Reisenovellen von Heinrich Laube, Teil 6

Autor: Laube, Heinrich (1806-1884) deutscher Schriftsteller, Dramatiker und Theaterleiter, Erscheinungsjahr: 1847

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Dresden, Reisen, Reisebeschreibung, Heinrich Laube, Berlin, Schlesien, Heimat, Wandern, Sitten und Bräuche
Dresden.

Dresden ist eine schöne Stadt an der Elbe, das weiß jedes Kind, und es wäre Luxus, über die Merkwürdigkeiten dieser Stadt noch etwas zu sagen, da Jeder reputierliche Gebildete unseres Vaterlandes einmal da gewesen ist oder hinreist. Es hat an die 60.000 sächsische Einwohner, von denen zwei Dritteile seit vielen, vielen Jahren an einer epidemischen und kontagiösen Krankheit leiden, nämlich am Stockschnupfen. Deshalb sprechen sie wie Ferdinand von Meißen aus dem bekannten Lustspiele „die Drillinge“ und sind wegen dieses Meißen'schen Dialekts und wegen des grammatisch verstorbenen Herrn Adelung überzeugt, dass sie „das reenste Hochdeutsch“ sprechen. Sie schreiben richtig, daher der Irrtum. Von Dresden nach Meißen sind drei kleine Meilen, und man fährt sie in vier Stunden; ein Dresdner braucht lange nicht so viel Zeit, um die erste Silbe dieser Porzellanstadt auszusprechen, es ist Verleumdung, wenn man das ableugnet. Schlechte Historiker sind der Meinung, Meißen sei die älteste Hauptstadt Sachsens gewesen, weil man noch heutiges Tages jeden Sachsen an der Aussprache dieser Stadt erkenne, aber die berühmte Porzellanfabrik daselbst hat wirklich Einfluss auf den Volkscharakter gehabt: kein deutscher Volksstamm fasst den Fremden so höflich, porzellanartig und delikat an, als der sächsische. Meißner Porzellan und sächsische Höflichkeit sind weltbekannt, aber es wissen's nicht alle Leute, dass dieses Porzellan und diese Höflichkeit die schneidensten Scherben geben, wenn sie verletzt werden. . . .