28. War in der Sitzung: Der Saal ist bloß geweißt, die Draperien, mit Ausnahme der Damengalerie, ärmlich.

28. War in der Sitzung: Der Saal ist bloß geweißt, die Draperien, mit Ausnahme der Damengalerie, ärmlich. Das Präsidium sitzt statt im Fond des Saales auf der linken Seite desselben, durch eine Schranke gesondert. Die Mitte ist, durchaus eben, mit Bänken angefüllt, wo die Deputierten in zwei Hälften geteilt, sich mit den Gesichtern zugekehrt, einander gegenübersitzen. Dagegen sehen die Abgeordneten selbst gescheit und distinguiert aus. Man sprach ohne Stottern, wobei die meisten jedoch einen geschriebenen Entwurf in der Hand hielten. Der Ton war gesteigert, aber anständig. Längere Reden kamen nicht vor. Es galt die alleinseligmachende Kraft der ungarischen Sprache. Später sollte der Kriminalkodex, an die Reihe kommen. Ich ging jedoch um eilf Uhr, wegen Unkunde der Sprache und daher des Gesprochenen ermüdet. Im Jahr 1886 hatte ich in Stuttgart einer Württembergischen Kammer beigewohnt; sie stand, was die Form betrifft, sehr im Nachteil gegen diese ungarische. Hier sprach jedermann besser, als dort unser mit Recht gepriesener Dichter Uhland. Darauf durch die Stadt geschlendert. Sie ist doch hübscher und städtischer, als es im ersten Augenblicke scheint. Unter den Frauenzimmern mitunter auffallend hübsche. In die St. Martins-Domkirche eingetreten, die von außen recht gut aussieht, inwendig aber nicht viel bedeuten will. Das Abbild des Heiligen auf dem Hochaltar, er scheint aus Erz gegossen und kam meinem schlechten Auge aus der Ferne nicht übel vor. Irre ich nicht, so ist er in ungarischer, halb moderner Kleidung, was sonderbar genug wäre.

Für Nachmittag hatte ich mit einem Beamten der ungarischen Hofkanzlei, den ich in der Ständesitzung fand, Verabredung zu einem Spaziergang genommen. Wir verfehlten uns übrigens, und so stieg ich denn allein eine Anhöhe hinauf, die, wie es sich fand, der Schloßberg war. Die Aussicht von der Ruine herab ist wunderschön. Es war übrigens unleidlich heiß, und so legte ich mich im Schatten der Mauern nieder und dachte – nicht viel. Von da auf einem für die Ziegen gebahnten Wege über den berüchtigten Zuckmantel zur Schiffbrücke. An einladenden Gestalten und Mienen fehlt es da nicht. Im allgemeinen ist der Weiberschlag, das Blut in Wien vielleicht hübscher; auffallend schöne Züge aber, deucht mich, gibt es hier mehr. Ueber die Schiffbrücke in die sogenannte Aue. Ein entzückend schöner Spazierort, Ich erinnere mich kaum, in der Nähe irgend einer Stadt dergleichen gesehen zu haben. Auffallend die allgemeine Eleganz. Vielleicht nur wahrend des Landtages. Abends aus Müdigkeit in die Arena, um sitzen zu können. Das Theater war, als ob es Tieck angegeben hätte. Die immer sich gleich bleibende Dekoration, der Wald nämlich; daß bei Tage gespielt wurde, wenn die Schauspieler auch, wegen supponierten Dunkels, sich wechselseitig nicht erkannten. Leider nur wurden die Frauenzimmerrollen nicht von Männern gespielt, sonst hätte man sich in Shakespeares Zeiten versetzt geglaubt. Ich kann aber nicht sagen, daß die Vorstellung durch diese romantisch-klassische Einrichtung gewonnen hatte. Gespielt wurde übrigens ganz gut. Besonders war der Komiker vorzüglich zu nennen. Der männliche Teil des Publikums rauchte beinahe durchgehends. Uebrigens gefällt mir Preßburg. Selbst in Wien wird die Gefälligkeit gegen wegunkundige Fremde nicht weiter getrieben.