Rettung von der englischen Krankheit und der Tuberkulose. Mit acht Bildern.

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1922
Autor: Joachim Pezet, Erscheinungsjahr: 1922

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Tuberkulose, Volksgesundheit, Massenansteckung, Hunger, Wissenschaft, Höhensonne, Bestrahlung, Heilstätten, Hochgebirge, Heilung, Lungenleiden, Höhensonne, Sonnenheilkunde
Durch das feige Kampfmittel der Hungerblockade ist Deutschland so schwer an seiner Volksgesundheit geschädigt worden, dass die Tuberkulose unsere größte Gefahr, unser gefährlichster Feind genannt werden muss. Grauenvoll sind auch die Wirkungen der Rachitis, der englischen Krankheit. Die Schädigungen des Hungerkrieges sind noch nicht zu Ende; der Volkskörper wird noch schwer damit zu ringen haben. Im Verhältnis zu 1913 zeigte das Jahr 1917 ein Steigen der Gesamtsterblichkeit um 32 Prozent, das folgende Jahr um 37 Prozent. Für die Altersstufen zwischen fünf und fünfzehn Jahren nahm die Zahl der Todesfälle gegen 1913 um 45 Prozent zu. Im ersten Halbjahr 1918 waren mehr Tuberkulosefälle zu verzeichnen als im Ganzen Jahr 1913. Damit sind wir in der Tuberkulosebekämpfung wieder auf den Stand vor fünfundzwanzig Jahren zurückgekommen.

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Inhaltsverzeichnis
Schlimmer als in Deutschland steht es in Österreich, denn dort war vor dem Kriege die Bekämpfung des mörderischen Leidens noch äußerst rückständig. In Wien ergab sich in den Jahren 1917/18 im Vergleich zu dem Zustand von 1913/14 bei Kindern im Alter von sechs bis zehn Jahren eine Zunahme der Sterblichkeit an Tuberkulose um 55 Prozent, von elf bis fünfzehn Jahren um 95 Prozent, im Alter von sechzehn bis zwanzig Jahren um 160 Prozent und im Alter von einundzwanzig bis fünfundzwanzig Jahren um 120 Prozent! Die gewaltige Steigerung der Tuberkulosefälle ist nicht auf neue Massenansteckungen, sondern auf rasche Entwicklung und schnellen Verlauf von vorhandenen Anlagen durch Hungereinwirkung und Überanstrengungen zurückzuführen.

Diese Zustände wird man in Frankreich mit Befriedigung wahrnehmen, denn von Clemenceau*) ist das Wort gefallen: „Noch leben zwanzig Millionen Menschen zu viel in Deutschland!“ Nicht nur in Frankreich freut man sich dieser „Erfolge“ einer barbarischen Behandlung, die man mit sadistischem Behagen im Frieden fortsetzt. Zynisch bemerkte eine englische Zeitung: „In zwanzig Jahren wird das deutsche Volk an der „englischen Krankheit“ als einer Folge der Hungerblockade zugrunde gehen.“

*) https://de.wikipedia.org/wiki/Georges_Clemenceau

Die beiden Nationen bedenken dabei nicht, dass es in Deutschland eine hochentwickelte Wissenschaft und Technik gibt, deren Ergebnisse wir nur zu nützen brauchen, um diese Hoffnungen zuschanden zu machen. Die Rachitis kann geheilt werden, und bei der Tuberkulose besteht begründete Aussicht, ihre zerstörende Wirkung so weit zu hemmen, dass die Lebensmöglichkeit erhöht und die erschreckende Sterblichkeitsziffer bedeutend herabgedrückt zu werden vermag. Es handelt sich nur darum, sich der Hilfsmittel zu bedienen, die uns Wissenschaft und Technik geschaffen haben. Der Staat und alle wohlgeleiteten Gemeinwesen dürfen den schweren Vorwurf nicht wider sich erheben lassen, ihre Pflichten am Wertvollsten, der Volksgesundheit, versäumt zu haben. Die Behandlung mit künstlicher Bestrahlung mit ultraviolettem Licht muss zum Allgemeingut der leidenden Menschen werden. Die im Jahre 1905 entstandene Hanauer Quecksilberdampflampe aus geschmolzenem Bergkristall (Quarz) kann auf medizinischem Gebiete nur verglichen werden mit der epochemachenden Entdeckung der X-Strahlen durch Professor Röntgen, der Großtat deutscher wissenschaftlicher Forschung. Ohne Röntgenbehandlung wäre die moderne Medizin nicht mehr denkbar. Und so wird es auch bald nicht mehr möglich sein, ohne Bestrahlung mit künstlicher Höhensonne auszukommen.

Heute ist es allgemein bekannt, von welch hoher Bedeutung bei Tuberkulose die vorbeugende Behandlung im Hochgebirgsklima ist. Die Hochgebirgssonne ist der großartigste Heilfaktor, den uns die Natur als Tuberkulosebekämpfungsmittel bietet. Wer kennt nicht den Ruf von Davos, Samaden, Arosa, St. Moritz, Leysin und anderen Heilstätten? Hat man nun immer an die Heilkraft dieser Höhenlagen geglaubt? — Im fünften Bande seiner 1918 erschienenen „Strahlentherapie“ schreibt Heusner: „Als Spengler 1869 die Landschaft Davos gegen die Lungenschwindsucht empfahl, wurden seine Beweise für die Erfolge des Hochgebirges skeptisch ausgenommen. Man hatte früh er gelesen, dass Bergsteiger in den Kordilleren in Höhen von fünftausend Meter und mehr aus Nase und Ohren geblutet hatten, und zog daraus den Schluss, dass Lungenkranke in einer Höhe von fünfzehnhundert Meter Blutungen bekommen müssten. Ganz besonders aber fürchtete man die schlimmen Folgen der Kälte. Wohl hatte Dr. Brehmer in Eröbersdorf einer neuen Theorie der Lungentuberkulose Bahn gebrochen, aber im Hochgebirge, beinahe sechzehnhundert Meter über dem Meer, Lungenkranke nicht nur den Sommer, sondern auch den Winter verbringen zu lassen und ihnen Heilung in Aussicht zu stellen, erschien damals fast allgemein als Widersinnigkeit. Noch allzu fest stand das Dogma, dass die Kälte, „der schlimmste Feind der kranken Lunge sei“. In der ärztlichen Welt fand deshalb das kleine Schriftchen keine allzu freundliche Aufnahme. Man spottete des Verfassers, oder man erklärte seinen Versuch, Lungenleidende ins Hochgebirge zu locken, geradezu für strafwürdig. Während ein großer Teil der ärztlichen Welt der „Hochgebirgstherapie“ noch immer mit ablehnender Kritik begegnete, errang die Hochgebirgspraxis ihre unleugbaren Erfolge.“ Dazu bemerkt der bereits angeführte Heusner: „Geht es nicht mit der Lichtbehandlung ebenso?“

Das Sonnenbad gehört seit Jahren zu den wissenschaftlich anerkannten und geschätzten Heilfaktoren bei verschiedenen Leiden. Seine Wirkung — wie sicher festgestellt ist — beruht nicht lediglich auf der Sonnenwärme, das heißt auf den roten, warmen, sondern auf den unsichtbaren — aber experimentell vom Physiker nachzuweisenden — ultravioletten, kalten Lichtstrahlen. Diese sind besonders im Sonnenlicht der reinen Höhenluft enthalten. Im Dunstkreis der Erde werden sie von Rauch und Staub absorbiert, „eingeschluckt“, und fehlen fast ganz im Sonnenlicht der Ebene. Deshalb werden auch durch Höhensonnenbäder weit günstigere Erfolge erzielt als durch Sonnenbäder im Mittelgebirge und in der Ebene.

Zwei Schweizer Ärzte, Dr. Bernhard im Höhenkurort Samaden im Engadin und Dr. Rollier in Leysin in der Französischen Schweiz, haben die Höhensonnenbehandlung wissenschaftlich begründet. Sie erzielten so außerordentliche, wunderbar anmutende Heilerfolge bei den äußeren sogenannten chirurgischen Tuberkuloseformen, dass die operative Behandlung dieser Leiden fast gänzlich der Methode der Bestrahlung weichen musste. Selbst Kranke mit schwerer Knochentuberkulose, in traurigstem Zustande eingeliefert, bei denen die Operation vergeblich schien, sind völlig genesen. Rolliers Erfolge wirkten bahnbrechend für die neuere Sonnenheilkunde.

Die besondere Wirkung der ultravioletten Lichtstrahlen der natürlichen Höhensonne war bekannt; man kam deshalb auf den Gedanken, künstlich erzeugte Höhensonne anzuwenden. Und es ist nun möglich, den Hauptheilfaktor des Hochgebirgsklimas, die Hochgebirgssonne, die Höhensonne, künstlich zu ersetzen! Seit 1906 ist von Professor Kromayer zur Behandlung von Hautleiden die sogenannte Kromayerlampe aus Quarz als ausgezeichnete Lichtquelle für ultraviolette Strahlen eingeführt worden Heute wird durch die Quarzlampengesellschaft in Hanau, eine Tochtergründung der bekannten Platinschmelze W. L. Heraeus in Hanau und der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft Berlin, die sogenannte Hanauer oder — nach ihrem Erfinder, dem Physiker Dr. Küch in Hanau, benannte — Küch-Quarzlampe hergestellt. In einem luftleeren, durchsichtigen Rohr aus geschmolzenem Bergkristall wird Quecksilberdampf durch elektrischen Strom zu höchster Glut gebracht und dadurch ein Licht von außerordentlicher Stärke erzeugt. Diese nur für Ärzte oder Kliniken bestimmten neuen Bestrahlungsapparate senden ohne lästige Hitzeentwicklung mehr heilkräftige, kalte, unsichtbare Lichtstrahlen aus als die natürliche Sonne im Hochgebirge. Den Hauptfaktor der Hochgebirgskuren künstlich erzeugt zu haben, ist eine große Errungenschaft der deutschen Technik. Sie wird ihren Weg auch dorthin finden, wo man uns zu vernichten sucht. Die medizinische Anwendung der „künstlichen Höhensonne“, die sogenannte Ultraviolett-Therapie, wurde von den deutschen Universitätsprofessoren Jesionek in Giesten, König in Marburg, Hagemann in Würzburg, Vulpius in Heidelberg, Ludloff in Frankfurt a. M., Biesalski, Huldschinsky und Langstein in Berlin ausgearbeitet und kommt in ihrer Wirkung einem längeren Aufenthalt in Hochgebirgskurorten gleich. Die Bestrahlung mit „künstlicher Höhensonne“ ersetzt den unerschwinglich gewordenen Kuraufenthalt im Hochgebirge und erzielt nicht nur bei der Behandlung von Rachitis, sondern bei vielen anderen Leiden außerordentliche Heilerfolge, auch bei Fällen, in denen andere Behandlungsweisen versagen, namentlich bei Knochentuberkulose und Tuberkuloseverdacht.

Medizin, Bestrahlung mit künstlicher Höhensonne im Sanatorium des Geheimen Sanitätsrats Dr. Köhler in Bad Elster

Medizin, Bestrahlung mit künstlicher Höhensonne im Sanatorium des Geheimen Sanitätsrats Dr. Köhler in Bad Elster

Medizin, Bestrahlung mit künstlicher Höhensonne

Medizin, Bestrahlung mit künstlicher Höhensonne

Medizin, Bestrahlungshalle nach Professor Jesionek im Krankenhaus links der Isar in München

Medizin, Bestrahlungshalle nach Professor Jesionek im Krankenhaus links der Isar in München

Medizin, Kinderelend, Diese Aufnahme ist ein Zufallsbild von einem öffentlichen Spielplatz in Berlin. Bei allen Kindern finden sich rhachitische Merkmale

Medizin, Kinderelend, Diese Aufnahme ist ein Zufallsbild von einem öffentlichen Spielplatz in Berlin. Bei allen Kindern finden sich rhachitische Merkmale

Medizin, Kinderelend

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Medizin, Längsdurchschnitt eines gesunden und eines rhachitischen Knochens

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Medizin, Rhachitisches Kind_

Medizin, Rhachitisches Kind_

Medizin, Rhachitisches Kind

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Medizin, Von chirurgischer Tuberkulose, Skrofulose, geheite Kinder

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