12. Oktober. Es regnet noch immer in Strömen.

12. Oktober. Es regnet noch immer in Strömen. Das gestern gekommene Dampfboot war kein östreichisches, sondern eines der griechischen Regierung, das die Nachricht brachte, daß Kolokotronis wegen eines Versuchs zu Gunsten des Königs von Athen nach Tino verwiesen worden sei. Die Parteien fangen also an, sich zu zeigen, eine schlechte Aussicht für unsere Ausflüge ins Innere Griechenlands. Das nach Athen bestimmte Schiff wird aber heute gewiß abgehen, auch wenn die Brieftaube nicht einlangt. Desto besser! Länger noch in Syra zu bleiben, das man am ersten Tage auswendig weiß, wäre zu arg.

Im Wirtshause den griechischen Oberstlieutenant Fabricius getroffen, der seit 1824 in Griechenland dient und nun samt allen Deutschen entlassen und verbannt ist. Ein gescheiter, wohlgebauter Mann, der anfangs krank schien, in der Unterhaltung mit seinen Landsleuten aber zu unserer großen Freude sich allmählich zu erholen schien. Er schreibt alles Unglück den bayerischen Ratgebern des Königs zu, betrachtet aber die Konstitution als eine von vornherein unvermeidliche Sache. Mit ihm den Konsul Forestier besucht, ein gebildeter, gut sprechender Mann mit einem weggeschossenen Bein, der aber in seiner Rede und Berichten, die er uns vorlas, witziger scheint, als für einen Beobachter von Profession zulässig scheint. Endlich abends um sieben Uhr fahren wir mit dem Kapitän ans Dampfschiff. Das Wetter windig und noch dazu mit konträrem Wind. Lege mich gleich bei der Ausfahrt aus dem Hafen, wo denn Wind und Wellen das Dampfboot dermaßen zu schütteln anfangen, daß ich das Uebelste erwarten mußte. So dauert es fort bis gegen ein Uhr morgens, ohne daß ich ein Auge zuthun konnte. Von da an wurde es milder, und gegen Morgen schlief ich mit Unterbrechung ein paar Stunden. Gegen sechs Uhr stand ich auf und ging aufs Verdeck, Da hatten wir das Kap Sunium schon passiert. Aegina und Salamis lagen links von uns, letzteres viel kleiner, als ich mir gedacht, so daß man kaum begreifen kann, wie eine Seeschlacht mit der ungeheuren persischen Flotte da stattfinden konnte. Rechts, vom Meere entfernt, wie eine gefallene Krone die Anhöhe, auf und an der Athen liegt. Die Sonne beginnt nach und nach die einzelnen Umrisse zu beleuchten. Die Akropolis, ein Palast, wahrscheinlich der des Königs, die Spitze des Hafens Piräus kommt uns entgegen. Wir laufen ein. Hier hätte man Neu-Athen bauen und das alte als Antiquität behandeln sollen. Wahrscheinlich auch eine Idee des albernen Königs von Bayern, der vielleicht das ganze Unglück seines Sohnes verschuldet hat. Kommen endlich vor Anker. Der Major besucht einen alten Marinekameraden auf der im Hafen liegenden östreichischen Korvette, und ich kritzle unterdes diese Zeilen. Der Zweck meiner Reise scheint verfehlt, denn Oberstlieutenant Fabricius rät uns die Reise ins Innere des Landes aufs entschiedenste ab. Wir werden eben sehen.


Endlich kommt der Major in dem Boote des Kriegsschiffes zurück und holt mich auf die Korvette ab. Mache die Bekanntschaft des Kapitäns, der eben für den Tag bei Prokesch zu Mittag geladen ist. Wir gehen zusammen ans Ufer, frühstücken, was vor allem ich notwendig hatte, und fahren in zwei Wagen nach Athen. Eine dürre, staubige Straße, rechts Ueberbleibsel der langen Mauer. Der Olivenwald. Endlich die ersten Häuser des neuen Athen. Wir fahren beim Gesandten vor und werden in sein Haus aufgenommen. Der Aufstand ist noch in vollem Gange. Lärmende Haufen durchstreifen die Stadt. Erzählung der Hergänge. Es scheint auf das Leben des Königs abgesehen gewesen zu sein. Vor Tische fahren wir mit Prokesch zum Jupitertempel hinaus. Die Säulen herrlich. Jedermann weiß, daß der Tempel einer der grandiosesten der Welt gewesen sei. Mehr aber als alle diese Trümmer interessieren mich die Quellen des Ilyssos, an denen Platon spazieren ging, die vielgenannten Berge, die das Thal von Attika umschließen, die Aussicht aufs Meer mit Salamis, Aegina, die Natur, die immer war, was sie jetzt ist, und dazu Zeugin jener unsterblichen Thaten und Werke. Die Bauwerke machten mich staunen, die Hügel und Flußbeete trieben mir die Thränen in die Augen.