30. 31. Wie leicht vorauszusehen war, die Lust zu diesen Kritzeleien verloren.

30. 31. Wie leicht vorauszusehen war, die Lust zu diesen Kritzeleien verloren. Vor- und Nachmittag auf der Galerie. Den Enthusiasmus für meine Hagar zum Teil verloren, nachdem ich die unendlichen Werke der italienischen Schule gesehen, Correggio: Die Nacht, wurde eben kopiert und war daher nur Teil für Teil, nicht als Ganzes zu betrachten. Hat (vielleicht nur wegen dieses Umstandes) nicht all die Wirkung auf mich gemacht, die ich erwartete. Das Licht, das vom Kinde ausgeht, gibt in seiner nicht von der Natur hergenommenen Weiße dem Ganzen etwas Sonderbares, besonders wird die Jungfrau dadurch für mich beinahe entstellt. Die Hirten in der Entfernung, viel gelber bestrahlt, machen sich lebhafter. Der heilige Joseph vortrefflich. Wie gesagt, wäre es möglich gewesen, das Bild in gehörigem Abstände und als Ganzes zu betrachten, so würde das Urteil vielleicht anders ausgefallen sein. Alle Erwartungen erfüllte jene zweite Madonna mit Johannes, Katharina u. s. w. Auf dem dritten Bilde fand ich besonders den heiligen Rochus mit seinem Helldunkel außerordentlich. Zum heiligen Georg. Dieser Heilige so schön man sich nur denken kann, dagegen der heilige Johannes viel zu häßlich, die Engel kolossal. Die Madonna, unangenehm hingekauert und wohl gar zu irdisch, das Ganze nach meinem Gefühle zu bunt.

Durch besondere Güte Raphaels Madonna di S. Sisto gesehen, die eben unter den Händen des Restaurateurs sich befindet.


Was ist da viel zu sagen! Die übrigen Bilder und Maler sind unter sich der Stufe nach verschieden, Raphael der Gattung nach. Dieser Bube, mehr ein Erschaffer als Erlöser. Die Augen brennen ihm im Kopfe, dagegen die Jungfrau, die menschliche Mutter des jungen Gottes. Auf allen Kupferstichen und Kopien hat die heilige Katharina etwas widerlich Kokettes, auf dem Bilde selbst, wie so anders, wie verschämt zierlich. Der heilige Papst zeigt offenbar mit dem Finger der rechten Hand aus dem Bilde heraus, das Kind schaut bestimmt, die Mutter etwas obenhin in der Richtung des zeigenden Fingers; Katharinas gesenkte Augen blicken beinahe verstohlen ungefähr nach derselben Gegend. Zeigt nicht der Papst den beiden Himmlischen die Kirche, die er gestiftet, und ist nicht etwa diese Kirche es oder etwa nur ein Altar darin, der heiligen Katharina gewidmet, die beschämt und still erfreut über so viel Ehre verstohlen danach hinblickt? Ich wäre begierig, das Eigentliche der Sache zu wissen.

Die Antiken besehen mit schmerzlichen Empfindungen. Es brachte mir die Tage in Rom ins Gedächtnis, die damalige Lage, die damaligen Entwürfe. Was stand alles zu hoffen, wie wenig hat sich erfüllt! Der Welt ward ein Dichter geboren und die Prosa hat ihn getötet. Ich glaube bald, diese Begeisterung war bloß physisch und hat sich mit den physischen Ursachen zugleich aus dem Wege gemacht. Wohlan! Man muß ausharren bis ans Ende.

Wenn ein eigentlicher Dichter durch nähere Bekanntschaft leicht verliert, so kann dagegen ein schlechter nur gewinnen. Theodor Hell (Winkler) scheint ein gutmütiger Mensch; er ist als Familienvater höchst glücklich und ich habe die Fähigkeit, glücklich zu sein, immer unter die Tugenden gezählt. Kleinlich sind die Leutchen hier wohl ein wenig, aber nicht bösartig. Ich mußte lachen, wie die Tochter des Hofrat Böttiger ihrem Vater etwas zu melden kam, und während sie sprach, ihren Augen gegenüber ein Stellbrett voll Phallen und ägyptischen Götterscheusalen ... hatte.

Ich bin krank. Das Herumjagen in den Galerien, der ungewohnte Wein und vielleicht ein Abendessen, das Advokat Kuhn gab, haben übel auf mich gewirkt.