5. Ueble Nacht. Kaum eine Stunde geschlafen ... Ich will demungeachtet noch heute fort nach Berlin, dort kann ich länger bleiben, dort will ich mich pflegen.

5. Ueble Nacht. Kaum eine Stunde geschlafen ... Ich will demungeachtet noch heute fort nach Berlin, dort kann ich länger bleiben, dort will ich mich pflegen.

Wenn ich meiner innersten Neigung folgte, so würde ich auf der Stelle umkehren und wieder nach Hause reisen. Die Natur in diesen Gegenden ist nicht anziehend genug und die Leute beengen mich. Es war ein Teil des Zweckes meiner Reise, die namhafteren Männer kennen zu lernen, und ich besuche sie mit einer Art Pflichtgefühl, aber nur, damit ich dort war, nicht als ob es mir Vergnügen machte, hinzugehen. Diese Leute haben eine Art Rührigkeit des Geistes, die meine wienerische Trägheit zu Schanden macht und einschüchtert. Ich rede, wenn ich etwas zu sagen habe, und schweige still, wenn ich nichts weiß; diese Leute aber wissen immer etwas; die meisten Gespräche machen mir Langeweile.


Es ist vier Uhr, um sieben Uhr geht's nach Berlin. Weiß Gott, ich möchte lieber umkehren!

Wir fuhren die ganze Nacht. Nachdem ich drei Nächte schlaflos gewesen, schlummerte ich nun aus äußerster Ermattung fast die ganze Nacht hindurch im Wagen. Ich befinde mich äußerst unwohl, und unter diesen Umständen ... eine Reise von 23 Meilen im Eilwagen zu machen, der nirgends anhält, ist wohl ein wenig gewagt. Aber mich drängt es weiter. In Berlin kann ich ausruhen. Mein Uebel wird während der Reise vor der Unmöglichkeit Respekt haben.

Preußische Grenze. Visitiert. Anständig behandelt.

Bei grauendem Morgen Wittenberg. Die alte Stadtkirche trat neblig hervor. Luthers Denkmal leider wegen des Dunkels nicht sehen können. Abgeschmackte Gegend, Heide, Heide. So schlimm, so sandig, als man mir es beschrieben hatte, fand ich es denn doch nicht. Treuenbritzen, Potsdam. In letzterem beim Eintritt Strohdächer, baufällige Hütten; in der Nähe des Schlosses Prachtgebäude und breite Straßen. Es regnete heftig, wir konnten wenig sehen. Die Gegend um Potsdam schöner als seit Leipzig, aber doch auch nicht allzuviel. Sanssouci will ich mir in der Folge einmal besehen. Erst ein paar tausend Schritte vor Berlin merkt man die Nähe einer so großen Stadt. Die Landhäuser von hier an aber wirklich sehr niedlich, besonders mit sehr hübschen Eisengittern eingefaßt. Endlich die Türme von Berlin. Der erste Anblick imponiert kaum mehr als der von Dresden. Durchs Thor eingefahren. Schön! Die Gebäude schöner, als ich sie in solcher Menge beisammen je gesehen. Die Straßen breit. Königlich. Das Schloß, ohne ein eigentliches Bauwerk zu sein, schön. Im Gasthause zum Könige von Portugal abgestiegen. Alles besetzt, schlechte Stube. Da es regnete und ich zu faul war, weiter zu suchen, blieb ich, gegen das Versprechen einer besseren Wohnung für morgen. Man spielte in drei Theatern; da ich weder Käthchen von Heilbronn mit einer solch obskuren Besetzung sehen wollte, noch der französischen Komödie wieder in die Hände fallen wollte, der ich erst so glücklich in Wien entsprungen, so beschloß ich noch nach der Königsstadt zu gehen, zu fahren vielmehr; denn ich mietete eine Droschke, deren Führer auf eine mich anekelnde Weise, auf russisch, vermummt war. Gewöhnt ihr euch schon im voraus auf die Livree eurer künftigen Herrn? Das Königsstädter Theater von außen recht hübsch, weite Vorhallen, breite Gänge. Das Innere nicht minder gut. Drei Reihen Galerien übereinander. Die Vertäfelung des Prosceniums unschicklicherweise von der Bühne heraus gegen Parterre und Orchester gerückt. Muß das nicht der Wirkung der Stimme Schaden thun? Die übrigen Einrichtungen vom Leipziger Theater erborgt oder umgekehrt. Man gab ein elendes Lustspiel von Clauren: Das Doppelduell. Die Gesellschaft ungefähr so schlecht als das Personal unserer Josefstädter Bühne. Eine Mamsell Holzbecher wenigstens als Frauenzimmer hübsch. Ueber Spitzedern erschrak ich. So ohne alle Komik, so stümperhaft hatte ich mir ihn nicht vorgestellt. Der andere Komiker Angely langweilig bis zum Sterben. Das Publikum lachte sehr über beide. Hierauf folgte: Zum goldenen Löwen. Hier war Spitzeder besser. Uebrigens beruht sein Spiel (wie schon in Wien) mehr auf einer Anhäufung äußerer Possen, als auf wirklich innerer komischer Kraft. Für letztere scheint man im nördlichen (protestantischen?) Deutschland überhaupt wenig Sinn zu haben. Angely in diesem Stücke so schlecht als im vorhergehenden. Ich war müde und ging vor dem Ende.

Im Könige von Portugal zu Nacht gegessen, wo die Speisekarte aus zwei warmen und drei kalten Gerichten bestand. In Wien ist man mit zwanzig Nummern kaum zufrieden. Ländlich, sittlich. Zu jeder warmen Speise erhält man unaufgefordert gesottene Kartoffeln.