Mittwoch, 20. Gut geschlafen. Heiterer aufgestanden bis auf eine Unbehaglichkeit des Magens, die gewöhnlich bis eins, zwei Uhr steigt, sich dann vermindert und nach dem Essen ganz verschwindet. ...

Mittwoch, 20. Gut geschlafen. Heiterer aufgestanden bis auf eine Unbehaglichkeit des Magens, die gewöhnlich bis eins, zwei Uhr steigt, sich dann vermindert und nach dem Essen ganz verschwindet.

Um zwölf Uhr zu Börne. Den Wagen nach Auteuil versäumt, mit einem elenden Kabriolett hinausgefahren. Die Gegend außer der Barriere von Passy recht hübsch. Die Bäume in voller Blüte. Habe zum erstenmale den Frühling empfunden.


Traf Börne allein. Er hatte eben ein Schläfchen gemacht und mußte sich erst finden. Er wohnt sehr hübsch da draußen. Mehrere Zimmer sehr gut möbliert, eigene Bedienten. Ich freue mich, daß er so viel hat, um leben zu können, sonst würde es ihm bei allen diesen Zensurverboten übel ergehen. Kamen eben ins Gespräch, als zwei Herren angemeldet hereintraten, die mir Börne als deutsche Verbannte, ehemalige rheinbayrische Deputierte vorstellte. Die Namen habe ich vergessen. Das Gespräch wendete sich um staatsrechtliche Fragen, Politik, Litteratur. Wunderte mich, wie dieser eigentlich gescheite Mensch sich noch immer in dem Kreise von Bestrebungen herumtreiben mag, die mit der letzten Spur der Möglichkeit gewissermaßen ihren Gegenstand verloren haben. Börne scheint übrigens mit den übrigen deutschen Malkontenten darin in Streit zu sein, daß ihm, bis auf das System der Regierung, das französische Wesen gefällt, indes diese, in echt deutscher Verblendetheit, ihren Landsleuten das Uebernatürlichste zutrauen und von den Franzosen als einem höchst unglücklichen Volke reden. Der eine der beiden Männer dauerte mich wirklich, so angegriffen war er, so bitterer Ernst schien es ihm. Arme Teufel! Ich wette drauf, es sind ehrliche Männer, seien sie nun erleuchtet oder verblendet. Man sprach übrigens mehr von französischen als deutschen Zuständen. Börnen schien die politische Wendung nicht angenehm, entweder weil er mir doch nicht ganz traute, oder mich nicht für voll nahm, da ich gleich von vornherein meine gemäßigten Gesinnungen deutlich erklärte. Er fragte mich, ob ich für den Mittag geladen sei, was ich bejahte, teils weil ich heimische Klagen genug auf dem Herzen habe und keinen Beruf fühlte, sie beim offenherzig machenden Glase Wein an Uebertriebene gelangen zu lassen, teils weil ein Besuch bei Börne schon Stoff genug für einen Gesandtschaftsbericht ist, ein Mittagmahl aber gar, und noch dazu in solcher Gesellschaft, ohne Zweifel die Zahl der sieben Todsünden um eine achte vermehren würde.

Ich weiß wohl, daß ich unrecht habe. Die Gemäßigten werden weder geliebt noch gefürchtet, stehen daher von allen Seiten schlecht. Sei's! Ich hege auch weder Furcht noch Liebe, höchstens Mitleid und Verachtung.

Mittags im Palais royal. Abends in der Oper, La Juive von Halevy. Die Musik großenteils blinder Lärm, bis auf einige choralmäßige Chöre, die wirklich schön sind. Von den Sängern die Weiber Dorus und Falcon gut, die Männer unangenehm. Lafont ungefähr wie neulich. Nourrit, ein hiesiger Liebling, hohe Halsstimme ohne eigentlichen Klang, nur wirksam, wo er schreit. Serda, schnurrender Baß, aber ausgiebig, wirksam. Nur singt er gern noch um ein paar Töne tiefer, als seine tiefe Stimme reicht. Das Ganze ohne Interesse. Aber welche äußere Ausstattung: die Dekorationen Wirklichkeiten, oder nein: Bilder. Dadurch unterscheidet sich die französische Dekorationsmalerei von der der übrigen Nationen, daß letztere die Gegenstände der Wahrheit gemäß abbilden und nun dem Zufall überlassen, ob das unwahre Lampenlicht, die Gruppierung und Bekleidung der Figuren die Wirkung steigern, stören oder aufheben werde. Hier aber malt man das Licht, die Steigerung und Abschwächung, das Wesentliche und die Beiläufigkeit gleich von vorneher in die Dekoration hinein; da man der leidigen Allseitigkeit der Lampenbeleuchtung nicht los werden kann, so wird in den Gruppen Licht und Schatten durch helle und dunkle Farbe der Bekleidung ausgedrückt. So entstehen eigentliche Bilder, von deren Wirkung man bei uns keine Vorstellung hat. Der Marktplatz einer Reichsstadt gleich beim Aufziehen des Vorhangs, eine Kirche im Vorgrunde, dunkel gehalten mit stehenden und knieenden Gruppen. Gegenüber Männer auf Barrieren, Ecksteinen sitzend, mit den Füßen schlenkernd, stehend, liegend, Straßenjungen. Im Hintergrunde, perspektivisch sich emporhebend, gewappnete Männer, die Harnische gräulich glänzend, um nicht zu sehr vorzutreten. Dazu aus der Kirche Orgeltöne, Chorgesang, Frauen mit schlepptragenden Pagen, die in die Messe gehen. Der Kardinal erscheint auf den Stufen. Man muß das gesehen haben. Ich glaube Phantasie zu haben. Hier zum erstenmale in meinem Leben habe ich ein theatralisches Arrangement gesehen. Der Einzug des Kaisers. Pferde. Prächtig. Bei uns ist derlei Spielerei, hier nicht, weil es die Wirkung des Ganzen erhöht. Tänze eingeflochten, nicht eingezwängt. Die Kostümes von einer Pracht, die ärgerlich wäre, wenn sie ihren Zweck nicht so vollständig erfüllten; von einer Genauigkeit, die ans Absurde streift, durch die Großartigkeit des Ganzen aber nur noch als volle Wahrheit wirkt. Dazu die Geschicklichkeit all dieser Leute. Nichts, was stört. Keiner geht, sitzt wie der andere, alles künstlerisch geordnet und natürlich aufgefaßt und wiedergegeben. Alle Ehre den Künstlern unserer Theater, aber unsere Bühnen sind elende Marktbuden im Vergleich dieser Wirkungen. Hier kann ein Mann von Phantasie und Geschmack einer Vorstellung beiwohnen. Die Dekoration des letzten Aktes war schlecht.

Das Haus gedrängt voll, der Beifall groß. Die Leute meinten, es wäre die Oper, was ihnen gefiel.