Mittwoch, den 27. April. Hatte endlich die Wohnung Heines erfragt, ging heute zwölf Uhr zu ihm. Cité Bergère Nr. 3. ...

Mittwoch, den 27. April. Hatte endlich die Wohnung Heines erfragt, ging heute zwölf Uhr zu ihm. Cité Bergère Nr. 3. Als ich schellte, öffnete mir ein hübscher, runder, junger Mann im Schlafrock, der mir wie einem alten Bekannten die Hand reichte. Es war Heine selbst, der mich für den Marquis de Custine hielt. Er zeigte große Freude, als ich mich nannte, und führte mich in seine tolle Wirtschaft hinein. Tolle Wirtschaft. Denn er wohnt da in ein paar der kleinstmöglichen Stuben mit einer oder zwei Grisetten, denn zwei waren eben da, die in den Betten herumstörten, und von denen er mir eine, eben nicht zu hübsche, als seine petite bezeichnete. Er selbst sieht aber auch wie die Lebenslust und, mit seinem breiten Nacken, wie die Lebenskraft aus. Machte mir einen sehr angenehmen Eindruck, denn mir ist der Leichtsinn nur da zuwider, wo er die Ausübung dessen, was man soll, hindert.

Wir kamen gleich in die Litteratur, fanden uns in unsern Neigungen und Abneigungen ziemlich auf demselben Wege, und ich erfreute mich des seltenen Vergnügens, bei einem deutschen Litterator gesunden Menschenverstand zu finden. Er scheint durch die Bundestagsbeschlüsse sehr alteriert und schrieb eben an einer Denkschrift an die abgeschmackte Versammlung. Vom Ultraliberalismus will er durchaus nichts wissen und spricht mit Verachtung von den deutschen Refugiés. Mit Börne steht er schlecht. Beklagt sich, daß dieser ihn für seinen Freund ausgegeben, was er nie gewesen. Ging nach einer Stunde, herzlich entlassen.


Der Besuch hatte mich heiter gestimmt. Ging zu Brant, um mit ihm in die Pairskammer zu gehen, wohin Many Neuwall mir Billets gebracht hatte. Englisch gelesen. Die Notwendigkeit, mich wenigstens verständlich machen zu können, leuchtet immer deutlicher ein. Brant war erstaunt, mich das erste Mal heiter zu finden.

Regnet in Strömen. Wir benützen endlich einen leidlichen Augenblick und gehen ins Luxembourg; nach Brants Gewohnheit zu Fuß.

Der Saal der Pairs viel weniger schön, als der der Deputierten, obwohl viel reicher. Vielleicht nur, weil die Einrichtung älter ist. Blauer Samt mit Goldstickerei. Statt der Bänke Armsessel. Die ältern bis zum Grau verschossen und daher abstechend zu den neuen, lebhaft blauen. Baron Pasquier, der Präsident, geistreiches Gesicht, lebhaftes Benehmen, kahles Haupt. Ein Pair liest eben von seinem Stuhl eine Rede ab, die die ganze Welt langweilt. Die übrigen Bären genieren sich nicht; machen sich wohl auch sichtlich über ihn lustig. Der Finanzminister d'Argout antwortet in artigeren Formen, als in der Deputiertenkammer. Der Bär dupliziert. Das war nicht mehr auszuhalten. Brant schlief schon, ich war nahe daran, und so gingen wir um halb fünf Uhr.

Als wir in den Hof kamen, goß der Regen in Strömen. Die Mitte der Straßen glich ebensovielen Waldströmen. Kerls, die durch Brücken auf Rädern die Verbindung herstellen und schreiend die Darübergehenden um eine Vergütung ansprechen; niemand hört, niemand zahlt, Parapluies, Wagen, Kabrioletts. Der Uebergang über die Beresina kann nicht viel ärger gewesen sein.

Endlich nach Hause. Ziehe mich um. Mittags zu Neuwall. Die Gesellschaft war angenehm überrascht, mich zum erstenmal erträglich zu finden. Leidesdorf spricht recht gut. Angenehme Konversation bis neun Uhr.

Hatte Leo versprochen, den Abend dort zuzubringen, da ich das Mittagessen ablehnen mußte. Fand Börne nicht mehr da. Hiller da, der Klavierspieler. Musik. Vortreffliche Pariser Fortepiano. Thee. Gespräch. Jean Paul. Die Frauen sind gegen ihn. Ist mir lieber, als sie beteten sein Lob nach. Gegen zwölf Uhr nach Hause.