9. Oktober. Endlich schlug der Tag der Erlösung.

9. Oktober. Endlich schlug der Tag der Erlösung. Durch den spoglio war die Dauer der Quarantäne um fünf Tage abgekürzt worden, und heut gab uns der Oberguardiano durch einen Handschlag die Freiheit. Eine Barke war schon bestellt. Wir bezahlten die ungeheure Rechnung, etwas mehr als einen Dukaten für den Tag, warfen Trinkgelder aus nach allen Seiten, und ließen uns nach der Stadt Hermopolis, der Hauptstadt von Syra, hinüberrudern. Schon gestern war uns durchs Fernrohr ein besonderes Treiben unter dem Volke der Hauptstadt unter unaufhörlichem Glockengeläut aufgefallen, das selbst der Sonntag nicht hinlänglich zu erklären schien. Auch heute bemerkten wir festliche Anzüge unter der Menge und erfuhren dann, daß an beiden Tagen die Wahlen für die bevorstehende Ständesitzung stattgefunden hätten. In Athen war nämlich, wie wir schon in den Dardanellen gehört hatten, eine Revolution ausgebrochen und der König genötigt worden, eine Konstitution anzuerkennen. Der Anteil unter dem Volke schien übrigens nicht groß. Man hatte uns das Wirtshaus de toute les nations als das beste empfohlen. Wir ließen uns dahin bringen, fanden aber nur eine finstre Kammer unbesetzt, die offenbar schlechter war, als unser Pestkobel im Lazarett. Doch Not kennt kein Gebot: wir nahmen die camera obscura. Gleich nach dem schlechten Frühstück bestiegen wir im Gefühle der wiedererhaltenen Freiheit eine Anhöhe im Süden der Stadt und genossen der himmlischen Aussicht auf Meer und Inseln. Gräßlich ist der Weg durch die obere Stadt. Keine Straße oder nur Gasse – nur Kloake und Winkel. Da aber die Häuser sämtlich von Bruchstein sind, machen sie doch keinen schlechten Eindruck. Nach Tisch gingen wir nach der Nordseite bis über den Eingang des Hafens hinaus. Hier ist die Aussicht noch bezaubernder und die Stadt wirklich schön. Wohlgepflastert, die Häuser nach Art der Landhäuser klein, aber durchaus von Stein und geschmackvoll, ja elegant gebaut. Man hat eine neue Straße als Spaziergang angelegt, der zu den Höhen außer dem Hafen führt. Wir stiegen hinauf. Die Berge sind kahl, überall Steine, vom Marmor und Granit bis zum Schiefer und Kalkstein. Kein Baum, kein Grashalm, nichts als Distel und eine Art stachlichter Ginster, aber dafür Salbei, Thymian und andere trockne Pflanzen von einem solchen Wohlgeruche, daß man sich fast betäubt fühlt. Wir lagen da wohl zwei Stunden und genossen der Aussicht auf das Meer und die Inseln und des himmlischen Abends. Die Formen haben etwas Pittoreskes, dazu der von Natur wohlgesittete, wohlgebildete Menschenschlag; in den mittelländischen Gegenden läßt sich nichts damit vergleichen.

Früh zu Bette. Vor Lärm im Wirtshause nicht einschlafen können. Die Nacht durch den Luftzug wachgehalten, der durch die Spalten der Wand unserer Kammer eindrang, bei Tagesanbruch durch das Krähen der Hähne aufgeweckt. Dazu die Hitze von den widerlich starken Weinen – habe beinahe nichts geschlafen.