4. Bandong und die Theeplantage.

Bandong, das ich Mittags etwa erreichte, liegt fast noch schöner als Tjanjor. Von hohen vulkanischen Bergen, dem Malabar, Tancuban-Prahu und anderen eingeschlossen, bilden diese ein Thal, das sich wahrlich nicht feenhafter und reizender denken läßt. Obgleich schon hoch im Binnenlande, herrscht hier noch rein die tropische Vegetation vor; Cocos, Areka und Arenpalmen wiegen ihre rauschenden Gipfel über Mangas und Papayas, über Ngankas und Orangen, und dennoch ist die Luft kühler und erfrischender als im flachen Lande, man steht nicht allein, man fühlt auch, daß man sich im höhern gebirgigen Theile der Tropenebene befindet.

Das Städtchen selbst hat ungemein viel Aehnlichkeit mit Tjanjor, sowohl in seiner Bauart als seinem Verkehr. Ein Assistent-Resident hat die erste Gewalt in dieser Provinz, steht aber unter dem Residenten von Tjanjor.


Ich kehrte dort im Hotel, denn Bandong ist keineswegs ein unbedeutender Platz, ein, wo mich eine sehr wohlbeleibte Wirthin, die schon eine unbestimmte Anzahl von Ehegatten gehabt haben soll (ich hörte sogar die entsetzliche Zahl sieben nennen) auf das freundlichste empfing. Vor allen Dingen that mir aber Ruhe Noth, ich fühlte mich heute, unbegreiflicher Weise, besonders schwach und abgemattet, nahm deßhalb ein Bad, aß etwas und hielt eine tüchtige Siesta.

Durch die Freundlichkeit des Herrn Kinder, eines Kaufmanns zu Batavia, hatte ich einen Brief an seinen Schwager, den Assistent-Resident, Herr Bischer van Gaasbeek, erhalten, und wurde von diesem auf das Herzlichste empfangen. Ich mußte ohne Weiteres meine Sachen aus dem Hotel holen und bei ihm einziehen, und fand mich in wenigen Stunden häuslich und auf das behaglichste eingerichtet.

Hier passirte mir übrigens etwas, was mir schon mehre Male, bis jetzt aber fast immer nur im Walde, wenn ich allein war, und nach etwas übermäßiger Anstrengung vorgekommen; als ich nämlich mit Herrn Bischer Abends zusammen in der Stube saß und mit ihm plauderte, wurde mir plötzlich ganz wunderlich zu Muthe, und ehe ich ihm nur sagen konnte, daß mir anfange unwohl zu werden, fiel ich, im Stuhl, in Ohnmacht. Als ich wieder zu mir kam, fand ich mich in den Händen der Policei – d. h. vier Policeidiener hatten mich mit meinem Stuhl in die Höhe gehoben und waren eben im Begriff, mich an die frische »Luft zu setzen«. Ich erholte mich allerdings sehr schnell wieder, aber blieb doch noch, für den Abend wenigstens, schwach und schwindlich, und mußte mich zu Bett legen.

Das Fatalste bei der ganzen Geschichte war mir, den guten Leuten, die sich auf das äußerste um mich besorgt zeigten, gleich den ersten Abend einen solchen Schreck einzujagen – mußten sie nicht glauben, sie hätten einen kränklichen Menschen in's Haus genommen, der ihnen da nun die schönsten Umstände machen würde. Es ließ sich jedoch nicht ändern, meine gesunde Natur siegte aber auch gleich wieder, und am nächsten Tage schon befand ich mich, wenn auch noch ein wenig angegriffen, doch vollkommen wohl.

Den 21sten blieb ich übrigens noch ruhig zu Hause, und den größten Theil des Tags auf meinem Bett; ich hatte Morgens ein kleines Fieber, wenigstens viel Hitze im Kopf gehabt, und wollte mich so viel als möglich schonen. Nachmittags war Alles wieder vorbei, und ich nahm gegen Abend mit großem Vergnügen die Einladung des Doctors an, der dort vorsprach, mit ihm hinüber nach dem »Regenten« zu fahren und dessen Bajaderen tanzen zu sehen. Wie ich hörte, war auch der Engländer und Amerikaner drüben, und es klangen schon die Töne des Gamelang zu uns herüber.

Die Entfernung betrug nur wenige hundert Schritt, und wir traten gleich darauf zum Regenten in das Zimmer – bei uns würde man sagen Audienzsaal – das auf das vollkommenste mit einer großen Anzahl hängender und stehender Astrallampen erleuchtet war.

Um den Leser übrigens des Wortes Regent wegen aufzuklären, mit dem wir in Deutschland einen ganz anderen Sinn verbinden, ist es wohl nöthig, ein paar Worte darüber zu sagen.

Die erste Person in Holländisch Indien ist – nach dem König von Holland, der General-Gouverneur, der auf den verschiedenen Inseln natürlich wieder seinen Vice-Gouverneur hat. Der General-Gouverneur residirt auf Java. Die Insel ist aber nun, ihrer Größe wegen, natürlich wieder in Distrikte, oder wie sie hier genannt werden, Residentien eingetheilt und jede von einem Resident oder Assistent-Resident regiert – unter diesem stehen die sogenannten Controlleure.

Soweit die Europäischen Beamten; zu diesen braucht aber auch die Holländische Regierung, nach einem sehr richtigen und für sie unumgänglich nothwendigen Princip, noch inländische Beamte, die sie durch ihren Gehalt für ihre Cultur interessirt, und die einestheils die Vermittler sind zwischen der eingeborenen Bevölkerung, und dann auch gewissermaßen für deren gutes Betragen einstehen müssen. Der Inländer hängt noch von alten Zeiten her sehr an seinen Fürsten, und es war deshalb nöthig, diese um soviel fester an die holländische Regierung zu fesseln – das konnte aber durch nichts stärker geschehen, als ihre eigenen Interessen, und diese »Regenten«, wie sie genannt werden, stehen sich deshalb auch ausgezeichnet gut. Sie bekommen von jedem Picol Produkte, die in ihrem District erzeugt werden, eine gewisse festgestellte Summe, und das Einkommen des Regenten von Bandong soll sich jährlich auf weit über hunderttausend Gulden belaufen.

Der Resident hat ebenfalls seinen Antheil, und es ist leicht einzusehen, daß dadurch gerade die Cultur der verschiedenen Produkte von all den oberen Beamten, die nur dabei gewinnen können, auch auf das lebhafteste und eifrigste betrieben wird. Allerdings ist bei einem solchen System nichts leichter, als daß ungewissenhafte Beamte die Eingeborenen, die gezwungen sind, ihre Arbeit gegen eine gewisse, mit dem Nutzen kaum im Verhältniß stehende Bezahlung zu leisten, übermäßig knechten können, und Erfahrung hat ja auch gelehrt, daß es geschehen ist, aber durch das System hat sich in den statistischen Berichten ein soviel größerer Export von Produkten ergeben, und den Producirenden mag der Teufel haben.

Der jetzige Gouverneur hat nun angefangen, in einigen Theilen des Landes wenigstens, den Eingeborenen hinsichtlich der Arbeit ihren freien Willen zu lassen, und es in ihr Interesse zu bringen gesucht, doch so viel zu leisten wie früher, und Gott gebe, daß er ein so menschenfreundliches Gesetz durchführen und erhalten kann. Das Resultat läßt sich aber leicht voraussehen – der Eingeborene lebt ungemein mäßig, nur für wenige Deute Reis genügen ihm für seine ganze tägliche Nahrung, und wenn auch die Bekanntschaft mit den Europäern viele Bedürfnisse in ihm geweckt hat, die er früher nicht kannte, so ist es kaum wahrscheinlich, daß er so viel leisten wird, als früher einzelne gewissenlose Beamte aus ihm herauspressen konnten. Dadurch steht sich der Eingeborene nicht schlechter, er hat weniger Arbeit und kann weit bequemer leben, und will er noch mehr leisten, so mag er leicht seinen eigenen Hausstand verbessern – aber es kommen auch weniger Produkte auf den Markt, nicht allein die Beamten und Regenten verlieren an ihren Einnahmen, auch die Kaufleute in den Städten haben nicht so viel Umsatz und büßen dadurch einen Theil ihres Gewinns ein. Der Erfolg wird seyn, daß alle diese Leute ein Zetergeschrei erheben über ruinirten Handel und Gewerbe, und der arme Eingeborene muß am Ende doch wieder der seyn, der seine Haut allein zu Markte trägt.

Es ist wahr, dieses Arbeits-Zwang-System sollte von Anfang an, wie es zuerst begründet wurde, nur ein Versuch seyn – es sollte die Eingeborenen, die sich sonst freiwillig nie dazu verstanden hätten, mit der Arbeit und ihrem Nutzen bekannt machen, sie mehr Bedürfnisse kennen lehren und ihnen die Mittel an die Hand geben, diese zu befriedigen. Es erwies sich aber in seinem Erfolg so ausgezeichnet, so über alle Erwartung günstig für das Interesse der Holländer, daß die früheren Gouverneure, deren Hauptzweck ja doch auch nur meistens war, in den kurzen Jahren ihrer Regierung so viel Schätze als möglich zusammenzuscharren, um damit später in Holland ihr indisches Leben fortsetzen zu können, sich wohl hüteten, daran zu rütteln. Desto anerkennenswerther ist aber dafür der Versuch des jetzigen, jene Mißbräuche, wenn auch nicht auf einmal abzuschaffen, das wäre unmöglich, aber doch zu mildern, und ich meines Theils wünsche ihm von Herzen ein glückliches Gelingen seiner Pläne im Interesse der Menschlichkeit.

Wäre ich übrigens in das Zimmer des Regenten gekommen, ohne zu wissen, bei wem ich mich befände und in welchem Welttheil – es würde mir nicht eingefallen seyn, auf Indien und einen javanischen Prinzen zu rathen. Die ganze Einrichtung war rein europäisch, mit französischen und englischen Kupferstichen an den Wänden und großen Spiegeln in vergoldeten Rahmen. Nur die, im Hintergrunde an den Wänden, gleichsam wie Trophäen angebrachten Staatsschirme, mit gewaltigen, wohl acht bis neun Fuß langen Stielen, hatten etwas Tropisches, Fremdartiges.

Auf dem Tisch standen Cigarren in gepreßten französischen Lederetuis. Der Regent selbst aber mit all seinen Untergebenen stach von dem Allem so scharf wie eigenthümlich ab. Es war ein junger schöner Mann mit leichtem Schnurrbart und dunklen, ausdrucksvollen, aber etwas matten, vielleicht wollüstigen Augen. Er hatte ganz die Physiognomie seines Stammes und war eigentlich der uneheliche Sohn des früheren Regenten, der von der holländischen Regierung abgesetzt und pensionirt war, weil unter ihm der vorige Assistent-Resident von Bandong – der sich übrigens auch durch seine Strenge und Grausamkeit bei allen Eingeborenen verhaßt gemacht hatte – ermordet worden war. Um den Kopf trug er turbanähnlich, aber doch ganz in inländischer Art, das gewöhnliche Kopftuch, sonst aber Hemd, Weste und seine Tuchjacke mit goldtressirten Krempen, unten ziemlich eng anliegende Hosen von inländischem Zeug und darüber einen fast bis an die Knöchel niederreichenden feinen Sarong. Seine bloßen Füße stacken in schön gestickten chinesischen Pantoffeln.

Das Kostbarste aber schien eine Waffe, die in dem schweren seidenen, den seinen Sarong über den Hüften umschließenden Gürtel stack. Es war ein, an Heft und Scheide schwer mit Gold belegter Dolch oder Khris in der eigenthümlichen Form des Landes, das Heft reich mit Diamanten, Smaragden und Topasen besetzt, und die Klinge vom feinsten matt damascirten Stahl.

Die indischen Fürsten halten ungemein viel auf diese Khrise, in deren Damast einzelne nur ihnen verständliche Zeichen der eigenen Familie von jedem Gliede derselben leicht und schnell erkannt werden können. Ihre Religion gebietet ihnen dabei diese Khrise, wo sie dieselben einst in fremden Händen finden sollten, sey es um welchen Preis es wolle, wieder in ihren Besitz zu bringen, und man erzählt sich darüber einige sehr hübsche Anekdoten.

Vor den offenen und weiten Saalthüren saßen die Musici mit ihren verschiedenen Arten von Gamelangs alle kauernd auf der Erde – es ist dieß, ganz nach muhamedanischer Sitte die einzige Art wie sie vor ihrem Regenten erscheinen dürfen. Einzelne Diener, mit den ewig brennenden Cocosbastlunten kauerten ebenfalls mit untergeschlagenen Füßen im Zimmer, des api-Rufs gewärtig, auf den sie dann, sich so wenig als möglich von der Erde erhebend, herbeikrochen und dem Regenten nur sitzend, seinen übrigen Gäste etwas mehr aufgerichtet, das Feuer boten. So knechtisch und systematisch ist dabei das ganze Unterthänigkeitsverhältniß gestellt, daß selbst diese kriechend unterwürfige Stellung nicht einmal genügend scheint, wo wenigstens dem Arm frei gestattet wäre das Verlangte darzureichen – nein selbst der linke Arm darf nicht selbstständig genug dazu seyn, und während er mit der Linken die Feuerlunte ehrerbietig und etwa in einer Stellung darbietet, als ob er jeden Augenblick einen Hieb auf den Kopf erwartete und ohne weitere Warnung bereit wäre unterzutauchen, hält er mit der Rechten, wie ihn zu unterstützen, den linken Arm fest.

Nachdem die ersten Begrüßungen vorüber waren, und sich die Anwesenden, unter denen sich auch ein Herr Phlippeau, ein Kaffeepflanzer von Lembang befand, gesetzt und ihre Cigarren angezündet hatten, gab der Regent ein Zeichen mit der Hand und die klagenden aber vollen und harmonischen Laute eines wirklich ausgezeichneten Gamelangs schwammen in zwar einzelnen, aber doch zusammenklingenden Tönen zu uns herüber. Dank den Spielenden die heute nur eben leise die melodischen Glocken berührten und nicht drauf 'nein hämmerten, wie das leider gewöhnlich geschieht, als ob sie für die ganze Nachbarschaft Alarm schlagen müßten.

Meine Aufmerksamkeit ward aber schnell genug von der Musik zu einem Gegenstand gelenkt, der mich wirklich im ersten Augenblick zweifeln ließ, ob ich träume oder wache.

In der geöffneten Thüre links zeigte sich plötzlich die Gestalt eines jungen wunderschönen Mädchens in der phantastischen Tracht wie wir uns gewöhnlich Feen und andere überirdische Wesen denken. Sie trug ein nicht zu langes, ziemlich eng anschließendes Kleid aus leichtem wie es mir schien wollenen Stoff, denn er schloß sich weich der schlanken reizenden Gestalt an; Grün und Gold durchwebt schien er dabei, denn bei den einzelnen Biegungen des Körpers glänzte es wie von matt metallenem Schein. Ein breiter, prachtvoll gearbeiteter goldener Gürtel umschloß ihre Hüften und das Gewand ging, wie bei den chinesischen Tänzerinnen (doch der Himmel bewahre mich, daß ich die beiden mit einander vergleiche) bis dicht unter die Arme, und hob sich vorn ziemlich hoch über die knospende Brust, die es züchtig bedeckte, aber zu, gleich dabei die braunen runden elastischen Schultern und zarten aber wohlgeformten Arme blos ließ, die nur durch breite Armbänder unter den Schultern und am Handgelenk geschmückt waren. Dunkelrothe gestickte Hosen schloßen sich dicht um den unteren Theil ihres Beines und endeten wie es schien, in einem goldenen Reif, der sich um ihre Knöchel legte und die kleinen zarten wunderniedlichen Füße waren blos. Vor der Brust trug sie eine Art Stern oder Rosette von Gold in geschmackvoll durchbrochener Form geschlagen und wie eine Sonne auslaufend.

Das Eigenthümlichste an ihrem ganzen Schmuck und Anzug schien aber der Kopfputz. Die Haare waren allerdings schlicht und glatt zurückgekämmt und von goldenen Nadeln und Kämmen gehalten, über dieß Alles aber hin trug sie eine Art goldenen Diadems, an dem die schmalen flachen, nach aufwärts gebogenen goldenen Platten in der Bewegung der Tanzenden schwankten, zitterten und leise an einander schlugen. Die Form dieses Kopfputzes war, wie uns der Regent später zeigte, alten heidnischen Bildern urjavanischer Zeiten entnommen und gab der Trägerin ein so eigenthümliches als pittoreskes Ansehen.

Mit leisem schwebenden Gang, langsam sich drehend, und mit elastischer Kniebeugung den Körper hebend und senkend erschien sie auf der Schwelle, und bewegte sich langsam in den Saal, den sie aber noch kaum vollkommen betreten, als eine zweite Gestalt, der erstern in jeder, auch der geringsten Kleinigkeit des Anzuges gleich, ihr folgte. Dieser folgte eine dritte und vierte, und sechs Mädchen, eine immer schöner und zierlicher als die andere, glitten solcher Art in den Saal und begannen, bei den Tönen des wunderbaren Glockenspiels ihren ausdrucksvollen pantomimischen Tanz.

Leise an einander vorüber glitten sie, ohne sich je auch nur mit dem Saum der Kleider zu berühren; herüber und hinüber schwankten die zarten lieblichen Gestalten und die kleinen lieben Gesichter sahen dabei so ernst und wehmüthig aus, und so leise und vorwurfsvoll schüttelten sie die Köpfe, daß die Goldspangen auf ihrem Haupt sich neigten und schwankten, und fein klingend mit den Spitzen zusammenrührten.

Mir wurde, bei dem wunderbaren Reigen der holden Kinder und den, tief in das Nervensystem dringenden Glockentönen des Gamelang so wunderbar zu Muthe, daß ich mich ein paarmal an die Stirn faßte, ob ich auch wirklich wache; ich wagte kaum zu athmen und als die Mädchen endlich, wie sie gekommen, nur rascher, wieder aus der Thür glitten, war es fast als ob mir eine Centnerlast von der Brust genommen wäre, und ich nun erst wieder frei und ungehindert Luft schöpfen könne.

»Das ist ganz nett, so einmal mit anzusehn – api –« sagte der Amerikaner, der dicht neben mir saß, erst zu mir und dann zu dem, unsern von uns kauernden Diener, seine schon Gott weiß wie viel mal ausgegangene Cigarre zum so und so vielstenmale auf's Neue anzuzünden – »verdammt hübsche Mädchen« fuhr er dann fort – »besonders die erste.«

Ich hörte ihn wohl, aber ich wußte in dem Augenblick kaum was er sagte – wie aus einem märchenhaften Traume erwacht schaute ich um mich, aber die europäischen Wände, die Kupferstiche und Astrallampen, die Gardinen und Bronceverzierungen thaten mir weh, sie rissen mich gewaltsam zu einer unangenehmen Wirklichkeit zurück, aus der ich mich so gern für kurze Minuten nur herausgelogen hätte. – Die europäische Umgebung paßte nicht zu den indischen Bajaderen – sie goß kalt Wasser über den ganzen Enthusiasmus, und ich hätte viel darum gegeben in diesem Augenblick die ganze elegante Scenerie mit der einfachsten schlichtesten Bambushütte vertauschen zu können.

Die Gamelangtöne klangen indessen leise fort – es ist wunderlich mit diesem Instrument, ich habe ihm Stunden und Stunden lang gelauscht und gefühlt daß eine Melodie, eine bestimmte Harmonie in seinen Tönen liege, bin aber nie im Stande gewesen sie zu halten und einzutheilen. Ich empfand hier zum erstenmal das selber, was mir bei den Amerikanern immer so eigen, ja ich möchte sagen lächerlich vorgekommen, wenn sie mir beim Spielen irgend eines leichten einfachen Liedes sagten – »das verstehe ich nicht –.« Sie verstanden es nicht, weil sie nicht mit ihren Füßen den Takt irgend eines Tanzes dazu treten konnten. Jetzt mußt' ich mir aber zu meiner Beschämung hier ebenfalls eingestehn, daß ich diese Melodien der Eingebornen – und Melodien waren es, das ließ sich wahrlich nicht leugnen – ebenfalls nicht verstand. Manchmal war es mir wohl als ob ich irgend ein Thema, irgend einen Grundaccord festgehalten hätte, wollte ich aber an diesem fortbauen, dann klangen wieder ganz andere, gar nicht zu diesen passende Passagen hinein, blitzten hindurch wie der tolle Sang irgend eines blind Hineinstürmenden und brachten mich so aus dem Concept daß ich, wenn ich zum ersten wieder zurück wollte, dieses nun ebenfalls verloren hatte. Ich fasse sonst ziemlich leicht eine Melodie; bin aber nie im Stande gewesen auch nur zwei Takte dieser Gamelangklänge im Kopf zu behalten.

Die Pause der Tänzerinnen hatte vielleicht eine Viertelstunde lang gedauert, als die Bajaderen wieder auf der Schwelle erschienen. Wieder tanzten sie wie das erstemal schüchtern und mit niedergeschlagenen Augen in den Saal, und schienen erst im Reigen selber Leben und Gefühl zu erhalten.

Dießmal trugen sie jede einen Wedel von Pfauenfedern in der Hand, und als die Töne der Glocken rascher und lebendiger zu schlagen begannen, wurde auch ihr Tanz so und sie neigten wie neckend und spielend die Weher gegen einander, schienen einander zu folgen, einander zu fliehen und waren plötzlich wieder, als ich das liebliche Bild sich nun erst recht glaubte in raschen Formen entfalten zu sehen, durch die neidische Thüre verschwunden.

Der englische Officier, der neben dem Regenten saß, hatte sich unter der Zeit dessen Khris geben lassen, um ihn genauer zu besehen – er ging von Hand zu Hand und wir konnten nicht umhin die wahrhaft herrliche Arbeit, sowohl an Klinge als Heft, in Stahl und Gold zu bewundern. Der Regent gab ein Zeichen und Einer der in allen Winkeln umherkauernden Gestalten kroch fast auf allen Vieren herbei, die Befehle des Gebieters zu vernehmen. Der Regent bog sich zu ihm nieder und sagte ihm leise einige Worte, und über den glatten Boden wie eine Schlange hingleitend verschwand er gleich darauf im Hintergrund.

Nicht zehn Minuten später erschien die schlanke jugendliche Gestalt eines Dieners in der Thür und trug fünf Gold und Juwelen blitzende Waffen – ich kümmerte mich aber im ersten Moment wenig um die Khrise, denn die Gestalt die sie brachte nahm meine Aufmerksamkeit viel zu sehr in Anspruch. Sie näherte sich allerdings in ehrfurchtsvoll vorgebeugter Stellung, als sie dem Gebieter die verlangten Waffen überreichte, aber es war nichts knechtisches in der Huldigung, und sie kauerte nicht nieder wie die Anderen, während sie seine weiteren Befehle erwartete. Das Gesicht dieses merkwürdigen Wesens war wirklich schön zu nennen, die Nase lang und wohl geformt, der Mund klein, das Auge schwarz und feurig, aber ein eigener Zug von Wehmuth lag um die zartgeformten Lippen und schien oft nur gewaltsam zurückgehalten zu werden. Es trug genau die Tracht der Männer, das Kopftuch, das sich unter den vollen aufgebundenen Haaren wie ein Turban um die Schläfe legte, die engen Hosen, den kurzen Sarong – nur die Jacke stand nicht, wie bei den meisten Eingebornen offen, sondern war bis oben hin wahrscheinlich zugeknöpft, und eine schön gefärbte Art Shawl lag ihm über den Schultern, und hing tief bis auf die Hälfte der Arme und über die eine Schulter hernieder. Trotzdem hätte ich darauf schwören mögen es sey ein Weib gewesen; dann lag aber auch dagegen eine so feste, und trotz der ehrfürchtigen Stellung, kecke Haltung in der ganzen Gestalt daß ich wieder an ihr irre wurde.

Ich machte, um dessen Urtheil darüber zu hören, meinen Nachbar den Amerikaner darauf aufmerksam, und frug ihn für was er den Diener halte, Knabe oder Mädchen. »Oh, damn it« sagte er nach einer kleinen Pause, nachdem er ihn von der Seite betrachtet hatte, denn er hielt eben einen der Khrise in der Hand, der ihn weit mehr zu interessiren schien – »das ist ein Junge – er hat ja Hosen an und ein Kopftuch auf – was für ein wundervoller Dolch das ist – der muß schweres Geld gekostet haben.« Der Dolch interessirte ihn mehr und er beachtete die Gestalt nicht weiter; auf ein Zeichen des Regenten verbeugte sie sich jetzt aber auch wieder, und trat hinter den nächsten Pfeiler, von dem sie sich durch eine andere Thür zurückgezogen haben mußte, denn ich sah sie nicht wieder. Während der ganzen Zeit daß sie im Zimmer gewesen, hatte sie ihren Blick auch keinen Moment von dem des Regenten abgewandt, und uns selber nicht ein einzigesmal auch nur flüchtig angesehen.

Die Waffen gingen indessen von einer Hand zur andern – sie alle hatten die eigenthümliche Form der Khrise, die sich, besonders mit dem merkwürdig gestalteten Heft, sehr schwer ohne Abbildung beschreiben läßt; einer aber übertraf den andern noch an Pracht und Juwelen, der einfachste von allen aber wäre mir der liebste gewesen, denn er hatte eine wundervoll kunstreich geflammte und damascirte Klinge und der Griff bildete ein goldenes, schwach aber geschmackvoll mit Juwelen besetztes Heiligen- oder Drachenbild. Die Arbeit daran war so kunstreich, daß ich fest überzeugt bin, nur die geschicktesten unserer geschickten Graveure wären im Stande gewesen diese Eleganz in Form und Muster herzustellen, und glaube, daß nur sehr wenige unserer Messerschmiede eine solche Klinge schmieden könnten.

Diese Klingen sind meistens gerade, manchmal aber auch etwas gebogen und sehr häufig geflammt, wie die alten deutschen Ritterschwerter oder Flammberge. Die Schneide ist dabei nie glatt und so haarscharf wie bei andern Dolchen, sondern durch das Damascirte mehr rauh und gerissen, doch darum nicht weniger schneidend. Die Wunden, mit dieser Waffe gegeben, müssen fürchterlich seyn, noch dazu da sie die Klingen häufig vergiften sollen, oder es auch schon in der Art ihres Damascirens liegt, ihnen Gift mitzutheilen, indem dieses vermittelst Arsenik, neben andern Ingredienzien natürlich, geschehen soll. Jedenfalls verbrauchen sie zur Verarbeitung dieser Masse eine große Quantität Arsenik, und es ist derselbe stets auf den öffentlichen Märkten zu kaufen. Einer der Khrise hatte, bei kostbarer goldener, reich mit Juwelen besetzter Einfassung, einem einfachen hölzernen Heft und eben solche Scheide. Das Holz war weißgelblich, und in der Mitte mit dunkelbrauner gemaserter Ader. Die Eingebornen sollen dieß sehr seltene Holz, wenn es die dunkle Ader in der Mitte besonders so stark hat, daß sie gleich breit und in gleicher Form auf beiden Seiten sichtbar wird, so hoch achten, daß sie es bei recht schönen Stücken mit Gold aufwiegen, und dieß Material wird dann höher geachtet, als Gold und Juwelen es je machen könnten. Als die Waffen von Allen besehen waren reichte sie der Regent einem der andern Diener, der sie an ihren Platz zurück trug – der junge Bursch – wenn es ein solcher gewesen – kam nicht wieder; ein paar Worte flüsterte er einem Andern zu und gleich darauf begannen die Gamelangs, die bis dahin einen Augenblick pausirt, oder wenigstens nur leise, wie fernes Glockenspiel fortgetönt hatten, eine andere Melodie.

Es waren Molltöne, weich und bis in die tiefsten Fasern des Herzens dringend – allem Anschein nach ohne gewissen Zusammenhang, und dann doch wieder in einander klingend, daß das Ohr wie zweifelnd ihrem Fortgang lauschte. Nicht selten tönte ein Accord ein, der voll und deutlich mit dem gerade vorüber geflogenen stimmte, aber in den schon wieder ein anderer Mißton hineinklang, während man doch auch zugleich fühlte daß es kein Mißton eigentlich sey, sondern wieder einer anderen, dieser ganz verschwisterten Weise angehöre, und voll und weich in das Ganze eingreife. So etwas muß aber gehört, empfunden seyn, es läßt sich das nicht beschreiben und wenn beschreiben, es läßt sich nicht in dem Leser dasselbe Gefühl erwecken – und das soll ja doch bei einer guten, lebendigen Beschreibung die eigentliche Wirkung seyn die der Schreibende verlangt, und ohne die all sein Mühen und Streben nutzlos und todt gewesen.

Plötzlich gingen die Töne zu einem lebhafteren Thema über, wie ein Kriegslied klang es, wie ein Schlachtengesang, der die Kämpfer zum Streit ermuntern sollte – den Sturmschritt der Andringenden gab, mit raschen kräftigen aber monotonen Schlägen, das eine Instrument, und wie Hohn klangen dazwischen einzeln gellende schreiende Töne, die kaum dem Gamelang entlockt seyn konnten.

Ich hatte die Augen geschlossen, mich ganz dem Eindruck dieser wunderbaren Weisen hinzugeben und ihren Sinn zu erfassen. Als ich sie wieder öffnete, kniete ein kleines Mädchen im Saal und legte sechs Bogen und Pfeile, drei und drei einander mit den Spitzen gegenüber, auf den Boden. – api rief der Regent, und Einer seiner dienstbaren Geister, der sich in eine etwas zu entfernte Ecke gedrückt hatte, glitt blitzesschnell und erschreckt daraus hervor, und zwar quer durch den Saal, übersah aber auch die Bogen und Pfeile, gerieth dazwischen und wäre, indem er sie durch einander schob, beinahe zu Boden geschlagen.

Der Regent verzog keine Miene dabei, ehe aber der Schaden gebessert werden konnte, erschienen die Mädchen auf der Schwelle – dießmal noch weit langsamer, wie widerstrebend und wieder und immer wieder durch einander gleitend, und sich jetzt, zum erstenmal, die Hände reichend. – Da plötzlich erklangen die scharfen klingenden Töne des Kampfes, und wie von einer unwiderstehlichen Macht getrieben flogen die Tänzerinnen jede auf ihren Platz, und griffen einen der Bogen und Pfeile auf. Rascher und immer rascher schallten die Schläge darein, greller und immer greller jubelten die scharfen herausfordernden Töne – die Bogen hoben sich, die Pfeile zielten auf das Herz der Gegner – aber sie schnellten nicht von der Senne – die wehmüthig schmerzdurchzückten Gesichter der holden Kinder wandten sich ab, die Spitzen der Pfeile senkten sich wieder, und traurig schüttelten sie die Köpfe daß die Goldspangen auf ihren Häuptern leise und klagend zusammenschlugen.

Wieder und wieder begann dann der frühere Reigen, wieder und entschlossen traten sie zum Kampf an, aber die Liebe war stärker in ihren Herzen als der Haß – kein Pfeil verließ die Senne; und wie gewaltsam gehalten blieben sie manchmal in ihrer feindlichen Stellung, und es schien oft, als ob sie die Bogen niederwerfen und sich in die Arme fliegen wollten.

Es war wie jener Kampf der Horatier und Curiatier, Geschwister gegen Geschwister, in unseligem Verhängniß – aber nicht wie die blutdürstigen Männer, die in blinder Wuth, die sie Vaterlandsliebe nannten, zum Kampfe eilten, fehlte ihnen die Kraft, die mörderischen Waffen auf einander zu führen, und verzweifelnd zwangen sie sich nun selber immer wieder zu einer verhaßten, entsetzlichen Pflicht zurück, der sie doch nicht genügen konnten.

Nie habe ich eine edlere, keuschere und dabei ergreifendere Pantomime gesehen, als den Tanz dieser sechs Mädchen; aber auch das Volk draußen vor den Thüren, das bis jetzt in ehrfurchtsvoller Stille mit keinem Laut gewagt hatte die Vorstellung zu unterbrechen, fühlte sich davon ergriffen, und wenn die Schwestern zum Kampf antraten, wenn sie endlich entschlossen die Bogen hoben, tönte mitleidiges Gemurmel – einzelne Rufe wie um Erbarmen, aus der Menge herüber, und die schwellenden Töne der Instrumente jauchzten daß kein Blut geflossen.

Endlich war ihre Erregung zum höchsten Gipfel gestiegen – die eine Parthei der Schwestern sprang zum letztenmal zu ihren Bogen und zielte auf die Brust der Gegner, diese aber senkten die Waffen und boten, mit weggewandtem Haupte ihr Herz zum Ziel – da fielen rasselnd die Bogen zur Erde nieder und auf einander zufliegend, während das Volk draußen jauchzte und schmetternd und freudejubelnd die Glocken einfielen in den Sieg der Liebe, umfaßten sie einander und im fröhlichen frohlockenden Tanz feierten sie die Versöhnung. – –

Die Eingebornen vor der Thür geberdeten sich indessen wie besessen und – ich brauche mich nicht zu schämen zu gestehen, daß mir selber eine Thräne in's Auge trat.

Der Tanz war hiernach gleich beendet, die Bajaderen verschwanden wie sie gekommen, im Nu waren die umhergestreuten Bogen und Pfeile entfernt, und wir selber nahmen gleich darauf Abschied von dem Regenten, der uns auf das freundlichste einlud, ihn bald wieder zu besuchen.

Die Europäer in Bandong, die wenigen Beamten dort, und die Pflanzer der benachbarten Plantagen haben Sonnabend Abend, von einem Ort zum andern wechselnd, gewöhnlich ein Kränzchen; auch an diesem Abend fand es statt, und zwar bei Herrn Bischer, bei dem sich indessen, da es ziemlich spät geworden war, die meisten Gäste schon versammelt hatten.

Aus einer fremden, fast feenhaften Welt kam ich, wie durch Zauberschlag in einen europäischen Salon. – Geputzte Herrn und Damen, Diener die Thee und Kuchen präsentirten, besetzte Spieltische und plaudernde lachende Gruppen.

Der Engländer und Amerikaner kamen ebenfalls einen Augenblick herüber, aber nur um vom Residenten Abschied zu nehmen – sie hatten eben einen »Ausflug« in die Berge gemacht, und wie es schien, schon vollkommen genug gesehen. Auch einer Jagdparthie hatten sie beigewohnt, aber Nichts geschossen – der Engländer versicherte mich, und ich hörte das auch später von einem Malayen, der mit ihnen draußen gewesen war, bestätigt, daß ihm ein Rhinoceros, und zwar sehr günstig zum Schuß gekommen sey, er habe aber nicht gewußt was es wäre, und es laufen gelassen. Auf Hirsche und Wildschweine war er nicht glücklicher gewesen. Der Amerikaner wollte schon mit dem nächsten Dampfboot wieder nach Singapore und von da nach Hongkong gehen.

Mir, schwindelte aber der Kopf noch viel zu sehr von dem oben Gesehenen, Gehörten, um heute besonders Theil an der Gesellschaft nehmen zu können, ich setzte mich deßhalb still und unbeachtet in eine der Ecken und sah, kaum halb wachend, dem Treiben zu. Ich weiß gar nicht wie ich an dem Abend zu Bett gekommen bin, aber durch die ungewöhnliche Aufregung vielleicht, oder auch noch von meiner kürzlichen Ohnmacht gefolgt, bekam ich die Nacht ein ziemlich starkes Fieber, das aber mit der Morgendämmerung schwand, so daß ich mich am nächsten Tag wieder vollkommen wohl und frei, nur noch etwas schwach und abgespannt fühlte.

Ich hatte an dem gestrigen Abend beim Residenten zwei sehr angenehme Bekanntschaften gemacht – die erste Herrn Phlippeau, der auf Lembang eine sehr bedeutende Kaffeepflanzung hatte, und die andere einem Herrn Brumstede, der zwischen hier und dort einer ebenfalls sehr bedeutenden Theeplantage vorstand. Beide Herren hatten mich auf das freundlichste eingeladen sie zu besuchen und ihre Anpflanzungen zu besehen und ich beschloß von diesen Einladungen auch schon in den nächsten Tagen Gebrauch zu machen. An diesem Tag – es war ein Sonntag – fühlte ich mich aber noch zu schwach, und nahm desto lieber die Einladung der Schwester des Herrn Bischer an, mit ihr und den Kindern ein wenig durch die Straßen von Bandong spazieren zu fahren. Ein paar der sogenannten Oppaß oder Polizeidiener begleiteten uns zu Pferde.

Das Wetter war herrlich und die Lage Bandongs, mit seinen geraden, heckeneingefaßten Straßen, mit den wundervollen Palmen und freundlichen Wohnungen wirklich entzückend.

Der Hauptplatz der Stadt ist der Platz zwischen der Wohnung des Residenten und der des Regenten, mit herrlichen Waringies oder Banianbäumen bepflanzt.

Der Waringie ist der geheiligte Baum der Javanen und steht gewiß stets vor den Wohnungen ihrer Häuptlinge oder ihren Moscheen; sein großartiger Wuchs macht ihn aber auch dieser Ehre würdig und ich habe wirklich einzelne Bäume gesehen die mich in stummem bewunderndem Staunen lange zu fesseln vermochten.

Es ist dieß aber auch wohl der einzige Baum den ich kenne, der hoch und großartig emporwächst und sich oft auf einem fast unglaublichen Flächenraum ausdehnt, während er eigentlich gar keinen Stamm hat. Der Waringie oder Banian ist nur Wurzel. Um ihn her ist die Erde, viele Schritt weit, mit einem so dichten Gewebe von Wurzeln durchzogen, daß man oft nicht einmal einen Stock zwischen sie hineinstoßen kann; wo sie in Hofräumen oder auf freien Plätzen vor den Häusern stehn, werden diese deßhalb auch stets in einer gewissen Entfernung vom Baum abgekappt. Eben diese Wurzeln aber bilden, zu einem festen Ganzen emporsteigend, aber immer wieder wie ein festgeschnürtes Reisigbündel, nur natürlich in größerem Maßstabe, den Stamm, der auch nie so hoch wird als bei anderen Bäumen dieser Größe, sondern sich bald wieder und so innig verwandt in riesig lange schlanke Zweige ausreckt, daß es fast den Anschein hat, als gingen diese Zweige, die man in ihren einzelnen Adern bis zum Boden hinunter verfolgen kann, gerade aus der Wurzel heraus und hielten sich nun, bis zu einer gewissen Höhe vom Boden fest vereinigt eine Art Stamm zu bilden.

Diese Zweige sind das großartigste was ich je an einem Baume gesehen habe, und von ihnen ab senken sie wieder, in langen, wie Taue abhängenden Schößlingen, schlanke Wurzeln gerade und senkrecht zur Erde nieder. Läßt man diese Wurzeln nun gewähren, so wachsen sie bald zu bedeutender Stärke heran, schlagen selber wieder Wurzeln und bilden so einen neuen Zweigstamm. Da aber, wo der Baum in Höfen oder vor den Häusern angepflanzt oder unterhalten ist, würden diese niederbreitenden Wurzeln viel zu großen Raum fortnehmen, und man kappt sie nun, etwa fünf oder sechs Fuß von der Erde ab, so daß sie jetzt nur ein höchst eigenthümlich aussehendes Behänge bilden, das mit seinem lebhaften Grau und fein geäderten Fasern auf wirklich reizende Weise gegen das dunkle Grün der Blätter absticht, die in langen elastischen Festons, jeder Blattzweig eine niederschaukelnde Guirlande, fast die Erde berühren.

Es ist kein Wunder, daß jene wilden Völker, die noch den schönen Glauben unserer eigenen Vorväter haben, der seine Götter selbst hier auf Erden mit den Menschen in einem einigen täglichen Verkehr stehen läßt, gerade diesen Baum von ihnen gewählt und geliebt glaubten, und ihn deshalb heilig hielten.

Wir fuhren durch die Hauptstraßen des Städtchens, besonders durch den Theil wo der Pasar oder Markt gehalten wurde, und die meisten Kaufläden waren. Jedes Plätzchen schien hier von den Händlern, meist Chinesen, benutzt, ihren kleinen unbedeutenden Kram auszubreiten, und mit untergeschlagenen Beinen saßen sie in ihren offenen Verschlagen und harrten der Käufer oder suchten die an ihren Stand getretenen Landmädchen von der Vortrefflichkeit ihrer eigenen Waaren und der untergeordneten Qualität derer anderer Verkäufer, zu überzeugen. Lieber Gott, es ist das Alles gerade wie bei uns – es drängt und treibt Alles um sein täglich Brod, und müht und quält sich, und glaubt so entsetzlich viel zu thun zu haben, glaubt Alles nur selber verrichten zu müssen und hält sich für unumgänglich nöthig im Getriebe des kleinen Räderwerkes, das wir die Welt nennen, bis auf einmal der Tod kommt und uns auf das Bret legt, wo wir nun auf einmal gar nichts mehr thun, und still und träumend vielleicht einem bessern Leben entgegenschlafen. Und die Welt geht doch – wir sind auf einmal nicht mehr da, legen nicht mehr die geringste Hand an, in all den Sachen die wir früher glaubten; daß sie gar nicht ohne uns bestehen könnten, und unverändert, ungestört hat das, in seinen einzelnen Theilen aber ebenso wunderbar gestaltete Ganze, seinen Fortgang; in wenigen Monden sind wir aus dem heraus, zu dem wir so völlig gehörten, ja das wir vielleicht zu leiten schienen, genommen und – vergessen.

Auch der Pasar hier, mit seinen nach vorn offenen und im Innern kaum durch eine dünne Bambuswand oder eine aufgehangene Matte getrennten Theilen, schienen ein Ganzes zu bilden, in dem nur eine gewisse Masse von Artikeln zum Verkauf ausgestellt wären und die dahinterstehenden Leute diesen Verkauf zu besorgen hätten, und doch bestand alle sechs Fuß von einander entfernt, in dieser kleinen Welt wieder eine kleinere, für sich vollkommen abgeschlossen mit anderen Interessen, anderen Plänen, anderen Wünschen und anderen Hoffnungen, und die Leute die hier friedlich neben einander saßen, von den Blättern ein und derselben Pflanze ihren Sirih kauten, waren vielleicht die grimmigsten Feinde und hegten Haß und Groll gegen einander im Herzen.

Es ist Alles das wie bei uns, nur ihre Kleider sind anders, ihre Hautfarbe ist von der unsern verschieden, in ihrer Sprache setzen sie die Laute anders – aber sie meinen dasselbe, sie denken, sie fühlen das nämliche, und das Blut ist bei Allen roth und warm.

Eins aber gefiel mir nicht bei diesen Leuten, und das war das knechtische Wesen, was sie überall, wenns ihnen auch wirklich nicht so ums Herz war, zur Schau trugen. Den Wagen des Residenten mit den Polizeidienern dahinter kannten sie ja, und wo er nur in eine Straße einbog, da entblößten die Männer nicht allein die Köpfe – dagegen hätte ich Nichts gehabt, aber nein, sie kauerten auch in tiefster Unterwürfigkeit auf die Erde nieder. Ebenfalls so die Frauen, die sich niederkauerten und, den Rücken der Straße zugekehrt, den Kopf abgewendet, ehrfurchtsvoll – aber ich kann das nicht ehrfurchtsvoll nennen, denn es ist sclavisch – warteten, bis der Wagen ihres Oberhauptes, das nicht einmal darin saß, vorübergerollt wäre.

Die Chinesen besonders scheinen Freude daran zu finden, ihre Zuneigung oder Ergebenheit recht augenfällig an den Tag zu legen, denn aus dem Hintergrund des Ladens, wo sie recht gut in ihrer Bequemlichkeit hätten bleiben können, sah ich sie oft vorspringen und vorn am Eingang niederkauern, die Eingeborenen aber drücken sich fort wo sie das noch mit guter Manier thun können – die Frauen und Mädchen suchen, wenn sie irgend Zeit haben, in die verschiedenen kleinen, abzweigenden Alleegassen hineinzukommen, und die Männer biegen, wenn sie einen solchen Wagen die Straße unten heraufkommen sehen, lieber in eine Nebenstraße ab. Hie und da sieht man auch wohl eine trotzige mürrische Gestalt die aufrecht stehen bleibt und nur kaum den Hut seitwärts auf die Schulter zieht – die Polizeidiener werfen denen aber dann immer grimmige Blicke zu und rufen ihnen auch Wohl drohende, zurechtweisende Worte hinüber. Es ist das die »äußerste Linke« unter den Bergvölkern, sie scheint aber, zum Glück der Holländer, noch ziemlich schwach vertreten zu seyn, sonst könnten wenige hundert Europäer wohl kaum diese Millionen kräftigen Leute regieren und unterworfen halten.

Nicht in den Buden allein werden übrigens Waaren feil geboten, sondern ambulirende Händler gehen ebenfalls mit ihren verschiedenen Körben und Geschirren an den belebtesten Stellen auf und nieder, oder kauern am Wege hin, Käufer abzuwarten. Diese besonders haben Früchte, Gebäck, gekochten und gebackenen Reis, Matten, Korbwaaren, Fußdecken u. s. w. – Die Käufer aber sind großentheils die in umliegenden Kampongs lebenden Eingeborenen selber, die meistens Reis oder andere Produkte hereinbringen, und dafür was sie im Hausstand brauchen, wieder mit hinausnehmen. Die Frauen scheinen dabei eine sehr bedeutende Rolle zu spielen, denn ich habe ganze Schaaren von ihnen gesehen. Es sind meistens schöne blühende Gestalten, diese halbnackten Mädchen aus den stillen, lauschigen Palm-Oasen.

Am andern Morgen früh machte ich mich auf, die Theeplantage des Herrn Brumstede zu besuchen und Herr Bischer war so freundlich mir einen seiner Oppaß mitzugeben, daß ich den Weg nicht verfehlte. Vorher sollte ich einen, nicht weit von meiner Richtung abliegenden kleinen Wasserfall besuchen.

Dorthin ritten wir zuerst, und erreichten bald einen schmalen Bergstrom, der sich jetzt, satt und ärgerlich seine ganze Lebenszeit weiter nichts zu thun als Reisfelder zu bewässern, in sein wildes steiniges Bett zurückgezogen hatte, und nun nach Herzenslust sprang und toste, über die in seinem Weg liegenden Felsblöcke setzte, an dem Ufer hinaufspritzte und sich Steine herunterholte zum tobenden Spiel und zum Runddrechseln.

Wir stiegen die ziemlich steilen aber üppig mit Gras bewachsenen Ufer, die Pferde am Zügel führend, hinunter – zahlreiche Heerden von Kühen weideten hier, und faule Karbauen – die Zugstiere der Javanen – lagen schläfrig an den Hängen und käuten alte, lang gegessene Geschichten wieder. Eine kleine Strecke folgten wir so den Bach hinauf und ich hörte schon das Brausen des Wasserfalls, konnte ihn aber, eines vorspringenden Felsens wegen, noch nicht sehen. Jetzt bogen wir um die Ecke und ich hatte ein zwar keineswegs großartiges aber so liebliches wild romantisches Bild vor mir, wie ich es je gesehen.

Der Fall selber hatte sich hier, seit Jahrhunderten vielleicht, einen kleinen Kessel gewühlt, in den er, um der heißen drückenden Atmosphäre da oben zu entgehen, Hals über Kopf hinuntersprang. Es war ein Strahl von vielleicht nur vier bis fünf Fuß im Durchmesser und er fiel kaum höher als zwanzig bis fünfundzwanzig Fuß hinab. Wo er aber stürzte waren die Wände selbst unterminirt und das kleine, vielleicht kaum mehr als sechzig Schritt breite wie lange Bassin, zitterte und bebte ordentlich, so toll und ungestüm kam ihm der wilde Bursche in die Arme gesprungen.

Aber wenn auch die Wände des Bassins steil und abschüssig hinaufgingen, waren sie deshalb nicht kahl und nackt, nein die Natur hatte sie mit ihren verschwenderischen Gaben ausgestattet, und mit Schlingpflanzen und Blumen so geschmückt und förmlich tapezirt, daß von dieser eingebrochenen Erdwand, durch die der Bach sich erst seine Bahn gewühlt und deren Material er nachher mit nicht geringer Mühe und Ausdauer durch den schmalen Ausgang wieder hinausgespült und gefegt hatte, auch keine Handbreit Erde oder Steine zu sehen war, sondern Alles nur eine einzige Masse grüner, schwankender, duftender Guirlanden und Draperien bildet, auf deren dunkeln saftgrünen Blättern, wie tausend und tausend Perlen der aufspritzende Thau des kleinen Bergstromes hing oder in klaren blitzenden Tropfen niedersickerte, von einem Blatt, von einer Blüthe zur anderen sprang, und zuletzt wieder in das alte Bett seines Ursprungs – das unausweichliche Schicksal alles Lebenden – zurückstürzte.

War die Luft aber schwül und drückend heiß, so wehte und herrschte hier unten eine wahrhaft erfrischende Kühle, und dabei schauten aus dem frischen lebendigen Grün neugierig die breiten saftigen Blätter des palmähnlichen Pisang hervor, und wehende Bambusmassen neigten und schaukelten ihre federartigen rauschenden Wipfel über dem lieblichen Platz.

Ich hätte hier volle Stunden liegen und dem rauschenden Quell lauschen, den wehenden Bambus-Wipfeln zuschauen mögen, die Sonne stieg aber immer höher und ich wollte noch gern, ehe die Nachmittagsregen anfingen, die Theeplantage besucht haben, und auch nach Bandong zurückgekehrt sein. Wir stiegen also wieder den Hügelhang hinan, kreuzten etwas weiter unten den kleinen Strom, der sich wild gegen uns anwarf und uns erst gar nicht hinüberlassen wollte, so stolz und trotzig war er durch die letzten Regen und seinen Wasserreichthum geworden; er konnte uns aber doch nicht daran hindern sein Bett zu durchwaten, und wenn er meinem Thier – als ob ich nun gar nichts da zu suchen hätte – auch einmal für einen Augenblick die Füße wegriß, bekam es doch gleich wieder Grund und wir erreichten, wenn auch etwas naß, glücklich das andere Ufer.

Es ging von jetzt an scharf bergauf, oben aber, auf dem Hügelrücken angekommen, wo wir außerdem noch eine reizende Aussicht hatten, begannen die Theegärten und ich fing schon an mich ganz und gar chinesisch zu fühlen.

Nicht weit entfernt mehr davon lagen, der Sonne etwas zu sehr preis, aber doch mit freundlichen Gärten umgeben, die Wohn- und Trockengebäude von Tjioem boeleoit, Herrn Brumstedes Theeplantage, und wir galoppirten rasch darauf zu. Herr Brumstede empfing mich auf das freundlichste und nach einigen eingenommenen Erfrischungen gingen wir hinaus das Trocknen und Bereiten des Thees mit anzusehen. Natürlich war hier Alles für mich von größtem Interesse und ich verbrachte hier einige sehr angenehme Stunden.

Die Bereitung des javanischen Thees soll sich von der des chinesischen in manchen Kleinigkeiten unterscheiden, im Allgemeinen aber doch jener ziemlich gleich kommen.

Wie wir auch in Deutschland schon seit längeren Jahren aus China wissen, kommt der schwarze wie grüne Thee nur von einer Pflanze, und es ist einzig und allein die Bereitung die ihm, durch soviel als mögliche Entziehung des eigentlichen Saftes, die grüne Farbe gibt, oder ihm die, mehr natürliche durch das Trocknen dunklere läßt.

Die Theestauden selbst werden kurz und niedrig gehalten – sie dürfen nicht zu viel Holz treiben – hier aber findet ein bedeutender Unterschied zwischen dem javanischen und chinesischen Thee statt. Das kalte Klima in China gestattet nur eine Jahreszeit zum Pflücken, und die Sträuche haben die übrige Zeit Ruhe, neuen Saft zu frischen Trieben vorzubereiten. Die heiße Sonne Javas – obgleich diese Plantagen alle auf hohem Lande, diese etwa 2500 Fuß über der Meeresfläche angelegt sind – gestattet dagegen keine Ruhe – sie wirkt und treibt ununterbrochen fort, und das Pflücken der jungen frischauskeimenden Blätter wird deshalb auch keinen einzigen Tag im ganzen Jahr – schlechtes Wetter natürlich abgerechnet – ausgesetzt. Die Arbeiter suchen ihre bestimmten und f?r sie eingetheilten Distrikte von oben nach unten ab, und wenn sie unten fertig sind, können sie getrost wieder oben anfangen.

Beim Pflücken knipsen die Arbeiter die jung herauskommenden Blattkeime mit den Nägeln so ab, daß sie immer die obersten der Blättchen, die dann noch zusammengeschlossen mit dem Herz des Zweiges, und das nächste darunter, fortnehmen, diese werden dann in Körben zu Hause getragen und entweder zum schwarzen oder grünen Thee bestimmt.

Die Blätter, aus denen man schwarzen Thee zu bereiten gedenkt, kommen gleich nach dem Pflücken auf flache, aus Bambus geflochtene luftige Körbe, in die Sonne, um dort vor allen Dingen erst zu welken. Sobald sie welk sind, werden sie ins Haus getragen und mit den Händen gerollt.

Im Trockengebäude flehen gewaltige Oefen, die in lang abgebaute Herde auslaufen, auf diesen sind halbrunde beckenartige Metallplatten, meist Stahl oder Eisen angebracht, welche, je nachdem sie näher oder entfernter zum wirklichen Feuerplatz stehen, auch mehr oder weniger Hitze erhalten und mittheilen können. Nachdem die für schwarzen Thee bestimmten Blätter einmal gerollt sind, kommen sie auf die am wenigsten heiße Platte zum Ausdünsten. Nach einer bestimmten Zeit werden sie wieder heruntergenommen und noch einmal gerollt – dann wieder auf heißere Platten gelegt, hiernach noch einmal gerollt, und dann ist der Thee soweit seiner Vollendung nahe, daß er nur noch ausgebreitet und vollkommen getrocknet zu werden braucht, worauf er dann nachher auf die Böden kommt und dort durch Mädchen und Kinder ausgesucht und sortirt wird.

Zu dieser Arbeit ist übrigens ein Haupterforderniß daß Arbeiter leicht zu erhalten und billig seien, denn sie erfordert eine Masse Hände, was sich denken läßt, da jede Kleinigkeit die nicht zum Blatt gehört, jedes kranke oder nicht richtig behandelte Blatt, herausgesucht und das gute nach seinem wirklichen Werth, also jedes Blatt einzeln, sortirt werden muß. Die Weiber haben und erwerben auch darin eine sehr große Fertigkeit und das Ganze geht viel schneller als man unter solchen Umständen eigentlich erwarten sollte.

Der beste schwarze Thee, die feinen wolligen Keimknospen, werden übrigens gar nicht gerollt, sondern wenn sie in der Sonne erst gewelkt sind, nun in das Haus gebracht und auf mäßigem Feuer leicht getrocknet.

Anders ist dagegen schon in sofern die Behandlung des grünen Thees, daß dieser, gleich von vorn herein, gar nicht in die Sonne zum Trocknen kommt, sondern augenblicklich in die, zu seiner Bereitung bestimmten und hierzu besonders eingerichteten Häuser getragen wird. Zu diesem Ende wird er noch auf den Oefen zuerst gewelkt, hiernach aber eine Procedur mit ihm vorgenommen, die ihm den größten Theil seines scharfen Pflanzensaftes entzieht. In eigends dazu hergerichteten Behältern, wo selbst Wasser Zutritt hat, wird er geknetet, daß der Saft förmlich abläuft. Dieß Kneten geschieht mit den Händen und er wird dabei so ausgepreßt, wie es nur der Menschenkraft möglich ist, es zu bewerkstelligen.

Hiernach kommt er gleich zum Trocknen auf anders als zum schwarzen Thee gebaute Oefen oder Röhren, wird hier vollkommen gedörrt und kommt nun, was ihm erst die ihm später eigenthümliche grünliche Farbe gibt, in besondere Schwingen, in denen er eine bestimmte Zeit hin und hergeworfen und dadurch der Luft Zugang zu ihm verschafft wird. Früher geschah dieß Alles in einer Art Futterschwingen durch einzelne Menschen, und es läßt sich denken, wie viel Zeit dazu erfordert wurde, da man immer nur sehr wenig Thee in eine solche Vorrichtung thun konnte, jetzt hat aber Herr Brumstede eigene Maschinen dazu hergerichtet, eine Art großer Kaffeebrenner, wenigstens der Form nach, mit durchlöcherten Blechen, in denen große Quantitäten auf einmal verarbeitet werden können.

Sobald der jetzt grüne Thee aus den Schwingen kommt, wird er, auf circa 120 Grad Wärme, noch einmal gründlich getrocknet und dann in die gewöhnlichen zur Aufbewahrung bestimmten großen Kisten gethan, in die großartigsten Theebüchsen die man sich denken kann und die einer »kleinen Familie« gewiß lange aushalten würden.

Natürlich hat Herr Brumstede zur vollständigen Bearbeitung und Verpackung, vom ersten Beginn bis zur Vollendung, weiter nichts als Eingeborene, und es ist »interessant« (wie die Missionäre sagen) zu sehen, wie sich diese braunen Gestalten schon all in die Kunst und Handgriffe ihres Gewerkes hineingefunden haben. Einen besonders sprechenden Beweis hierzu liefert das Verpackungsgebäude, wo auch die Bleiplatten selber gegossen und der Druck und die Malereien der zur Beklebung der Kisten bestimmten Papiere hergestellt werden. Nur das Papier selber bezieht man in Java noch aus China, weil es hier unmöglich, wenigstens jetzt noch, so billig geliefert werden könnte.

Die Druckerei ist übrigens sehr einfach – die Platten dazu sind natürlich stereotyp – meistens sogar in Holz geschnitzt und der Drucker überstreicht sie einfach mit der Farbe und preßt den Streifen Papier mit der Hand darüber hin.

Die Malerei der Kisten geschieht schon auf künstlichere Weise. – Mit einer Art Schablone wird allerdings der erste Umriß angedeutet, dann malt aber der Künstler auch das übrige aus freier Hand nach, oft dabei zurücktretend und mit schiefgehaltenem Kopf die Wirkung seiner ganz außergewöhnlichen und in keinem botanischen Werk noch vorkommenden Blumen in ihrem Effekt belauschend. Stiele und Blätter werden mit geschickter Hand hinzugefügt, und das »Gemälde« ist fertig.

Ehe der Thee übrigens in kleine Kisten verpackt wird, nimmt man ihn noch einmal auf Oefen, um die letzte und vielleicht noch etwa gesammelte Feuchtigkeit daraus zu entfernen, und er wird dann in seinen für ihn bestimmten Behälter eingelöthet.

Der Himmel hatte sich indessen bewölkt; in der Regenzeit, die mich bis jetzt immer, Gott sei Dank, in allen Ländern erwischt hat, welche ich besuchte, mögen sie nun nördlich oder südlich vom Aequator liegen, setzt es gewöhnlich Nachmittags um zwei oder drei Uhr zum Regnen ein, wo es bis sechs, acht oder neun Uhr Abends förmlich herunter gießt, und obgleich ich in den letzten drei Jahren ziemlich daran gewöhnt worden war tüchtig ausgewaschen zu werden, wollte ich mich doch nicht muthwillig einem solchen Platzregen preisgeben. Nach eingenommenem Frühstück, nahm ich deßhalb von Herrn Brumstede, der mir versprach, mich auch noch einige Proben seines Thees haben zu lassen, Abschied und galoppirte Thalab in die Bandong-Ebene hinunter, daß mein Polizeidiener kaum hinter mir drein konnte.

Eben hatten wir die Plantage verlassen, als sie sich auch schon in dichte Regenwolken hüllte, selbst bei uns fing es an zu tröpfeln und wir ließen die Pferde wacker ausgreifen. Näher und näher kam der Regen, näher und näher kamen wir aber auch Bandong, und der Oppaß hatte, dort endlich glücklich angelangt, kaum die Sättel ins Trockene gebracht, als es förmlich wieder sündfluthete.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Reisen 5. Band - Java