Samstag, 23. Die Körperstimmung wieder etwas gedrückt. Besinnung und Erinnerungskraft besonders schwach. Weiß mich am folgenden Morgen kaum zurecht zu finden, was am Tage vorher geschehen. ...

Samstag, 23. Die Körperstimmung wieder etwas gedrückt. Besinnung und Erinnerungskraft besonders schwach. Weiß mich am folgenden Morgen kaum zurecht zu finden, was am Tage vorher geschehen. O die Zeit meines Lebens! Ich habe geträumt bis heute, weiß es, und werde fortträumen bis zum Tode. ??? ??? ??? ???

Was also diesen Samstag vormittag geschah, weiß ich heute, Sonntag morgens, nicht mehr. Doch ja. Ging zu Frau von Neuwall, mich für Sonntag mittag zu entschuldigen, da Meyerbeer mich zu Tische geladen. Darauf – ja doch! den Montmartre bestiegen und von da die Stadt betrachtet, was einen gewaltigen Anblick gibt, doch um nichts bedeutender und um vieles weniger schön, als die Ansicht Wiens, allenfalls vom Kobenzl aus.


Werde täglich erinnert, meinen Empfehlungsbrief an Mr. Rothschild abzugeben, auch Heine soll ich besuchen, verschiebe es aber von Tag zu Tag.

Mit Brant bei einem Restaurant im Palais royal gegessen. Nach Tisch in den Cirque olympique Franconis, wo man nun seit zwei Monaten alle Tage Jérusalem délivrée gibt. Demungeachtet das Haus so voll, daß wir kaum noch ein paar der schlechtesten Plätze fanden. Freilich ein wenig Brants Schuld. Man bot uns vor der Thüre stalles da sie aber fünf Francs das Stück kosteten, und Brant sparsam ist, so nahmen wir Plätze auf den Seiten, wo man ziemlich schlecht sieht.

Ueberhaupt ist mir Brant ein großer ökonomischer Nutzen in Paris. Obgleich etwas ängstlich bei größeren Ausgaben, lasse ich mich doch bei kleineren gern gehen, wenn ich einmal im Zuge bin. Vor den Nullen habe ich allen Respekt, aber die Einheiten fliegen. Da ich nun viel mit Brant bin und er das Seine sehr zu Rate hält, fehlt mir die Gelegenheit, meine Einkaufwut in Gang zu erhalten. Ein paar hundert Franken mag das im ganzen wohl austragen.

Von dem befreiten Jerusalem nun wüßte ich nichts zu sagen, als daß es dabei sehr bunt herging. Dekorationen gut; Kleider prächtig; Komparserie, zwei Heere im eigentlichsten Verstande; 30 bis 40 Pferde zugleich auf der Bühne. Letztere ist durch bretterne Steige mit der Arena in Verbindung gesetzt, und da fliegen denn nun Ritter und Knappen, Mann und Weib in voller Carriere auf und nieder. Gesang, Chöre, Tanz, Flugwerke, feuerspeiende Drachen. In Wien würde das Stück nicht bloß zwei Monate, sondern ein ganzes Jahr Tag für Tag gegeben. Besonders ein Aufwand von Harnischen, wie er seit Erfindung des Schießpulvers nie mehr vorgekommen. Uebrigens weiß ich nicht, ob hier die Schauspieler zugleich Kunstreiter, oder die Kunstreiter zugleich Schauspieler sind; denn die Hauptpersonen des Schauspiels, die eben nicht so übel sprechen, machen Dinge zu Pferde, die einem die Haare emportreiben. Das Beste des Ganzen ein förmliches Rennen von sechs Rittern, anfangs mit Lanzen, dann mit Schwertern, wobei die Hiebe auf den Harnischen klatschen wie nichts Gutes. Endlich bearbeiten sich die zwei allein Uebriggebliebenen mit Kolben und Streitäxten, daß man wahrhaft meint, sie müßten sich die Hirnschädel einschlagen, Hieb auf Hieb, klitsch, klatsch, wohin's trifft, ohne auszusetzen oder zu parieren. Endlich fiel der Sarazene vom Pferde und – wir gingen. Wenn sie nicht in den folgenden Akten einen wirklich totgeschlagen haben, so konnte das Gesehene nicht mehr überboten werden, und wir hatten daher ganz recht, uns fortzumachen.

Ich ging noch in ein Café, um mich abzukühlen. Auf gut Glück nahm ich ein Zeitungsblatt in die Hand und las bon mots auf die Gräfin Apponni, als eine Art faiseuse politique, eine Fürstin Lieven. Aha! Daher also manche Verschiedenheiten mit dem, was ich früher von ihr gehört hatte. Daher dieses air de triomphe. Man spricht hier von einer Heirat des Kronprinzen mit der Tochter des Erzherzogs Karl. Das hat wohl sie gemacht, heißt das: vermittelt.

Wieder eine meiner politischen Voraussagungen eingetroffen! Wäre ich nicht so bête, d. h. ehrlich, und Herr meiner Stimmungen, ich hätte einen Staatsminister abgeben können.