24. Auf dem Hradschin gewesen.

24. Auf dem Hradschin gewesen. Das königliche Schloß sehr unter meiner Erwartung. Ich ziehe die Wiener Burg vor. Dort sieht man doch die Generationen, die daran gebaut haben und freut sich, daß so unumschränkte Herrn sich behelfen und begnügen; hier sind Summen verschwendet und doch nichts erreicht. Das Ganze weitläufig und doch nicht groß; kasernenartig, ohne architektonische Bedeutenheit. Ueberhaupt ist der Hradschin der Ort nicht, von dem aus sich Prag im Glanze zeigt; der Aussicht vom Hradschin fehlt das Beste, der Hradschin selbst nämlich, der den Anblick von Prag erst zu dem macht, was er von jedem andern Standpunkte aus ist. Von der Ferne stellt sich auch das Schloß herrlich dar, in der Nähe, wie gesagt, gefällt es mir nicht.

Die Domkirche besehen. So viel Merkwürdiges, daß man kaum weiß, wo man Hinsehen solle. Ottokars Grabmal. Die Figur verstümmelt, die Nase fort, kaum eine Physiognomie erkennbar. Der Körper tüchtig, nicht allzu groß, Ich habe den Mann aufrichtig um Verzeihung gebeten, wenn ich ihm irgend worin unrecht gethan haben sollte. Uebrigens zeichnet sein Grab nichts aus und er liegt ununterschieden unter den Spitihniev und anderen Tröpfen, vor denen er so ausgezeichnet war. Die Preußen haben einen Teil dieser Kirche zusammengeschossen, gegenwärtig nimmt sie sich von dieser Kehrseite und im Innern (als Ganzes) nicht zum besten aus.


Diese Stadt bringt mir, außer einem wirklich ausgeführten (Ottokar), auch noch zwei entworfene Trauerspiele ins Gedächtnis: Drahomira und Rudolf II. Von ersterem, besonders dem heiligen Wenzel, ist namentlich diese Domkirche übervoll. Gemälde, seine Lebensgeschichte darstellend, sein Helm und Panzerhemde, der Ring, an den sich haltend, er getötet wurde (wenn man anders damals in Böhmen Messing schon kannte); alles erinnert an ihn und an seinen Bruder Boleslav.

Hingegen kaum eine Spur von Rudolf II. zu finden, und doch muß er für Prag so viel gethan haben.

Das königliche Schloß trägt seines Bruders Mathias Namen an der Stirne. Hat es denn nicht schon Rudolf bewohnt? Der stille Kaiser Rudolf.

In der Judenstadt gewesen. Schmutz, Schmutz, Schmutz! Man begreift, warum dieses Volk keine Schweine ißt.

Es wäre eine eigentliche Hyophagie (Anthropophagie). Und doch sah ich drei der schönsten Mädchen, die ich je gesehen, in dieser Judenstadt, und alle drei offenbar Jüdinnen. Die eine beinahe griechisch und ideal, die andern menschlich, leiblich, fleischlich, was man will; aber äußerst hübsch.

Diese Stadt hat mich einigermaßen mit der böhmischen Nation ausgesöhnt, die ich nie habe leiden mögen. Eigentlich sollte man über kein Volk aburteilen, bevor man es in seiner Heimat gesehen. Ist nicht der Italiener, daheim klug wie keiner, in der Fremde häufig die eigentlichste Karikatur? Gewisse Eigenschaften bedürfen gewisser Unterlagen und Umgebungen, außer dem Zusammenhange wird das Konsequenteste absurd.