Sonntag, 24. Eins gibt dem andern die Thüre. Werde erinnert, meinen Empfehlungsbrief an die Baronin Rothschild gewiß morgen abzugeben. ...

Sonntag, 24. Eins gibt dem andern die Thüre. Werde erinnert, meinen Empfehlungsbrief an die Baronin Rothschild gewiß morgen abzugeben, Einladung auf morgen zu Mr. und Mad. Valentin. Der geheime Rat Koreff. Der Rummel ginge an. Gott sei Dank, daß ich in vierzehn Tagen wieder fortkomme, Koreff sagt, Rossini habe die Idee, aus der Ahnfrau eine Oper zu machen. Proficiat.

Hagberg bietet mir an, die Galerie des Palais royal zu sehen, wozu er Billette erhalten hat. Muß es leider ablehnen, da ich Many Neuwall und Braut versprochen, mit ihnen ins Diorama und, was weiß ich, wohin noch zu gehen. Ein plötzlicher Regen hindert alle Pläne. Spazieren demungeachtet in den Straßen ein wenig herum. Der Kot ennuyiert uns, unsere eigene Unterhaltung will dagegen nicht auslangen. Es ist vier Uhr geworden, und ich gehe nach Hause, um mich anzukleiden.


Um fünf Uhr zum Essen zu Meyerbeer in meinem Hotel. Er ist noch nicht zu Hause. Finde die Mutter. Gespräch, durch ein nicht hübsches, aber scheinbar gutartiges und daher mir angenehmes Gesellschaftsfräulein unterstützt. Curschmann kommt. Ein Franzose, der Theaterdirektor, oder etwas dieser Art. Meyerbeer, der mir verblümt zu verstehen gibt, ich hätte seine Mutter doch früher einmal besuchen können, welche Bemerkung mich wenig geniert. Bin in derlei Grobheiten noch von Wien her eingeübt. Endlich Herr Leo, der Deutsche, den ich bei Valentins getroffen. Zu Tische. Machte der Einladung, was das Essen betrifft, Ehre. Verfiel, nachdem ich mich eine Weile im Gespräche recht gut gehalten, in meine gewöhnlichen Abwesenheiten, während denen ich aber zu sprechen pflege, ohne zu wissen, was. Meyerbeer mag ziemlich erstaunt gewesen sein über diese Worte eines Verstorbenen. Erfahre, daß heute Konzert im Konservatorium gewesen, über dessen Vortrefflichkeit Giacomo (so nennt ihn die Mutter) nicht fertig werden konnte. Wußte nichts davon. Wäre froh, Paris wieder im Rücken zu haben. Was brauch' ich all das Zeug zu sehen und zu hören. Werde Wien wieder angenehm finden, wo ich wenigstens allein sein kann. Wenn nur dort der schändliche Geistesdruck nicht wäre und die Erniedrigung der Nebenmenschen. Was mit mir selbst geschähe, sollte mich wenig anfechten. Mich erniedrigen sie nicht, und wenn sie tausend Jahre dran versuchten.

Leo ist ein gescheiter Mensch. Er lebt 20 Jahre in Paris, und obschon ein Deutscher, überströmt er vom Lobe der hiesigen Zustände. Gleich mir hält er Louis Philipp nicht bloß für tief verständig, sondern auch für einen ehrlichen Mann. Der gegenwärtige Wohlstand Frankreichs soll unbeschreiblich sein. Merkwürdige Details über die arbeitende Klasse, die, nach Leo, eine angestrengtere Existenz führen, als selbst die Negersklaven, aber nur durch 12 bis 15 Jahre, dann ziehen sie sich zurück und leben von ihren Renten. Gewohnheit unter allen Ständen, ihre kleinen Kinder aufs Land zu geben. Nicht aus Herzlosigkeit, denn die Mütter seien selbst in Verzweiflung darüber, sondern aus Unmöglichkeit, sie zu behalten. Die Mütter nämlich haben sämtlich ihren angewiesenen Platz im Geschäft. Ungeheurer Lohn der Ammen; aller Dienstleute überhaupt. Ein Bedienter bekommt monatlich 100 Franken. Die männlichen Diener im allgemeinen schlecht, die weiblichen gut. Details über den innern Verkehr, der durch nichts gehemmt wird. Fühle mich unglücklich, von solchen Dingen nichts zu verstehen, ja selbst die Erklärungen darüber nicht zu begreifen.

Wir gehen gegen neun Uhr. Ich zu Brant, dem ich's versprochen habe. Trinken Thee und ennuyieren uns. Ich bleibe geflissentlich, weil ich durchaus dieser Stimmung Herr werden will. Finde es unmöglich. Um halb elf Uhr nach Hause.