Freitag, den 22. Leidlich geschlafen. Früh morgens kam Meyerbeer, der mir ein Billet für die heutige Vorstellung seiner Hugenotten versprach, auch Wort hielt. ...

Freitag, den 22. Leidlich geschlafen. Früh morgens kam Meyerbeer, der mir ein Billet für die heutige Vorstellung seiner Hugenotten versprach, auch Wort hielt. Besuch von Schlesinger, Hagberg kam. Einig mit ihm, die Galerie im Luxembourg zu besehen, was höchste Zeit ist, da ich ungebildeterweise noch gar nichts von schönen Künsten und Wissenschaften mitgemacht habe. Da die Galerie des Louvre der Ausstellung zuliebe ausgeräumt und daher nicht zu sehen ist, so interessiert mich das übrige auch im Grunde wenig. Also: Galerie Luxembourg. Ist das schofel! Süßigkeiten und Uebertreibungen, Grau in Grau gemalt, Guérins Hippolyte sieht aus wie eine Demoiselle, der man die Röcke überm Knie abgeschnitten. Zudem ist er mit seiner chevelure aus der Mode gekommen! Dazu von Farbe keine Spur. Dadurch sei nicht abschätzig von dem Talente des Künstlers gesprochen. Er gab eben der Mode seiner Zeit nach, und da die Flut vorüber ist, liegt er auf dem Trocknen. In neuerer Zeit fangen sie an, die Niederländer zu studieren, und eine sterbende Königin Elisabeth sieht aus, als sei Rubens wahnsinnig geworden. Eine Beistehende, die schöne Hände übers Gesicht schlägt. Das Beste von Horace Vernet, der in seiner Art vielleicht keinem der Münchner Künstler nachstehen dürfte. Hat er Cornelius' Großartigkeit nicht, so ist dafür seine Farbe besser.

Zurück. Noch einmal Notre Dame besehen. Daß die Arbeit viel roher ist als an unsern Kirchen, kein Zweifel. Dazu die Fassade etwas gedrückt, obgleich schön. Das Schiff würde mir kaum gefallen, wenn es auch nicht geweißt wäre. Dafür die Nebengänge, besonders der links, mit der Aussicht in eine Säulenhalle, schön. Sollten die Säulen des Schiffes schon bei der Erbauung so gewesen und in der Folge nichts daran geändert worden sein?


Erinnere mich eben, daß ich gestern auch auf der Börse war. Das Aeußere mit seiner Kolonnade wunderschön. Das Innere macht einen wüsten Eindruck. Die aufeinander gestellten zwei Reihen Pilaster lassen das, durch die äußeren Säulenordnungen erhobene Gemüt unangenehm wieder herabfallen. Gedränge, Lärm. Von der Galerie herab macht es den Eindruck eines aufgeregten Meeres. Gegen das obere Ende des Saales ein zirkelförmiges Gelände, um das die Sensale herumstehen und in den innern leeren Kreis hineinschauen, als ob da Orakel am Boden aufgeschrieben wären; sich dann plötzlich umwenden und mit Stentorstimme Preise und Anträge herausschreien, welche Anstrengung notwendig ist, da man sein eigenes Wort nicht hört.

Heute mit Hagberg noch ins Louvre zur Kunstausstellung gegangen. Unabsehbare Menge von Bildern. Wie überall, und natürlich, nicht viel Gutes. Wieder Horace Vernet bei weitem der Beste. Ein Bild von einem Siege des Marschalls von Sachsen vortrefflich. Vorzüglich rechts im Vorgrunde die Gruppe eines, wie es scheint, östreichischen gefangenen Generals, der seinen Sohn wieder findet. Der junge Mensch, mit seinem durch die ungeschickte Kleidung durchleuchtenden schönen Körper, halb emporgehoben in der Umarmung des kräftigen alten Mannes, hinreißend. Auch einige Napoleongeschichten von demselben Maler. Besonders gut auf einem derselben der Kaiser, über die Schulter zurück nach vorwärts schauend. Ausgezeichnet schöne Porträts. Einige in englischer Manier mit glücklicher Kühnheit. Unser Amerling fände hier würdige Nebenbuhler. Weiberköpfe, wunderschön als Weiber und als Bilder. Nirgends mehr Grecs und Romains, aber leider auch keine Griechen und Römer. Die Farbe durchaus besser, als auf jenen David-Gérardschen ungebleichten Kattunfiguren.

Zu Tische. Traktierte meinen schwedischen Freund und mich mit einer Bouteille Champagner, der aber schlecht war, wie aller, den ich noch in Paris getrunken. Ins Café de la régence. Wenige Schachspieler da. Die besten sollen vormittags zwischen ein und fünf Uhr kommen.

In der Oper. Ungeheuer voll. Meyerbeer hatte mir eine stalle im ersten Rang verschafft. Vortrefflicher Platz. Die Ouvertüre ging an, vielmehr nur Introduktion. Ich war zu gespannt, als daß sie mir besonders hätte gefallen können. Der Vorhang geht in die Höhe. Eine Art Fest katholischer Herren. Das Arrangement nicht besonders. Das Opernbuch hat den Fehler, um drei Viertel zu lang zu sein. Die Musik muß nur immer hinter den Worten herlaufen, daß ihr ja keines entgeht, wodurch sie sich, besonders anfangs, zu wenig in sich selbst konzentrieren kann. Macht daher eine etwas zerstreuende Wirkung. Dazu sind zu komplizierte Zustände, so daß man sich, selbst mit dem Buche in der Hand, kaum zurechtfinden kann. In der Mitte des dritten Aktes fängt mit einem Duo eigentlich die Musik der Oper an und erhält sich recht kräftig, oft ausgezeichnet, bis ans Ende. Ich war aber durch die Bemühungen, schon dem Anfange zu folgen, viel zu sehr hergenommen, als daß sich mir die Folge klar auseinander gesetzt hätte. Muß daher noch einer Vorstellung beiwohnen, um auch nur gegenüber von mir selbst mir ein Urteil zu erlauben.

Von den Darstellenden die Weiber Dorus und Falcon sehr gut, besonders die letztere. Die Männer, was man dramatische Sänger nennt, das heißt: schlechte. Sie verstehen sich nämlich vortrefflich darauf, die Winkelpoesie eines erbärmlichen Opernbuches geltend zu machen, sind aber nicht im stande, die musikalischen Intentionen einer guten Komposition ins Leben zu bringen. Aus einem Chor herauszuschreien, oder die Lichter auf finstere Violinhintergründe aufzusetzen, dazu sind sie ganz die Leute; die Kantilene mag aber besorgen, wer Lust hat. Ueberhaupt kommen sie, wie neuere Soldaten, erst dann ins Feuer, wenn die Kanonen, d. h. die Bässe, donnern.