Bahn- oder Terrainreiten.

Es gehört viel dazu, das ganze weite Gebiet der Reitkunst zu beherrschen und nicht nach einer oder der anderen Richtung hin in Extreme zu verfallen.

Die einen suchen das Wohl nur in der Reitbahn und reiten jahrelang seitengängelnd, abbrechend, versammelnd auf einem Tier herum, kommen sie aber in coupiertes Terrain, so kann weder Reiter noch Pferd auch nur mäßigen Anforderungen genügen.


Die anderen sind gegen alle Bahnreiterei, kaufen sich einen geschulten Steepler und glauben große Reiter zu sein, wenn sie darauf über ein paar Hindernisse hinwegjagen.

Die Erkenntnis ihres Irrtums kommt erst im Rennen selbst, wenn sie ohne Atem, ohne Besinnung immer wackliger auf dem Pferde werden, endlich das unvermeidliche Accident erleben und froh sind, sich mit heilen Knochen aus dem Sumpfgraben erheben zu können; oder sie wollen einen rohen Gaul zum Steepler machen und gehen sofort, ohne Herr über denselben zu sein, in schwieriges Terrain, reiten sehr schneidig und sind nach einiger Zeit soweit, daß sie das Tier weder halten noch regieren können und froh sind, dasselbe ohne großen Schaden loszuwerden.

Nach der kriegerischen Zeit zu Anfang unseres Jahrhunderts zog man sich vom Felde in die Bahn zurück, gefiel sich in größter Gleichmäßigkeit der Form, Künstlichkeiten und falsch verstandener Feinheit. Man nahm Zusammenstellungen des Pferdes vor, welche den Zwecken der Soldatenreiterei nicht entsprachen, und gefiel sich in abgekürzten Tempos, die dem Lebensprinzip der Kavallerie — der Geschwindigkeit — vollkommen entgegenstanden *).

*) Fr. V. Krane, Anleitung zur Ausbildung von Kavallerie-Remonten.

Da, in den dreißiger Jahren, kam die Renn- und Jagdreiterei als ein neues Element aus England zu uns herüber und übte einen wohltätigen Einfluss auf unsere Soldatenreiterei aus, die sie aus der dumpfen Bahn wieder aufs freie Feld führte.

Viele aber erklärten nun die alte Bahnreiterei für abgestanden, warfen sich ausschließlich der neuen Art Reiterei in die Arme und erreichten dadurch nur Unordnung und struppierte, ungehorsame Pferde.

Der wahre Reiter steht über jeder Zeitströmung und schwärmt weder endlos für die Bahnreiterei noch steht er der anderen unverständig entgegen.

Die Rennreiterei an und für sich zerfällt nun in Rennen auf flacher Bahn und über Hindernisse.

Erstere bedingen einen anderen Sitz der Mittelpositur und erfordern bei weitem nicht den Gehorsam des Pferdes als die letzteren.

Da für Offiziere das Reiten von Jagden und Jagdrennen die Hauptsache ist, so mag hier nur der Einfluss dieser Art der Rennreiterei auf die Soldatenreiterei zur Sprache kommen, ohne dabei der Rennen auf freier Bahn zu vergessen.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Rennreiten
Graf G. Lehndorff auf „Godolphin“.

Graf G. Lehndorff auf „Godolphin“.

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