12. April. Dienstag. Meyerbeer besucht mich morgens. Ein wackerer Mann mit Künstleraugen; nicht aufgeblasen durch seine neuesten Erfolge. ...

12. April. Dienstag. Meyerbeer besucht mich morgens. Ein wackerer Mann mit Künstleraugen; nicht aufgeblasen durch seine neuesten Erfolge. Ging dann zum östreichischen Gesandten ins Faubourg St. Germain, den Sitz des Adels. Ein schmutziges Quartier voll Dreck und Hotels, der Gesandte freundlich, ohne Uebermaß. Die Frau kam. Scheint sehr liebenswürdig. Soll bei ihnen essen. Essen muß der Mensch. Werde erscheinen. Der Gesandte gab mir seine Karte in die Deputiertenkammer, die fünfzig Schritte von seinem Hause im Palais Bourbon ist. Schönes Gebäude. Ein Labyrinth von Eingängen und Couloirs. Das Innere wunderschön, zu hübsch fast. Ein Halbzirkel um den Präsidentenstuhl gezogen, der, prächtig von Bronze, wohl acht Fuß vom Boden erhaben ist. Unter ihm die Rednerbühne mit Aufgängen zu beiden Seiten. Die Bänke und Galerien purpurfarb ausgeschlagen. Gerade dem Präsidenten gegenüber die zwei Bänke der Minister, bloß durch eine goldene Inschrift als solche bezeichnet, sonst in allem den übrigen gleich, die in Keilen von zwei, drei und vier Sitzen auf Stufen emporlaufen. Unter der Rednerbühne Huissiers in schwarzen Kleidern, Degen an der Seite und goldene Ketten um den Hals. Der Anfang sollte um zwei Uhr sein. Es war aber noch kaum jemand da. Um halb drei Uhr kam der Präsident, den die Wache mit Trommelwirbel empfing. Dupin ist nicht groß und ziemlich beleibt. Gefärbtes Gesicht, weißes Haar. Ich habe viele Kaufleute gesehen, die so aussehen. Nach und nach kamen auch Deputierte, in allem wohl einhundert oder so. Ein Greffier trat auf die Tribüne und las etwas vor. Wahrscheinlich die gestrige Verhandlung. Niemand aber merkte auf. Die Deputierten schwatzten, der Präsident schwatzte, und der Greffier, der das wußte, murmelte nur, fast ohne den Mund zu bewegen. Endlich nahm das Gelese ein Ende. Nun hatte man aber Teufelsmühe, die Deputierten auf ihre Plätze zu bringen. Endlich gelang es, und die Sitzung fing an. Sie war ohne Interesse. Der Gegenstand nicht unwichtig, denn es handelte sich um die Entschädigungen für Privatgüter, die zum Behuf öffentlicher Arbeiten in Anspruch genommen würden. Die Sache wurde aber mit vieler Gleichgültigkeit behandelt. Die meisten schrieben Briefe oder schwatzten, so daß der Präsident wiederholt klingeln mußte, damit die Redner nur verstanden würden. Alle Reden kurz, mitunter nicht ohne Stottern. Am besten sprach einer der Opposition von seinem Sitze aus. Ziemlich jung, mit einer kräftigen hellen Stimme. Von den Ministern, deren drei zugegen waren, sprachen zwei. Einmal der Finanzminister d'Argout, von seiner Bank aus, wie es schien, ohne zu überzeugen. Er ist ein übel aussehender, häßlicher Mann, dem die Haare wie ungekämmt vom Kopfe herabhängen. Der zweite der Minister, der nach der Aehnlichkeit mit dem Porträte mir Montalivet zu sein schien, wollte auch auf seinem Sitze bleiben, man rief ihm aber so lange zu, bis er sich auf die Rednerbühne begab. Merkwürdig die Schnelligkeit, mit der bei Zwischenfragen, die man nur durch Aufstehen von den Bänken entscheidet, die Stimmen gezählt werden. Drei Beamte treten auf die Tribüne, wahrend die Stimmenden sich nur für zwei Sekunden erheben, und schon sind die Zahlen bekannt. Das eigentliche Votieren geschieht durch Kugeln. Zwei Vasen werden zur rechten und linken Seite auf die Rednerbühne gestellt, und die Deputierten gehen nun einer nach dem andern über die Tribüne und werfen die beiden Kugeln, die sie von einem der unter dem Präsidenten sitzenden Beamten erhalten, je eine, in die dort stehenden beiden Vasen. Gegen vier Uhr ward die Sitzung aufgehoben.

Zu Tisch ins Palais royal, abends zu Brant, wo ich einen jungen Engländer fand. Sie tranken Thee. Ich nahm auch eine Tasse. Wir schwatzten. Gegen neun Uhr ging ich ins Théâtre porte St. Martin, wo man ein gräßliches Stück: Les sept Infants de Lara gab. Mlle. George, einst schön, noch immer edle Züge. Schreit, rast; in den ruhigen Momenten oft wirksam. Das Arrangement gut. Schlecht – niemand. Ich war erst zum zweiten Akte gekommen und ging um Mitternacht, da eben der fünfte angehen sollte. Habe daher soviel als nichts von der ganzen Handlung verstanden. Nur weiß ich, daß es sehr gräßlich herging. Zwei Gegner, ein Don Gonzalo von hoher Figur, mit schönem kräftigen Organ, und ein hagerer dünnbärtiger Araber erzählten einander, wie sie sich haßten und was sie Lust hätten, miteinander vorzunehmen. Die Mutter der sieben Infanten warf jedem ihrer Söhne insbesondere einen eigenen Mord oder sonst eine Schandthat vor. Der eigentliche Kern aber ging mir verloren. Das Theater übrigens gedrängt voll. Wenig Fremde, fast alles Eingeborne.