Abschnitt 1

Regenzeit in Kúkaua 1851.


Ich hatte bei meinem Aufbruch nach Adamaua die Hauptstadt Bórnu's in bester Gesundheit verlassen; aber ich hatte von jener Reise die Keime ernstlicher Krankheit zurückgebracht und der Aufenthalt in der Stadt, wenigstens zu dieser Jahreszeit, war nicht eben dazu geeignet, meinen Zustand zu verbessern. Gewiss würde es erspriesslicher für mich gewesen sein, wenn ich im Stande gewesen wäre, mich unverweilt nach einem gesünderen Orte zurückzuziehen; aber kleine, jedoch zur Zeit höchst wichtige Geschäfte hielten mich in Kúkaua zurück.


Es war nöthig, die endlich angekommenen Waaren zu verkaufen, um uns irgendwie flott zu halten, indem wir die dringendsten Schulden bezahlten und die zu weiteren Forschungsreisen nothwendigen Mittel beschafften. Es fand sich Waare zum Belauf von 100 Pfund Sterling; da ich aber gezwungen war, die Artikel für baares Geld loszuschlagen, ergab sich ein beträchtlicher Verlust. Denn aller grössere Handel in diesen Ländern wird auf zwei- oder selbst dreimonatlichen Kredit abgeschlossen und am Ende geschieht die Zahlung nicht in baarem Gelde, sondern fast ganz allein in Sklaven. Gewiss ist es Bedürfniss für einen Reisenden, mit einer Auswahl solcher Artikel versehen zu sein, welche die Geschenke bilden, die er den Häuptlingen zu machen hat, und auch in vielen Landschaften in Ermangelung einer allgemein gültigen Landesmünze zum Austausche nöthig sind; aber für seine täglichen Bedürfnisse sollte der Reisende nicht auf den Verkauf von Waaren angewiesen sein. Allerdings ist es keine Frage, dass ein Europäer, der sich ruhig in einem Orte niederliesse und enge kaufmännische Verhältnisse mit den Eingeborenen anknüpfte, eine grosse Menge interessanter Belehrungen sammeln könnte, die der Aufmerksamkeit des stets umherwandernden Reisenden, dessen Zweck mehr in der Erforschung entfernter Gegenden beruht, wahrscheinlich entgehen würden. Aber auf der anderen Seite ist es in diesen Ländern schwierig, ja unmöglich, Handel mit ausgedehnter geographischer Forschung zu verbinden.

Überdies war ich gezwungen, meinen Freunden, um sie bei guter Laune zu erhalten, zahlreiche Geschenke zu machen, und hatte sehr häufig Anzüge nicht allein für sie selbst und ihre Frauen, sondern selbst für ihre Diener und Anhänger zu beschaffen, so dass, Alles zusammengenommen, die Mittel, die mir die Waaren im Werthe von 100 Pfund Sterling gewährten, nur sehr kurze Zeit ausreichen konnten. –

Ich habe bemerkt, dass, als ich nach Kúkaua zurückkehrte, der Anbau des Bodens noch nicht begonnen hatte. Wirklich war das ganze Land so versengt, dass es überaus schwierig war, hinreichend Futter für die Pferde zu finden; denn der ganze Vorrath trockenen Grases war verbraucht und frische Kräuter waren noch nicht zu haben. In meinen täglichen Notizen findet sich die Bemerkung, dass ich am 5ten August 12 Rottel für ein Bündel trockenen Grases – „kéla kadjfmbe“ – bezahlte, – ein ungeheuerer Preis in diesem Lande und völlig hinreichend, eine ganze Familie mehrere Tage zu unterhalten. Das aber war der ungünstigste Augenblick; denn in wenigen Tagen schoss frisches Gras auf und befriedigte allen Mangel. Da ich diesen Gegenstand einmal bespreche, muss ich auch erwähnen, dass das Gras von Kúkaua voll von Permisetum distichum – „ngíbbi“ – mit der stacheligen Samenkapsel ist und Pferde aus anderen Gegenden gewöhnlich sehr schlecht dabei fahren, da sie einen Widerwillen dagegen haben, ihr Maul mit den kleinen Stacheln dieses Grases anzufüllen.

Der Regenfall war im Jahre 1851 sehr reichlich und ich bin sicher, dass er die von Herrn Dr. Vogel im Jahre 1854 gefundene Regenmenge bei weitem übertroffen haben würde, wenn er gemessen worden wäre. Es fielen allein während des Monats August zwölf sehr bedeutende Regengüsse, die zusammen wahrscheinlich schon 30 Zoll überstiegen. Auch darf man nicht vergessen, dass der Regenfall in Kúkaua nicht die Regel für eine weite Landschaft, sondern eine Ausnahme bildet, was dem gänzlichen Mangel an Bäumen und an Anhöhen in der Umgegend zuzuschreiben ist. Ich bin daher der Ansicht, dass Herrn Dr. Vogel's Angabe *), die Linie tropischer Regen beginne erst südlich von Kúkaua, mit einigem Vorbehalt zu verstehen sei; denn wenn er den Regen in der bewaldeten Landschaft in einiger Entfernung nördlich von der Hauptstadt, zwischen Dau-erghu und Kalílua, gemessen hätte, so würde er wahrscheinlich schon ein verschiedenes Resultat gefunden haben. Gewiss versteht Herr Dr. Vogel hier unter tropischem Regen eine tropische Regenfülle und nicht den regelmässig wiederkehrenden Regenfall, der durch die aufsteigenden Strömungen erhitzter Luft verursacht wird, und schliesst desshalb Kúkaua von der Zone tropischer Regen aus, wie sich denn sicherlich die Hauptstadt Bórnu's in dieser Hinsicht mehr der mittleren Regenmenge von Europa anschliesst. Es wäre aber grundfalsch, dies zu verallgemeinern und eine Linie südlich von Kúkaua durch den Sudan oder selbst nur durch Bórnu zu ziehen. Wie ganz anders muss der Regenfall auf dem Tsad sein und wie ganz anders selbst in den waldigen und sumpfigen Gegenden am Komádugu! In der Nacht des 3ten August fiel ein überaus heftiger Regen, der nicht allein unseren Hofraum unter Wasser setzte, sondern auch mein Gemach, das ½ Fuss tiefer lag und nur eine niedrige Schwelle hatte, in einen kleinen Teich verwandelte, was nicht wenig dazu beitrug, meinen fieberhaften Zustand sehr bedeutend zu verschlimmern, und wodurch auch der grösste Theil meines Gepäckes verdarb.

Am 5ten August fiel zum ersten Male Regen, ohne von Gewitter begleitet zu sein, während die Regenzeit im Allgemeinen mit erschrecklichen Gewitterstürmen hereinbricht. Der Überfluss an Wasser störte das üppige Dasein der „kanám galgálma“, der grossen, ausgewachsenen und nicht larvenartigen Termiten, die so lange von unserem Zucker und anderen Vorräthen gezehrt hatten, und am 6ten August verschwanden sie alle auf einmal vom Boden und erfüllten die Luft als vergängliche geflügelte Geschöpfe, in welchem Zustand sie vom Volke „tsútsu“ oder „dsúdsu“ genannt werden und geröstet zur Nahrung dienen. Ihre Lebenskraft ist so beschränkter Natur und sie scheinen so schwach zu sein, dass sie sehr lästig werden, wenn sie in jeder Richtung auf den Mann und seine Nahrung fallen. Von jedem Schwarm dieser Insekten scheint nur ein einziges Paar bestimmt zu sein, den Tag schnellen Unterganges zu überleben; alle übrigen sterben eines gewaltsamen Todes.




*) In einem seiner Briefe, der im Journal of the Royal Geogr. Soc., vol. XXV, 1855, p. 241, abgedruckt worden ist.