27. Drääsden. (Dresden) Gestern abend hier angekommen.

27. Drääsden. (Dresden) Gestern abend hier angekommen. Die Nacht hier geschlafen. Nichts kann mit dem unangenehmen Gefühle verglichen werden, mit dem ich mich hier empfinde. Diese quäkenden Frösche mit ihrer äußern Höflichkeit und innern Grobheit, mit ihrer Bereitwilligkeit und Thatlosigkeit, ihrer schwächlichen Großthuerei, all das ekelt mich an. Wir mußten erst vor zwei Gasthöfen anfahren, bis ich hier, im Engel, endlich Platz fand. Mein Hut war aus Versehen im Gasthause zur Stadt Wien zurückgeblieben. Ich gab gestern zweien von den Hausburschen den Auftrag, ihn zu holen; jeder von beiden war so bereitwillig, daß ich fast fürchtete, die Leute könnten sich durch zu große Eile Schaden thun, aber am Ende war keiner gegangen. Zu Abend bei Tische waren mehrere junge Offiziere, die von nichts anderem sprachen, als wieviel Flaschen Champagner sie nun getrunken hätten, dabei sprachen sie einige: Gott verdamm mich und andere derlei Phrasen, und am Ende hatten sie zu vieren drei Flaschen getrunken.

Die Sprache dieser Leute beleidigt mein Ohr. Ein Oestreicher kann mit seinem Jargon einem Fremden bäurisch vorkommen, die Sprache dieser Leute aber ist unleidlich. Sie ist unmännlich, geckenhaft, wie von und für Kopflose. Alle scharf denkenden und lebhaft fühlenden Nationen sprechen nicht sowohl schnell (das thun die Sachsen im Uebermaß) als abbreviert. Sie ziehen zusammen, verschlucken einen Teil der Buchstaben, z.B. Franzosen, Engländer; aber die Leute dahier dehnen jede Silbe, verlängern jedes Wort, hängen überall ein Lieblings-E an, so daß ihre Sprache endlich ein förmliches Mäh, Mäh von Schafen wird.


Indem ich schreibe, werde ich ruhiger. Ich hatte gestern abends mich geärgert, die Nacht schlecht geschlafen und mich mit den unleidlichsten Gedanken im Bette herumgewälzt. Mir war, als müsse ich auf der Stelle wieder umkehren und wieder nach Hause reisen. Was will ich denn eigentlich hier? Was will ich im übrigen Deutschland? – Mich zerstreuen? Ich bin zerstreut genug. Wissenschaftliche und Kunstanstalten kennen lernen? – Dazu wird mein Aufenthalt an jedem Orte zu kurz sein. Die Gelehrten, die Künstler kennen lernen? – Gehöre ich denn noch unter sie? Hier ist die Quelle meiner Marter, der Mittelpunkt meines Lebensüberdrusses: daß ich nicht fähig bin zu schaffen und ein dunkles Gefühl mir die Fratze vorhält, ich werde es nie mehr werden, das jagt mich wie ein gehetztes Wild. Mit welcher Empfindung werde ich den hiesigen Litteratoren entgegentreten? Nicht als ob ich sie scheute, dazu achte ich sie zu wenig, und erst bei Goethe wird mir Bangigkeit ankommen, aber am Ende sind sie doch thätig, sind doch was sie sein können, was sie immer waren; und wenn ich mich trotz allem für besser halte, als sie sind, was nützt mir das? Selbstschätzung war mir immer fremd, und ich kann nicht begreifen, wie einer dadurch besser sein kann, weil ein anderer schlechter ist, aut Caesar aut nihil. Deutschland ist von meiner Seite sicher vor den welken Früchten eines erkaltenden Talents.

Tieck besucht. Voll Geist ist der Mann und gut spricht er, aber es gibt einen ??????? und einen ?????? ?????. Bald unterbrach uns der Buchhändler Schlesinger aus Berlin und schmusete bis ich fortging. Manchen Leuten bleibt es unbegreiflich, daß sie ennuyieren könnten. Als an einem Sonntage die katholische Kirche besucht, Instrumentalmusik und Chöre sehr gut, erstere doch einigemal gefehlt, Flöten verstimmt. Ein trefflicher Bassist. Zwei Kastraten, der Altsänger sehr gut, der Sopran schneidend, in der Höhe falsch, ohne Verbindung der Fistel- und Mitteltöne, wenig Gesangbildung. Der König und das ganze königliche Haus in großer Andacht zugegen. In den Gängen der Kirche zwei gallonierte Thürsteher des Königs, die, indem sie jede Störung hindern wollten, selbst die größte Störung verursachten. Nachmittags im Linkeschen Bade. Hübscher Ort. Großes Konzert gegen einen Groschen Einlage. Uebrigens weniger schlecht, als der Preis vermuten ließ. Die Weiber alle mit der Strickerei in der Hand. Diese Leute sehen sehr gutmütig, aber langweilig aus. Noch kein schönes, kaum ein paar hübsche Mädchen gesehen. Ich glaube, die Dresdenerinnen kommen mit 30 Jahren zur Welt, bis jetzt sah ich beinahe noch keine junge. Verhältnismäßig viel Mißgestaltete und Zwerge.

Abends bei Tieck, Er las den Kaufmann von Venedig vortrefflich. Sein Vorlesen bringt die Wirkung der besten Darstellung auf der Bühne hervor. Da er aber während der Akte nicht absetzte und die Aufmerksamkeit immer gespannt blieb, so ward bei der großen Hitze das Ganze zuletzt in hohem Grade ermüdend, und ich hatte Mühe, die Augen offen zu behalten.