Rinderverteilung im Indianerterritorium

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1921
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Amerika, Ureinwohner, Indianer, Reservat, Rinder, Büffeljagd, Rothäute,
Westlich vom Mississippi, zwischen Arkansas, Kansas und Texas, liegt das Gebiet der Nordamerikanischen Union, das im Jahr 1837 nach harten Kämpfen von der Regierung der Vereinigten Staaten den einstigen Herren des Landes, den besiegten und verdrängten Indianern „für alle Zeiten“ überlassen wurde. In Frieden hat man sie freilich auch nach der Einschränkung auf die zugewiesenen Territorien noch längst nicht gelassen. Jahrzehntelang überboten sich die Machthaber in der brutalsten Geltendmachung ihres Herrenstandpunktes, die — zumal die störrischen Rothäute zur Anpassung kein Talent zeigten — auf allmähliche, aber völlige Ausrottung hinausgelaufen wäre, wenn nicht endlich in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, besonders nach dem energischen Eingreifen des damaligen Ministers, des verdienstvollen Karl Schurz, eine menschenfreundlichere Behandlung eingesetzt hätte.

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Die aufgezwungene Zivilisation, vor allem ihre zweifelhaften Güter Branntwein und Rassenvermischung, nicht zuletzt eingeschleppte Geschlechtskrankheiten haben aber unter den Stämmen furchtbar aufgeräumt. Kaum ein Drittel des Territoriums ist gutes Ackerland und Wald, ein zweites Drittel eignet sich zur Viehzucht; aber in dem übrigen unwirtlichen Gebiet können die Indianer ohne regelmäßige Unterstützung der Union nicht bestehen. Von Zeit zu Zeit werden an bestimmten Tagen Lebensmittel, vor allem Mehl, Kaffee, Zucker, an die in langen Zügen mit ihren Packeseln herbeigeeilten und mit Tragkörben aller Art ausgerüsteten „Squaws“, die Indianerfrauen, verteilt. Der Zudrang ist so ungestüm, dass die berittene Eingeborenenpolizei zur Not Ordnung schaffen kann. Auf phantastisch aufgezäumten Rossen oder langohrigen Maultieren sprengen die männlichen Indianer heran, gravitätisch und stolz, als wären sie tributfordernde Sieger, nicht arme, unterdrückte Kostgänger.

Der Höhepunkt des wildbewegten Schauspiels ist die Verteilung der Rinder. Auf einem umzäunten Platz wird eine Herde Stiere zusammengetrieben. In Begleitung eines Offiziers besichtigt der Beamte die Wiederkäuer, die durch eine schmale Pforte auf die Waage getrieben werden, wo ihnen der Stempel I. D. (Indian Department) eingebrannt wird. Vor dem Ausgang halten sich die Rothäute auf ihren Gäulen, meist mit Revolvern bewaffnet, zum Empfang bereit. Der Agent verliest eine Liste, und der Polizist bezeichnet jedem das ihm zugeteilte Stück. Flugs hängt der Beglückte seinem Rind einen bunten Fetzen an das Horn oder schneidet ihm über den Zaun weg ein Stück vom Ohr ab. Ist der letzte Name verlesen, so öffnet sich das Ausgangstor, und mit elementarer Wucht drängen und stürzen die vor Wut und Angst toll gewordenen Stiere hinaus auf die Steppe. Das gibt ein Fest, wie Indianerblut es sich wünscht. Als ginge es zur Büffeljagd wie ehemals in Wildwest, so hetzen die berittenen Rothäute hinter den Ausreißern her, um sie mit Schuss und Stoß zur Strecke zu bringen. Ist das Fell von Kugeln zerlöchert, dann eilen die Frauen herbei, um das Tier zu zerlegen und auf dem eigenen Rücken oder dem des Esels die willkommene Ration ins heimatliche Wigwam zu bringen.

Indianer, Rinderverteilung im Indianerterritorium

Indianer, Rinderverteilung im Indianerterritorium