchem er Krieg führte, zu gebrauchen. Drei Jahre später aber schlossen die Brüder Friede, und nun wurden die Vitztume zur Erkenntlichkeit aus dem Lande gejagt, Weisberg nebst allen ihren sonstigen Besitzungen in Thüringen und Weißen ihnen abgenommen und ersteres wieder zerstört. Seit dieser Zeit liegt es in Ruinen. Seit 1485 ist die Herrschaft Gleisberg zum Amte Jena geschlagen worden, und gehört jetzt dem Hause Sachsen-Weimar. Der Name Gleisberg hat allmählig dem der Kunitzburg weichen müssen, und jener ist nun gänzlich verschwunden.
Die noch vorhandenen Reste dieser Burg liegen ganz vorn auf der Felsenstirn des Berges, welcher der Gleis- oder auch Kunitzer-Berg genannt wird, und seinen Fuß in die Saale streckt. Aus den noch sichtbaren Fragmenten der äußern Mauer kann man den Umfang entnehmen, den die Burg hatte. Die Aussicht ist durch unendlicheFülle an Mannigfaltigkeit und durch den Blick auf einen großen Teil des lieblichen Saaltals entzückend schön. Vorn unter dem schroffen Abgrund das freundliche wohlhabende Dorf Kunitz, von seinen reichlichen Äckern, Obstgärten und Rebenhügeln umgeben; dann das weite, zu beiden Seiten stundenlang ausgedehnte Tal mit der von Dorf zu Dorf durch Wiesen und Fluren sich schlängelnden Saale und Landstraße. Gegenüber eine Kette von Bergen, über welche mehrere Dörfer oder Meiereien, und rechter Hand, ganz am Ende, das Schloss nebst dem Städtchen Dornburg hervorragen.
An einen hohen Turm schließt sich eine hohe Wand mit zwei Fensteröffnungen an, in denen noch jetzt die steinernen Sitze entalten sind, von welchen vielleicht mancher Ritter oder manches Burgfräulein forschend oder liebend hinabblickte. Von hier sieht man aufwärts im Saaltale die Stadt Jena liegen.
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Ein Aufsatz über Gleisberg im Oktoberstück der Sächsischen Provinzialblätter von 1800 hat mir größtenteils den Stoff zu Vorstehendem geliefert.
Die beste mir bekannte Abbildung der Ruinen findet man in den malerischen Ansichten aus der Gegend der Universitätsstadt Jena, von J. Roux, I. Heft. Jena, 1826. Querfol., von Roux gezeichnet und gestochen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ritterburgen und Bergschlösser Deutschlands - Band 1